______________________________ Werbung im Konflikt zwischen Emotion und Aufklärung ______________________________ I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. Emotion? Aufklärung? ………………………………….2 Das Bedrohungspotenzial ……………………………..3 Verantwortung von Politik und Wirtschaft ……………6 Wirtschaftliche Folgen des EU-Dekrets …………….10 Der Verbraucher ist der Dumme …………………….13 Umgeben von Konsumtrotteln ……………………….16 Gesellschaft der Gutmenschen oder Freiheitliche Ordnung? …………………………18 Bausteine der Vernunft ……………………………….18 Vortrag von Volker Nickel Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) 33. Wissenschaftliche Informationstagung der Berliner Gesellschaft für Getreideforschung e.V. 15. Januar 2004, Berlin Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 2 I. Emotion? Aufklärung? "Werbung zwischen Emotion und Aufklärung" – da geht einem das Herz auf wie Hefeteig. Das Thema gibt Anlass zu einer Fußnote. Denn seit mindestens hundert Jahren hält die Debatte um den werbenden Wettbewerb der Anbieter von Waren und Dienstleistungen an. Inhaltlich hat sie sich kaum geändert: Die einen verfemen die Werbung für Produkte als Impulsgeber von Gefühlsbewegungen; die anderen preisen sie als Teil des Erkenntnisprozesses um den Wert der Waren. Öffentlich verbreitete Ansichten über den Wert der Werbung scheinen sich einig zu sein: "Die Reklame ist jene Erscheinung in der modernen Kultur, bei der aber auch beim besten Willen nichts als Widerwärtiges gefunden werden kann. Sie ist als Ganzes wie in ihren Teilen und in allen ihren Formen für jeden Menschen und Geschmack rundweg ekelhaft". Leider ist diese Einlassung nicht mehr so ganz taufrisch. Von der Seele geschrieben hat sie sich am 6. März 1908 Werner Sombart, jener Nationalökonom und Soziologe, der um die Jahrhundertwende als Romantiker und heftiger Gegner der kommerziellen Werbung unter den Wirtschaftstheoretikern galt. Doch auf der Suche nach dem Zeitbogen der Gegenwart wird man gleichfalls schnell fündig. Zitat aus dem im Jahr 1997 erschienene katholischen Erwachsenen-Katechismus: "Werbung wirkt häufig deprimierend, ja zynisch, sie schafft künstliche Bedürfnisse, die einem humanen Lebensstil wenig entsprechen. Sie propagiert Glücksverheißungen, die von den angepriesenen Produkten nicht erfüllt werden können." Nun ist das mit der Beweiskraft von Glücksverheißungen so eine Sache, wird manch Ungläubiger denken. Aber – Gott sei Dank – da gibt es ja den Vatikan. Der hatte vor noch nicht allzu langer Zeit in einem Positionspapier zur Ethik in der Werbung seine Einschätzung der Markt-Kommunikation der Wirtschaft Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 3 neujustiert. So unterstreicht das Dokument unter anderem, dass Werbung "das wirksamste sozio-ökonomische Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse" ist. Werbung trage "zur Leistungsfähigkeit und zur Preissenkung" der Produkte bei, kurbele den wirtschaftlichen Fortschritt an und helfe den Konsumenten, "wohlüberlegte, kluge Entscheidungen zu treffen". Dies alles trage zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, zu höheren Einkommenund zu einem annehmbareren menschlichen Lebensstil für alle bei. Werbung helfe gleichfalls, die Medien "einschließlich jene der Kirchen" zu finanzieren, mit denen die Menschen überall auf der Welt mit Informationen, Unterhaltung und Inspiration versorgt werden. Mit diesen höchstinstanzlichen Erkenntnissen, die sich dem Verdacht der Aufklärung aussetzen, ließe sich der Vortrag über Werbung zwischen Emotion und Aufklärung fabelhaft abschließen. Doch dann liefe man mit einer Augenbinde herum, die den Blick auf die neue höchst gefährliche Welle gegen die kommerzielle Kommunikation versperrt – insbesondere gegen den Wettbewerb für Lebensmittel, aber nicht nur. Offensichtlich will die EU-Kommission die Werbung ihrer Substanz berauben – ihres emotionalen Teils, der sich mit Produktinformationen vermischt oder die kommerzielle Kommunikation mit totalem Bann belegen. II. Das Bedrohungspotenzial Was passiert, wenn die Wirtschaft kampflos die EU aber auch nationale Regierungen gewähren lässt? Greifen wir einmal vor: Irgendwann morgens im Jahr 2010. Ein EU-Bürger schlägt ein Nachrichtenmagazin auf. Rechte Seite eine Anzeige für Joghurt. Die Werbeaussage dort lautet: "Probiotische Kulturen können die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers unterstützen – durch Beeinflussung der Intestinal-Flora, eine Verbesserung