Das harmonische Gebilde der Schlesinger

Werbung
Das harmonische Gebilde der
Schlesinger-Skalen als Grundlage
gemeinschaftlichen Musizierens und
der Melodie im Einzelton
Bevis Stevens
In herzlicher Dankbarkeit an Almut Müller für die Korrekturhilfe.
Überlingen, Mai-­‐Juli 2015
Inhalt
1) Die 8 Schlesinger Skalen als Grundlage der Melodie im Einzelton!
3
• Die 8 Tonvariationen der Schlesinger-Skalen als Basis für eine Melodie im
Einzelton!.....................................................................................................4
• Auf der Suche nach C - Variationen!.........................................................5
2) Das Soziale Gebilde der 8 Skalen!
6
• Erste Bestätigung der Planeten-Zuordnungen!........................................8
• Harmonische Symmetrie!...........................................................................9
• Zweite Bestätigung der Planeten-Zuordnungen!....................................10
3) Moll oder Durstrom - Tatsachen und Irrtümer!
11
• Goethe und Steiner Zitate zur Moll und Dur!...........................................11
• Erste Korrektur!.........................................................................................12
• Zweite Korrektur!.......................................................................................12
• Dritte Korrektur!.........................................................................................12
• Die Spiegel-Skalen von Anny von Lange!.........................................12
• Weitere Aspekte!........................................................................................14
4) Aus der Arbeit mit den sozialen Gebilden der Skalen!
15
• Historischer Hintergrund!.........................................................................15
• Wie entsteht der Ton? Wie werden Töne Musik?!..................................16
• Intentionalität-Mitschaffen!.......................................................................16
• Versuche in gemeinschaftlicher Melodiegestaltung!.............................17
5) Die Melodie im Einzelton!
18
• Tonhöhen-Variationen des einzelnen Tones!..........................................18
• Kontroverse!..............................................................................................18
• Ton-Metamorphosen!................................................................................19
Nachwort!
19
Bibliography!
20
2/20
Das harmonische Gebilde der Schlesinger-Skalen als
Grundlage gemeinschaftlichen Musizierens und der Melodie
im Einzelton
“Man wird sich also gewöhnen an eine größere Komplikation der Töne, des einen Tones... Ich glaube allerdings, daß sich [mit den Schlesinger Skalen] ein Weg eröffnet, um das musikalische EmpDinden überhaupt zu bereichern und auf gewisse Dinge zu kommen, die einfach in den...zufälligen Skalen, die wir haben, die das, was dadurch in das Musikalische hineingekommen ist, überwinden werden. Also ich glaube schon, daß es eine gewisse Aussicht hat, wenn diese besondere Entdeckung weiter verfolgt wird und wenn man sich im musikalischen EmpDinden an diese Moden gewöhnt” (Steiner GA303: 349).
“Gemeint ist, daß man heute beginnt -­‐ das hängt einfach mit der Entwickelung der Menschheit zusammen -­‐, gegenüber dem, was bis in unsere Weltenzeit herein einfach von vielen Menschen als ein Ton erlebt worden ist, als von einer Gliederung zu sprechen. (Steiner 1989 GA283: 76)
1) Die 8 Schlesinger Skalen als Grundlage der Melodie im Einzelton
Eine der inspirierendsten Phänomene der Schlesinger Skalen ist, wie sie entstehen. Eine Saite von einer bestimmten Tonhöhe wird genommen und durch eine bestimmte Proportion geteilt. Wir können zum Beispiel die Saite in 11 Teile teilen. Die Teilungspunkte werden auf dem Fingerbrett folgendermassen markiert:
Diagram 1: Teilen der Saite in 11 Teile
Wenn einer dieser Punkte ganz leicht mit dem Finger-­‐ oder Daumennagel berührt, und die Saite mit einem Bogen gestrichen wird, erklingt ein hoher Flageolett-­‐Ton. Probieren wir dasselbe bei irgend einem der anderen 11 Punkte, so erklingt immer wieder genau derselbe Ton. Warum klingt immer derselbe Ton und nicht, wie erwartet verschiedene Töne der Obertonreihe? Spiele ich eine leere Saite, dann schwingt sie als Ganzes. Teile ich sie in der Mitte durch leichtes Berühren, schwingt sie in zwei Teilen und klingt eine Oktave höher. Teile ich sie in drei, schwingt sie auch in drei Teilen u.s.w., und so auch mit 11 Teilen. Der Finger schafft eine Proportion auf der Saite und teilt die Saite sofort 11-­‐fach auf. Das ist schon wie Zauberei. Es ist wie wenn man beim Kuchenschneiden gleich mit einem Schnitt den ganzen Kuchen aufteilen würde! Dieser hohe Flageolett-­‐Ton wird Zeugerton genannt
Diagram 2: Wie die Saite von jedem Punkt aus in gleichen Teilen schwingt
Wenn ich aber die Saite an einem dieser 11 Punkte herunterdrücke bis auf das Fingerbrett wie auf einer Geige oder durch das Stellen einer verschiebbaren Brücke verkürze, entsteht ein weiteres Wunder: Jetzt gibt es immer wieder andere Töne! Dies ist ganz leicht zu verstehen, da die Saitenlänge immer anders wird. Wenn ich die Töne der Reihe nach von Rechts nach Links erklingen lasse, entsteht aus dem Zeugerton, vertikal und horizontal gesehen, die Untertonreihe wie sie in Tabelle 1 gegeben ist. Die einzelnen Töne der Skala sind ab dem 7. Teilton dieser Reihe wieder zu Tinden. 3/20
Tabelle 1. Die Untertonreihe
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zwischen der Untertonreihe und derjenigen Skala, welche aus dem Zeugerton entsteht. Die Untertonreihe kann ins Endlose berechnet werden und kommt nie zur Ruhe, wobei die Skala ein abruptes Ende bei der leeren Saite Tindet. In der Sonnenskala ist der Zeugerton ein elftel der Saitenlänge. Vom Zeugerton aus entstehen nach und nach die Töne der Skala. 1/11, 2/11 und so weiter bis die leere Saite mit 11/11 und damit das Ende des Weges erreicht ist.
Diagram 3: Vom Zeugerton zur offenen Saite
lese von Rechts (hoch) nach Links (tief)
LS
11/11
10/11
9/11
Mese
8/11
7/11
6/11
5/11
4/11
3/11
2/11
ZT
1/11
SA
LS: leere Saite; Zt: Zeuger-­‐Ton; SA: Saiten-­‐Anfang
Der Zeugerton ist vergleichbar mit Goethe’s UrpTlanze, aus welcher jedes einzelne Blatt entsteht. Die einzelnen Töne entstehen als Metamorphosen des Zeugertones. Dieser Archetypus bleibt im Unhörbaren. Jeder erklingende Ton hat seine eigene Erscheinungsweise. Die Saite ist dem Stoff vergleichbar, aus welchem alle diese Töne ihre Form bilden.
Die 8 TonvariaIonen der Schlesinger-­‐Skalen als Basis für eine Melodie im Einzelton
Mit der Proportion 11 entsteht die Sonnen-­‐Skala. Aus weiteren Proportionen entstehen die anderen Skalen. Saturn 8, Jupiter 9, Mars 10, Venus 12, Merkur 13, Mond 14, Mond 15. Jeder der 8 Skalentöne sind auch den Planeten zugeordnet. In Tabelle 2 sind die Skalen mit ihren Stufentönen gezeigt. Die einzelnen Skalen sind vertikal in den Spalten unter den Planetennamen zu lesen. Die Stufentöne sind horizontal in den Reihen neben den Planetennamen des Tones abzulesen. Die Zahlen zeigen die Hz Frequenz der Töne:1
Tabelle 2. Der Ursprung der 8 TonvariaLonen
Skalen Töne
Sonne
Marz
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
Sonne
Skalenstufe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Skalen nach Planeten geordent
Sonne
Mars
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
281.600
284.444
288.000
273.067
274.286
275.692
277.333
279.273
312.889
320.000
307.200
292.571
295.385
298.667
302.545
307.200
352.000
341.333
329.143
315.077
320.000
325.818
332.800
341.333
375.467
365.714
354.462
341.333
349.091
358.400
369.778
384.000
402.286
393.846
384.000
372.364
384.000
398.222
416.000
409.600
433.231
426.667
418.909
409.600
426.667
448.000
443.733
438.857
469.333
465.455
460.800
455.111
480.000
477.867
475.429
472.615
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
Wir haben also 8 Skalen, mit je 8 Tönen (der 9. Ton ist die Oktave), also 64 Töne. Wenn wir die Reihen lesen, sehen wir das die Tonhöhenunterschiede der 8 Stufentöne der selben Reihe so klein sind, dass sie Variationen von einander sind, z. B. Mars, 2. Reihe: Die Marstöne haben 273,067 Hz als tiefsten 1 Alle Frequenzen in diesem Aufsatz sind von dem Ton C = 128 Hz aus berechnet
4/20
und 288,000 Hz als höchsten Ton (Tabelle 2, zweite Reihe). Das macht zusammen ein Gesamtintervall von 92,179 Cent, welches ein kleiner Halbton ist, auch Dur Limma genannt. Das heisst, dass das kleinste Intervall zwischen zwei Tonvariationen 7,712 Cent (ein 26. Ton) ist. Das ist so klein, dass es gerade noch innerhalb des Bereiches ist, in dem ein Qualitätsunterschied eines Tones noch erlebbar ist.2 Die Grenze ist bei ungefähr 6,5 Cent. Unterhalb 6,5 Cent kann das physische Hören immer noch Schwingungs-­‐
Unterschiede erkennen, aber man kann es nicht mehr mit einem Erlebnis verbinden.3 Wenn wir dagegen den Ton ‘Mond-­‐14’ in jeder Skala anschauen Tinden wir den viel grösseren Unterschied von 203,910 Cent, (einen Ganzton) zwischen der tiefsten Tonvariation (341,333 Hz) und der höchsten (384,000 Hz). Hier ist das kleinste Intervall 19,976 Cent, also ein Zehntelton.
