Soziologisches Institut der Universität Zürich Lucas Federer Seminar: Soziologie der politischen Parteien Prof. Dr. Hans Geser HS 2011 17.11.2011 Das Links-Rechts-Schema als politischer Code Fuchs, Dieter / Klingemann, Hans D. (1989): Das Links-­‐Rechts-­‐Schema als politischer Code. Ein interkultureller Vergleich auf inhaltsanalytischer Grundlage. (In: Kultur und Gesellschaft, Verhandlungen des 24. Deutschen, des 11. Oesterreichischen und des 8. Schweizerischen Kongresses für Soziologie. Campus, Frankfurt/New York, S. 484-­‐498). Funktionen des Links-­‐Rechts-­‐Schemas 1. Individualperspektive: Das Schema dient zur Reduktion von Komplexität. Als räumliche Metapher hilft es, sich in komplexen politischen Systemen zurecht zu finden, es dient der Orien-­‐ tierung in einer sich schnell wandelnden Welt. 2. Systemperspektive: Das Schema funktioniert als generalisiertes Kommunikationsmedium, genauer als politischer Code. Dieser ermöglicht die Kommunikation, auch wenn die Beteilig-­‐ ten nicht dasselbe Verständnis aufweisen. Welche Eigenschaften weist dieses Schema auf, damit es seine Kommunikationsfunk-­‐ tion erfüllen kann? „Die Besonderheit eines Codes besteht darin, dass er in der Lage ist, für jedes beliebige I-­‐ tem in seinem Relevanzbereich ein komplementäres anderes zu suchen.“ -­‐Luhmann, Ni-­‐ klas (1981): Soziologische Aufklärung 3. Opladen, S.268. Vom formalen räumlichen Schema zum Kommunikationsmedium Das Links-­‐Rechts-­‐Schema muss dazu mit Bedeutungen angefüllt sein, um der Kommuni-­‐ kation dienlich zu sein. Diese Bedeutungen sollten gewisse, strukturelle Eigenschaften aufweisen: -­‐ Symbolische Generalisierung: Verallgemeinerung von Sinnorientierungen, die eine Vielfalt konkreter Bedeutungen kommunikativ aufeinander beziehbar machen. Der Abstimmungsprozess kann somit entfallen. -­‐ Limitation: Begrenzung des Bedeutungsfeldes. Nicht alles darf mit dem Links-­‐ Rechts-­‐Schema gemeint werden können. -­‐ Binäre Schematisierung: Für jeden inhaltlichen Aspekt gibt es 2 Versionen, die ent-­‐ weder „Links“ oder „Rechts“ zugeordnet werden. Untersuchung Die Rekonstruktion des dem Links-­‐Rechts-­‐Schema zugehörigen semantischen Raumes auf Grundlage des subjektiven Verständnis’ von „Links“ und „Rechts“ steht im Zentrum. Repräsentative Erhebungen im Rahmen der Political-­‐Action-­‐Studie bilden die Datenba-­‐ sis der Untersuchung. Niederlande/Bundesrepublik Deutschland: Links-­‐Rechts-­‐Schema dominant. Vereinigte Staaten von Amerika: Liberal-­‐Konservativ-­‐Schema dominant. 1 Soziologisches Institut der Universität Zürich Lucas Federer Seminar: Soziologie der politischen Parteien Prof. Dr. Hans Geser HS 2011 17.11.2011 Erkennen und Verstehen des Links-­‐Rechts-­‐Schemas Vertrautheit mit dem Schema ist eine Voraussetzung, eine Einstufung als generalisiertes Kommunikationsmedium vornehmen zu können. Operationalisierung: 1. Bereitschaft, sich auf Links-­‐Rechts-­‐Skala einzuordnen 2. Fähigkeit, die subjektive Bedeutung von Links/Rechts wieder-­‐ zugeben 3 Stufen der Vertrautheit mit dem Schema. 1. Erkennen des Schemas. 2. Verständnis von Links oder Rechts. 3. Verständnis von Links und Rechts. Die Struktur des Links-­‐Rechts-­‐Schemas Der semantische Raum von Links und Rechts soll rekonstruiert und im Hinblick auf strukturelle Eigenschaften überprüft werden. Operationalisierung: Offene Frage nach der Bedeutung von Links und Rechts. Daraus folgt ein Kategorienschema mit Typen und Klassen von Bedeutungselementen. Mehrere Typen werden zusammengenommen und zu Klassen gruppiert. Siehe Tabelle 2. Die strukturelle Eigenschaft der Generalisierung Bedeutungselemente sind dann generalisiert, wenn sie auf viele verschiedene, konkrete Phänomene anwendbar sind. Sie vereinfachen die Kommunikation, Komplexität wird reduziert. Es ist aber jederzeit möglich, sie wieder genauer zu bezeichnen, zu respezifi-­‐ zieren. Bedeutungselemente gelten als generalisiert, wenn sie auf Werte, Parteien, Ideologien oder Gruppen Bezug nehmen. In der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden sind jeweils ca. 90% der Bedeutungselemente generalisiert, in den USA sind es 75%. Das Links-­‐Rechts-­‐Schema kann also sowohl in Deutschland und den Niederlanden, als auch in den USA als über-­‐ wiegend generalisiert betrachtet werden. 2 Soziologisches Institut der Universität Zürich Lucas Federer Seminar: Soziologie der politischen Parteien Prof. Dr. Hans Geser HS 2011 17.11.2011 Die strukturelle Eigenschaft der Limitation Ein gemeinsamer Sinnhorizont ist Voraussetzung für den kommunikativen Erfolg. Das semantische Feld des Links-­‐Rechts-­‐Schemas muss also limitiert sein. Dafür werden die zehn meistgenannten Typen von Bedeutungselementen aufsummiert und ein prozen-­‐ tuales Verhältnis zu allen Typen hergestellt. Daraus ergeben sich für Deutschland und die Niederlande Prozentsätze von über 50%, für die USA sind es weniger. Klingemann und Fuchs interpretieren das als empirischen Beleg für Limitation. Die strukturelle Eigenschaft der binären Schematisierung Bedeutungselemente sind dann binär schematisiert, wenn sie entweder zu Links oder zu Rechts zugeordnet werden. Das verhindert Missverständnisse bei der Kommunikation mit abstrakten Symbolen. Dazu werden allen Nennungen von Bedeutungselementen nach der Häufigkeit ihrer Zuordnung zu Links und/oder Rechts eine Prozentzahl zuge-­‐ schrieben, die die Binarität wiedergibt und sich zwischen 50% und 100% bewegt. Siehe Tabelle 3. 3 Soziologisches Institut der Universität Zürich Lucas Federer Seminar: Soziologie der politischen Parteien Prof. Dr. Hans Geser HS 2011 17.11.2011 Tabelle 2: Klassen und Typen von rechten Bedeutungselementen Tabelle 3: Die Bedeutung von Links und Rechts (in Prozenten) 4