- Technische Akademie Wuppertal

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Entscheidungshilfe durch Seminare
Sanieren oder Abreißen?
In den kommenden zwei Jahrzehnten sollen laut einer Studie rund die Hälfte
aller deutschen Wohngebäude saniert werden. Doch was ist sinnvoll, vertretbar
und wirtschaftlich? Seminare sollen Bauingenieuren, Architekten und Vermietern
bei der richtigen Entscheidung helfen. | Jens Nordmann
photo 5000/fotolia.com
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Viele Gebäudebesitzer wissen
nicht, wann eine Sanierung
technisch nicht mehr möglich
oder ökonomisch nicht vertretbar ist. Manchmal bleibt nur
noch der Abriss.
Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 35 Milliarden
Euro werden Jahr für Jahr für die Sanierung
von Gebäuden aufgewendet. Das entspricht in
etwa den Ausgaben der öffentlichen Hand für
die Kinder- und Jugendhilfe bundesweit. Eine
Ursache: etwa ein Drittel der rund 19 Millionen
Wohngebäude in Deutschland ist zwischen
1949 und 1978 gebaut worden. Nach dem
Zweiten Weltkrieg sollte schnell und günstig
Wohnraum geschaffen werden, Quantität
ging vor Qualität. Heute muss ein Großteil
dieser Häuser saniert oder sogar abgerissen
werden.
Diese Ausgabe ist lizensiert für die Technische Akademie Wuppertal und unterliegt dem Copyright von Schiele & Schön. Eine Vervielfältigung oder Verbreitung außerhalb dieser Lizenz wird strafrechtlich verfolgt.
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Der Putz bröckelt von der Fassade, Wasserleitungen sind marode, der Keller feucht – ein
klarer Fall: Es besteht Sanierungsbedarf. Laut
Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena)
sollten in den kommenden 20 Jahren etwa
die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland saniert werden – vor allem wegen der
gestiegenen Anforderungen an die Objekte:
Bestimmte Gebäude müssen an die verschärften Energieeffizienz-Standards der Energieeinsparverordnung angepasst und wärmegedämmt werden. Auch gesetzliche Brand- und
Schallschutzregelungen spielen eine große
Rolle. Immobilienbesitzer, Architekten und
Bauingenieure stehen oft vor der Frage: Ist
eine Sanierung im Bestand sinnvoll, vertretbar
und wirtschaftlich? Oder gibt es Gründe, die
für einen Abriss oder Teilabriss sprechen? Jörg
Brandhorst, Bauphysiker und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, kennt diese Fragen aus seiner täglichen Arbeit. „Viele
Hauseigentümer sind unsicher, welche Kosten
für Sanierung und Instandhaltung auf sie zukommen. Und tatsächlich kann es sich je nach
Bausubstanz und Alter der Haustechnik schnell
um größere Summen handeln.“
Seminare bieten Praxistipps
Brandhorst berät Bauingenieure, Architekten
und Immobilienbesitzer in einem zweitägigen Seminar „Sanieren oder Abreißen“ an der
Technischen Akademie Wuppertal (TAW) und
erklärt, worauf es beim Thema ankommt. „Im
Kurs geht es vor allem um Hilfestellungen in
konkreten Fällen: Welche rechtlichen Punkte
muss ich bei einer Sanierung oder einem Abriss
beachten? Wofür kann ich Fördermaßnahmen
beantragen? Und wie gehe ich vor, wenn meine Immobilie mit Schadstoffen belastet ist?“
Erst untersuchen, dann sanieren
Eine Schadstoffbelastung ist ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, ein Gebäude zu
sanieren. Brandhorst drückt es deutlich aus:
„Schadstoffe in Wohnobjekten sind ein Dauerbrenner und sorgen für große Fragezeichen
bei den Betroffenen.“ Seit den 1950er Jahren,
als die Bauchemie Einzug in den Hausbau hielt,
sind Millionen Häuser in Deutschland schadstoffbelastet. Der Wohnungsbau-Boom in den
1960er Jahren – mit Hunderttausenden billig
und schnell gebauten Mietwohnungen – hatte
die negative Folge, dass eine Reihe problematischer Materialien verbaut wurden, von Asbest
in Dachtafeln bis zu Formaldehyd im Fußboden.
