W E R B E AU S G A B E N Zwischen den Zahlen Die Kluft zwischen Brutto und Netto hat sich 2014 weiter vergrößert. Nicht das einzige Problem der Werbestatistik ze t ä s m u be r e W o t Brut 2004 18,54 Mrd. € T E XT: T hom as Nött i n g Die erste Zahl des Werbejahrs steht fest. Sie lautet 28,21 Milliarden. Diesen Betrag in Euro haben laut Marktforscher Nielsen Deutschlands Unternehmen im vergangenen Jahr für klassische Werbung ausgegeben. Das entspricht einem Plus von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine Bilanz, die auf den ersten Blick für Kontinuität und Wachstum steht. Tatsächlich war 2014 für den Werbemarkt wohl eher ein Jahr der Stagnation. 2004 16,18 Mrd. € Da ist zunächst einmal das bekannte Phänomen der Brutto-Netto-Schere. Diese Kluft ist im vergangenen Jahr wieder größer geworden. Fernsehen und Online befeuern Rabatteffekt Das zeigt der Zehnjahresvergleich von Nielsens Bruttozahlen mit den vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) ermittelten jährlichen Einnahmen der Medien (siehe Grafik). Der Werbedachverband erwartet in seiner vorläufigen Prognose bei den 2008 22,48 Mrd. € Netto-Werbeumsätzen ein leichtes Minus gegenüber 2013. Die Schere aufklappen lässt der stetige Preisverfall in den wichtigen Medien – angefeuert durch Trading und steigende Rabatte. Hauptverantwortlich ist dafür vor allem das Leitmedium Fernsehen. Im satten NielsenPlus von acht Prozent steckt eine Menge Luft. Der sogenante Pay-Faktor liegt im TV inzwischen bei 34 Prozent. Kunden zahlen also nur ein Drittel des offiziellen Preises. Hinzu kommt: Ein Hochrabatt-Medium wie Online gewinnt Marktanteile, gleichzeitig schrumpft der Anteil der eher rabattresistenteren Zeitungsanzeigen. Auch das lässt den Scherenschnitt Jahr für Jahr ungünstiger ausfallen. Netto-Werbeumsätze 34 | W&V 4-2015 2009 15,29 Mrd. € 2014 28,21 Mrd. € 2013 27,09 Mrd. € 2010 25,14 Mrd. € Autobauer werben man meisten Branchen Dass die Zahlen die Wirklichkeit im zeitgenössischen Werbemarkt immer weniger wiedergeben, liegt aber auch an der Methodik. Beide Kurven kranken am selben Problem: Sowohl der ZAW wie auch die WerbedruckMesser von Nielsen und Konkurrent Ebiquity erfassen weder Suchmaschinen-Inserate noch Social Media oder Affiliate. Größen wie Google, Youtube, Twitter und Facebook sind nicht Teil der Statistik. „Damit fehlt ein immer relevanter werdender Ausschnitt vom Markt“, sagt Christof Baron, Ko-Europachef der Mediaagentur Mindshare. Für die positiven Zahlen im Werbejahr 2014 zeichnen vor allem Online- und E-Commerce-Unternehmen verantwortlich. Sie haben, ebenso wie die Telekommunikationsfirmen, ihre Werbeausgaben am deutlichsten erhöht (siehe Tabelle). Die Elektro-Fraktion hat damit maßgeblich zum Brutto-Plus bei Nielsen beigetragen. Auch die Autohersteller haben 2014 deutlich mehr geworben und sich wieder an die Spitze der Spendertabelle gesetzt. Geprägt hat das Werbejahr natürlich die Fußball-WM. Ihretwegen haben Autobauer und Brauereien mehr Werbegeld ausgegeben. Auch die Fernsehsender profitierten in den WM-Monaten stark vom Ballzauber in Brasilien. Ungebrochen ist der Negativtrend bei den gedruckten Medien. Dass der Zuwachs bei Online nur verhalten ausfällt, dürfte an den besagten Problemen der Statistik liegen. Wie geht es 2015 weiter? Zu positiven Konjunkturzeichen wie dem niedrigen Ölpreis kommen drohende Eurokrise und Deflation, die positive Prognosen ins Wanken bringen könnten. Experten wie Baron halten sich deshalb mit Vorhersagen zurück. „Die Aussichten“, so der Mindshare-Chef, „sind in den letzten Monaten fragiler geworden.“ Pkw 2014 in Mrd. € 2013 in Mrd. € +/– in % 1,81 1,63 10,9 Online-Dienstleistungen 1,25 1,06 17,7 E-Commerce 1,20 0,94 27,2 Lebensmittel-EH 1,19 1,05 13,7 Arzneimittel 0,95 0,88 8,1 Mobilnetz 0,84 0,81 3,2 Süßwaren 0,71 0,76 –6,4 Möbel und Einrichtung 0,64 0,63 1,2 Haarpflege 0,52 0,54 –3,9 Kaufhäuser 0,49 0,51 –2,9 Weniger gedruckte Werbung Branchen 2014 in Mrd. € 2013 in Mrd. € +/– in % Gesamt 28,21 27,10 4,1 Fernsehen 13,07 12,10 8,0 Zeitungen 4,68 4,72 –1,0 Zeitschriften 3,51 3,55 –1,3 Internet 3,06 3,02 1,2 Radio 1,64 1,60 2,2 Out-of-Home 1,56 1,48 5,3 Fachzeitschriften 0,40 0,40 –0,6 Kino 0,12 0,10 22,4 Basis: kumuliert, Daten addiert von Januar bis Dezember des angegebenen Jahres. Quelle: Nielsen © 2014 15,15 Mrd. €1 29 Mrd. € 1ZAW-Prognose. Quelle: Nielsen, ZAW (ohne Werbung per Post) W&V 4-2015 | 35