Also ganz kleine Unterschiede in der Tonhöhe. Diese sind erstaunlicher Weise für jeden Menschen durchaus tief erlebbar. So sehen wir, dass jeder Ton ausser C, acht verschiedene Variationen hat. Man könnte einwenden, dass, weil der Ton durch seine Tonhöhe bestimmt wird, jede neue Tonhöhe einen neuen Ton ergibt. Aber die Erfahrung zeigt, dass eine Schwankung in der Tonhöhe eines Tones, noch lange keinen neuen Ton ergibt. Ein Ton bleibt derselbe innerhalb eines überraschend grossen Umfanges, z. B. ein A, obwohl qualitativ anders, ist immer noch ein A bei 424, 432, oder 440 Hz. Eine Unsicherheit tritt erst dann ein, wenn man noch weiter unterhalb oder oberhalb dieser Tonhöhenunterschiede geht. Auch Musiker mit sogenanntem Absoluten Gehör bei 440 können schlecht entscheiden, ob A 432 falsch oder richtig ist, ohne einen anderen Ton vorher gehört zu haben (Renold 1998: 159-­‐160). Wie die Eurythmie uns zeigt, sind sogar Cis oder Ces kein eigenständigen Töne, sondern Variationen von C: einmal als ein aufgehelltes und einmal als ein verdunkelt erlebtes C.
Auf der Suche nach C -­‐ VariaIonen
Wenn wir die Sonnentöne C von jeder Skala nehmen (Tabelle 2, 1. Reihe) sehen wir, dass sie alle gleich sind. Dies kann als problematisch empfunden werden, wenn man meint C solle auch 8 Variationen haben. Versucht man Tonvariationen dafür zu berechnen, Tindet man einfach keine befriedigende Lösung. Auf jedenfalls ist es mir bis jetzt so ergangen. Der Grund liegt darin, dass alle 64 Töne von C entstehen und sich wieder rückwirkend darauf beziehen. C ist unterdessen auch die offene Saite. Die einzige Möglichkeit, C Variationen zu bekommen, wäre, von jedem Stufenton aus auf die gleiche Weise vorzugehen wie vom C. Dadurch aber würde man 8 x 64 = 512 Töne in einer Oktave bekommen, welche 64 Variationen von jedem Ton ergeben würde, mit einer durchschnittlichen Intervallgröße von nur 2.344 Cent. Diese Intervalle beTinden sich im Bereich der Geräusche, und damit weit unterhalb der Grenze, wo ein Qualitätsunterschied noch erlebbar ist. Dadurch haben sie für das Musizieren keinen Sinn. So können auf mathematischer Weise C Variationen nicht gefunden werden. Die einzige Möglichkeit wäre eventuell durch das gehör.
Es ist bekannt, dass Steiner sagte, man solle sich erst nur mit der Sonnenskala auf C = 128 Hz beschäftigen. Das wurde bis jetzt so verstanden, dass man nur die 8 Töne der Sonnenskala wie in der ersten Spalte ‘Sonne’ von Tabelle 2 benützen solle. Das ergibt aber keine Tonvariationen. Dies hat mich öfters gewundert, da es im Wiederspruch zu stehen scheint mit Steiners Aussagen über die ‘Nebentöne’ und die Erweiterung des Tonsystems (z. B. GA283: 76, GA276: 140). Die Tonvariationen von Tabelle 2 haben alle eine gemeinsame Basis auf dem Sonnenton C. Dieser Ton ist gleich der offenen Saite von Diagramm 3. Die Sonne ist also immer noch die Basis für alles. Um C Variationen zu bekommen, müsste man Mars, Jupiter, Venus usw. auch zu Zentren machen. Aber die Sonne ist jetzt unser Zentrum. Das Licht der Planeten ist reTlektiertes Sonnenlicht. Die Einzeltöne entstehen aus C. Steiner soll auch gesagt haben das “C ist immer Prim”. Auf der Suche nach C Variationen Tinden wir dies bestätigt. In der Diskussion in Dornach spricht Steiner von den Skalen in der Mehrzahl: “Also ich glaube schon, daß es eine gewisse 2 Das gilt nur für Höhenunterschiede bei Tönen. Bei harmonischen Intervallen ist man viel empWindsamer. Z. B. der Unterschied zwischen reiner und gleichtemperierter Quint ist nur 1,995 Cent, aber die Qualität ist eine andere. Das Gleiche ist der Fall bei der minimal vergrösserten ‘offenen’ Quint von Maria Renold (1998: Kapitel 22-­‐23). 3 Ein gleichtemperierter Halbton hat 100 Cent. Damit ein Klavierstimmer die Prüfung der ‘American Piano Tuners Guild’ erfolgreich abschliesst, muss er ein Klavier innerhalb von 1 Cent Genauigkeit über den ganzen Umfang stimmen können!
5/20
Aussicht hat, wenn diese besondere Entdeckung weiter verfolgt wird und wenn man sich im musikalischen EmpTinden an diese Moden gewöhnt” (Steiner 1978 GA303: 349). So halte ich es als durchaus möglich, dass Steiner gemeint hat, dass die Töne der Sonnenskala und ihre Variationen benützt werden können. Schon Leopold van der Pals war der Meinung, nachdem er einen Kurs bei Schlesinger in Dornach im April 1921 besucht hatte, dass man “alle die aus der Differenziertheit der Töne gewonnenen Möglichkeiten gebrauchen” muss (Tagebuch von 11. Mai 1921 in Kurtz 2015: 251).
2) Das Soziale Gebilde der 8 Skalen
Die Skalen entstehen aus drei ineinander-­‐greifenden Elementen: dem Zeugerton, der Proportion und der leeren Saite. Der Zeugerton bekommt seine Tonhöhe aus der Frequenz der Saite und der Grösse der Proportion. Von ihm aus entstehen die einzelnen Töne der Skala. Welche Skala entsteht, wird von der Proportion bestimmt.
Die leere Saite ist die physische Grundlage der Skala. Ohne diese würde der geistige Zeugerton nichts haben woran er, in Verbindung mit dem seelischen, beziehung-­‐schaffenden Proportion, eine Skala bilden könnte. Aber warum ist die Tonhöhe der leeren Saite, also das Physische, so bestimmend? Ist das Physische wirklich das Wichtigste? In der Natur entsteht Physisches, als Ei oder Same, überall als vorbereitete Grundlage für das Seelisch-­‐Geistige. Aber auch ein befruchtetes Ei oder ein Same bürgt nicht dafür, dass ein Huhn oder eine PTlanze daraus entstehen wird. Es ist dafür der Einschlag des Geistig-­‐
Seelischen nötig. Und so ist es hier auch. Zuerst ist die leere Saite da als einzelner Ton, dann entfaltet die Skala aus ihm durch den Einschlag des Geistes in Form eines Zeugertones, vermittelt durch die Proportion.
Die Skalen haben jeweils 3 Zentren. Das erste ist gültig für alle 8 Skalen. Der Ton C, gleich der leeren Saite, ist das Fundament. Das zweite wird gefunden, wenn man den gemeinsamen Oberton der Töne einer Skala sucht. Dieser Oberton ist genauso hoch wie der unhörbare, geistig anwesende Flageolette-­‐
Zeugerton. Für die Sonnenskala auf C = 128 ist es 2816 Hz und liegt durchaus im Bereich des Sinnlich-­‐
Wahrnehmbarem. Das dritte Zentrum ist das Mese. Es ist der gleiche Ton wie der Zeugerton, aber vier Oktaven tiefer. Dieses Mese verhält sich zu allen Tönen der Skala wie ein Herzton. Alle Töne beziehen sich qualitativ auf ihn. Das Intervall zwischen dem ersten Ton und des Meses gibt der Skala, und damit allen ihren Tönen, ihr Ethos. Die Skalen sind also harmonische, soziale Gebilde.