der Barrierefunktion und/oder die Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 4 Modulation von Immun-Parametern sowie die Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen verhindern und zur Regeneration der Darmflora beitragen." Im Jahr 2003 hatte die Werbeaussage noch schlicht gelautet "Stärkt Ihre Abwehrkräfte!" Einige Seiten Redaktion weiter wieder Werbung. Zu sehen sind zwei Bildhälften. Links betätigt eine Frau einen Staubsauger, rechte Bildhälfte zeigt den Mann bei der gleichen Tätigkeit. Dazu der Text: "Viele Frauen und Männer haben sich für unser geschlechtsneutrales Modell entschieden unter der Marke A.M.S.: "Alle Menschen saugen." Dann der Blick in die Morgenzeitung des Jahres 2010. Autowerbung auf der dritten Seite: "Erwerben Sie unser neues Automodell 'Kleiner Schädling'! Sein Treibhausgas-Ausstoß beträgt nur 297 Gramm pro Kilometer. Und denken Sie daran: Autos töten Menschen und die Umwelt." Satire? Keineswegs. Beispiel Pkw: Das Belgische Parlament hat im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, nach dem Autowerbung mit dem Warnhinweis versehen sein muss, dass der Fahrer für sicheres Fahren selbst verantwortlich ist. Werbeagenturen und Automobilkonzerne, die jene Vorgaben ignorieren, müssen mit heftigen Geldbußen und sogar mit Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr rechnen. Andere Regierungen und die EU-Kommission haben bereits lebhaftes Interesse an dem belgischen Gesetz angemeldet. Die europäischen Behörden hatten Ähnliches bereits einmal während der britischen Ratspräsidentschaft versucht. Durchgesetzt hat Brüssel dagegen bereits den Eingriff in die MarktKommunikation der Pkw-Werbung mit der Richtlinie 1999/94/EG über "Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen". Diese Angaben müssen dann in der Werbung "gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft" sein. Im Juni 2003 war der Presse dann zu entnehmen: Die EU-Sozialkommissarin Anna Diamantopoulou plane mit einer sogenannten Gleichstellungsrichtlinie ein Verbot "stereotyper" Darstellungen von Mann und Frau in der Werbung und gleichzeitig auch in redaktionellen Teilen der Medien. Geschlechtsneutral sollen Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 5 Werbung und Redaktionsteile werden – androgyn. Das Beispiel oben mit dem Unisex-Staubsauger war also ebenso keine Satire. Die deutschen Medien und die Werbewirtschaft haben das Vorhaben heftig kritisiert. Inzwischen hat die EU-Kommissarin den Entwurf der Richtlinie von den pressefeindlichen und werbefeindlichen Plänen befreit. Eine Schlüsselstellung kommt der von Brüssel bereits in Kraft gesetzten Tabakrichtlinie mit ihrem Bannstrahl gegen den Markenwettbewerb per Anzeigen in Pressemedien, Internet sowie Sponsoring zu. Rechtlich regeln darf die EU bisher nur dann, wenn dadurch "Verzerrungen im Binnenmarkt" beseitigt werden. Rechtsakte im Gesundheitswesen dürfen laut EU-Vertrag bisher allein die Mitgliedstaaten erlassen. Nur die deutsche Regierung hat gegen den Brüsseler Rechtsbruch der Tabakwerberichtlinie und die damit verknüpfte Entmündigung der Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Bereits die erste Attacke gegen die Tabakwerbung hatte Deutschland mit Hilfe der hohen Richter vom Tisch bringen können. Was aber, wenn Berlin in Luxemburg dieses Mal unterliegt? Dann kann die EU-Kommission unter dem Vorwand der Binnenmarktregelung in jegliche Werbung greifen und sie gegebenenfalls abwürgen. Exkommunikation droht gleichfalls der Werbung für alkoholische Getränke. Noch existiert nur eine unverbindliche Empfehlung des Ministerrats vom Juli 2001 an die Mitgliedstaaten zur massiven Einschränkung der Werbung. Verräterisch heißt es dort aber, diese Empfehlung der EU-Gesundheitsminister sei nur " ein erster Schritt in Richtung auf einen umfassenden gemeinschaftsweiten Ansatz". Exegeten solcher EU-Kryptogramme wissen, was dann blüht: Erschleicht sich die Brüsseler Behörde die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Gesundheit mit Hilfe des weit voran getriebenen Tabakwerbeverbots durch die Hintertür der Binnenmarktregelung, folgte als Rechtsakt das Werbeverbot für alkoholische Getränke mit Brausen, Geradezu Orwell'sche Ausmaße des totalen Überwachungsstaates aber hat ein anderer Plan der EU-Kommission: Die Werbung für Lebensmittel soll Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 6 europaweit umfassend geknebelt und erheblich unter bürokratisches Kuratel gestellt