Pressemitteilung | 14.9.2016 | acr Kirill Serebrennikov entdeckt in Rossinis 200 Jahre altem Belcanto-Klassiker den Prototyp der modernen Romanze Il barbiere di Siviglia zwischen virtueller Selbstinszenierung und unkaputtbarer Situationskomik Premiere: Sonntag, 9. Oktober 2016 | 18 Uhr | In italienischer Sprache Die komische Oper schlechthin erstmals an der Komischen Oper Berlin in italienischer Sprache – für die erste Premiere der Spielzeit 2016/17 nimmt sich einer der spannendsten russischen Regisseure der Gegenwart Il barbiere di Siviglia vor: Kirill Serebrennikov, der an der Behrenstraße mit American Lulu sein deutsches Operndebüt gab und mit seiner Stuttgarter Salome in der vergangenen Spielzeit Publikum und Presse begeisterte, inszeniert Rossinis Liebes-Komödien-Klassiker als modernes Versteckspiel hinter konstruierten und wahren Identitäten. In den Hauptpartien der Neuproduktion sind die Ensemblemitglieder Tansel Akzeybek als Conte d’Almaviva, die gerade für den Theaterpreis FAUST nominierte Nicole Chevalier als Rosina, Philipp Meierhöfer als Don Basilio und Dominik Köninger als rasanter Titelheld zu erleben. Die Musikalische Leitung übernimmt Antonello Manacorda, Künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam, der zuletzt mit Berlioz’ Béatrice et Bénedict in Glyndebourne begeisterte. Verwechslung, Verkleidung und ein verworrenes Beziehungsgeflecht sind die Basis für jede gute opera buffa, doch Serebrennikov spürt dahinter den zeitlos psychologischen Kern von Geschichte und Figuren auf. Er verlegt die Handlung in die heutige Zeit, ohne dabei auf die unzähligen komischen Situationen zu verzichten. Die Motive für einen Flirt mithilfe von geheimen Botschaften, Verschleierung und Selbstinszenierung sind die gleichen wie zu Rossinis Zeiten. Paarungswilligen Großstädtern bieten die sozialen Netzwerke heute nur ungleich mehr Möglichkeiten – von der virtuellen Selbstoptimierung bis hin zum digitalen Rufmord. Serebrennikov entdeckt hinter Rossinis an den Wahnsinn kratzender musikalischer Komik eine dunkle Facette und kitzelt in jeder Figur jene beunruhigenden Fasern der menschlichen Natur hervor, über die man erschaudert, oder aber: lacht. Heute wie vor 200 Jahren. Weitere Informationen auf den folgenden Seiten Stiftung Oper in Berlin/Komische Oper Berlin Behrenstraße 55–57, 10117 Berlin Telefon +49 (0)30 202 60 370 Fax +49 (0)30 20260 366 Dr. Andrea C. Röber Pressesprecherin [email protected] www.komische-oper-berlin.de Gioachino Rossini Il barbiere di Siviglia Commedia in zwei Akten [1816] | In italienischer Sprache Libretto von Cesare Sterbini nach der Komödie von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais Musikalische Leitung: Antonello Manacorda Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme: Kirill Serebrennikov Co-Bühnenbild: Alexej Tregubov Video: Ilya Shagalov Dramaturgie: Johanna Wall Chöre: David Cavelius Licht: Diego Leetz Besetzung Tansel Akzeybek/Tuomas Katajala (Graf Almaviva), Philipp Meierhöfer (Bartolo), Nicole Chevalier/ Karolina Gumos (Rosina), Dominik Köninger/Günter Papendell (Figaro), Tareq Nazmi/Jens Larsen (Basilio), Denis Milo* (Fiorello), Julia Giebel/Annika Gerhards (Berta), Chorsolisten der Komischen Oper Berlin u. a. Premierenbesetzung unterstrichen *Mitglied des Opernstudios der Komischen Oper Berlin Termine Premiere: Sonntag, 9. Oktober 2016, 18 Uhr Weitere Vorstellungen: 13. / 16. / 19. / 28. Sept, 5. / 26. Nov, 4. / 16. / 26. Dez 2016 5. / 13. Jul 2017 Karten Preise: 12 - 92 € Kartentelefon (030) 47 99 74 00 | Mo bis Sa: 9 bis 20 