Die Skalen sind in ihrem Gebilde, wie auch im künstlerischen Tun eine Verwirklichung der Goetheschen Metamorphosen-­‐Lehre. Der Künstler, der eine Verbindung zwischen Stoff und geistigem Ideal schafft, sucht Material womit er arbeiten kann. Es kann als inspirierendes Geschenk empfunden werden, Töne und Skalenbildungen zu entdecken, welche auf ähnliche Weise entstanden sind, wie seine eigenen Werke.
Tabelle 2 kann auch ganz anders dargestellt werden, um die soziale Beziehung und insbesondere die Beziehung zwischen den Tönen untereinander, sowie den einzelnen Tönen zu dem Skalen-­‐
Anfangston zu verdeutlichen. Dies wird in Tabelle 3 gezeigt. Alles von Tabelle 2 erscheint hier wieder, nur in anderer Form dargestellt. Der erste Skalenton von Tabelle 2, ist jeweils als ein grosser farbiger Kreis dargestellt:
Skalen
Töne Skalenstufe
Skalen nach Planeten geordent
Sonne
Marz
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
Sonne
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Sonne
Mars
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
256.000
281.600
284.444
288.000
273.067
274.286
275.692
277.333
279.273
312.889
320.000
307.200
292.571
295.385
298.667
302.545
307.200
352.000
341.333
329.143
315.077
320.000
325.818
332.800
341.333
375.467
365.714
354.462
341.333
349.091
358.400
369.778
384.000
402.286
393.846
384.000
372.364
384.000
398.222
416.000
409.600
433.231
426.667
418.909
409.600
426.667
448.000
443.733
438.857
469.333
465.455
460.800
455.111
480.000
477.867
475.429
472.615
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
512.000
6/20
Die einzelnen Skalentöne (Tabelle 2, vertikale Spalte), sind als kleine farbige Kreise innerhalb der Skalen nach Planeten geordent
grossen zu sehen: Skalen Töne Skalenstufe Sonne
Mars
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
Sonne
Marz
Jupiter
Saturn
Mond 15
Mond 14
Merkur
Venus
Sonne
1
2
3
4
5
6
7
8
9
256.000
281.600
312.889
352.000
375.467
402.286
433.231
469.333
512.000
256.000
284.444
320.000
341.333
365.714
393.846
426.667
465.455
512.000
256.000
288.000
307.200
329.143
354.462
384.000
418.909
460.800
512.000
256.000
273.067
292.571
315.077
341.333
372.364
409.600
455.111
512.000
256.000
274.286
295.385
320.000
349.091
384.000
426.667
480.000
512.000
256.000
275.692
298.667
325.818
358.400
398.222
448.000
477.867
512.000
256.000
277.333
302.545
332.800
369.778
416.000
443.733
475.429
512.000
Die einzelnen Stufentöne (Tabelle 2 von links nach rechts stehend) sind alle in ihre jeweiligen Farbe innerhalb der grossen Kreise zu Tinden. Eine erste Spiegelung ist in der Beziehung der Skalenarten (grosse Kreise) zu den einzelnen Tönen (kleine Kreise) zu Tinden. Die Skalentöne innerhalb der grossen Kreise, Mars rot, Jupiter orange, Saturn blau usw. steigen herauf in Uhrzeigerrichtung. Die einzelnen Skalen selber gehen in Gegenuhrzeigerrichtung. Eine zweite Spiegelung kann gefunden werden, wenn man den grauen Linien folgt. Ein Beispiel: In dem grossen weissen Sonnenkreis ist ein kleiner roter Marston. Dieser steht in Beziehung zu dem kleinen weissen Sonnenkreis innerhalb des grossen roten Marskreises (Gegenuhrzeigerrichtung) -­‐ Rot in Weiss, Weiss in Rot:
Zweites Beispiel: Der kleine kastanienbraune Mondton-­‐15 innerhalb des grossen weissen Sonnen-­‐
Anfangskreises steht in Beziehung zu dem gegenüberliegenden weissen Sonnenton innerhalb des grossen kastanienbraunen Mond-­‐15 Anfangstones. Kastanienbraun in Weiss, Weiss in Kastanienbraun. Wir werden an die Heilpädagogische Meditation “In mir ist Gott, Ich bin in Gott” (Steiner GA317: 154) erinnert. Tabelle 6, weiter unten, zeigt diese Beziehungen noch auf eine andere Weise.
7/20
256.00
279.27
307.20
341.33
384.00
409.60
438.85
472.61
512.00
Tabelle 3. Die Sozialen Beziehungen zwischen den Tönen
♀
☉
☿
♂
☾
♃
☾
♄
Erste BestäIgung der Planeten-­‐Zuordnungen
Jede Skala hat zwei Tetrachorde mit jeweils vier Tönen:
Tabelle 4. Tetrachord-­‐Struktur und Planetenzusammenhang der Skalen
Planet
Proportion
♄
☾
☿ ♀
☉
♂
♃
♄
16
15
13
12
11
10
9
8
Diese Skala hier ist die Saturnskala. Der erste Tetrachord beginnt mit Saturn und wird der Saturn-­‐
Tetrachord genannt. Der zweite Tetrachord gehört der Sonne. In einem Vortrag (1923) zeigt Schlesinger, 8/20
wie die Skalen durch diese Tetrachordstruktur der planetarischen Weltentwicklung (Steiner GA13) folgen:
Tabelle 5. Der Zusammenhang zwischen den Tetrachorden und der Weltentwickelung4
♄
16
☾
15
☿
13
♀
12
☾
15
☿
13
♀
12
☉
11
☿
13
♀
12
☉
11
♂
10
♀
12
☉
11
♂
10
♃
9
☉
11
☉
11
♂
10
♂
10
♃
9
♃
9
♄
8
♄
8
☾
15
☿
13
♀
12
☉
11
♂
10
♂
10
♃
9
♃
9
♄
8
♄
8
☾
15
☾
15
☿
13
♀
12
☉
11
♂
10
♃
9
♃
9
♄
8
♄
8
☾
15
☾
15
☿
13
☿
13
♀
12
☉
11
♂
10
♃
9
♄
8
☾
15
☿
13
♀
12
Die Saturnskala bereitet die Sonnenskala vor, die Sonnenskala die Mondskala usw. So Tindet Schlesinger eine erste Bestätigung für die Zuordnung zu den Planeten.
Harmonische Symmetrie
Bei der Suche nach C Variationen wurde es mir langsam klar, dass in diesen Tönen eine perfekte Symmetrie verhüllt ist. Tabelle 6 macht diese harmonische Symmetrie sichtbar. Zuoberst steht die Sonne, dann in Gegenuhrzeigerrichtung folgen, in aufsteigender Reihenfolge, die weiteren Gruppen von 8 Planeten-­‐Stufentöne. Die Richtung der Tonhöhe ist durch eine blau-­‐gestrichelte Linie angezeigt. Zwischen jeder Tongruppe steht das Intervall, welches zwischen dem letzen Ton einer Gruppe und dem ersten Ton der nächsten Gruppe steht (blauer Pfeil). Neben jeder Gruppe steht das Gesamtintervall, welches zwischen dem ersten und dem letzten Ton einer Gruppe steht.
Insgesamt gibt es drei Spiegelungen:
1) Von der Sonne ausgehend, auf der linken Seite der Tabelle wird das Intervall zwischen den Tongruppen stufenweise kleiner, das Gesamtintervall aber grösser. Also eine Spiegelung der Größenverhältnisse zwischen den Gesamt Intervallen und zwischen Intervallen. Ebenso Tindet eine Spiegelung der Grössenverhältnisse zwischen der linken und der rechten Seite statt.
2) Die Sonne mit dem Ton C ist Anfang und Zentrum. Sie hat 8 gleiche Töne, daher ist ihr Gesamtintervall gleich 0, das heisst eine Prim. Sie hat also das kleinste Gesamtintervall. Das Intervall zwischen dem ersten Marston und dem letzten Venuston ist 111.731 Cent, also ein Halbton. Also das grösste Intervall zwischen zwei Tonvariation-­‐Gruppen. Der Sonne gegenüberstehend ist der Mond-­‐14. Das Gesamtintervall ist 203.910 Cent, das als Ganzton das grösste Gesamtintervall hat. Das Zwischenintervall zu den Nachbar-­‐Tonvariation-­‐Gruppen ist, mit -­‐53.273 Cent, das Kleinste. Es gibt zwischen Sonne und Mond-­‐14 eine Grössenspiegelung, und so auch zwischen allen gegenüberliegenden Tongruppen.
