Thomas Groß, Rainer Grede 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 Die Nachgründungsmaßnahmen am historischen Rathaus Zweibrücken unter besonderer Berücksichtigung der historischen Bausubstanz THOMAS GROß Stump Spezialtiefbau GmbH, NL Langenfeld RAINER GREDE Stump Spezialtiefbau GmbH, NL Langenfeld ZUSAMMENFASSUNG Das Rathaus Zweibrücken ist ein ca. 230 Jahre altes historisches denkmalgeschütztes Gebäude. Da es wieder, in einem der heutigen Zeit angepaßtem Zustand genutzt werden soll, mußte die ursprüngliche Eichenpfahlgründung saniert werden. Diese aufgrund wechselnder Grundwasserstände verrottende Gründung sowie der ungünstige Baugrund verursachten laufende Setzungen. Um diese Setzungen und somit Schäden am Gebäude abzustellen, wurde sie durch Düsenstrahlkörper ersetzt. Dies geschah unter beengtesten Verhältnissen im Keller und außerhalb des Gebäudes an allen tragenden Wänden. Vor der Ausführung der Düsenstrahlarbeiten war zunächst das tragende Mauerwerk, auf dem die Gewölbedecken ruhen, so zu sanieren, daß es in der Lage ist die Lasten des Gebäudes im Bereich der frischen Düsenstrahlkörper, in dem technisch bedingt der Baugrund temporär praktisch nicht tragfähig ist, durch Gewölbebildung zu übernehmen. Dies geschah durch Injektion und Vernadelung des Mauerwerks, welche auf den historischen Bestand des Bauwerks abzustimmen war. 1. EINLEITUNG Im Zentrum von Zweibrücken nahe des die Stadt durchquerenden Schwarzbachs befindet sich das historische und denkmalgeschützte Rathaus. Es wurde in der Zeit des Barocks von ca. 1760 – 1775 errichtet. Im Jahre 1858 wurde ein weiteres Geschoss aufgestockt. des Gebäudes fast unmöglich machten. Teilweise gingen die Schäden, die auch durch Bausünden aus der Vergangenheit im Rahmen von Umbauten verursacht waren, soweit, daß fast von Einsturzgefahr bestimmter Teile des Gebäudes gesprochen werden musste. Durch die Stadt Zweibrücken wurde daher ein Gesamtkonzept für die Nutzung des Gebäudes und auch der angrenzenden Gebäude entwickelt. Angrenzende Gebäude wurden schon in einer vorhergehenden Bauphase saniert. Voraussetzung für eine Sanierung des Gebäudes in seiner Gesamtheit und damit der Ermöglichung einer zeitgerechten Nutzung war allerdings die Sanierung der Gründung. Nur so konnten weitere Setzungen und damit erneute Schäden vermieden werden. Im weiteren wird die Planung und die Durchführung dieser Arbeiten beschrieben. Bild 1: Ansicht des Rathauses Das Rathaus wies umfangreiche zum Teil erhebliche Setzungsschäden auf, welche eine zeitgerechte Nutzung Die sorgfältige und umfassende Planung machte eine Ausführung der Sanierungsarbeiten an der Gründung in dem Zeitraum von Mai 2000 bis Februar 2001 möglich. Die Setzungen konnten gestoppt werden und das Gebäude wurde wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt. Seite 1 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede 2. BAUGRUNDSITUATION Der unter dem Rathaus anstehende Baugrund wurde als sehr ungleichmäßig und inhomogen erkundet. Die Abweichungen der Höhenkoten und der Schichtdicken der einzelnen Bodenschichten betragen mehrere Meter. Unterhalb der alten Fundamente stehen zu einem großen Teil Auffüllungen an, welche in bis zu 7 m Tiefe erkundet wurden. Die Auffüllungen bestehen aus Sanden, teilweise organischen Schluffen und Tonen in lockerer Lagerung bzw. in weicher bis breiiger Konsistenz. Die unterschiedlich starken Auffüllungen stammen aus einer Verfüllung des Schwarzbachbettes, welcher vormals am Platz des Rathauses floß und verlegt wurde. Deshalb sind auch zahlreiche Hindernisse wie Holz und Steine eingelagert. Unter den Auffüllungen stehen in unterschiedlicher Mächtigkeit bindige Schwemmablagerungen an. Diese wiederum werden von nur dünnen Schichten von Schwemmsanden unterlagert. Unterhalb dieser Schichten steht Sandstein mit hohen Tragfähigkeiten von ca. 7.000 bis 10.000 kN/m² an. Der Horizont der kompakten Sandsteinoberkante liegt bei 6 m bis 8,5 m unter Gründungsunterkante. Hieraus ergeben sich unterschiedlich dicke, stark setzungsempfindliche Bodenschichten unter der Gründung. 