Uhr, So- und Feiertage: 14 bis 20 Uhr [email protected] www.komische-oper-berlin.de 2 Hintergrund Ein gewitzter, schlagfertiger, opportunistischer, materialistischer und durch und durch amoralischer Haareschneider erfreut sich seit über 200 Jahren höchster Beliebtheit beim Opernpublikum. Rossinis Il barbiere di Sevilla gehört seit der Uraufführung am 20. Februar 1816 im Teatro de la Torre Argentina in Rom zum Kernrepertoire der internationalen Opernhäuser und zu den meistgespielten Werken überhaupt. An der Komischen Oper Berlin wurde die Commedia erstmals 1950 von Günther Rennert inszeniert, zuletzt verlegte Daniel Slater den Dauerbrenner 2002 in die 1960er-Jahre. Klassische Komödien-Konstellation trifft auf musikalisches Genie Die altbewährte Komödien-Konstellation, die Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais’ Schauspielvorlage zugrunde liegt – alter Bock, junges Mädchen, windiger Liebhaber – gewinnt durch die Figur des Figaro mit ihren fast schon mephistophelischen Zügen neues Leben. Als Außenseiter ist er niemandem Rechenschaft schuldig außer der eigenen Geldbörse. Mit Charme und ansteckender Fröhlichkeit (und je nach Auftragslage) manipuliert er das Schicksal anderer Leute – sei es das des zielstrebigen Grafen Almaviva, der liebesverblendeten Rosina oder des in allem und allen Fremden eine Bedrohung witternden Dr. Bartolo. Rossini– als Komponist, Cellist, Geiger, Sänger, Hornist, Hobbykoch und begnadeter Humorist selbst eine Art »Faktotum« – schuf mit gerade 23 Jahren unter höchstem Zeitdruck in nur etwa zwei Wochen aus Beaumarchais’ Vorlage ein rasantes musikalisches Verwechslungs-, Verkleidungs- und Verwirrspiel, das heute als Meisterwerk der italienischen opera buffa verehrt wird. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es sind Rossinis Händchen für Melodien, seine Fülle musikalischer Einfälle, seine kontrastreiche Rhythmik, Dynamik und Stimmführung ebenso wie sein raffiniert subtiler, ironischer Humor und seine schnelle, intelligente Textvertonung. Bartolos Arie enthält vermutlich das schnellste je geschriebene Buffo-Plappern der Operngeschichte und die explosive Auftritts-Kavatine des Figaro zählt zu den berühmtesten Arien der Operngeschichte. Dirigent Antonello Manacorda sucht in der Musik allerdings auch abgründigere Töne – nicht zuletzt in der ebenfalls weltberühmten Ouvertüre, die der Komponist aus einer seiner heute weitaus weniger bekannten ernsten Oper entlehnte, dem dramma per musica Elisabetta, regina d'Inghilterra. Serebrennikov forscht hinter den Masken des leichtfüßigen Stoffs Gerade den abgründigen Facetten der Geschichte und ihrer Figuren möchte auch Kirill Serebrennikov in seiner Inszenierung nachspüren. In ihnen entdeckt er den zeitlosen Kern jeder wahrhaftigen Komik. Und die ist es, die Rossinis Werk 3 unsterblich gemacht hat. Serebrennikov ist international erfolgreich als Opern-, Film- und Theaterregisseur tätig. Er startete seine Karriere unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im ebenso boomenden wie anarchischen privaten Fernsehen der erodierten Ex-Sowjetunion. Vor dessen zunehmender Kommerzialisierung flüchtend, wechselte er ins Schauspiel und gab 2011 sein Debüt als Musiktheaterregisseur mit Der goldene Hahn am Bolschoi Theater Moskau. Der Regisseur, der sich als Kind der Perestrojka begreift, leitet heute provokant, radikal, liberal und furchtlos das Gogol-Center in Moskau, eines der wenigen alternativen, nicht amtlich regulierten und daher auch gefährdetsten Theater im politisch angespannten Russland. Im Barbiere di Siviglia