PAUL HINDEMITH (1895 - 1963) Hindemith, einer der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit, hat in erstaunlicher Vielseitigkeit und unbestrittener technischer Meisterschaft Beiträge auf allen musikalischen Gebieten geleistet. Er wurde am 16. November 1895 in Hanau geboren, war mit zwanzig Jahren Konzertmeister an der Frankfurter Oper, gründete dann das ausgezeichnete „AmarHindemith-Quartett“, dem er als Bratschist angehörte. Er komponierte mit unglaublicher Leichtigkeit, war revolutionärer Avantgardist in den musikalischen (und politischen) Gärungsjahren nach dem ersten Weltkrieg, begeistert gefeierter Umstürzler, der seine eigene Idee von Atonalität verfocht. Für das Musiktheater hat er sich von Jugend an begeistert, doch sind seine ersten Versuche („Mörder, Hoffnung der Frauen“ und „Das Nusch-Nuschi“, beide 1921) nicht nur an den unvertonbaren Texten gescheitert. Auch mit „Sancta Susanna“, „Hin und zurück“ und „Neues vom Tage“ gelang ihm nichts Endgültiges. Dann aber kam plötzlich „Cardillac“ (1926) und kündete den wahrhaft bedeutenden Komponisten an, der in dem jungen Rebellen schlummerte. Auch eine Kinderoper „Wir bauen eine Stadt“ kann als zeitgerechter Wurf bezeichnet werden. Mit ihr schuf Hindemith ein Musterbeispiel des Lehr- oder Schulstücks, das damals seine erste Blütezeit erlebte. 1934 ging Hindemith ins Exil, nachdem seine Musik als untragbar für das Dritte Reich erklärt worden war. Nach einem längeren Aufenthalt in der Schweiz liess er sich in Nordamerika nieder, wo er als Professor und als Komponist unermüdlich tätig war. Zürich war die Uraufführung seines reifsten und vielleicht bedeutendsten Werkes, „Mathis der Maler“ vorbehalten. Und Zürich war es auch, das nach dem Zweiten Weltkrieg den unsteten Hindemith als Lehrenden in seine Mauern ziehen konnte. Das 1957 aufgeführte KeplerDrama „Die Harmonie der Welt“ fand nur geteilte Aufnahme (während die Orchestersuite daraus voll anerkannt wurde), hingegen erntete „Das lange Weihnachtsmahl“ im Jahre 1961 starke Zustimmung, die auch seinem gänzlich anders gearteten „Mainzer Umzug“ (zur 2000Jahr-Feier dieser Stadt, 1962) zuteil wurde. „Neues vom Tage“ wurde im Jahre 1929 in Berlin uraufgeführt; es ist „Lustige Oper“ betitelt, aber man könnte ebenso gut von einer musikalischen Farce sprechen. Der Text von Marcellus Schiffer ist nur bedingt lustig und eher als schonungsloses Spiegelbild der damaligen Gesellschaft (oder einiger ihrer Kreise) anzuerkennen. Ein älteres Ehepaar will sich nach einem wütenden Streit scheiden lassen; ein zufällig zu Besuch kommendes jüngeres Paar beschliesst, da es sich dem Streit anschliesst, ein gleiches. Um die Scheidung baldmöglichst zu erreichen, engagieren die jungen Leute einen „Scheidungsgrund“ in Person eines darauf spezialisierten eleganten Herrn, dem nur das unvorhergesehene „Malheur“ passiert, sich in die junge Frau wirklich zu verlieben. So weit, so gut. Aber dann gibt es Skandalszenen im Bad, öffentliche Ausschlachtung durch Presse und Klatsch, Gastspieltourneen, bei denen das ältere Paar seinen Ehekrach vorführen muss bis zu dem „sensationellen“ Augenblick, in dem der „Scheidungsgrund“ zum wirklichen Liebhaber wird und der Ehemann die berühmte Venusstatue eines Museums auf seinem Kopf zertrümmert. Hindemith, vielleicht belustigt, vielleicht nur versucht, sich auf dem Boulevardpflaster von Berlin 1929 einen lauten Erfolg zu holen, vergeudet ein paar hübsche Gedanken. Immerhin: als reine Farce gespielt, als Persiflage einer kranken Zeit, einer hektischen, neurotischen Schicht, kann „Neues vom Tage“ vergnüglich wirken. Ein wehmütiges, trauriges Vergnügen, müsste man sagen. Auszug aus „OPER DER WELT“ von Prof. Dr. Kurt Pahlen ACS - Reisen AG