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 den Pfählen war ein Rost aus Eichenbalken aufgebaut. Der Rost bestand im wesentlichen aus Längsbalken, teilweise waren auch Querbalken angeordnet. Auf dem Pfahlrost wiederum war das Natursteinmauerwerk der aufgehenden Wände gesetzt. Die Unterkante des Natursteinmauerwerks befand sich im Mittel ca. 0,5 m unterhalb der Kellersohle. Im Vorfeld der eigentlichen Maßnahme wurden an freigelegten Pfählen die Längen mittels dynamischen Integritätsprüfungen untersucht. Es ergaben sich Längen zwischen 2,2 und 2,7 m, in Ausnahmefällen bis zu 3,6 m. Damit liegen die Füße der Eichenpfähle im wesentlichen im aufgefüllten Baugrund. Die Tragfähigkeit der Pfähle ist aus diesem Grund als nicht allzu hoch anzusehen. Ein Teil der Setzungen ist darauf zurückzuführen, daß der zulässige Spitzendruck überschritten wurde und die Pfähle sich langsam in den Baugrund eindrücken, so daß auch die Fundamente in Form von Streifenfundamenten über ihre Fläche mittragen und somit sozusagen eine „Pfahl-Platten-Gründung“ vorliegt. Die zulässigen Flächenpressungen für den anstehenden bindigen Baugrund sind jedoch so gering, daß zwangsläufig Setzungen auftreten. Das Gebäude hat sich über lange Zeit gesetzt. Das Maß der Setzungen ist heute nicht mehr genau festzustellen. Es ist jedoch davon auszugehen, daß es sich um mehrere Dezimeter handelt. Ein Großteil der Setzungen muß sich unmittelbar in der Bauphase eingestellt haben. Ein zweiter Setzungsschub ist nach dem Aufstocken des Gebäudes anzunehmen. Die alten Eichenpfähle wurden auf ihren Zustand untersucht. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich. Zum Teil sind die Pfähle sehr gut erhalten, andererseits sind auch Bereiche vorzufinden, in denen die Pfähle fast vollständig zersetzt sind. Dies sind auch die Bereiche in denen zufolge des Rissbildes die größten Setzungen im Gebäude aufgetreten sind. Bild 2: Charakteristischer Bodenaufbau 3. BESTEHENDE GRÜNDUNGSSITUATION Der oben beschriebene Baugrundaufbau, im wesentlichen beeinflusst durch den Bau in dem ehemaligen Bett des Schwarzbaches, war schon zur damaligen Zeit Anlass für die Baumeister über eine besondere Gründung nachzudenken. Sie wählten die im folgenden geschilderte Gründungsmethode. Das Rathaus war komplett auf Eichenpfählen mit einem Durchmesser zwischen 10 und 18 cm gegründet. Auf Zum Zeitpunkt der Baumaßnahme stand das Grundwasser ca. 20 bis 30 cm unter der Unterkante des Natursteinmauerwerks. Es wurden jedoch auch schon deutlich abweichende Wasserstände gemessen, die wesentlich tiefer lagen. Die Pfahlköpfe liegen also in der Wasserwechselzone. Dies führt zu einer fortschreitenden Zerstörung der Pfähle im oberen Bereich, so dass die über die Pfähle aufgenommenen Kräfte geringer werden. Die Zersetzung der Pfähle führt dazu, daß weitere Lasten über die Flächenwirkung des Mauerwerks abzutragen sind, wodurch weitere Setzungen auftreten. Aufgrund des unterschiedlichen Erhaltungsgrades der Pfähle kommt es jedoch hier zu unterschiedlichen Setzungen und somit zu Schäden im Gebäude. Seite 2 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 Bild 3: Prinzipskizze vorhandene Gründungssituation fahrens angepasst werden. Aufgrund dieser immer weiter fortlaufenden Zersetzung der Gründungspfähle und dem damit verbundenen Volumenverlust sowie weiteren Lasterhöhungen auf die Fundamente, konnte mit einem Abklingen der Setzungen keinesfalls gerechnet werden. Die Arbeiten des Düsenstrahlverfahrens und der Mauerwerkssanierung wurden zur Ausführung ausgeschrieben. Ebenso wurde die Erstellung der Statik und der Detailplanung der Sanierungsarbeiten mit ausgeschrieben und der ausführenden Firma beauftragt. 4. PLANUNG UND KONZEPT 4.1 Allgemeine Planung Das Rathaus besteht aus zwei Gebäudeteilen, dem Gebäude Schillerstr. 2 und dem Gebäude Herzogplatz 1, wobei beim Gebäude Schillerstr. 2 nur die Fassade unter Denkmalschutz steht. Die Planung bezog sich auf die folgenden Gebäudeteile: Das Gebäude Herzogplatz war komplett zu erhalten, so daß hier ein Gesamtkonzept erarbeitet werden musste. Beim Gebäude Schillerstr. 2 wurde nur die Strassenfassade als erhaltenswert eingestuft, so daß der Rest des Gebäudes abgebrochen wurde. Die Fassade mußte nachgegründet werden. Im Rahmen der Vorplanung wurden mehrere Varianten einer möglichen Sanierungsmethode untersucht. Beispielsweise wurden die Einsatzmöglichkeiten diverser Nachgründungen mit Pfählen (Wurzel-Pfähle, RammPfähle, Ortbeton-Pfähle usw.) überprüft. Diese Lösungen wurden aus Gründen der Geometrie und da es kaum möglich war die Kräfte in das Mauerwerk der vorliegenden Qualität einzuleiten, verworfen. Es wurde festgelegt, dass nur eine Sanierung mit Hilfe des Düsenstrahlverfahrens aus wirtschaftlicher und technischer Sicht in Frage kommt. Dazu mußte zwangsläufig die für das Gebäude geplante Mauerwerkssanierung an die Maßgaben des Düsenstrahlver- Bild 4: Grundriss der zu unterfangenden Gebäudeteile Seite 3 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede Um die Grundlagen für die weitergehende Planung der Sanierungsmaßnahmen zu erhalten, waren zunächst die Randbedingungen zu klären und insbesondere das Mauerwerk des Gebäudes zu untersuchen. Hierzu wurden zahlreiche Kernbohrungen horizontal durch das Mauerwerk geführt. Hieraus konnten Erkenntnisse über den Aufbau des Mauerwerks und seine Güte erhalten werden. 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 für die temporäre Stützung des aufgehenden Mauerwerks bilden kann. 4.1.2 ren Unterfangung mit dem Düsenstrahlverfah- Die Planung der Unterfangung mit dem Düsenstrahlverfahren war weit aufwendiger. Es handelt sich in weiten Teilen des Gebäudes um ein zweischaliges Mauerwerk mit je einer tragenden Außenund Innenschale, die in unterschiedlichen Abständen zueinander hergestellt worden sind. Der Abstand der Schalen betrug zwischen 0 und 10 cm. Wenn die Schalen auf Abstand gemauert waren, wurde teilweise eine Verfüllung mit nichtbindigem Material vorgefunden. Zum Teil stand die Fuge auch offen. Das Düsenstrahlverfahren gilt als sicheres und setzungsarmes Verfahren zur Unterfangung von Gebäuden. Die zwei Mauerwerksschalen waren für die weitere Planung insofern von Bedeutung, als daß es nicht möglich war nur eine Schale für sich zu unterfangen, sondern das beide Hälften bearbeitet werden mußten. Eine zunächst angedachte Lösung mit alternierend angeordneten DSV-Körpern rechts und links unter den einzelnen Schalen im Abstand von ca. 3 m kam also für die weitere Planung nicht in Frage. Die neu zu errichtenden Gebäudeteile wurden auf Großbohrpfählen gegründet. Das Setzungsverhalten der unterfangenen Gebäudeteile und der angeschlossenen Neubauten wurde als vergleichbar eingestuft. 