werden, Nachzulesen im 'Verordnungsentwurf für nährwert-, wirkungsund gesundheitsbezogene Werbeaussagen und Angaben auf Lebensmitteln' der EU-Kommission. Nimmt das Papier die Hürden der europäischen Instanzen, dann ist Schluss mit generellen Werbeaussagen zum körperlichen Wohlbefinden, wie beispielsweise "...hilft, die natürlichen Abwehrkräfte ihres Körpers zu stärken", Verboten wäre auch zum Beispiel "Obst ist gesund" oder "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft", Spezifisch gesundheitsbezogene Werbung wie "Kalzium verbessert die Knochendichte" müsste durch ein Prüfverfahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit um anschließend von der EUKommission zugelassen zu werden. Dauer des Verfahrens: sechs bis 12 Monate, Außerdem enthält die geplante Verordnung eine Positivliste mit 21 erlaubten nährwertbezogenen Angaben wie "fettarm" und "hoher Ballastgehalt". Andere werbende Hinweise dieser Art, die sich auf "psychologische Funktion"beziehen, fallen gleichfalls der Werbe-Inquisition zum Opfer wie "Red Bull verleiht Flügel" oder "Haribo macht Kinder froh". III. Verantwortung von Politik und Wirtschaft Es besteht überhaupt kein Streit darüber, dass die Politik ihrer Verantwortung zum Schutz der Bürger vor Schäden gerecht werden muss. Dann aber muss es auch gerecht zugehen: Zusätzliche staatliche Grenzen für die Redefreiheit der Firmen in ihren Märkten haben dafür Bedingungen zu erfüllen. Sie müssen - erforderlich, verhältnismäßig, rechtens, effizient und effektiv sein. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 7 Dieses Anforderungsprofil an staatliches Handeln erfüllt die geplante Verordnung aber nicht. Das Projekt der EU-Kommission übersieht eine Reihe von Tatsachen, verdrängt sie und zieht sie nicht ins Kalkül. 1. Irreführende Werbung ist bereits verboten Der Verordnungsvorschlag basiert auf der falschen Grundannahme der Kommission, der Verbraucher bedürfe eines zusätzlichen Schutzes vor Täuschung beim Umgang mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Werbeaussagen. Höflich ausgedrückt: Die EU-Beamten übersehen dabei, dass irreführende Werbung durch die entsprechende EU-Richtlinie bereits in der Gemeinschaft untersagt ist. Nach den bestehenden Schutzvorschriften sind auch Werbeangaben unzulässig, die zwar objektiv wahr sind, bei den Umworbenen jedoch unrichtige Vorstellungen hervorrufen. Eine nachvollziehbare Begründung, warum die Verbraucher über diesen Irreführungsschutz hinaus vor nährwert- und gesundheitsbezogenen Werbeaussagen bewahrt werden müssen, bleibt die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag schuldig. 2. Die Wirtschaft handelt verantwortungsbewusst Das Brüsseler Leitbild von der verantwortungslosen Lebensmittelwirtschaft widerspricht der Realität: Die werbenden Firmen bewegen sich mit ihrer MarktKommunikation seit Jahrzehnten im Rahmen der staatlich gesetzten Grenzen. Zusätzlich unterwerfen sie ihre Werbung der freiwilligen Selbstdisziplin über Instanzen der Konfliktregelung zwischen Bürgern und werbenden Firmen. Diese Funktion hat in der Bundesrepublik der Deutsche Werberat. Jeder kann sich an das Gremium wenden, vor allem dann, wenn die Werbung rechtlich nicht zu beanstanden ist, aber aus anderen Gründen als unerwünscht eingestuft wird. Beschwerden über Lebensmittelwerbung spielen seit Gründung des Werberats (1972) nur eine Randrolle als Protestmotiv. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 8 3. Die Lebensmittelwirtschaft ist der Leistungsträger für gesunde Ernährung Dieser Wirtschaftszweig investiert enorme Summen in Forschung für gesunde Produkte. Das wachsende Marktangebot in diesem Bereich entspricht den steigenden Ansprüchen der Bürger an ein breites vielfältiges Sortiment von Nahrungsgütern mit zusätzlichen gesundheitsbezogenen Effekten-Werbung trägt erheblich zur Präsenz der Notwendigkeit gesunder Ernährung in der Bevölkerung bei: Markt-Kommunikation der Firmen kann zwar gesunde Ernährung selbst nicht produzieren, unterstützt und fördert sie aber durch entsprechende Produkte und die Werbung dafür. Hinzu kommen firmenindividuelle Verbraucherinformationen und Verbraucherberatung für den einzelnen Bürger in Sachen gesund ernähren. 