3) Eine weitere, erstaunliche Spiegelung Tindet sich auch innerhalb der Tonvariation-­‐Gruppen selber. Die Intervalle zwischen den Tönen der Mars-­‐Variationsgruppe vergrössern sich von 7.712 bis 4 Die Skalen enthalten Proportion 14 und als zweite Mondton 15. Da sie sich gegenseitig ersetzen habe ich einfachhalber der 14 weggelassen
9/20
21.506 Cent. Die gegenüberliegende Venus-­‐Variationsgruppe verkleinert sich von 21.506 auf 7.712 Cent. Diese Spiegelung trifft genau zu für jedes weiter sich gegenüberstehende Paar. Erstaunlicherweise spiegelt sich die Mond-­‐14 Variationsgruppe in sich selbst!
Die Griechen benutzten in einer Melodie entweder den Mondton-­‐14 oder den Mondton-­‐15 (Hamilton 1994, Schlesinger 1939b). Schlesinger sagt, dass eine Mond-­‐15 Skala erst später, als die Skalen in die Dekadenz kamen, benützt wurde. Aber, wie wir in dieser Tabelle sehen, spielen beide ein wichtige Rolle sogar insofern dass, ohne Mond-­‐15 keine Spiegelung entstehen würde!
Tabelle 6. Die Spiegelstruktur der 8 TonvariaLonen der Schlesinger Skalen
Obersonnig
gesammt Intervall
92.179
d - Mars
273.067
274.286
275.692
277.333
279.273
281.600
284.444
288.000
111.731
27.264
gesammt Intervall
155.140
e - Jupiter
292.571
295.385
298.667
302.545
307.200
307.200
312.889
320.000
-26.841
gesammt Intervall
191.846
f# - Saturn
315.077
320.000
325.818
329.143
332.800
341.333
341.333
352.000
c = Sonne
256.000
512.000
gesamt Intervall
0.000 oder Prim
Untersonnig
111.731
7.712
8.855
10.274
12.064
14.367
17.399
21.506
7.712
8.855
10.274
12.064
14.367
17.399
21.506
Intervall zwischen den Gruppen
16.567
19.130
22.339
26.432
0.000
31.767
38.906
16.567
19.130
22.339
26.432
0.000
31.767
38.906
341.333
349.091
354.462
358.400
a - Merkur gesammt Intervall
448.000
155.140
443.733
438.857
433.231
426.667
426.667
418.909
409.600
Intervall zwischen den Gruppen
-26.841 g# - Mond 15 gesammt Intervall
416.000
191.846
26.841
409.600
31.194
402.286
17.576
398.222
19.130
393.846
43.831
384.000
0.000
384.000
53.273
372.364
Intervall zwischen den Gruppen
g - Mond 14
-53.273
26.841
31.194
17.576
19.130
43.831
0.000
53.273
-53.273
27.264
b - Venus
gesammt Intervall
480.000
92.179
477.867
475.429
472.615
469.333
465.455
460.800
455.111
38.906
26.432
19.130
38.906
26.432
19.130
384.000
375.467
369.778
365.714
34.976
gesammt Intervall
203.910
Zweite BestäIgung der Planeten-­‐Zuordnungen
Diese Spiegelungen enthalten ein weiteres Geheimnis. Sie haben nämlich die gleiche Reihenfolge in der Beziehung zur Sonne wie die Planeten am Himmel:
Tabelle 7: Schlesingers Planetenangaben für die Töne und die HimmelsgesLrne5
Untersonnig
Mond-15
Obersonnig
Merkur
Venus
Sonne
Mars
Jupiter
Saturn
5 Geozentrisches, Ptolemäisches System
10/20
Diese Spiegelung gilt auch für die Qualitäten der einzelnen Skalen z. B.: Die Sonnenskala als Mitte ist im Gleichgewicht zwischen Dur und Moll. Der Mars als erster obersonniger Planet hat eine Dur Skala. Die Venus als erster untersonniger Planet, hat eine Moll Skala. So wird eine weitere Bestätigung, für die Planetenbezeichnungen wie sie von Schlesinger gegeben wurden, gefunden. Die Gesamtheit der Skalen ist ein wunderschönes Gebilde! Es wird klar, warum diese Skalen auch “Harmoniae” gennant worden sind.
3) Moll oder Durstrom -­‐ Tatsachen und Irrtümer
Goethe und Steiner Zitate zur Moll und Dur
“Dehnt sich die Tonmonade aus, so entspringt das Dur, zieht sie sich zusammen, so entsteht das Moll. Diese Entstehung habe ich ...durch Steigen und Fallen ausgedrückt; beyde Formeln lassen sich dadurch vereinigen, daß man den unvernehmlichen tiefsten Ton als innigstes Centrum der Monade, den unvernehmbaren höchsten als Peripherie derselben ansieht... Wie der Durton aus der Ausdehnung der Monade entsteht, so übt er eine gleiche Wirkung auf die menschliche Natur, er treibt sie in's Object, zur Thätigkeit, in die Weite, nach der Peripherie. Ebenso verhält es sich mit dem Mollton; da dieser aus der Zusammenziehung der Monade entspringt, so zieht er auch zusammen, concentrirt, treibt in's Subject und weiß dort die letzten Schlupfwinkel aufzuDinden, in welchen sich die allerliebste Wehmuth zu verstecken beliebt.”6
Briefwechsel Goethe mit Schlosser
“So gibt der Grundton C hinaufwärts [Obertonreihe ist gemeint] die Harmonie von C-­‐dur, herabwärts [Untertonreihe ist gemieint] die Harmonie von f-­‐moll...7 Der Dur-­‐Ton entspringt durch Steigen, durch eine Beschleunigung nach oben, durch eine Erweiterung aller Intervalle hinaufwärts. -­‐ Der Moll-­‐Ton entspringt durchs Fallen, Beschleunigung hinabwärts, Erweiterung der Intervalle nach unten. Die Moll-­‐Skala hinaufwärts muß sich zu Dur machen.”8
Goethe Tonlehre
“Ethos des Menschen ist ja: die Seele vereinigen mit dem geistigen Weben und Wesen. Hinaufgehen in der Tonhöhe: Ethos... Hinuntergehen in der Tonhöhe bedeutet, sich mehr vereinigen mit dem Physischen, als das im Normalen, in der normalen Haltung des Menschen der Fall ist. Das ist Pathos.” (Steiner GA278: 118-­‐119)
Anthroposophische Musiker (z. B. Renold 1998, Ruland 2011) haben diese Ideen weiter auf die ganze Weltentwicklung ausgedehnt. Das Musikalische, wie auch die Weltentwicklung, wird bis zu Golgatha abwärts der Erde sich nähernd, also heruntersteigend bezeichnet, und zu dem Mollstrom gehörend beschrieben. Nach Golgatha passiert eine Umwendung in der Entwicklungsrichtung, nach oben zum Geiste hin, also Durhaft. Eine Verbindung zu den Skalen kann in einer ganz bestimmten Strömung gefunden werden. Das sind Skalen, die auf reinen Quinten aufgebaut sind und der apollinischen Strömung zugehören. Vor Golgatha waren sie absteigend, etwa ab dem Mittelalter sind sie aufsteigend. Ein oft zitiertes Beispiel ist der Griechische, absteigende Dorische Modus e d c h a g f e und unser C Dur Skala c d e f g a h c. Beide sind auf reinen Quinten gebaut und gehören zu dem apollinischen Strom. Beide haben die gleiche Intervallfolge, in gespiegelter Richtung.
6 (Goethe. Briefe an An Christian Heinrich Schlosser, Weimar den 19. Febr. 1815 http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,
+Johann+Wolfgang/Briefe/1815
7 vergleiche Tabellen 1 und 11
8 http://www.merke.ch/goethe/wissenschaft/Tonlehre.php
11/20
Erste Korrektur
Es wird irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass die dionysischen Schlesinger-­‐Skalen auch absteigende Skalen waren und, dass sie auch umgedreht sein müssten, damit sie zu dem heutigen aufsteigenden Nach-­‐Golgatha-­‐Durstrom gehören. Das heisst praktisch, dass ihre Töne nicht mehr bei der Untertonreihe, sondern in der Obertonreihe ihren Abglanz Tinden sollten.
Obwohl diese Skalen in der Untertonreihe ein Abbild Tinden, wurden sie durchaus als aufsteigend erlebt und gespielt: Siehe Renold (1998: Kapitel 8) und vor allem Schlesinger: “It is the ascending Harmonia alone that comes to birth upon the Aulos” (1939a: 11).9 Das ist weil der Zeugerton von der Tonhöhe der leeren Saite und beim Aulos von der Länge der AulosTlöte, zum grösstenteils bestimmt wird.
