Kapitel 10 Analytische Geometrie, Vektorund Matrixrechnung 10.1 Koordinatensysteme Eine Gerade, eine Ebene oder den Anschauungsraum beschreibt man durch Koordinatensysteme. 10.1.1 Was sind Koordinatensysteme? Es gibt affine Koordinatensysteme (Koordinaten x, y oder x1, x2 in der Ebene, x, y, z oder x1, x2, x3 im Raum ) (Tafelskizzen!) kartesische Koordinatensysteme (Tafelskizzen!) Polarkoordinatensysteme (in der Ebene) (Koordinaten r, φ) (Tafelskizze!) und viele weitere Koordinatensysteme. 1 10.1.2 Wozu sind Koordinatensysteme gut? Durch ein affines oder kartesisches Koordinatensystem werden eineindeutig aufeinander abgebildet: • die Punkte einer Geraden und die Punkte von R oder • die Punkte einer Ebene und die Punkte von R2 oder • die Punkte des Raumes und die Punkte von R3. Dadurch kann man (a) geometrische Probleme durch Rechnung lösen und (b) rechnerische Probleme geometrisch deuten. 10.1.3 Die Raumzeit der Mechanik Beschreibt man Punkte im Raum durch kartesische Koordinaten (x, y, z), und hängt man daran als vierte Koordinate die Zeit t, so erhält man die vierdimensionale Raum-Zeit mit Punkten, die beschrieben werden durch (x, y, z, t). Damit gelang Minkowski 1908 eine überraschend einfache Beschreibung der speziellen Relativitätstheorie. 2 10.2 Einfache Vektorrechnung 10.2.1 Was ist ein Vektor? Ein Vektor ~x im Rn, n ∈ N, z.B. n = 2, 3, 4, ist ein n-Tupel reeller Zahlen (x1, x2 , . . . , xn), manchmal x1 x2 . auch geschrieben als Spalte . . . xn Für n = 2 schreibt man oft x, y statt x1, x2. Für n = 3 schreibt man oft x, y, z statt x1, x2, x3. 10.2.2 Vektoraddition und Multiplikation mit Skalaren Vektoraddition und Vektorsubtraktion werden komponentenweise definiert: x1 ± y1 y1 x1 x2 y2 x2 ± y2 . . . . ~x ± ~y = . ± . = . . . . yn xn ± yn xn (Tafelskizze für n = 2, 3 bei affinem Koordinatensystem!) Parallelogrammregel Multiplikation eines Vektors mit einem Ska3 lar (mit einer rellen Zahl) wird komponentenweise definiert: x1 cx1 x2 cx2 . . c~x = c . = . . . . xn cxn (Tafelskizze bei affinem Koordinatensystem!) Negatives c kehrt die Richtung um! 0 0 . Für den Nullvektor ~o = . gilt offenbar: . 0 n ~x + ~o = ~o + ~x = ~x ∀~x ∈ R . ~y 6= ~o heißt parallel zu ~x 6= ~o, ~x k ~y :⇔ ~x = c~y mit c ∈ R. Vektoren ~a1, ~a2, . . . , ~ak heißen linear abhängig, wenn für mindestens ein i mit 1 ≤ i ≤ k gilt: ai = k X cj~aj . j=1,j6=i Sonst heißen ~a1, ~a2, . . . , ~ak linear unabhängig. Das ist genau dann der Fall, wenn gilt: 4 k X ck~ak = ~o ⇒ c1 = c2 = . . . = ck = 0. j=1 10.2.3 Matrizen und Matrixprodukt Eine Matrix ist ein rechteckiges Schema reeller Zahlen. Ist a11 a12 . . . a1n a21 a22 . . . a2n , A= ... am1 am2 . . . amn b11 b12 . . . b1k b21 b22 . . . b2k , B= ... bn1 bn2 . . . bnk so ist AB die Matrix, in deren p-ter Zeile und qter Spalte das Element cpq = n X apibiq i=1 steht. Schreibweise: Für einen Spaltenvektor ~x schreiben wir auch: ~x = (x1, x2, . . . , xn)T 5 oder ~xT = (x1, x2, . . . , xn). 10.2.4 Basis {~b1, ~b2, . . . , ~bn} bilden eine Basis des Rn, wenn gilt: ~b1, ~b2, . . . , ~bn sind linear unabhängig und ∀~x ∈ Rn∃x1, x2, . . . , xn : ~x = x1~b1 + . . . + xn~bn. Eine spezielle Basis des Rn besteht aus 1 0 0 0 1 0 . ~e1 := , ~e2 := , . . . , ~en := ... ... ... 