4.1.1 Mauerwerkssanierung Für das Mauerwerk wurde festgelegt, das es durch Mauerwerksinjektion und Vernadelung zu sanieren ist. Ziel dieser Maßnahme war es, ein „kompaktes“ Mauerwerk mit einer gleichmäßigen statisch ansetzbaren Mindestfestigkeit zu erreichen. Zum einen sollte die Mauerwerkssanierung die vorhandene Bausubstanz insoweit ertüchtigen, als es die geänderte Gebäudenutzung mit seinen erhöhten Gebrauchslasten erfordert, zum anderen war der gesicherte Verbund des Mauerwerks die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und schadlose Nachgründung im Düsenstrahlverfahren. Geplant wurde, Diamantkernbohrungen Durchmesser 32 mm aus dem Inneren des Gebäudes so auszuführen, daß sie ca. 10 cm vor der Aussenkante des Mauerwerks endeten. Diese Bohrungen sollten mit dem Minimum an notwendiger Wasserspülung durchgeführt werden, um keine Feuchtigkeit ins Mauerwerk einzutragen und dieses weiter zu schädigen. In geschädigten Mauerwerksteilen sollten die Bohrungen als Trockenbohrung ausgeführt werden; speziell in den Bereichen, in denen die z. T. barocken Stuckarbeiten und -applikationen den Einsatz von Wasser untersagten. Die Bohrungen sollten im versetzten Raster von 1,00 m auf 1,00 m ausgeführt werden, so daß auf eine Bohrung 1 m² Mauerwerk entfiel. Im Bereich der Fundamente wurde das Raster planmäßig teilweise verdichtet und zusätzliche Nadeln angeordnet, um zu gewährleisten, dass das Mauerwerk im Rahmen der DSV-Arbeiten die notwendigen Gewölbe Es gibt vielseitige Geräte, die ein Arbeiten auch unter beengten Verhältnissen erlauben. Die Anordnung der Unterfangungskörper unterliegt nahezu keinen Begrenzungen, da aus verschiedenen Einzelsäulen beinahe jede Kubatur hergestellt werden kann. Durch eine geeignete Nachgründung sollten die anhaltenden Setzungen des Rathausgebäudes gestoppt werden. Folgende Randbedingungen waren für die Planung zu beachten: • Die Mauerwerksfestigkeit ist mit maximal 1 N / mm² anzusetzen. Da es sich um Natursteinmauerwerk mit Trasszementmörtel handelt, ist gemäß DIN 1053 Tabelle 10 auch bei den höchsten Steinfestigkeiten kein anderer Wert zulässig. • Die Raumhöhe im Bereich der zu unterfangenden Wände ist aufgrund der Gewölbedecken in großen Teilen deutlich kleiner als 2,00 m. • Die Düsenstrahlkörper sollten im frisch hergestellten Zustand nicht mehr als ca. 0,65 m² Fläche aufweisen, um den Bereich unter den Wänden temporär nicht zu sehr zu schwächen. • Im Bereich des Felses wird für die Sohlpressung der Düsenstrahlkörper auf dem Fels ein Wert von zul s = 2000 kN / m² zugelassen. Aufgrund dieser Vorgaben wurden zahlreiche Detaillösungen erarbeitet, welche ausführbar waren. Zur Ausführung kam letztlich eine Variante, welche eine statisch saubere Lösung darstellt und zudem aufgrund Ihrer relativ geringen Massen wirtschaftlich war. Zur Ausführung freigegeben wurde ein kombiniertes System aus Halb- und Vollsäulen im Düsenstrahlverfahren. Im folgenden wird nur diese zur Ausführung gekommen Lösung erläutert. Seite 4 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede Bild 5: Prinzip der Unterfangung im Düsenstrahlverfahren 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 Das gewählte Konzept sah vor, zunächst den Bereich direkt unterhalb der Fundamente mittels DSV-Körpern zu sichern. Hierzu sollten ausschließlich Halbsäulen verwendet werden, um in dieser Phase nicht zu große Bereiche des Fundamentes zu schwächen. Die Halbsäulen wurden mit einem planmäßigen Durchmesser von 1,30 m projektiert, was der oben genannten Forderung von nur 0,65 m² geschwächter Fläche unter dem Fundament entspricht. Auf diese Weise sollte zunächst ein durchgehender