Zweite Korrektur
Von Goethe und Steiner, siehe Zitate oben, wissen wir, dass aufsteigende Intervalle und Melodien dem Durstrom und heruntersteigende Intervalle und Melodien dem Mollstrom zugehörig sind. Diese Tatsache wird gern auf die Oberton-­‐ und Untertonreihen übertragen. Da das Moll in der Untertonreihe vorhanden zu sein scheint, wird angenommen, dass das Moll dort seinen Ursprung hat. Da irrte sich sogar Goethe, wobei man sagen muss, dass er sich wahrscheinlich an die Entdeckungen der damaligen Musiktheoretiker gehalten hat. Das Moll war immer ein Problem für die Musiktheoretiker, weil es nicht aus physikalischen Gesetzmässigkeiten zu erklären ist. Als der Untertonreihe entdeckt wurde, glaubte man, endlich darin seinen Ursprung gefunden zu haben. Das Ableiten des Moll von der Untertonreihe ist erstens nicht möglich, da die Untertonreihe physisch nirgendwo vorhanden ist, und daher keine Grundlage dafür bieten kann, und zweitens wäre dies auch grundsätzlich nicht richtig. Davon mehr bei der dritten Korrektur. Bei Dur könnte man eher meinen, eine Grundlage in der Obertonreihe zu Tinden, da sie tatsächlich als Phänomen existiert. Sie ist aufsteigend und hat auch einen kleinen Durteil. Dur und Moll sind aber inner-­‐seelische Angelegenheiten, innerhalb welchen die Seele Selbstgespräch hält: “Das Terzen-­‐Erlebnis ist ein sehr innerliches. Man weiß, dasjenige, was man mit der Terz abmacht, macht man mit sich selber ab... [Es] ist ein intimes, das man mit sich in seinem Herzen abmacht (Steiner GA287: 33)”.
Wenn man eine Beziehung von Dur und Moll zur Ober-­‐ und Untertonreihe Tinden möchte, dann wäre es in dem Zusammenspiel folgender Polaritäten: Durch Dur fühlt sich der Mensch sieghaft über und frei vom Leib, wobei die Obertonreihe eine physisch-­‐materielle Tatsache ist; Im Moll fühlt sich der Mensch auf gesunde Weise vereinigt mit dem Leib, dagegen ist die Untertonreihe nirgendwo in der natürlichen, physischen Welt vorhanden.
DriTe Korrektur
Es gibt etwas sehr Wesentliches, welches wir, Musiktheoretiker und auch Goethe, vergessen, wenn wir Gedanken und EmpTindungen anhand der Untertonreihe machen, und dies ist der Standpunkt unserer Betrachtung. Wir sind es gewohnt, uns im Grundton zu stützen und alles auf ihn in einer aufwärts strebenden Richtung zu beziehen. Dieses Erleben entstand erst in der Renaissance. Die Terz wird nicht allein aus der mittelalterlichen Quint geboren, sondern quillt heraus auch aus dem Gefühl, auf dem Grund der Prim zu stehen. Aus dem heutigen Primerlebnis gehen wir mit der Melodie herauf und gelangen mit ihr ausserhalb unserer Gestalt, kommen wieder zu uns mit der herunter steigenden Melodie. Das ist der Fall so lange wir bei der Obertonreihe bleiben. Aber bei der Untertonreihe gib es keinen Grundton. Sie ist eine Spiegelung der Obertonreihe und demnach ist der Standpunkt oben an ihrem Anfang! Die Spiegel-­‐Skalen von Anny von Lange
Anny von Lange hat 7 neue Spiegel-­‐Skalen entwickelt (Lange 1960), in welchen man immer den Standpunkt ändern muss. Die C-­‐Dur Skala möchte ich als Beispiel nehmen um die Wirkung des Standpunktwechsels klar zu machen.
9 “Es ist einzig und allein die aufsteigende Skala, welche am Aulos gezeugt wird.”
12/20
Tabelle 8: Die Intervalle der Anny von Lange Spiegel-­‐Skalen
Die Skalen sind in folgender Weise aufgebaut: Auf der linken Seite der Tabelle 8 oben stehen wir auf dem Grundton und ‘schauen’ hinauf, auf der rechten Seite versetzten wir uns in die Oktave, und ‘schauen’ hinunter. Wir sind genötigt, durch einen inneren Ruck unseren Standpunkt und unsere Wirkungsrichtung zu verändern. Wenn wir den Grundton-­‐Standpunkt behalten, dann erleben wir durchaus, dass die auf der rechten Seite stehenden, absteigenden Intervalle als Moll erklingen. Aber die Skalen fordern uns auf, uns immer wieder in die Oktave hinein zu versetzten, und von ihr aus hinunter zu ‘fühlen’. Dann werden alle Intervalle Durhaft hinuntersteigend, dem Physischen sieghaft sich nähernd und es durchdringend. Wir sind es gewohnt, abwärtsgehende Intervalle als heruntersteigend zu bezeichnen. Hier muss von hinuntersteigenden Intervallen die Rede sein.
Die ganze Skala ist also vom Grundton hinauf c d e f g a h c und von der Oktave hinunter c b as g f es des c. Also Dur in beiden Richtungen!
13/20
Tabelle 9. Eine Anny von Lange Spiegelskala
Auf diese Art und Weise sollten wir zu der Untertonreihe (Siehe Tabelle 1 oben) stehen. Alles spricht dafür, dass der erste Ton der Untertonreihe als Zeugerton angesehen wird. Wenn wir jetzt unseren Standpunkt auf diesen Zeugerton stellen, werden alle Intervalle wieder, wie bei den Anne von Lange Spiegel-­‐Skalen sieghaft hinuntersteigend, die Materie verwandelnd erlebt. Das ist ein zutiefst Dionysisch-­‐Manichäisches Geschehen und deutet auf das Geheimnis hin, dass eine Verwandlung nach Oben geschieht indem unser Ich unser ganzes Wesen in seinen Tiefen ergreift, also weiterhin nach Unten wirkend.
Weitere Aspekte
Weiterhin gibt es noch einige interessante Argumente dafür, dass eine Umkehrung bei diesen Skalen nicht unbedingt geschehen muss oder soll, um ‘zeitgemäss’ zu sein.
1) Die Intervalle der Schlesinger Skalen, auch bei der mehr moll-­‐gefärbten Skalen, werden in aufsteigender Richtung Stufenweise grösser. Sie erweitern sich also durhaft. Eine Spiegelung in die Obertonreihe würde das Gegenteil, eine ständige mollhafte Verengung, bewirken.
2) Wenn die Schlesinger Skalen umgedreht werden, geht ihr ganzes Bauprinzip, wie im ersten und zweiten Teil Oben dargestellt wurde, verloren. Da sahen wir, wie sie entstehen aus einem Zusammenwirken zwischen Saitenfrequenz, Zeugerton und Proportion und wie sie drei Zentren haben, eines in der Saitenfrequenz, das andere im Mese, und das dritte im gemeinsamen Oberton mit der gleichen Tonhöhe wie der unhörbare Zeugerton. Eine Umdrehung würde lediglich eine Beziehung zum Grundton aufweisen können durch arithmetische und harmonische Mittel. Es gäbe einen theoretisch gemeinsamen Oberton, aber dieser ist weder geistig real, noch physisch wahrnehmbar. Er ist so hoch, dass er mit über 460 Trillion Herz viel, viel weiter, ja sogar so gut wie unendlich weiter oberhalb unser mit lediglich 20.000 Hz liegenden oberen Hörgrenze liegt!
3) Die 8 Schlesinger Skalen geben auf viel-­‐farbige Weise kund von den ‘Leiden und Taten’ des hinuntersteigenden geistigen Durstroms. Dabei suchen sie den Ausgleich zwischen Dur und Moll. Darin enthalten ist eine Dur (Mars), und eine Moll Skala (Venus) in zwei Varianten (melodisch und harmonisch). Dann gibt es zwei, welche Dur und Moll zu den Extremen bringen, die eine ins Ekstatische (Jupiter) die andere in die leidende Verkrampfung (Mond-­‐14). Mond-­‐15 ist deutlich Dur, Saturn deutlich Moll und Merkur beginnt in Moll und landet sprunghaft im Dur. Zuletzt gibt es eine Skala, welche den Ausgleich zwischen Dur und Moll schafft: die Sonnen Skala. In diesen Skalen also spielt sich das ganze Spektrum von Moll und Dur bis in ihre Extreme ab, die Balance dazwischen suchend und Tindend. Dieser Balanceakt ist modern und gehört zutiefst in unsere Zeit. All dies ist nicht der Fall, wenn die Skalen gespiegelt werden.
4) Es besteht eine direkte Verbindung zwischen den Schlesinger Skalen und der Obertonreihe: Die Zeugertöne der jeweiligen Skalenarten sind in der Obertonreihe auch vorhanden! Der Teilton 16 hat die gleiche Tonhöhe wie der Zeugerton der Saturnskala, Teilton 15 die der Zeugerton der Mond-­‐15 usw.:
14/20
Tabelle 11. Schlesinger gespiegelt in der Obertonreihe
Diese Beziehung ist nur aus den ursprünglichen Schlesingerskalen möglich. Spiegelt man die Skalen, so wird auch dieser Aspekt nicht gespiegelt und fällt weg.
