Ethik

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Ethische Aspekte von
Ernährung
Anknüpfungspunkte für
eine Ethik in der Diätetik
Dr. Marianne Rabe
Pädagogische Geschäftsführerin
Charité Gesundheitsakademie, Berlin
Ethische Aspekte von Ernährung
Anknüpfungspunkte für eine Ethik in der
Diätetik
1. Berufsethiken im Gesundheitswesen
2. Ethische Fragen rund um Ernährung anhand
einer Fallsituation
3. Zur Bedeutung des Essens
kulturell – biographisch - anthropologisch
4. Ernährung in der Pflege im Licht ethischer
Prinzipien
5. Institutionelle und gesellschaftspolitische
Aspekte
6. Einige Ideen für die ethische Reflexion in
der Diätetik
Angewandte Ethik
Angewandte Ethik
Politische Ethik
Ethik in der Pflege
Ethik im
Gesundheitswesen
Forschungsethik
Ethik in der Medizin
Ethik in den
anderen
Gesundheitsberufen
Ergotherapie
Umweltethik
Ethik der
Sozialen Arbeit
Ethik und Moral
Ethik: Theorie der Moral
Kritische Hinterfragung der Normen
Prinzipien als Kriterien für das Gute
und Richtige
Ethik begründet/ reflektiert Moral
Moral: allgemein / in einer Gruppe
akzeptierte Normen, Regeln,
„ungeschriebene Gesetze“
„Nahrungsverweigerung“
In letzter Zeit hat Frau Bolz wiederholt die
Nahrungseingabe verweigert…
Die Altenpflegerin hat das Gefühl, etwas Unrechtes zu
tun, wenn sie Frau Bolz zum Essen zwingt.
Die Stationsleitung äußert Verständnis, aber:
…nach Ansicht der zuständigen Ärztin liegen keine
organischen Ursachen für die Nahrungsverweigerung vor
Man könne Frau Bolz nicht einfach verhungern lassen
Die Pflegenden werden daher angewiesen, die
Abwehrhaltung von Frau Bolz nicht zu tolerieren
Aus: Ulrich Körtner (2004) Grundkurs Pflegeethik
Ethische Fragen rund um Ernährung 1:
Die Rolle der Pflege
Wie das Flüssigkeits-Soll erreichen ohne zu
überreden, zu bedrängen, zu nötigen?
„Verweigerung“ oder Ablehnung der Nahrung –
darf man das?
„unappetitliche“ Situationen beim Essen reichen
Zusammenhang zwischen Ekel und Aggression
Arbeitsbedingungen in der Pflege: beim Essen
helfen unter Zeitdruck
Stellenwert der Unterstützung beim Essen und
Trinken für die Pflege – eine „Schülertätigkeit“
oder etwas für Experten?
Ethik 2: „Sie wollen Ihren Angehörigen
doch nicht verhungern und verdursten
lassen…“
Im Grunde: eine ungeheuerliche Unterstellung
eine sehr problematische Form ärztlicher
Machtausübung durch suggestive
Gesprächsführung
thematisiert im Bayerischen Leitfaden
Damit verbunden: Fragen im Zusammenhang
mit PEG (Perkutane endoskopische Gastrostomie)
- Indikationen / Motive
- Entscheidungsfindung
Ethische Fragen rund um Ernährung 3
Was bedeutet „gutes Leben“ als Maßstab
der Ethik bezogen auf Essen und Trinken
bei Pflegebedürftigen?
- Ermöglichung einer Mahlgemeinschaft
- Freude am Essen, auf das Essen
- Erhaltung der Selbständigkeit
- Respektierung von Eigenheiten
- Umsorgt werden, Zuwendung, Teilnahme
- keine Nötigung
- orale Ernährung hat grundsätzlich
Vorrang
Anthropologische Aspekte…
„Essen und Trinken hält Leib und Seele
zusammen“
Urerfahrung des Angewiesenseins auf
Nahrungsaufnahme
Kindern, Kranken und Alten wird beim Essen und
Trinken geholfen
Grenzbereich zum Zwang: Verweigerungshaltung bei
Kindern
Biographische Bedeutung: Erinnerungen, Geschmack
„Lebenssatt“ sein: das Interesse am Essen lässt
nach
Alte Hebammenweisheit, neu gefasst: ein essender
Mensch stirbt nicht und ein sterbender Mensch isst
nicht
Spirituelle Aspekte des Essens und
Trinkens: „Der Mensch lebt nicht vom
Brot allein…“
Gesättigt werden (Stillen) Urerfahrung der
Geborgenheit, des Angenommenseins
Essen als Stärkung; nicht-materieller Hunger
und Durst
Gemeinsames Mahl als Symbol für Zusammengehörigkeit (Überwindung von Ausgrenzung)
und in der religiösen Tradition
Fasten als Reinigung, Buße, Einkehr,
Vorbereitung auf neue Erfahrungen
Richtlinien und Standards bezogen auf
Ernährung
verschiedene Richtlinien der Deutschen
Gesellschaft für Ernährungsmedizin für enterale
(2003, 2006) und für parenterale (2007) Ernährung
2003: MDS Grundsatzstellungnahme zur Ernährung
und Flüssigkeitsversorgung alter Menschen
2004: BÄK-Grundsätze zur ärztl. Sterbebegleitung:
„Stillen von Hunger und Durst“ / Basisbetreuung
2008: Expertenstandard „Ernährungsmanagement
zur Sicherstellung und Förderung der oralen
Ernährung in der Pflege“ (Deutsches Netzwerk für
Qualitätsentwicklung in der Pflege; FH Osnabrück)
Lebt der Mensch vom Brot allein?