Balken unter den Fundamenten in Breite der Fundamente und einer Tiefe von 2,00 m hergestellt werden. Diese Kubatur konnte natürlich nicht in diesen Idealmassen hergestellt werden, sondern hatte produktionsbedingte Überstände über die Sollkubatur hinaus. Nach diesem Schritt wurden die Fundamente insofern als gesichert angesehen, dass für die weiteren Arbeiten mit Vollsäulen mit einem Durchmesser von 1,30 m gearbeitet werden konnte. Die DSV-Vollsäulen unter dem bereits hergestellten 2 m dicken DSV-Balken sollten in der Regel auf einen Abstand von 2,50 m gesetzt werden. Zwischen den Vollsäulen verblieben also Lücken. Bild 6: Prinzipskizze Unterfangung einer Außenwand, welche nur von einer Seite zugänglich ist. In diesem Bereich wurde die Last aus den Einzelsäulen über Gewölbewirkung in den 2m dicken DSV-Balken abgeleitet. Durch die Lastausbreitung in dem Balken liegen in der Fuge Mauerwerk zu DSV-Körper gleichmäßige Spannungsverhältnisse vor. Seite 5 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede 5. AUSFÜHRUNG DER ARBEITEN 5.1 Mauerwerkssanierung Die Mauerwerkssanierung wurde mit der Herstellung der insgesamt ca. 1100 lfdm Diamantkernbohrungen begonnen. Die Bohrungen dienten nicht nur der Injektion, sondern auch der großflächigen Untersuchung des aufgehenden Gebäudes. In diese Bohrungen wurden zunächst Edelstahlnadeln eingebaut, um die Schalen miteinander zu verbinden. Anschließend wurden Injektionsstutzen eingemörtelt, über welche dann die Injektion ausgeführt wurde. Nach Beendigung der Injektion wird der Schieber des Injektionsstutzens geschlossen und die Injektion konnte an anderer Stelle fortgesetzt werden. 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 schungen. Unter anderem wurden bei den Bohrungen versteckte Gewölbegänge mit verschütteter 5 – Zentner Bombe aus dem 2. Weltkrieg, altertümliche Entwässerungskanäle und verschlossene Kamine in den Wänden gefunden. Bei der voranschreitenden Entkernung des Gebäudes wurden schützenswerte Bodenbeläge, zwingend sanierungsbedürftige Deckenbalken und mehrere statisch bedenkliche Konstruktionen angetroffen, die zum Teil wegen akuter Einsturzgefahr erst mit zusätzlichen Maßnahmen gesichert werden mußten. Anhand der Dokumentationen und der Ergebnisse bei der Mauerwerkssanierung, wie z. B. Wandstärken, Statische Systeme, Zustand des Mauerwerks, etc., wurden die weiteren Maßnahmen bestimmt, um dem Gebäude für die anstehende Nachgründung die ausreichende Stabilität und Standsicherheit zu verleihen. So mussten einzelne Decken vorsichtig herausgetrennt und durch leichte Neukonstruktionen ersetzt werden. An einigen Stellen wurden die bei vergangenen Umbauten entfernten Wandteile wieder aufgemauert. Bereiche, in denen sich setzungsbedingt starke Rissbildungen eingestellt hatten, wurden durch Verankerungen gesichert. Die z. T. stark angerissenen Deckengewölbe über demKeller wurden ebenfalls vor Ausführung der Nachgründungsmaßnahmen vernadelt und kraftschlüssig verpresst. Letztlich wurde der gesamte Schub aus den Kellergewölben durch eine mehrfach verankerte Vergurtung abgefangen. Bild 7: Injektionsstutzen 5.2 Die Arbeiten wurden stets versetzt ausgeführt, damit in Bereichen mit größeren Hohlräumen ein Aufspalten der Schalen infolge des Flüssigkeitsdruckes im Wandinneren vermieden werden konnte. An drei hochbelasteten Einzelfundamenten im Keller des Gebäudes mussten temporäre Fundamentabfangungen angebaut werden. Nach aufwendiger Rückrechnung ihrer Belastungssituation hatte sich ergeben, dass sie sich bereits im Grenzzustand ihrer Tragfähigkeit befanden. Verbände mit augenscheinlich stark beschädigtem