KFIBS-Publikationsprojekt

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KFIBS e. V.
Abstract
4/2017
Bosnien-Herzegowina und der „Bosnische Frühling“:
Eine Demokratie im Werden zwischen Korruption,
Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftsmisere
Von Sascha Arnautović1
Zusammenfassung:
Im Krieg gibt es eigentlich nur Verlierer. Bosnien und Herzegowina (BiH) dürfte aber dennoch –
vor dem Hintergrund der blutigen Auseinandersetzungen auf dem Balkan in den 1990er-Jahren
(Stichwort: „Jugoslawienkriege“) – als primärer Kriegsverlierer gelten. Zwar hat das DaytonAbkommen von Ende 1995 einen durchaus wichtigen Beitrag zu Frieden, Demokratie und
Stabilität in BiH geleistet (immerhin blieb seitdem ein weiterer Bürgerkrieg aus), doch das
Kernproblem des Konfliktpotenzials von Multiethnizität und fragiler Staatlichkeit konnte durch
das Friedensabkommen nicht gelöst werden. Bis heute leidet BiH an den Nachwirkungen des
Bosnienkrieges (1992-1995), an einem allzu komplexen politischen System als Folge des DaytonAbkommens, an unerbittlichen parteipolitischen Machtkämpfen und der starken Fragmentierung
des
Parteienspektrums
sowie
an
einem
schwachen
Staat,
dem
es
an
politischer
Handlungsfähigkeit und demokratischer Legitimität fehlt.
Trotz der Fortschritte, die seit Mitte der 1990er-Jahre mithilfe der internationalen
Gemeinschaft bzw. internationaler Organisationen in BiH erzielt wurden, kann es vor dem
Hintergrund der vorherigen Ausführungen nicht verwundern, dass sich die Unzufriedenheit der
bosnisch-herzegowinischen
Bevölkerung,
insbesondere
angesichts
der
Korruption,
Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftsmisere, in den vergangenen Jahren immer wieder in
landesweiten Protesten entladen hat. Die mangelnde Effizienz der politischen Institutionen und
die Blockade des legislativen Prozesses durch eine Vielzahl ethnischer Sonderinteressen haben
zusätzlich zum Aufbegehren einer enttäuschten Bevölkerung gegen die als korrupt und
inkompetent wahrgenommene politische Elite Bosniens beigetragen.
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in BiH vom 12. Oktober 2014 haben
aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von nur 54 Prozent vor allem die nationalistischen
Parteien gestärkt, die sich als Sieger feiern ließen. Das Fernbleiben von der Wahlurne hat
allerdings auch seine Gründe gehabt: Die Nichtwähler wollten mir ihrer Verweigerungshaltung
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Dr. phil. Sascha Arnautović, Jahrgang 1972, ist Politikwissenschaftler und seit März 2006 Vorstandsvorsitzender
und Geschäftsführer des Kölner Forums für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik e. V. (KFIBS).
Neben der KFIBS-Forschungsgruppe „USA/Transatlantische Beziehungen/NATO“, die er als Sprecher
verantwortet, koordiniert er darüber hinaus als kommissarischer Sprecher noch die KFIBS-Forschungsgruppe
„Südosteuropa“.
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KFIBS e. V.
Abstract
4/2017
mehrheitlich zum Ausdruck bringen, dass sie an der Qualität der Kandidatinnen und Kandidaten
sowie an der Kompetenz der Parteien zweifeln. Allzu großes Vertrauen in die
Veränderungsmöglichkeiten durch Wahlen scheinen sie demnach nicht zu haben, was Anlass zur
Beunruhigung geben sollte. Die Anliegen der Nichtwähler sind ohnehin nicht in den
Wahlprogrammen des Jahres 2014 enthalten gewesen. Deren Forderungen an die Politik gehen
ganz klar in Richtung mehr Demokratie: Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung,
Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit – um nur einige Beispiele zu nennen.
Einen Schatten auf die im Jahr 2018 anstehenden allgemeinen Wahlen haben die
Kommunalwahlen in BiH geworfen, die am 2. Oktober 2016 stattfanden. Neben dem
zwischenzeitlichen Abflauen der demokratischen Aufbruchstimmung des Jahres 2014 sind durch
die letzten Wahlen auf kommunaler Ebene, die auf das Referendum über den Nationalfeiertag in
der Republika Srpska (RS) folgten, einmal mehr die Nationalisten politisch gestärkt worden. Hierin
mag man ein schlechtes Zeichen für die Weiterentwicklung des demokratischen Prozesses in BiH
sehen, was sich auch negativ auf die EU-Perspektive für das Land auswirken könnte.
Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die Entwicklungen in BiH seit 2013,
nimmt die Zeichen eines gewissen demokratischen Aufbruchs in den Blick (Stichwort:
„Erwachen der bosnischen Bürgergesellschaft“) und setzt sich mit den großen innenpolitischen
Herausforderungen und ungelösten Problemen des Landes – sprich: Korruption, Arbeitslosigkeit
und Misswirtschaft – auseinander.
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