0 0 1 Offenbar gilt ∀~x ∈ Rn: ~x = x1~e1 + . . . + xn~en. 10.2.5 Skalarprodukt, Länge, Winkel Das Skalarprodukt zweier Vektoren ~x, ~y ist für uns ~x · ~y = x1y1 + x2y2 + . . . + xnyn. (Andere Schreibweisen: ~x~y , < ~x, ~y >, s(~x, ~y ) oder auch ~xT ~y . Aber ~x~y T ist etwas Anderes!) Für ~x = ~y : ~x~x = ~x2. Offenbar gilt: ~x~y = ~y~x, (c~x)~y = ~x(c~y ) = c(~x~y ). 6 Offenbar gilt: ~e2i = 1, ~ei~ek = 0, falls i 6= k. Durch Rechnung zeigt man das Distributivgesetz: ~x(~y + ~z) = ~x~y + ~x~z. Die Länge eines Vektors ~x ist für uns √ |~x| = ~x · ~x. Es gilt: |~o| = 0. |~v | = 1 ⇔ ~v Einheitsvektor Für Vektoren im Rn gilt die Dreiecksungleichung: |~x ± ~y | ≤ |~x| + |~y |. Der Winkel ∠(~x, ~y ) zweier Vektoren ~x 6= ~o 6= ~y ist definiert durch ~x · ~y . |x| · |y| Damit gilt ~x und ~y sind zueinander orthogonal, normal oder senkrecht, in Zeichen cos ∠(~x, ~y ) = ~x ⊥ ~y ⇔ ~x~y = 0. 10.2.6 Vektorprodukt im R3 Für ~x, ~y ∈ R3 ist das Vektorprodukt ~x × ~y von ~x und ~y : 7 ~x × ~y = (x2y3 − x3y2, x3y1 − x1y3, x1y2 − x2y1)T . Offenbar gilt: (c~x) × ~y = ~x × (c~y ) = c(~x × ~y ), ~y × ~x = −~x × ~y , und damit auch: ∀c ∈ R : ~x × (c~x) = ~o. Man kann zeigen: ~x(~x × ~y ) = 0. ~x × ~y ist also orthogonal zu ~x und zu ~y . Man kann zeigen, dass gilt: ~x × (~y + ~z) = ~x × ~y + ~x × ~z und ~x × ~y = ~o ⇔ ~x = ~o oder ~y = ~o oder ~x = c~y mit c 6= 0. Es gilt also: ~x × ~y = ~o, ~x 6= ~o, ~y 6= ~o ⇒ ~x = c~y mit c 6= 0. Man kann zeigen: |~x × ~y |2 = |~x|2|~y |2 − |~x~y |2. Vorsicht! × ist nicht assoziativ. Im allgemeinen gilt: ~x × (~y × ~z) 6= (~x × ~y ) × ~z. 8 10.2.7 Das Spatprodukt im R3 ~x(~y × ~z) =: (~x, ~y , ~z) heißt das Spatprodukt der Vektoren ~x, ~y , ~z. Man kann zeigen: (~x, ~y , ~z) = (~y , ~z, ~x) = (~z, ~x, ~y ) = −(~x, ~z, ~y ) = −(~z, ~y , ~x) = −(~y , ~x, ~z). Wegen ~x × ~x = ~o gilt: Sind zwei Vektoren in einem Spatprodukt gleich, so verschwindet das Spatprodukt. 10.3 Anwendung auf die Geometrie im Anschauungsraum 10.3.1 Punkte und Vektoren Punkte A, B, . . . , X, Y, . . . Vektoren ~a, ~b, . . . , ~x, ~y . . . . Vektoren kann man addieren, Punkte nicht! c~x ist sinnvoll, cX ist sinnlos! 10.3.2 Koordinatenvektoren Bezüglich eines affinen xyz-Koordinatensystems mit einem Koordinatenursprung (kurz: Ursprung O ist jedem Punkt P sein Koordinatenvektor oder Ortsvektor p~ = (x, y, z)T eineindeutig zugeordnet. (Tafelskizze!) 9 Der Verbindungsvektor P~Q der Punkte P (~p) und Q(~q) ist P~Q = ~q − p~. (Tafelskizze!) Ist P ein Punkt und ~v ein Vektor, so gibt es genau einen Punkt Q, so dass gilt: ~v = P~Q. 10.3.3 Abstand von Punkten Liegt ein kartesisches Koordinatensystem zu Grunde, so gilt: Der Abstand der Punkte P (~p), Q(~q) ist d(P, Q) = |~q − p~|. 10.3.4 Spatvolumen Mitteilung: Das Volumen V des Spats mit einer Ecke P , der aufgespannt wird von den Vektoren ~x, ~y , ~z, ist das Spatprodukt dieser Vektoren: V (~x, ~y , ~z) = |(~x, ~y , ~z)|, falls z.B. ein kartesisches Koordinatensystem zu Grunde gelegt wurde. Mit etwas Geometrie sieht man: Das Volumen V des Tetraeders mit den Ecken P, Q, R, S ist 1 V (P, Q, R, S) = |(~q − p~, ~r − p~, ~s − p~)|. 