4) Aus der Arbeit mit den sozialen Gebilden der Skalen
Das Urbild der Melodie wird durch die ganze Gemeinschaft getragen und lebendig erhalten. Die Gemeinschaft vermittelt ihre Verwirklichung.
Historischer Hintergrund
Auf einem Klavier ist es möglich eine fünfstimmige Fuge alleine, als Solist zu spielen. Weiterhin stellt das Klavier den ganzen Tonumfang des Orchesters dem einzelnen Musiker zur Verfügung. Was früher ein Ensemble brauchte, braucht jetzt nur eine Person. Musik wurde eine Zelebration der Persönlichkeit. Dabei spielt die Temperierung eine wichtige Rolle. “Es ist auch das heutige Tonsystem durch allerlei Übereinanderlagerungen der TonempTindungen erst entstanden” (Steiner GA283: 76). Durch die 12 genau-­‐deTinierten Töne der Gleichtemperierung, welche erst 1914 in ihrer vollkommensten Form erscheint (Jorgensen 1991, 1992) entstand der Selbstbezogene Ton. Das ist ein Abstraktum, und ist etwas, wovon Steiner meinte, es müsste überwunden werden. (Steiner GA303: 349).10 Ich möchte das 20. Jahrhundert als ein Kampf um das Ich nennen. Die Frage war, ob das Ich sich mit dem schöpferischen Prozess des Komponierens verbinden kann, oder ob es seine Aktivität entweder in total durchberechneten Serialimus oder in die beliebige Aleatorik abgibt? Zeitgleich mit der grössten Zusammenballung des Tonmaterials und zu Steiner’s Lebenszeit beginnend, entstand ein Interesse in der Erweiterung des Tonsystems. Hinter dieser Entwicklung steht ein neuer Bewusstseinsschritt, wodurch eine Ich-­‐Kultur, im Gegensatz zu der traditionsgebundenen, sich entwickelt. Hier schaffen Musiker nicht nur ein eigenes Tonsystem, sondern einen eigenen Stil und bauen neue und originelle, speziell angefertigte Instrumente. Von vielen seien sieben Beispiele gegeben: Harry Partch (1901–1974), Ivor Darreg (1917–1994), Heiner Ruland (*1935), Manfred Bleffert (*1950), Kraig Grady (*1952), Cris Forster (*1948) und Gunhild von Kries (*1954).
Ein Aspekt dieses neuen Ich-­‐Bewusstseins ist, dass es teilnehmend, anstatt zuschauend, ist. Eine wachsende Aufmerksamkeit für die Wechselbeziehung zwischen Ich und Welt, Einzelnem und Gemeinschaft ist am Entstehen. Diese Fähigkeit bedeutet den Abgrund zwischen Ich und Welt zu überbrücken und zu füllen, und ein gleichzeitiges dynamisches Bewusstsein von Zentrum und Umkreis aufrecht zu erhalten und in Beiden gleichzeitig tätig zu sein. Einige Autoren, die über Resultate solcher Arbeit schreiben sind Rudolf Steiner (Philosophie der Freiheit), Werner Barfod (Zentrum und Umkreisbewusstsein in der Eurythmie), Georg Gölzer (Dynamische Beziehung zwischen Zentrum und Umkreis) Dorian Schmidt (Bildekräfte Forschung) und Jesaiah Ben-­‐Aharon (Gegenwärtige Christus Erlebnisse). Dieser Entwicklung folgend wurde mir klar, dass ein weiterer Schritt im musikalischen Bereich durch die Wiedererschaffung der Vielfalt der Töne, ein Sozial-­‐Gemeinschaftlicher sein könnte. Die Skalen haben selber gezeigt, wie harmonisch sie gebildet sind, und wie jeder Ton eine Spiegelung des Ganzen ist und auch umgekehrt. Ich musste den Rahmen schaffen, damit das musikalische Gestalten aus so einer 10 Selbst Schönberg meinte, dass dies eine “vorläuWige Station” sei und “die Entwicklung auf die Dauer nicht auWhalten können [wird]...Ob dann Viertel-­‐, Achtel-­‐, Drittel-­‐ oder Sechsteltöne kommen lässt sich nicht voraussagen.” (Schönberg "Harmonielehrer" S. 22 in Kurtz 2015: 221)
15/20
sozialen Harmonie entstehen konnte wie der Bau der Skalen selber. Daher entschloss ich mich, die 64 Töne der Skalen, wie sie in Tabellen 2 und 5 nach den jeweiligen Stufenton-­‐Variationen arrangiert sind, nicht auf eine Solo Leier zu bringen, sondern sie über acht speziell dafür gebaute Leiern zu verteilen. Jede Leier hat einen Ton und seine sieben mikrotonalen Variationen. Um den kombinierten Tonumfang zu vergrössern verdoppelte ich jeden Ton eine Oktave höher. Damit hat jede Leier 16 Saiten. Der genaue Umfang und die Toneverhältnisse jeder Leier kann anhand der Tabelle 5 gesehen werden. Um Musik auf diesen Leiern zu spielen, braucht der einzelne Musiker die Mithilfe einer Gemeinschaft von 7 Weiteren. Eine Melodie lebt zwischen allen acht Musikern.11 Um Gesichtspunkte für das gemeinschaftliche Tragen einer Melodie zu sammeln, sann ich nach, wie Musik entsteht.
Wie entsteht der Ton? Wie werden Töne Musik?
Natürliche Objekte erzeugen alle Arten von Geräusch ohne jeglichen EinTluss von mir. Ein Ton entsteht erst, wenn ich in eine bewusste Beziehung mit einem natürlichen Objekt komme. Je nachdem, wie ich ein Objekt an einem bestimmten Platz und in einer bestimmten Weise (z. B. locker oder fest) halte, und es auf eine bestimmte Art, mit einem bestimmten Schläger, welcher auch in einer bestimmten Weise gehalten wird, und an einem bestimmten Platz schlage, wird der entstehende Ton anders in Tonhöhe, Resonanz und Intensität. Ich schaffe spielerisch-­‐bewusst die Verhältnisse, unter welchen ein speziTischer Ton entstehen kann, indem ich das Objekt auf eine speziTische Art und Weise forme. Objekte können zu Instrumenten geformt werden. Je höher der Grad zu welchem dieses künstlerische Formen gelingt, desto vollkommener wird das Instrument, und desto mehr kann ich den Ton formen während ich ihn hervorbringe. Also, Töne entstehen durch das künstlerische Formen eines Objektes.
Musik entsteht nicht durch eine blosse Zusammenstellung der Töne zu einer Reihe oder Phrase. Rhythmus und Tonstärke können dazu kommen, aber das ist immer noch keine Musik, genauso wie reiner technische Perfektion eine musikalische Wüste ist. “So wie der menschliche Körper nicht die Seele ist, so sind die Töne nicht die Musik (Steiner GA287: 48).” Töne werden erst Musik durch eine gesteigerte menschliche Tätigkeit worin der Mensch die Töne künstlerisch formt. Um den “künstlerisch geformte Ton” (Steiner GA283: 11) hervorzubringen, braucht es einer schaffenden Intention. Meine Erfahrung zeigt, dass diese Ich-­‐Intentionalität nicht elektronisch übertragen werden kann.
Isaac Stern, ein grosser Musiker des letzten Jahrhunderts sagt: „Jeder Ton kommt von irgendwo, und geht irgendwohin... Du musst wissen, wohin du gehst, von wo du kommst und wo du bist, alles zur gleichen Zeit“.12 Gerade so, wie der schönste Ton aus dem vollkommenst-­‐geformten Objekt hervorgebracht werden kann, erklingt Musik, in wieweit der Musiker die Töne künstlerisch formen kann.
IntenIonalität-­‐Mitschaffen
Eine Voraussetzung für das Musizieren in der Gemeinschaft ist also ein Verständnis und Mittragen von Intentionalität. Das muss geübt werden. Hier ist ein Beispiel, an welchem das, was Stern sagt, geübt werden kann:
Tabelle 12. Melodie Beispiel
Zunächst kann man auf die Bewegung zwischen den Tönen, also von Ton zu Ton achten: Zuerst lauschend E empfangen, dann sich innerlich in der Richtung F bewegen dabei aber noch rückwärts „schauend“ zum E, allmählich nach vorwärts schauend zum nächsten F sich orientieren, F werden, von ihm weiter bewegend Richtung A, dabei aber zurück schauend zum F, zum A wenden, A werden, 11 Zu einem gewissen Grad haben Glöckner seit langem schon Ähnliches getan. Die folgende DeWinition der Musik wird zeigen wie eine Entwicklung in dieser Beziehung doch geschieht.