4. Die Medien tragen in doppelter Weise zur Aufklärung über gesunde Ernährung bei Sie sind als Werbeträger in die Markt-Kommunikation der Lebensmittelwirtschaft eingebunden. Aber auch redaktionelle Leistungen der Medien spielen eine herausragende Rolle bei Aufklärung und Beratung der Bevölkerung in Sachen gesunder Ernährung. Beide Funktionen – der betriebswirtschaftlich orientierte werbende Wettbewerb und redaktionelle Leistungen – entlasten den Staat ganz erheblich in Sachen Gesundheitsbewusstsein und Aufklärung der Bevölkerung. Werfen wir an dieser Stelle den Scheinwerfer kurz auf einen Nebenschauplatz, auf dem eher politisch emotional als aufgeklärt diskutiert wird: Körperliches Übergewicht wird zum wachsenden Problem für den Gesundheitszustand der Menschen in Deutschland – auch bei Kindern und Jugendlichen. Was tun? Vorschnelle Antwortgeber zeigen "naheliegende" Ursachen auf: die Ernährungswirtschaft und ihre Werbung. 'Kinder, Jugendliche und Werbung' ist seit Jahrzehnten ein Thema mit immer wiederkehrenden Höhepunkten: Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 9 In den siebziger Jahren konzentrierte sich der Vorwurf darauf, Werbebilder für Produkte würden Kinder psychisch deformieren und ihr Werteempfinden zersetzen. Wissenschaften kamen zu anderen Ergebnissen. In den achtziger Jahren fokussierte sich der gesellschaftspolitische Streit bis in die neunziger Jahre hinein auf die unterstellte schädigende Wirkung von TV-Werbung hinsichtlich Sozialisation von Kindern. Auch dieser Vorwurf entkräftete sich durch entsprechende Studien der Wissenschaft. Der sachliche Umgang mit dem Thema Werbung und Kinder gebietet die Berücksichtigung der Tatsachen, wie sie der ZAW gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft in dem Papier "Kinder, Werbung und Ernährung" dargelegt hat. Hier nur die Essenz der Erkenntnisse: 1. Übergewicht ist eine Realität. Wie gesund Kinder und Jugendliche tatsächlich sind, muss die noch nicht abgeschlossene Forschung erbringen. 2. Kinder und Jugendliche sind zwar Akteure in Märkten, aber stets nur in den Grenzen ihrer finanziellen Mittel und der Zugeständnisse ihrer Erziehungsberechtigten . 3. Ursachen von Übergewicht sind komplexe sozioökonomische Faktoren, Genetik, Bewegung und Ernährungsverhalten. Nach jetzigem Forschungsstand ist Werbung dort in keinem Bereich eine irgendwie erkennbare Konstante. 4. Kinder entwickeln früh und rasch ansteigende Werbekompetenz und kritische Distanz zur Werbung. 5. TV-Werbung wird als Einflussgröße auf Kinder und Jugendliche extrem überschätzt. Jugendliche sind eine schwierige Altersgruppe für werbende Anbieter. Beim Zustandekommen von Übergewicht sind keine Zusammenhänge mit der Markt-Kommunikation von Firmen erkennbar. 6. Politische Eingriffe in die ohnehin gesetzlich und selbstdisziplinär eingeschränkte Werbung hätte gesundheitspolitisch keine Vorteile, sondern wirtschafts- und gesellschaftspolitische Nachteile. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 10 IV .Wirtschaftliche Folgen des EU-Dekrets Damit sind wir wieder beim geplanten EU-Dekret der Werbezensur. Welche wirtschaftlichen Folgen hätte der Bannstrahl plus bürokratischer Hindernislauf der Lebensmittelwerbung durch die EU-Instanzen? Die Ernährungswirtschaft allein in Deutschland besteht aus 5.847 Unternehmen. Sie beschäftigt rund 530.000 Menschen. Der erwirtschaftete Umsatz beträgt 125 Mrd €. Die Brutto-Investitionen in Werbung der Lebensmittenproduzenten betragen rund 2,5 Mrd € oder 2 Prozent vom Umsatz pro Jahr. Hinzu kommen 2 Mrd € Brutto-Werbeausgaben des Handels. Setzt die Brüsseler Behörde ihr Dekret im Ministerrat und im EU-Parlament in der vorliegenden Fassung durch, hätte dies erhebliche Konsequenzen für die Wirtschaft. Fachleute schätzen, dass zehntausende von Arbeitsplätzen durch Umsatzrückgänge in Gefahr gerieten. Etwa 1.000 Betriebe sähen sich existenziellen Fragen ausgesetzt. Wesentliche Gründe für diesen negativen Trend: Die Brüsseler Behörde will über sogenannte "Nährwertprofile" gesundheits- und nährwertbezogene Werbeaussagen weitgehend unterdrücken. Nur jene Produkte sollen unter besonderen Auflage beworben werden dürfen, die dem staatlich vorgegebenen Profil an Zucker, Salz und Fett entsprechen. Die Konsequenz: Produzenten werden zum Beispiel zuckerhaltige Produkte nicht mehr mit dem Zusatznutzen von Vitaminen im Markt anbieten, weil sie solche Waren nicht mehr (mit einer nährwertbezogenen Angabe) bewerben dürften. Zu befürchten ist ebenso, dass Firmen um ihrer Existenz willen Marktflexibilität aufgeben: Sie werden Waren herstellen, die den staatlichen Vorgaben entsprechen. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 11 Das aber würde eine staatliche Produktionssteuerung produzieren. Sie baut Innovationsbreite und -tiefe des Angebots ab. Der Effekt wäre staatliche Investitionslenkung. Durch Werbezensur droht somit die Entkernung der Marktwirtschaft. Geradezu zersetzt würden der Wettbewerb und das System der Marktwirtschaft durch die Einführung neuer und langwieriger Genehmigungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben. Wuchernde bürokratische Verfahren verhindern mehr Flexibilität im Wettbewerb und behindern Innovationen im Lebensmittelsektor, die den Firmen, den Arbeitnehmern sowie den Konsumenten gleichermaßen zugute kommen. Das von der EU-Kommission erdachte Verfahren zur Registrierung einer gesundheitsbezogenen Angabe ist sowohl technisch als auch finanziell derart aufwendig und bürokratisch gestaltet, dass es nur Großunternehmen wirtschaftlich durchhalten können. Erforderlich für den Antrag bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind unter anderem Kopien wissenschaftlicher Studien und ein Vorschlag für die Formulierung der gesundheitsbezogenen Angabe- in sämtlichen Gemeinschaftssprachen. Dies gilt selbst für regional begrenzte Werbung. Eine Nachforderung von Unterlagen durch die EFSA ist vorgezeichnet- und damit ein erneuter Zeitverlust für die Unternehmen. Unter solchen Voraussetzungen werden sich Marktneueinführungen vor allem für mittelständische Firmen kaum lohnen. Nach Schätzungen der deutschen Lebensmittelindustrie kommen auf die Unternehmen allein durch geforderte wissenschaftliche Belege der Werbeaussagen Kosten zwischen 250.000 Euro und 1 Mio Euro pro Studie zu. Hinzu kommen Kosten für die verschiedenen Behördendurchläufe sowie finanzieller Aufwand für betriebsinterne Arbeiten und externe Beratung. Durch diese zusätzlichen Belastungen werden die Betriebskosten erhöht. Dies würde wiederum mittelständische Unternehmen existenziell bedrängen. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 12 Über die Bedeutung des Mittelstands für die deutsche und europäische Volkswirtschaft machen sich ohnehin so manche Politiker wenig Gedanken. Allein in Deutschland beschäftigen rund 3,2 Millionen mittelständische Betriebe 20 Millionen Mitarbeiter. Das sind 70 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland. Wer politisch in die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands unverhältnismäßig eingreift, schadet allen - den Firmen in ihrem Wettbewerb, den Konsumenten bei ihren individuellen Produktentscheidungen und den Bürgern als Arbeitnehmern. Selbst wenn ein Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft die Hürden der EU-Werbezensur genommen hat, erlangt die genehmigte Angabe keine Bestandskraft: Änderung, Aussetzung oder den Widerruf der Zulassung können die EFSA, ein Mitgliedstaat oder die EUKommission jederzeit beantragen. Das schafft nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern torpediert auch jede betriebswirtschaftliche Planung. Der Plan der EU-Kommission würde auch Markenwerte in erheblichem Umfang vernichten -durch die Absicht, des Verbots von Werbeaussagen, die sich auf die Gesundheit oder das körperliche/seelische Wohlbefinden beziehen. Viele Hersteller haben zum Teil über Jahrzehnte Markenidentität auch mit Hilfe von dann nicht mehr erlaubten Werbeslogans aufgebaut und bei den Konsumenten wachgehalten. Dieses 'Kapital' wäre verloren. Nach Schätzungen des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) wären von diesem Desaster über die Hälfte der in Deutschland beworbenen Nahrungsmittel betroffen. Marken, die beispielsweise für ihre Bekömmlichkeit werben, müssten mit neuen Werbestrategien im Markt durchzusetzen versucht werden. Dies erfordert erhebliche zusätzliche betriebswirtschaftliche Mittel und viel Zeit, um die bisherige Position im Markt wieder zu erreichen. Fazit: Der Charakter planwirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, wie sie die Brüsseler Verordnung letztlich bedeutet, führt im Endeffekt dazu, dass der junge Markt gesundheitsbezogener Produkte und ihre Bewerbung politisch ausgebremst wird. Das verhindert Wachstum zu Lasten der Anbieter, Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 13 konterkariert Konsumentenwünsche und natürlich auch Anstrengungen nach Belebung des Arbeitsmarkts. V. Der Verbraucher ist der Dumme Ein weiteres Ergebnis des Brüsseler Dekrets wäre: Der Verbraucher ist der Dumme – aus mehreren Gründen: Der von Brüssel provozierte Aufwand wird das einzelne Unternehmen sehr viel Geld kosten. Wenn