6 Sind ~x, ~y linear unabhängig, so gilt: (~x, ~y , ~z) = 0 ⇔ ~x, ~y , ~z liegen in der Ebene, die von ~x, ~y aufgespannt 10 wird ⇔ ~z ist parallel zur Ebene, die von ~x, ~y aufgespannt wird. 10.3.5 Winkel von Vektoren Mitteilung: Was im Rn als Winkeldefinition diente, ~x · ~y , cos ∠(~x, ~y ) = |x| · |y| liefert im Anschauungsraum tatsächlich den bekannten Winkel der Elementargeometrie, falls ein kartesisches Koordinatensystem zu Grunde liegt. 10.3.6 Zum Vektorprodukt Mitteilung: Liegt ein kartesisches Rechts-Koordinatensystem zugrunde, bei dem x-, y- und z-Achse liegen wie Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger einer rechten Hand, so gilt: Sind ~v , w ~ linear unabhängige Vektoren, so ist ~v × w ~ ⊥ ~v , w, ~ (1) |~v × w| ~ = |~v | · |w| ~ · sin ∠(~v , w), ~ (2) und in der angegebenen Reihenfolge gilt: ~v , w, ~ ~v × w ~ bilden ein Rechtssystem. (3) Durch (1), (2), (3) ist ~v × w ~ eindeutig bestimmt. 11 10.3.7 Geraden Die Verbindungsgerade P Q zweier Punkte P , Q hat die Parameterdarstellung ~x = p~ + t(~q − p~), t ∈ R. (Tafelskizze!) Ist ~x = p~ + t~v , t ∈ R, eine Parameterdarstellung einer Geraden g, so heißt ~v ein Richtungsvektor von g. 10.3.8 Ebenen Die Verbindungsebene P QR dreier Punkte P , Q, R hat die Parameterdarstellung ~x = p~ + t(~q − p~) + s(~r − p~), t, s ∈ R. (Tafelskizze!) Ist ~x = p~ + t~v + sw, ~ t, s ∈ R, (1) eine Parameterdarstellung einer Ebene ε, so heißen ~v , w ~ Richtungsvektoren von ε. Ist ~n senkrecht zu ε, so ist ~n(~q − p~) = ~n(~r − ~n) = 0, also ε : ~n~x = ~np~ eine Gleichung der Ebene ε. (Tafelskizze!) Eine Gleichung von ε erhält man also aus (1) durch: (~v × w) ~ · (~x − p~) = 0. 12 Ist umgekehrt ax + by + cz = d die Gleichung einer Ebene ε, so ist (a, b, c)T ein Normalenvektor von ε. Ist |~n| = 1 und ~np~ ≥ 0, so heißt die Gleichung ~n~x − ~np~ = 0 die Hesse-Form der Ebenengleichung. Mitteilung: Setzt man ~q in die linke Seite der Hesseform von ε ein, so erhält man den vorzeichenbehafteten Abstand des Punktes Q(~q) von der Ebene ε. 10.3.9 Winkel von Geraden Der Winkel von Geraden g und h mit Richtungsvektoren ~v und w ~ ist der Winkel der Vektoren ~v und w. ~ 10.3.10 Winkel von Gerade und Ebene Der Winkel ∠(g, ε) einer Geraden g mit Richtungsvektor ~r zu einer Ebene ε mit Normalenvektor ~n ist definiert als Winkel von g zur Schnittgeraden von ε mit derjenigen Ebene ν, die g enthält und parallel ist zu ~n. (Tafelskizze!) Ist ν nicht definiert, also g k ~n, so ist ∠(g, ε) = π2 . Zur Berechnung: Es gilt: ∠(g, ε) = π2 − ∠(g, ~n), 13 (Tafelskizze!) also ·~n sin ∠(g, ε) = |~r~r|·|~ n| . 10.3.11 Schnitt Gerade - Ebene Gerade g: ~x = p~ + t · ~v , t ∈ R; (1) Ebene ε: ~n · ~x − d = 0. Schnittpunkt S(~s): ”~x einsetzen in ε“ 0 = ~n ·~x − d = ~n · (~p + t ·~v ) − d = ~n · p~ + t~n ·~v − d ⇒ d − ~n · p~ ~n · ~v einsetzen in (1) liefert S: t= ~s = p~ + 10.3.12 d − ~n · p~ · ~v . ~n · ~v Schnitt Ebene - Ebene ε: ax + by + cz = d (1) δ: px + qy + rz = s (2) Schnittgerade g? (1), (2) ist ein Beispiel eines linearen Gleichungssystems mit zwei Gleichungen, drei Unbekannten. Ist a 6= 0, so kann man x aus (2) eliminieren: (2) − ap · (1): (q − pba )y + (r − pca )z = s − pd a, kurz: q 0y + r0z = s0. Ist q 0 6= 0, so kann man ausrechnen: 0 0 y = − qr0 z + qs0 =: r00z + s00. 14 x = − ab y − ac z + ad =: b0(r00z + s00) + c0z + d0 = (b0r00 + c0)z + (b0s00 + d0) =: b00z + d00. Dabei ist z ∈ R beliebig. ⇒ Parameterdarstellung von g: 00 00 b d t ∈ R. ~x = s00 + t · r00 , 1 0 Dabei war a 6= 0 6= q 0. 15