Verräterische Zucker

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FORSCHUNG AKTUELL
22.03.2013 — 16:35 Uhr
Parasiten wie Plasmodium falciparum, der Erreger der Malaria, verraten sich durch Zuckermoleküle auf der
Oberfläche. (Bild: washington.edu)
Verräterische Zucker
Neuer Test setzt auf Strukturmoleküle der Erregerhülle
Von Volkart Wildermuth
Biochemie. - Neben den Stars der Biochemie, Proteinen und Nukleinsäuren,
fristen die komplexen Zucker oder Glykane in der Öffentlichkeit geradezu ein
Schattendasein. Dabei ist gerade eine stille, eine süße Revolution im Gang. Dank
neuer Methoden können Biologen und Mediziner die Welt der Zucker erforschen
und entdecken, dass sie nicht nur als Energielieferant taugen, oder als
Stabilisator etwa im Holz, sondern dass Zucker auf den Zellen komplexe
Botschaften übermitteln. Um diese Frage geht es derzeit auf dem Glykan Forum
in Berlin.
Jede Zelle ist außen mit einem dichten Pelz aus komplexen Zuckermolekülen besetzt, der
die ersten Kontakte zwischen den Zellen vermittelt. Das Spermium bindet über Zucker an
die Eizelle, eine geänderte Zuckerstruktur nach Verletzungen lockt Helfer herbei und
Immunzellen erkennen Eindringlinge an deren ganz besonderem Zuckerpelz.
"Zucker sind auf der Oberfläche verschiedenster Erreger, von Bakterien, Parasiten, aber
auch von Viren und sie sind oftmals einzigartig. Das heißt, spezifische Bakterien wie zum
Beispiel Streptokokken haben eine ganz bestimmte Art von Zucker, die so im Menschen
nicht vorkommt."
Es handelt sich dabei um große Moleküle, bei denen viele einfache Zucker wie die Glukose
oder Fruktose zu komplexen Baumstrukturen verknüpft sind. Professor Peter Seeberger
vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenchemie in Golm bei Potsdam ist
Spezialist für die Chemie der Zucker. In seinem Labor kann er viele der besonderen Zucker
der Krankheitserreger inzwischen effektiv herstellen. Das ist wichtig für den Schritt von der
bloßen Erforschung dieser komplexen Zucker, hin zu ihrer Anwendung. Denn früher
mussten sie aus der Hülle der Bakterien, Viren oder Parasiten mühsam isoliert werden und
standen deshalb nur in winzigen Mengen zur Verfügung. Ihre synthetischen Gegenstücke
lassen sich dagegen in beliebiger Menge produzieren und zum Beispiel in diagnostischen
Tests einsetzen.
"Bei den Infektionskrankheiten können wir inzwischen die Toxoplasmose sehr gut
nachweisen. Toxoplasmose ist vor allem bei schwangeren Frauen ein großes Problem, weil
es zu einer Schädigung des Fetus führen kann."
25.03.2013 13:06
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Wenn eine Frau mit Toxoplasmose infiziert ist, bildet sie Antikörper gegen die Zucker des
Erregers. Diese Antikörper binden auch an die synthetischen Zucker auf dem Test und
zeigen so die Infektion an.
"Wir können jetzt mit einem Tropfen Blut innerhalb sehr kurzer Zeit unter einer Stunde
verlässlich nachweisen, ob jemand infiziert ist und ob es eine frische Infektion ist oder ob
es eine überwundene vorhergehende Infektion war."
Ein Test für eine Krankheit ist nützlich, Peter Seeberger denkt aber weiter, will mehrere
Krankheiten auf einmal nachweisen, indem er die komplexen Zuckermoleküle viele
Krankheitserreger in einem gemeinsamen Test vereint.
"Das heißt, mit einem Tropfen Ihres Blutes kann ich Ihnen sagen, ob Sie an gewissen
Infektionskrankheiten gelitten haben, ich könne Ihnen auch sagen, ob Sie geimpft wurden,
ob diese Impfung erfolgreich war. Und in Zukunft hoffen wir, in der Lage zu sein, gewisse
Allergien nachzuweisen oder auch Infektionen verlässlich nachzuweisen."
Das Prinzip funktioniert im Labor. Anders als ein Einzeltest lässt sich solche ein
gemeinsamer Nachweis vieler Erreger aber nur noch maschinell auswerten.
"Wenn Sie dann 30 Parameter auslesen müssen, die sind dann auch typischer Weise zu
klein, um sie noch mit dem Auge verlässlich auszuwerten."
Diese Aufgabe kann aber ein Smartphone übernehmen, davon ist Dr. Johannes Schuchhardt
überzeugt. Bei der Berliner Firma MicroDiscovery hat er ein System entwickelt, bei dem die
Kamera des Telefons den Mehrfachtest fotografiert und eine Software wertet dann das
Muster der Reaktionen auf die Zucker der verschiedenen Erreger analysiert.
"Das sieht man hier wunderbar, dass der Test negativ ausgewertet wurde, das heißt die
Kontrolle hat ein starkes Signal geliefert, aber im Testbereich ist nur ein ganz schwaches
Signal zu sehen."
Das Ergebnis kann das Gerät dann auch gleich per Mobilfunk an die Ärzte einer Klinik
senden. Peter Seeberger und Joachim Schuchhardt hoffen, dass eine so vergleichsweise
einfache Verpackung der komplexen Zuckerdiagnostik den Weg ebnet nicht nur in die
Krankenhäuser hierzulande, sondern auch in die Dörfern der dritten Welt.
Hinweis: Der Deutschlandfunk sendet am Sonntag, 24.03, 16:30 Uhr, in der Sendung
"Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Die süße Revolution [http://www.dradio.de
/dlf/sendungen/wib/2044075/] zur Forschung an Zuckern.
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