Fugenbild wurden vorab mit verträglichen und für die Denkmalpflege zugelassenen Mörteln neu ausgefugt; einzelne Schadstellen wurden injektionsbegleitend verschlossen. Um den gleichmäßigen Erfolg der Mauerwerkssanierung sicherzustellen, war von Beginn an eine genaue Dokumentation der Bohr- und Injektionsarbeiten erforderlich. Dazu wurde vorab ein detailliertes Qualitätssicherungsprogramm erarbeitet. Mit einer genauen Analyse der Injektionsmengen, drücke und -raten unter Berücksichtigung der Beobachtungen bei den Bohrarbeiten für jeden einzelnen Injektionsstutzen, konnte ein zufriedenstellendes Injektionsergebnis wirtschaftlich erzielt werden. Die Güte der Injektionen ist durch zahlreiche Kontrollbohrungen an willkürlich festgelegten, markanten Stellen nachgewiesen worden. Ungleich schwieriger gestaltete sich die fortlaufende Anpassung an die im Gebäude angetroffenen Überra- Sonderfall „Einzelstützen“ Diese Situation ist durch zahlreiche, nicht aufeinander abgestimmte, Umbauten im Inneren des Gebäudes aus vergangener Zeit entstanden. Durch die Umbauten konzentrierten sich die Lasten vollständig auf die drei Einzelfundamente, welche allerdings nach genauerer Untersuchung noch nicht einmal Fundamente hatten. Die Last sollte allein über den Pfeilerquerschnitt in den Untergrund abgeleitet werden. Warum diese Einzelfundamente und Stützen der Last noch standgehalten haben ist eigentlich nicht zu erklären. Vor Ausführung der Düsenstrahlarbeiten unter diesen Fundamenten musste erst die temporäre Abfangung hergestellt werden. Umliegende Streifenfundamente wurden zunächst mit dem Düsenstrahlverfahren gesichert. Hierzu wurden nur Säulen mit Durchmessern von 0,8 bis 1,0 m hergestellt. um in diesem sensiblen Bereich keine zu hohen Risiken einzugehen. Seite 6 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 ten der Bestimmung der relevanten Ausführungsparameter. Mit herstellungsbegleitender Hydrophonmessung und partieller Freilegung der Probesäulen nach deren Aushärtung konnten die maßgebenden Parameter eingestellt werden. Die Säule der Produktion sollten einerseits den geplanten Durchmesser von 1,30 m sicher erreichen andererseits jedoch dem Flächenkriterium von 0,65 m² je Halbsäule entsprechen. In einem ersten Arbeitsgang war unter den Fundamenten ein aus vielen Halbsäulen zusammengesetzter Balken herzustellen. Dabei wurde durch die Halbsäulen gewährleistet, dass das Mauerwerk aufgrund der jeweils nur geringen kurzzeitig aufgeweichten Fundamentbereiche genügend Standfestigkeit besitzt, um die erforderliche Gewölbewirkung zur Ableitung der Gebäudelasten zu aktivieren. Durch abgestimmte Arbeitsfolgen wurde sichergestellt, daß genügende Zwischenräume zwischen 2 hintereinander herzustellenden Halbsäulen verblieben. Erst nach ausreichender Erhärtungszeit durften benachbarte Säulen angefahren werden. Bild 8: Prinzipskizze Abfangung der Einzelstützen. Nach dem diese Unterfangungsbereiche so gesichert waren, dass man über sie sicher Lasten abtragen kann, wurden die Einzelfundamente durch Umlagerung der Lasten über eine Stahlkonstruktion im Erdgeschoss von den Lasten, bis auf ihr Eigengewicht, befreit. Zur endgültigen Lösung wurde zunächst der gesamte Pfeiler engmaschig vernadelt um seinen inneren Zusammenhalt zu sichern. Horizontale Mauerwerksanker und seitliche Schubdübel aus Profilstahl leiteten die Kräfte über die ergänzten Betonkörper in eigens dafür abgeteufte GEWI – Pfähle ab. Nur so konnte die sichere Unterfangung dieser Fundamente im Düsenstrahlverfahren gewährleistet werden. Alle Arbeiten konnten nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Baustelle realisiert werden. Bei allen Veränderungen mußten stets die Belange der Denkmalpflege Berücksichtigung finden, da das historisch bedeutsame Gebäude mit Mitteln der Denkmalpflege bezuschusst wurde. Erst nach vollendeter Mauerwerkssanierung und Beseitigung aller weiteren baulichen Mängel wurde das Gebäude für die Nachgründungsmaßnahmen freigegeben. 