eine Firma überleben will, muss sie ihre Betriebskosten in die Preisgestaltung stecken. Konsequenz: Lebensmittelpreise werden erheblich steigen. Die Produktvielfalt wird abnehmen, weil die EU-Kommission den Bürger offenkundig zu einer selbstbestimmten Auswahl aus dem Marktangebot nicht für fähig hält. Durch Steuerung der Produktion soll nur das auf dem Markt werblich hervorgehoben werden dürfen, was die europäische Behörde für gut und richtig für den Bürger befindet. Ihm wird damit das Recht auf Marktinformation und Markttransparenz genommen. Damit nicht genug: Der Verordnungsentwurf schafft einen neuen Grundsatz: dass es gute und schlechte Lebensmittel gibt. Die Kommission entfernt sich hiermit von der Lebensrealität. Denn die ist von richtigen und falschen Ernährungsweisen geprägt. Die Entscheidung für oder gegen ein Produkt sollte immer noch dem Konsumenten im Rahmen einer von ihm selbst bestimmten ausgewogenen Ernährung zustehen. Auch gesundheitspolitisch wird das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt. Dem Produzenten wird zusätzlich die Verantwortung für die Produktverwendung zugeschoben. Der Begriff Paternalismus verdeckt nur mühsam, worum es sich tatsächlich handelt: um eine EU-behördliche Attacke auf das Vernunftvermögen und die Verantwortung des Menschen. Die Kommission spricht dem informierten, Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 14 verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher durch die behördlichen Eingriffe in die Markt-Kommunikation der Lebensmittelwirtschaft die Fähigkeit ab, inhaltlich zutreffende Werbeaussagen richtig zu verstehen und eine für ihn sachgerechte Wahl zu treffen. Brüssels geringschätzige Haltung gegenüber dem Bürger als Konsumenten widerspricht den Vorgaben unter anderem des Europäischen Gerichtshofs. Das Verbraucherleitbild des EuGH: Nicht mehr das Bild vom Menschen als schwankendes Schilfrohr im Wind von Werbung ist entscheidend, sondern der verständige, verantwortlich handelnde Konsument. Er hat den Willen und die Intelligenz, sich mit den angebotenen Waren und ihrer werblichen Vermarktung im Rahmen einer eingehenden Prüfung kritisch und distanziert auseinander zusetzen. Mit anderen Worten: Der europäische Verbraucher besitzt die Eigenschaften eines selbstbewussten, aktiven Marktbürgers und handelt entsprechend. Fazit: In Brüssel aber auch in verschiedenen nationalen Regierungen trifft man bei politischen Entscheidern noch immer auf den Voodoo-Glauben von der unheimlichen Wirkung kommerzieller Werbung. Sie entspringt einer täppischen Vulgär-Psychologie. Politiker sollten es aus ihren Wahlkämpfen unterdessen besser wissen. Zensur von Markt-Kommunikation ist Gesundheitspolitik nach Placebo-Art ein Scheinmedikament beim Kampf gegen Probleme in der Gesellschaft. Ob der Konsument an einem Abend drei Tüten Chips und zehn Schokoriegel vor dem Fernsehgerät verzehrt, hängt nicht von der Werbung ab, sondern von anderen Einflüssen und Motiven. Jede Werbemaßnahme ist eine kommerziellorientierte Botschaft mit dem Versuch, das Kaufverhalten der Umworbenen zu beeinflussen. Entscheidend aber ist nicht das Werbebild, sondern was mit der Botschaft beim Empfänger geschieht. Sieht ein psychisch gesunder Mensch eine Werbung mit erotischen Elementen, dann wird er daraufhin nicht zum Vergewaltiger. Enthält Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 15 Autowerbung sportive Elemente, macht das niemanden zum Verkehrsrowdy. Und die Motivation zu rauchen, Süßigkeiten im Übermaß zu konsumieren und sich auch ansonsten ungesund zu ernähren, ist kein Ergebnis von Anzeigen, Spots oder Plakaten. Werbung als emotionaler Auslöser allen Übels hinzustellen, zeugt von allzu schlichter Denkübung. Menschen haben nicht nur Erbanlagen, unterschiedliche Biographien und individuelle Erlebnisse. Sie werden auch durch zahlreiche andere Absender beeinflusst – wie zum Beispiel redaktionelle Teile der Medien, Bildungssysteme, Pornographie, Kinofilme, politische Parteien, Predigten von der äußeren und inneren Kanzel, von Gewerkschaften oder den Erziehungsmethoden der Eltern. Was ist überhaupt "Werbung"? Der Begriff stammt aus dem Althochdeutschen "hwerban". Er bedeutet, 'sich drehen', 'sich umtun', 'sich bemühen'. Die Sache aber ist älter: Werbung ist ein Urphänomen menschlicher Existenz. Das Zustandekommen aller freiwilligen Sozialbeziehungen, die Wechselwirkungsprozesse in und auch zwischen Gruppen sind ohne Zuordnung von Sympathie und