12 goo.gl/CzrGcc São Paulo, Brazil, 1994. Bei 21:30-­‐21:51
16/20
nachlauschen. An dieser Übung erlebt man die Willens-­‐ und Gestaltungskraft des Melos und fängt an zu verstehen, warum Schopenhauer über den Musiker sagt: “Er vernimmt den Willen der Natur und gibt ihn in der Folge der Töne wieder (in Steiner GA283: 12).” Man kann auch erfahren, wie dieser Wille – Hauer nennt es Melos (1923) – selber wirkt und lebt in und durch die Töne hindurch. In dem obigen Beispiel ist das am Besten zu erleben bei F, wo der grösste Umschwung in der Bewegung geschieht. Diese kann verdeutlicht werden, in dem man zum Vergleich eines der musikalischen Elemente (z. B. Tonstärke, Tonhöhe, oder Tondauer, Intensität) bei einem oder beiden der umgebenden Tönen ändern, z. B. das E herunter zu einem forte D. Oder das A herauf zu einem Staccato D. Man könnte aber genauso den mittleren Ton variieren. Wir sehen also, das die Bewegung im Einzelton stark abhängig ist von den Eigenschaften der ihn umgebenden Töne und auch umgekehrt. Normalerweise empfängt der Hörer als Kunstgeniesser diese Lebens-­‐Bewegung. Er kann aber auch lernen, sie aktiv mitzugestalten. Dann werden Musiker und Mithörer diese Lebens-­‐Bewegung als Intentionalität gemeinsam gestalten. Die Intentionalität geht voraus, begleitet und folgt dem äusseren Klingen des Tones nach.
Versuche in gemeinschaZlicher Melodiegestaltung13
Ein erster Schritt der gemeinschaftlichen Melodiegestaltung ist, eine gegebene Melodie in einem der Schlesinger Modi komponiert, zu lernen. Jede Person spielt ihren eigenen Melodieton. Wenn die Melodie gelernt ist, gestaltet jeder an der Intentionalität. Der Einzelne und die Gemeinschaft werden innig miteinander verwoben. Jeder trägt das Ideal des Stückes in sich, folgt seiner äusseren Verwirklichung, während er wach und aufmerksam seiner eigenen Rolle in dem ganzen Prozess gegenüber steht.
Ein zweiter Schritt ist die Melodie in allen 8 Schlesinger Skalen zu spielen, um die reiche Vielfalt im EmpTinden, welche durch die Tonvariationen dieser Skalen möglich ist, kennenzulernen. Um einen Eindruck davon zu geben habe ich eine Aufnahme eines Stückes für Leier und Klavier, welche in allen 8 Modi gespielt ist, auf YouTube gestellt: www.goo.gl/AtJKos.
Ein dritter Schritt ist, die Tonhöhe einzelner Töne zu variieren mit einer der 7 Tonvariationen, und dabei aufmerksam zu achten, wie die Intentionalität sich dabei ändern muss. Ein weiterer Schritt ist, eine Melodie gemeinsam zu improvisieren. Das könnte auf so eine Weise geschehen:
1) Alle streichen über die Leiersaiten und leben in dem so gemeinsam erschaffenen geräuschhaften Klang.
2) Langsam leiser werden und dabei ab und zu einzelnen Tönen erklingen lassen
3) Nur einzelnen Töne spielen
4) Das Mithören steigern, indem jeder versucht, dieser zufälligen ‘Melodie’ aktiv zu folgen und, mit musikalischer Intentionalität zu füllen.
Was bedeutet dies für die Intentionalität? Geht sie nicht verloren? Einsehbar ist, dass die Intentionalität für den, der einen neuen Ton zu der Melodie dazu spielt, gleich bleibt wie wenn er als Solist den nächsten Ton einer Melodie spielt. Dazu kommt aber, dass mehr Mut, Initiativkraft und eine gesteigerte Wachheit erforderlich ist, um den neuen Ton zu spielen. Für den darauf folgenden Ton betreffend aber, weisst der einzelnen Spieler weder welcher Ton als nächster kommt noch, wann er gespielt wird. Aber trotzdem ist es nötig, den Ton mindestens Intentional zu ‚erwarten’. Wenn das gelingt, dann wird auf wunderbare Weise die Erfüllung dieser Intentionalität als ‚Geschenk’ zurück an den einzelnen Spieler von der Gemeinschaft vollendet. Ein starkes Bewusstsein von der Beziehung und gegenseitigen VerTlechtung des Einzelne (Zentrum) mit der Gemeinschaft (Peripherie) kann entstehen.
13 In der Lauteurythmie wird etwas Ähnliches gemacht, wenn man ein Gedicht mit einer Eurythmiegruppe anhand der Tierkreisangaben von Steiner einstudiert. Jedes Tierkreiszeichen hat einen eigenen Laut, und jeder Planet ein eigen Vokal. Alle müssen zusammen arbeiten, um das Gedicht zu zeigen. Jeder Einzelne muss ein Bewusstsein des Ganzen haben, und alle müssen jeden Einzelnen mittragen. Da ich als Eurythmist bei solchen Einstudierungen öfters mitgemacht habe, wurde diese Angabe eine Inspiration für die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Musizierens.
17/20
5) Die Melodie im Einzelton
Im Intentionalität-­‐Mitschaffen oben wurde gezeigt, wie das Leben des Einzeltons von den ihn umgebenden Tönen und den Intervallbewegungen dazwischen abhängig ist. Wir werden diesem Leben des Einzeltons hier weiter nachgehen.
Man höre zuerst einen, an einem Instrument gespielten einzelnen Ton und erlebe dabei rein subjektiv, was es mit Einem macht, während er klingt. Folge ihm in seinem Entstehen und Vergehen. Was geht in Einem vor, wenn er zuerst klingt? Wie verwandelt es sich weiter? Wann lässt der Ton Einen wieder los? Was geschieht, nachdem es aufgehört hat zu klingen? Wie ist der „Nachklang“ (im Sinne von Nachbild)? Wie ist die Erwartung auf den Ton? Geschichten von der Biographie des Tones und der Reise, auf welcher er Einen mitnimmt, können erzählt werden. Der Einzelton ist nicht etwas Festes. Er ist Bewegung. Er ist im Leben.
Man spiele einen Ton zusammen mit anderen Tönen auf einem Klavier. Zuerst einen ganz hohen Ton und danach einen ganz tiefen Ton. Der Ton verändert seine Farbe, Stimmung und sogar Gewicht durch das, was um ihn mitklingt. Er ‚spiegelt’ die Qualitäten der anderen Töne. Noch erstaunlicher ist die Veränderung des Tons, wenn er zusammen mit einem Dur oder Moll Dreiklang gespielt wird. Da erleben wir, was Goethe an Schlosser schreibt, nämlich, dass der Ton sich ausdehnt und zusammenzieht. Er wird lichterfüllt oder abgedunkelt, leicht oder schwer. Die OberTläche des Tones ändert sich auch. Sie wird dick, dünn, trüb oder durchsichtig. Die untere Fläche kann als lastend empfunden werden, während die obere Fläche hell und schwerelos werden kann. Der Ton nimmt räumlich-­‐plastische Qualitäten an.
Tonhöhen-­‐VariaIonen des einzelnen Tones
Durch meditatives Hören anhand der acht Tonvariationen, welche sich auf einer der acht Leiern beTinden, können weitere Erlebnisse von dem Leben im Einzelton gemacht werden. Dazu ist es aber nötig, die Seelenreaktionen von Sympathie und Antipathie zu beruhigen, welche bei einer Variation der Tonhöhe und bei den ungewohnten Intervallen entstehen können. Dann erzählen die Töne und Intervalle über sich Qualitäten wie Zentrieren, Hülle-­‐bilden, sacht auf den Boden gestellt zu sein, wie das Entfalten einer neuen Knospe im Frühling, Lichten, Dichten, Schwer-­‐, oder Leichtwerden usw. Diese Erlebnisse werden an einem bestimmten Bereich im Leib wahrgenommen. Auch die Tonvariationsgruppe als Ganzes wirkt an einem bestimmten Ort. Eine ruft eine Erweiterung oder Verengung im Leberbereich, Wärme oder Kälte im Bereich des Kehlkopfes, Bedrücken oder Erleichtern im Bereich des Brustkorbs usw. hervor.
Solch eine intensive Arbeit klingt lange nach. Musik, wie wir sie heute gewohnt sind, gehört in die Seelenwelt der Terz. Diese neue Musik beginnt den Erlebnisbereich in die Sekund und damit dem Ätherischen zu erschliessen. Es wirken diese Intervalle direkt moralisch ins Gebiet der Lebenskräfte hinein, ähnlich, wie die Musik von Wagner, welche “den Buddhi-­‐Leib so stark [erregt], daß die direkte Wirkung auf den Ätherleib da ist” (Steiner GA283: 42). Ein Teil des Ätherleibs wird massiert. Die Lebenskräfte werden erregt und verlebendigt mit der Wirkung, das man erfrischt, gestärkt und mehr in sich gegründet, und auch wacher sich fühlt. Hier warten viele Möglichkeiten der Vertiefung der Musiktherapie auf weitere Forschung!