„Viele Gebäudebesitzer wissen nicht, wann und
wo problematische Stoffe ins Haus eingebaut
wurden, wie sie erkannt und gemessen werden können. Ich rate dazu, zunächst gründlich
zu erfassen, wie hoch die Schadstoffbelastung
ist. Andernfalls kann dies zu deutlich erhöhten
Folgekosten führen, unabhängig von den gesundheitlichen Belastungen der Bewohner“, so
Brandhorst. Weitere Folgen können ein Minderwert des Gebäudes sein oder auch hohe Abbau- und Entsorgungskosten.
Zugleich haben auch Besitzer neuer oder
frisch sanierter Immobilien mit Schadstoffbelastung zu kämpfen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegt, dass
bis zu 30 Prozent der Haushalte in Europa ein
zu feuchtes Innenraumklima haben. Schuld
sind die modernen, praktisch luftdicht verschlossenen Gebäudehüllen. „Die hohe Luftfeuchtigkeit führt zu steigender Schadstoffbelastung. Wir stellen in Messungen dann oft
erhöhte Konzentrationen von Formaldehyd
fest“, berichtet Brandhorst. Parallel zur bauphysikalischen Komponente sieht der Bonner
Sachverständige einen weiteren Grund in der
heutigen Wohnstruktur. „Es gibt immer mehr
Single-Haushalte und Berufstätige, die tagsüber unterwegs sind. Folge: Es wird zu wenig
gelüftet. Perfekte Bedingungen für die Ausbreitung von Schadstoffen und Schädlingen.“
TAW
bildung
DIB 3-2015
„Konsequent gedacht sind 30 Prozent der
Immobilien in Deutschland reif für die
Abrissbirne“, so Jörg Brandhorst, Bauphysiker und Sachverständiger für Schäden
an Gebäuden.
Abriss als Alternative
Wenn eine Sanierung technisch nicht mehr
möglich oder ökonomisch nicht vertretbar
ist, bleibt nur noch der Abriss. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE)
hat in einer Studie ermittelt, dass fast jedes
achte Eigenheim abgerissen werden sollte.
Jörg Brandhorst geht noch weiter: „Konsequent gedacht sind 30 Prozent der Immobilien in Deutschland reif für die Abrissbirne“.
Tatsächlich korreliert diese Einschätzung
mit Prognosen, etwa des Bundesinstituts für
Stadtforschung, die von einem Rückgang der
Haushalte von bis zu 3,8 Millionen von 2025
an ausgehen. „Bei dem erwarteten hohen
Wohnungsleerstand sind Investitionen in die
Sanierung stadtplanerisch und wirtschaftlich
fragwürdig“, meint Brandhorst. Doch auch
beim Abbruch von Gebäuden stehen die Besitzer oft vor vielen ungelösten Fragen – von
den Formalitäten für die Bauaufsichtsbehörde
bis hin zur Entsorgung des Bauschutts und der
verbauten Schadstoffe. In den Seminaren der
Technischen Akademie Wuppertal beantwortet Brandhorst diese Fragen dann. ‹
› Sanierung im Bestand
Vor der Sanierung sollte eine
Bestandsanalyse durchgeführt
werden. Diese beinhaltet:
› Lage des Objekts
› Größe des Objekts bzw. möglicher Teil-Nutzungseinheiten
› Gebäudehülle (ggf. Denkmalschutz beachten)
› Haustechnik (Ist eine energetische Sanierung notwendig? Ist die
Trinkwasserversorgung hygienisch
einwandfrei?)
› Umfeld (Stellplätze, Straßenanbindung, öffentlicher Nahverkehr,
Einkaufsmöglichkeiten etc.)
› Nutzungsmöglichkeiten (Wohnen, Büro etc.)
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Buch-Tipp: Sanieren oder Abreißen,
Jörg Brandhorst/Norbert Bogusch,
Fraunhofer IRB Verlag, 2013.
Jens Nordmann
› Dipl.-Ing. (FH); Studium der
Elektrischen Energietechnik, FH
Dortmund, gelernter Energieanlagenelektroniker; seit 2001
Produktmanager für elektrotechnische Seminare; Bautechnik/Baumanagement bei der Technischen
Akademie Wuppertal
Diese Ausgabe ist lizensiert für die Technische Akademie Wuppertal und unterliegt dem Copyright von Schiele & Schön. Eine Vervielfältigung oder Verbreitung außerhalb dieser Lizenz wird strafrechtlich verfolgt.
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