Antipathie nicht möglich. Und das heißt manchmal auch: Nicht ohne Selbstdarstellung. Man braucht sich in diesem Zusammenhang selbst nur Fragen zu beantworten wie zum Beispiel: - Wer macht nicht auch Werbung für sich selbst? - Wer klärt schon über sich selbst objektiv auf? – zum Beispiel wenn er sich bewirbt - auch als Politiker? Stellt also zum Beispiel seine Nachteile in gleicher Weise wie seine Vorteile dar? Legt seine psychologische Bilanz vor? - Wer will nicht andere überzeugen, beeinflussen? - Wer betrachtet sein Passfoto nicht unter dem Aspekt möglicher sozialer Attraktivität? Oder zusammengefasst: Leben ist Emotion und Aufklärung zugleich und die Symbiose davon ist: Leben ist werben. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 16 VI. Umgeben von Konsumtrotteln Ein Gedankenfaden zieht sich offenkundig durch alle Formen der Kritik an Marken und Werbung: Was das Auge sieht, stuft der Mensch emotional gesteuert als besonders glaubwürdig ein. Bilder bilden nicht nur ab, sie "bilden" auch die Gedanken des Betrachters und transportieren Botschaften, deren sich der Empfänger oft nicht bewusst ist. Stimmt das so? Ist der Mensch ein Hund? Man halte ihm das Fleisch hin und er schnappt zu? Und ebenso beim Werbebild auf dem Plakat, der Anzeige oder mit Hilfe von Werbespots? Der Grund für die fehlende Möglichkeit, Menschen von heute wie Marionetten zu bewegen, ist hinlänglich bekannt: Ihre Psyche ist hochkompliziert. Es gibt bei ihnen keinen geradlinigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Reiz und Reaktion wie bei Tieren. Das spiegelt sich in fast sämtlichen neueren Forschungserkenntnissen der Sozialwissenschaften wider. Alles, was ein Mensch sieht, erlebt und bewertet, ist bereits Interpretation auf dem Hintergrund seiner Persönlichkeit, seiner individuellen Biographie und seiner individuellen Moral. Das betrifft auch den Ablauf, wie er Informationen verarbeitet -also auch Markenwerbung. Ob ein Empfänger überhaupt eine Information aus der ankommenden Informationsfülle aufnimmt – und wenn ja, wie er sie qualitativ aufnimmt –, ist ausschließlich durch ihn selbst bestimmt. Wer ein Produkt im Markt anbietet, muss sich in seiner Werbung am Menschenbild, am Zivilisationsstil von heute orientieren. Deshalb ist Werbung meistens ein Spiegelbild der Gesellschaft – ihrer Aufgeklärtheit und ihrer Emotionalität. Nur wer als Anbieter diese Zusammenhänge berücksichtigt, erhält die Chance, mit seinem Angebot akzeptiert zu werden. Mit nackter "Information" ist jene Akzeptanz schwer erreichbar. Deshalb muss MarktKommunikationspolitik eines Unternehmens das Kunststück vollbringen, Rationales und Emotionales zu verbinden. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 17 Der emotionale Mehrwert eines Produkts – also die Wertschätzung einer Ware beim Käufer über den reinen Funktionswert hinaus – ist für den Kunden häufig sogar entscheidender. Menschen wollen etwas Besonderes sein, unverwechselbare Individuen. Individuen aber brauchen eigene Ausstattungsmerkmale; daran ändert keine Zeiterscheinung und kein Wertewandel etwas. Menschen über den Gebrauchswert eines Produktes aufzuklären, ist in dieser aufgeklärten Zeit eher zweitrangig. Das Produkt ist dasjenige, was eine Firma herstellt; die Marke das, was der Kunde empfindet und kauft. Und deshalb müssen Markenartikler auch Lieferanten von Gefühlen sein und nicht nur von Qualitätsprodukten. Dieser Zusammenhang zeigt sich konturenscharf im Lebensmittelbereich und reflektiert entsprechend auf die Werbung. Das Bild vom "Konsumidioten" aber ist im Kern unmoralisch: Es spricht den Bürgern, den Konsumenten, den Gläubigen, den Arbeitnehmern eine ganze Reihe von grundlegenden Fähigkeiten ab. Zum Beispiel die aufmerksame Wahrnehmung der Mitwelt, der souveräne Umgang mit Meinungsäußerungen anderer, die kritische Analyse nicht nur der Angebote aus Politik, Konfessionen und anderer gesellschaftlicher Institutionen sowie der redaktionellen Teile der Medien, sondern auch die kompetente Nutzung der werbenden Angebote der Wirtschaft. Hinter der heute übrig gebliebenen Werbekritik mit ihren kulturpessimistischen Klischees aus den fünfziger und sechziger Jahren, wie sie von Konservativen und Neomarxisten längst zu Tode geritten wurden, steckt tatsächlich verschleierte Publikumsbeschimpfung und auch Verachtung der Bürger als Masse. Bei einem solchen Menschenbild lautet die Frage, auf welche Weise das Gemeinwohl angestrebt und den Zeitläufen angepasst werden sollte: durch Lenkung von oben oder durch lebenskompetentes freies Wirken der Bürger von unten? Eine Gesellschaft der Mündigen oder eine Gemeinschaft der Unmündigen? Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 18 VII. Gesellschaft der Gutmenschen oder freiheitliche Ordnung? Es geht also um viel – um viel mehr, wenn Werbung zensiert wird. - Erstens um das Kernthema "Staatswirtschaft versus Marktwirtschaft". Welches Europa wollen wir - das des Wettbewerbs im Rahmen staatlicher und selbstdisziplinärer Ordnung oder an den Schnüren von Behörden? - Zweitens: Wollen wir die schmerzfreie Gesellschaft der Gutmenschen, der Bürger als Konsument im Käfig staatlicher Fürsorge – gleichzeitig aber auch als Freiwild für politische Werbung? - Drittens: Wie kann die EU-Kommission auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden? – also auf ihre Aufgabe der Förderung des Wettbewerbs im Binnenmarkt und nicht als Bremser der Marktwirtschaft. Viele Politiker und Beamte in Brüssel sind von der Überzeugung durchdrungen, Gutes für die Menschen zu tun. Aber sind sie sich dabei auch der Tatsache bewusst, dass ein Teil ihrer Pläne zur Erosion demokratischer Verhältnisse beiträgt? VIII. Bausteine der Vernunft Was ist aus Sicht der Werbewirtschaft vor dem Hintergrund dieser Skizze real existierender Verhältnisse zu tun? Es sind insbesondere fünf Bausteine der Vernunft: 1. Die betroffenen Wirtschaftskreise müssen klar und unmissverständlich signalisieren, dass sie auch im Bereich Lebensmittel ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Dazu gehört, dass man die Interessen Anderer verstehen und einbeziehen muss, um mit den eigenen Interessen Gehör zu finden. Nicht Abwehrkampf also, sondern Diskurs – aktiv und passiv. Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 19 2. Es gilt, die ideologische Spreu vom Weizen der Realität zu trennen. Täppische Vulgär-Psychologie mit scheinbar stichhaltigen Argumenten reicht als politischer Handlungsimpuls nicht aus. Dazu bedarf es wissenschaftlicher Grundierung, aber gleichzeitig auch des neutralen Abgleichs von Auffassungen der Wirtschaft über Ernährungsprobleme in der Gesellschaft. 3. Alle von der Brüsseler Politik betroffenen Wirtschaftskreise sollten auf politischer Ebene für das Prinzip kämpfen: Die Legitimität einer politischen Handlung muss sich auch daran messen lassen, welche Konsequenzen sie außerhalb des erstrebten Ziels hat. Wer Werbung verbietet, nimmt nicht nur den Unternehmen die Redefreiheit in ihren Märkten, sondern berührt auch negativ den Arbeitsmarkt und beschädigt die Finanzierungsgrundlage der Medien. 4. Wer Werbung zensiert, zensiert auch immer die Bedürfnisse von Konsumenten nach Information und emotionaler Ansprache. 5. Die Wirtschaft darf nicht den Fehler begehen, sich am Abbau der Marktwirtschaft durch übersteigerte Konsenspolitik zu beteiligen. Sie muss nicht nur um ihre jeweiligen Brancheninteressen, sondern sich auch als Hüter der freien Marktordnung verstehen und entsprechend handeln. Wer tut es sonst in diesem Land? Die Gegner liberaler Wirtschaftspolitik sollten gezwungen werden, klar zu sagen, dass sie aus Prinzip gegen Wettbewerb und damit gegen mehr Freiheit sind. Auch wenn noch so oft das Gegenteil unterstellt wird: In der Marktwirtschaft geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um immaterielle Werte. Und die Freiheit des Einzelnen steht unter ihnen ganz oben. In der Schwungkraft der Märkte und der Schaffung gleicher Chancen liegt der Schlüssel zum Wohlstand für alle. Werbung steht zwischen Emotion und Aufklärung – aber weniger im Markt als vielmehr im Kabinett der EU-Kommission, im EU-Ministerrat und in Teilen des Europäischen Parlaments. Gelingt die Aufklärungsarbeit der Wirtschaft in Sachen Werbung auf europäischer Ebene nicht, droht Entkernung der Marktwirtschaft: Wenn sich die Anbieter nicht mehr beim Kunden um die Wette bewerben dürfen, sterben Innovationen ab, steigen die Preise, schrumpft der Werbung zwischen Emotion und Aufklärung Seite 20 Mittelstand und werden die Medien als Wächter des politischen Geschehens von ihrer wesentlichen Finanzierungsgrundlage abgekoppelt. Was Brüssel treibt, ist ein Demokratieproblem. Viel Arbeit für die Freunde der Freiheit. Rückfragen: Volker Nickel, Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) Postadresse: 10873 Berlin, Telefon (030) 590099-715, Telefax (030) 590099-722 E-Mail: [email protected], Online-Service: www.zaw.de