5.3 Nachgründung im Düsenstrahlverfahren Vor dem Beginn der DSV – Unterfangung wurden trotz vorliegender Erfahrungswerte aus direkt vergleichbaren Bodenformationen Probesäulen hergestellt. Diese dien- Bild 9: Planausschnit der sogenannten „Bocklösung“ bei von beiden Seiten zugänglichen Wänden Seite 7 von 8 Thomas Groß, Rainer Grede Durch die sehr begrenzten Arbeitshöhen der Gewölbekeller – insbesondere im Bereich der Kämpfer – ist die extrem flache Neigung mancher Halbsäulen begründet. Dies ist jedoch gleichzeitig ein Vorteil, da damit ein entsprechend breiter Balken ausgeführt werden konnte, der die Lasten besser verteilt. 3. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Ostfildern 2002 Mit diesen akribisch verfolgten Maßgaben des Qualitätssicherungsprogramms konnten sämtliche Arbeiten ohne Gefährdung der Bausubstanz abgewickelt werden. Selbst die Unterfangung der freistehenden Fassade der Schillerstraße 2 ist auf diesem Wege erfolgreich abgeschlossen worden. Die beengten Arbeitsverhältnisse waren für die praktischen Arbeiten auf der Baustelle eine große Herausforderung. Bild 11: Produktion der DSV-Körper im Keller 6. Zusammenfassung Bild 10: Produktion der DSV-Körper im Keller Der so hergestellte Balken diente im folgenden dann dazu, die Gebäudelasten wiederum über Gewölbewirkung über wirtschaftlich in aufgelöster Struktur angeordnete Böcke aus Vollsäulen in den tieferliegenden, tragfähigen Baugrund abzuleiten. Die etwas steiler geneigten Vollsäulen konnten nur deshalb in dieser Anordnung hergestellt werden, da der vorab erstellte Balken die Möglichkeit der weiteren Ausschachtung bot, um mit der so gewonnen zusätzlichen Raumhöhe zu arbeiten. In dieser Weise wurden insgesamt über 1000 lfdm Halbund Vollsäulen im Düsenstrahlverfahren hergestellt, wobei die überwiegende Zahl mit kleinsten Geräten in Kellern des Rathauses ausgeführt wurde. Historische Gebäude spiegeln unsere Geschichte wieder und finden daher besondere Beachtung im Rahmen der Denkmalpflege und ihrer Erhaltung. Infolge ihres Alters und der über die Jahrhunderte wechselnden Bauweisen zeigen sie häufig Besonderheiten, die es bei einer Restauration zu erkunden und zu beachten gilt. Weiterhin muss deutlich Klarheit über den Aufbau des Gebäudes im statischen Sinne herrschen. Fehleinschätzungen in diesem Bereich können schnell zu zusätzlichen großen Schäden führen. Für erfolgreiche Sanierungen sind detaillierte Qualitätssicherungsprogramme zu entwickeln, mit denen die vorauseilenden Bauwerkserkundungen während der Ausführung zu verifizieren sind. Anhand der oben beschriebenen Maßnahmen kann anschaulich gezeigt werden, daß nur mit Flexibilität und interdisziplinärer Zusammenarbeit Sanierungsmaßnahmen für alle Baubeteiligten erfolgreich durchgeführt werden können. Aufgrund der inhomogenen Bodenformationen wurde bei jeder einzelnen Säule die vorab an Probesäulen ermittelten Herstellparameter und die erforderlichen Säulenlängen verifiziert und bei Bedarf angepasst. Während der gesamten Arbeiten wurden alle Verformungen im Keller durch ein System von Meßpunkten mittels Lasernivelliergeräten überwacht und dokumentiert. Zusätzliche Kontrollmessungen wurden mehrfach täglich an den Außenwänden des Rathauses durchgeführt. Seite 8 von 8