Kritische Stellungnahme der AG Pflege und Ethik der Akademie
für Ethik in der Medizin zur Grundsatzstellungnahme des MDS
Einseitige Zusammensetzung der Autoren: ohne
Gerontologie, Selbsthilfegruppen, Ethik)
Soziale und kulturelle Aspekte des Essens und Trinkens
bleiben unberücksichtigt – einseitig medizinischer Blick
Den Pflegenden wird indirekt die Verantwortung
zugeschoben
Organisationsdefizite und Ressourcenmängel, die nicht
von der Pflege zu verantworten sind, werden ausgeblendet
Unbeachtet bleibt, dass Nicht-essen-wollen Ausdruck des
Abschieds vom Leben sein kann
Ethische Aspekte bleiben außen vor oder werden
unzutreffend beschrieben (Paternalismus)
Die alten Menschen erscheinen als Objekt der Fürsorge
und Behandlung, nicht als Individuen mit eigenem Willen
Ethische Prinzipien für die Pflege
Fürsorge
Gerechtigkeit
Würde
Autonomie
Dialog
Verantwortung
Fürsorge
Professionelle Fürsorge ist nicht
entmündigend, sondern gehört zum Kern der
Pflege: Parteinahme für den Hilfsbedürftigen
Fürsorge und Autonomie stehen nicht in
Konkurrenz, sondern ergänzen einander
Sensibilität auch für nonverbale Signale
Phantasie bei der Suche nach Lösungen
Notwendigkeit der Selbstsorge!
Autonomie
Selbstbestimmung oder Selbstgesetzlichkeit?
Gegen die Überbetonung der Autonomie
Grundtatsache der Verwiesenheit auf
Gemeinschaft
Paternalismus: die Haltung, besser zu wissen
als der Betroffene, was gut für diesen ist
Ablehnung der Nahrung – ein Ausdruck von
Selbstbestimmung ?
Qualitäts- und Ernährungsrichtlinien
bestimmen „das Gute“ abstrakt
Für andere sorgen heißt auch, für
ihre Autonomie sorgen
Wohlverstandene, professionelle Fürsorge
stärkt die Autonomie
Anwaltsfunktion der Pflege
Voraussetzung für professionelle Fürsorge ist
personale Kompetenz der Helfer: Selbstsorge!
Ermittlung des mutmaßlichen Willens: die
Beobachtungen und die Perspektive der Pflege
einbeziehen!
Dürfen wir Patienten „erziehen“?
Verantwortung
Persönliche Ebene: Verantwortung für das
eigene Handeln und Verhalten, z.B. ruppiger
Umgang, Bedrängen, unter-Druck-Setzen
Verantwortung auch für das, was ich
geschehen lasse, obwohl ich weiß, dass es
falsch ist
Mit-Verantwortung für die Zustände im
eigenen Umfeld
Moralische Pflicht, die eigenen
Wahrnehmungen einzubringen und zu
vertreten
Drei Ebenen der Entscheidung und
Verantwortung im Gesundheitswesen
Gesellschaftspolitische Ebene
Institutionelle Ebene
Persönliche Ebene
Dialog
Mangel an Dialog: es wird entschieden und
nicht beraten
Besondere Wichtigkeit des Dialogs für das
Selbstverständnis der Gesundheitsberufe
Sensibilität für nonverbale Signale
Bei Ablehnung: nachfragen, zuhören,
verhandeln
Dialogische Haltung auch unter Kollegen und
gegenüber Ärzten: Verständigung suchen,
sich einbringen, Beharrlichkeit
Ethische Prinzipien für die Pflege
Fürsorge
Gerechtigkeit
Würde
Autonomie
Dialog
Verantwortung
Gerechtigkeit
Gleichbehandlung (Basis-Respekt
unabhängig von Sympathie)
Der individuellen Person gerecht werden
Verteilung von knappen Ressourcen
in der Pflege v.a.: Ressource „Zeit“
Würde
Menschenwürde ist unverlierbar
„Würdelos“ – Bedrohungen der Würde:
- wenn ein Patient zu Nummer wird, zum
Objekt, zum Organismus, der ernährt werden
muss
- würdeverletzendes Verhalten, Sprache
„Herr B. sabbert“, „Lätzchen“
- wenn ein Mensch zum „Mittel“ wird
Institutionsethik
Organisationsethik
Untersucht das moralische Handeln von
Institutionen, (Heime, Ambulante Dienste,
Krankenhäuser)
Institutionelle Verantwortung
Kultur einer Einrichtung
Führungsstil, Umgangston
Personalbesetzung
Fortbildungsmöglichkeiten
Verteilung der Ressourcen
Ein neues Ende der Geschichte
Die Pflegenden nehmen ihr Unbehagen
ernst
Sie übernehmen Mitverantwortung
Sie reden nicht über die Ärzte, sondern
mit ihnen
Sie setzen sich für Frau Bolz ein und
nehmen damit ihre Anwaltsfunktion wahr
Sie bewirken eine Verbesserung für die
Lebensqualität von Frau Bolz
Sie selbst sind zufriedener – und sie sind
professionell!
Mögliche Themen des „ethischen
Reasoning“ in der Diätetik
Diskussion um Ethik von Public Health
aufgreifen, z.B. Berechtigung von
Gesundheits„erziehung“ gegen die Lebensauffassung von Menschen
Beteiligung der zu Beratenden als Experten
ihres eigenen Lebens, gemeinsame
Zielfindung
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