möchte er hinter die Masken der Charaktere blicken: Wer sind diese Figuren? Graf, Rosina, Figaro, Bartolo –im Grunde kennen sie sich alle nicht, jeder macht dem anderen etwas vor. Liebt Rosina den vermeintlich armen Studenten wirklich? Oder geht es ihr nicht doch besonders darum den erstickenden Zukunftsaussichten im Hause des ewiggestrigen Dottore Bartolo zu entwischen? Und der Graf, liebt er wirklich ein Mädchen, dessen Namen er nicht einmal kennt, oder geht es nicht doch einfach nur um die neue Eroberung? Steckt in seiner Verkleidung nicht auch die Möglichkeit, sich stets ganz unverbindlich verbindlich zu zeigen? Biographien (Auswahl) Kirill Serebrennikov, Theater-, Opern-, Film- und Fernsehregisseur, stammt aus Rostow am Don. An der Universität seiner Heimatstadt studierte er Physik. Bereits während des Studiums führte er Regie an einem Theaterstudio, ab 1994 an den Theatern von Rostow, wo er zahlreiche Klassiker der russischen Literatur auf die Bühne brachte. 2001 folgte seine erste Inszenierung in Moskau – Plastilin von Wassilij Sigarew. Seitdem inszenierte er an verschiedenen Theatern der russischen Hauptstadt, so am Puschkin-Theater, am Sowremennik-Theater oder am Staatlichen Theater der Nationen. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Moskauer TschechowKünstlertheater: Als Regisseur inszenierte er dort u.a. Ostrowskijs Der Wald, Brechts Die Dreigroschenoper, Gorkis Die Kleinbürger, Martin McDonaghs The Pillowman. Von 2011 bis 2012 war Serebrennikov dort stellvertretender Intendant und leitete 2012 den Studiengang Schauspiel und Regie der hauseigenen Theaterschule. Mit seinen Studenten gründete er das »Siebte Studio« und inszenierte u.a. Shakespeares Ein Sommernachtstraum und Carrolls Die Jagd nach dem Schnark. Das »Siebte Studio« wurde Teil des 2012 gegründeten und von Kirill Serebrennikov als Intendant geleiteten Gogol-Centers, eines genreübergreifenden Theaterlabors und eine der wenigen inoffiziellen alternativen Spielstätte der russischen Kulturlandschaft. Hier inszenierte er u.a. Tote Seelen von Gogol, Gewöhnliche Geschichte von Gontscharow sowie Frühlings Erwachen nach dem Musical von Duncan Sheik. Seine Inszenierung von Idioten 4 nach Lars von Triers gleichnamigem Film wurde zum Gastspiel an die Berliner Schaubühne eingeladen. Seit 2006 ist Serebrennikov einer der künstlerischen Leiter der internationalen Festival-Schule »Territoria«. 2011 gründete er in Moskau ein experimentelles Werkstatt-Projekt »Plattform«, dessen künstlerischer Leiter er bis 2014 war. Im Musiktheater inszenierte Kirill Serebrennikov u.a. Der goldene Hahn am Bolschoi Theater und Falstaff am Mariinskij Theater. Zudem inszenierte er die Oratorien Jeanne d’Arc au bûcher von Arthur Honegger und Perséphone von Igor Strawinsky am Moscow International Performing Arts Center. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Nationalfernsehpreis Russlands für Regie (1999), East of West Award beim Karlovy Vary Filmfestival (2005 für seinen Film Ragin) sowie der russische Theaterpreis Goldene Maske (2012). Sein Film Ismena (Untreue) wurde 2012 mit dem Grand Prix des Filmfestivals in Rom ausgezeichnet und für den Goldenen Löwen beim Filmfestival in Venedig nominiert. Mit seinem jüngsten Film Uchenik (Der Schüler) sorgte er bei den Filmfestspielen in Cannes 2016 in der Sektion Un Certain Regard für Aufsehen. An der Oper Stuttgart inszenierte Kirill Serebrennikov 2015/16 überaus erfolgreich Salome. Nach seiner Debüt-Inszenierung der Uraufführung von Olga Neuwirths American Lulu (2012, nach Alban Berg) kehrt