Kontroverse
Es ist mir bewusst, dass einige prominente anthroposophische Musiker der Meinung sind, dass es noch nicht an der Zeit sei, sich so tief in den Bereich der Sekund einzuleben. Sie sagen, dass es noch nicht möglich ist, ein herzhaftes Erlebnis der Sekund zu haben, da unsere Zeit sich immer noch im Terzen-­‐
Zeitalter beTindet. Auf einer seelischen Ebene trifft das vielleicht zu. Schafft man aber, die Seelenreaktionen zu beruhigen, wie oben beschrieben ist, wird ein inniges Erlebnis der Sekund und sogar des Einzeltons tatsächlich möglich. Ausserdem gibt Steiner klare Anweisungen, dass dies eine 18/20
Fähigkeit ist, welche schon zu seiner Zeit ansatzweise anfängt sich zu bilden.14
Ton-­‐Metamorphosen
Die Arbeit an diesen Intervallen lässt eine EmpTindsamkeit wachsen für das Leben des Einzeltons. Er kommt in Bewegung gleich einer Melodie, zieht sich zusammen, dehnt sich aus, wird leicht oder schwer, blüht auf oder welkt dahin. Es entsteht eine EmpTindung, dass gewisse Töne, wenn sie in einer Melodie wieder erscheinen, als Metamorphosen ihrer selbst neu geboren sein möchten. Etwas auf musikalischer Ebene geschieht, welches verwandt ist mit Goethes Metamorphosen Theorie. „Dass dieses Blatt so und jenes Blatt so aussieht, das ist eine Äußerlichkeit. Innerlich angesehen ist es so, dass das Blatt innerlich selber eine Verwandlungskraft hat, dass es äusserlich ebenso gut so ausschauen kann wie so. Es sind gar nicht zwei Blätter, es ist eigentlich ein Blatt, in zwei verschiedenen Weisen dargestellt“ (Steiner GA216: 109. Hervorhebungen B.S.).
Die obigen Erfahrungen machen es möglich, diese Worte auf den Ton zu übertragen und zu sagen:
„Innerlich angesehen ist es so, dass der Ton innerlich selber eine Verwandlungskraft hat, dass er äusserlich ebenso gut so erklingen kann wie so. Es sind gar nicht zwei Töne, es ist eigentlich ein Ton, in zwei verschiedenen Weisen dargestellt.“
Mikrotonale Musik anhand der Schlesinger Skalen birgt die Herausforderung, dass neue Instrumente geschaffen werden, und dass ein neues Bewusstsein von der dynamisch-­‐webenden Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft entwickelt wird durch welches der Ton ständig in verschiedenen Formen erklingen kann als künstlerisch geformtes Tongebilde. Dieses ist in Ihnen veranlagt. Rudolf Steiner’s Sozial Motto wird zur innere Erlebnis.
Heilsam ist nur, wenn
Im Spiegel der Menschenseele sich bildet
Die ganze Gemeinschaft,
Und in der Gemeinschaft lebt
Der Einzelseele Kraft.
Bevis Stevens
Mai-­‐Juli 201515
Nachwort
In dem ich diese Skalen so einseitig lobpreise kann der Eindruck leicht entstehen, dass ich denke, dass die Obertonreihe nichts Wert ist. Das ist nicht der Fall. Die Obertonreihe ist genau so ein harmonisches Gebilde wie die Untertonreihe. Ich habe einige interessante Beobachtungen und Berechnungen gemacht welche aber den Rahmen dieses Schreibens sprengen würden. Es genügt hiermit zu sagen, dass eine Komposition, welche Töne von beiden enthält welche sich bespiegeln ähnlich wie die Anny von Lange Skalen, eine sehr interessante musikalische Wirkung ergibt.
14 “Und die nächste Entwickelung wird…eine Vergeistigung, eine Verspiritualisierung sein...Man wird fühlen lernen: ...Versenkt man sich in den Ton, dann offenbart der Ton drei oder fünf oder noch mehr Töne, und man dringt mit dem Ton, ...indem der Ton selbst zur Melodie und zur Harmonie sich ausweitet, ins Spirituelle ein. — Bei einzelnen Musikern der Gegenwart sind Ansätze gemacht zu diesem Eindringen” (Steiner GA276: 140). “Gemeint ist, daß man heute beginnt -­‐ das hängt einfach mit der Entwickelung der Menschheit zusammen -­‐, gegenüber dem, was...als ein Ton erlebt worden ist, als von einer Gliederung zu sprechen. (Steiner GA283: 76)
15 Für Videos meiner Arbeit siehe meine Youtube Kannal: https://www.youtube.com/user/buzzlebaz. Für Aufsätze and material über Schlesinger siehe der Diskussion: https://www.youtube.com/user/buzzlebaz/discussion 19/20
Bibliography
Hamilton, E. (1994) Die Tonarten Altgriechenlands. Zur Planeten Musik Band 1. http://eurythmy.co.nz/
Files/Goebel/Hamilton6MB.pdf Heygendorf: Privatdruck
Hauer, J. M. (1923) Deutung des Melos: eine Frage an die Künstler und Denker unserer Zeit.
Leipzig ; Zürich: E.P. Tal.
Jorgensen, O. (1991) Tuning: containing the perfection of eighteenth-century temperament, the lost
art of nineteenth-century temperament, and the science of equal temperament, complete with
instructions for aural and electronic tuning. East Lansing, Mich.: Michigan State University
Press. Erhältlich online:
http://eurythmy.co.nz/Files/Jorgensen/ATemperamentalJourney-1.mov
http://eurythmy.co.nz/Files/Jorgensen/ATemperamentalJourney-2.mov
http://eurythmy.co.nz/Files/Jorgensen/ATemperamentalJourney-3.mov
http://eurythmy.co.nz/Files/Jorgensen/ATemperamentalJourney-4.mov
http://eurythmy.co.nz/Files/Jorgensen/ATemperamentalJourney.pdf
Jorgensen, O. (1992) A Temperamental Journey (recording of a conference on tuning). IN Wittig, C.
(Ed. Washington, DC: Piano Technicians Guild.
Kurtz, M. (2015) Rudolf Steiner und die Musik. Biographisches, geisteswissenschaftliche Forschung,
Zukunftsimpulse. Dornach: Verlag am Goetheanum.
Lange, A. V. (1960) Mensch, Musik und Kosmos : Anregungen zu einer goetheanistischen Tonlehre.
Freiburg i. Br.: Verlag Die Kommenden.
Renold, M. (1998) Von Intervallen, Tonleitern, Tönen und dem Kammerton c=128 Hertz 3. Auflage.
Dornach, Schweiz: Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum.
Ruland, H. (2011) Goetheanismus und Musik : Aspekte zu einem neuen Erfassen der musikalischen
Gegenwart. Dornach: Verlag am Goetheanum.
Schlesinger, K. (1923) Die Planetarischen Harmonien (Moden) in Bezug auf die Moderne Musik und
auf die Geisteswissenschaft 1923. Erhältlich online: http://www.eurythmy.co.nz/Files/
Research/Schlesinger-Vortrag.pdf
Schlesinger, K. (1939a) The Greek aulos: a study of its mechanism and of its relation to the modal
system of ancient Greek music. London: Methuen.
Schlesinger, K. (1939b) The Greek aulos: a study of its mechanism and of its relation to the modal
system of ancient Greek music. Erhältlich online: https://archive.org/details/
KathleenSchlesingerTheGreekAulos. London: Methuen.
Steiner, R. (GA13, 1913) Die Geheimwissenschaft im Umriss. Vierte, vielfach erga\0308nzte und
erweiterte Auflage: Leipzig.
Steiner, R. (GA287, 1956) Eurythmie als sichtbarer Gesang: 8 Vorträge. 2., mit den stenogr.
Nachschriften verglichene Aufl. Dornach: Rudolf-Steiner-Nachlaßverwaltung.
Steiner, R. (GA303, 1978) Die gesunde Entwickelung des Leiblich-Physischen als Grundlage der
freien Entfaltung des Seelische-Geistigen. Dornach/Schweiz: Rudolf Steiner Verlag.
Steiner, R. (GA283, 1989) Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen.
Dornach/Schweiz: Rudolf Steiner Verlag.
Steiner, R. (GA317, 1995) Heilpädagogischer Kurs. Zwölf Vorträge, gehalten in Dornach vom 25. Juni
bis 7. Juli 1924 vor Ärzten und Heilpädagogen. Dornach/Schweiz: Rudolf-Steiner-Verl.
Steiner, R. (GA278, 1998) Eurythmy as visible singing 3rd ed. Stourbridge: Anderida Music Trust.
Steiner, R. (GA276, 2002) Das Künstlerische in seiner Weltmission: Acht Vorträge, gehalten in
Dornach vom 27. Mai bis 9. Juni 1923: zwei Vorträge, gehalten in Kristian (Oslo) am 18. und
20. Mai 1923 4. Aufl. Dornach: Rudolf Steiner Verlag.
20/20
Herunterladen