er mit 2016 mit Il barbiere di Siviglia an die Komische Oper Berlin zurück. Antonello Manacorda ist seit der Saison 2010/2011 Künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam und seit der Saison 2011/2012 Chefdirigent des niederländischen Het Gelders Orkest. Von 2006 bis 2010 war er Chefdirigent der Mailänder Pomeriggi Musicali. Als Dirigent von Opernproduktionen und Konzertprogrammen hat Antonello Manacorda bei vielen der weltweit führenden Ensembles und Opernhäusern gastiert, darunter in jüngster Zeit beim hrSinfonieorchester, Symphonieorchester Göteborg, Philharmonie Helsinki, BBC Philharmonic, Orchestra della Svizzera Italiana, Teatro la Fenice und beim Schwedischen Kammerorchester. Bei der Mozartwoche Salzburg debütierte er mit dem Mozarteumorchester in einer konzertanten Aufführung von Schuberts Alfonso und Estrella. Im Februar 2014 leitete er in Potsdam an vier aufeinanderfolgenden Tagen einen Beethovenzyklus mit der Kammerakademie Potsdam. Ebenso regelmäßig ist er im Concertgebouw Amsterdam mit Het Gelders Orkest zu Gast. In der Saison 2015/16 gab Manacorda ein gefeiertes Debüt am Theater an der Wien mit Rossinis Otello und den Wiener Symphonikern, im August 2016 war er erstmals in Glyndebourne, wo er Berlioz’ Béatrice et Bénédict mit dem London Philharmonic Orchestra leitete. Zu den Höhepunkten der Saison 2016/17 im Konzertbereich zählen Debüts beim Orchestre National du Capitole de Toulouse, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und bei der Camerata Salzburg. Mit der Kammerakademie Potsdam hat Antonello Manacorda einen Schubert-Zyklus 5 für Sony aufgenommen, der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde – so zählte Die Welt eine der Aufnahmen zu den zehn besten Einspielungen des Jahres 2013. Beim ECHO Klassik 2015 erhielt die Kammerakademie Potsdam für den Zyklus den Preis in der Kategorie Ensemble des Jahres. Mit Het Gelders Orkest und der schwedischen Sopranistin Lisa Larsson hat Antonello Manacorda Mahlers 4. Symphonie eingespielt, die CD wurde im November 2014 bei Challenge Records veröffentlicht. Wieder für Sony wird Manacorda alle Symphonien von Mendelssohn aufnehmen, die erste CD ist im August 2016 erschienen. Auch im Opernbereich ist Antonello Manacorda erfolgreich, so dirigierte er im Dezember 2014 Mozarts Betulia Liberata im Rahmen der Potsdamer Winteroper. Eine besondere Verbindung hat er zum Regisseur Damiano Michieletto und zum Teatro La Fenice in Venedig. Dort stand im November 2015 erneut Die Zauberflöte unter seiner Leitung auf dem Programm, inszeniert von Michieletto. Unter seinen zukünftigen Engagements finden sich das La Monnaie in Brüssel, die Bayerische Staatsoper, die Komische Oper Berlin sowie die Oper Frankfurt. Antonello Manacorda war Gründungsmitglied und langjähriger Konzertmeister des Mahler Chamber Orchestra. Ein Stipendium der in seiner Heimatstadt Turin ansässigen De Sono Associazione per la Musica ermöglichte ihm ein zweijähriges Dirigierstudium bei Jorma Panula in Helsinki. Von 2003 bis 2006 war Antonello Manacorda künstlerischer Leiter im Bereich Kammermusik an der Académie Européenne de Musique beim Festival in Aix-enProvence. Tansel Akzeybek www.komische-oper-berlin.de/spielplan/il-barbiere-di-siviglia/tansel-akzeybek/ Philipp Meierhöfer www.komische-oper-berlin.de/spielplan/il-barbiere-di-siviglia/philipp-meierhoefer/ Nicole Chevalier www.komische-oper-berlin.de/spielplan/il-barbiere-di-siviglia/nicole-chevalier/ Dominik Köninger www.komische-oper-berlin.de/spielplan/il-barbiere-di-siviglia/dominik-koeninger/ 6