100 Tage im Amt. 10 Fragen an Erica Fox Zabusky

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100 Tage im Amt. 10 Fragen an Erica Fox Zabusky, Geschäftsführerin des Ensemble Resonanz in Hamburg
Ein Beitrag von Uta Petersen, Korrespondentin, Hamburg
Erica Fox Zabusky studierte Musikwissenschaft an der Harvard University, Gesang
und Oper am Salzburger Mozarteum. 1989 trat sie als Hauptdarstellerin im Musical Hit
„Cats“ in Hamburg auf. Frau Fox Zabusky war Mitbegründerin und Company Manager
des Englisch sprachigen Stray Theatre in der Hansestadt. Nach Stationen bei Teldec
Classics International und Sony Classical in New York gestaltete sie ab 1999 das Programm des Philadelphia Orchestra in Zusammenarbeit mit den Chefdirigenten Wolfgang Sawallisch und Christoph Eschenbach. In Hamburg gehören Konzertakquise und
die erweiterte Positionierung des Ensembles auf dem internationalen Markt sowie Projektentwicklung, Marketing und Fundraising zu den Plänen und Aufgaben der neuen
Geschäftsführerin.
Foto: Paul Sirochman
Das Ensemble Resonanz wurde 1994 von Mitgliedern der Jungen Deutschen Philharmonie gegründet und entwickelte sich zu einem der führenden Streicherensembles. Seit 2002 ist es „Ensemble in Residence“ der Laeiszhalle – Musikhalle Hamburg
und etablierte dort mit großem Erfolg die Konzertreihe „Resonanzen“. Im Oktober
desselben Jahres erhielt das Ensemble Resonanz den renommierten Würth-Preis der
Jeunesses Musicales Deutschland für seine richtungweisende und modellhafte Arbeit
als „Orchester der Zukunft." Mit dem Ensemble Resonazn haben bereits namhafte
Künstler gearbeitet: Dazu zählen die Geiger Thomas Zehetmair, Frank Peter Zimmermann, Renaud Capuçon und Kolja Blacher, der Pianist Fazil Say, die Sängerin Claudia
Barainsky, die Hornistin Marie-Luise Neunecker, der Trompeter Reinhold Friedrich und
Dirigenten wie Pierre Boulez, Ingo Metzmacher, John Adams, Rudolph Barschai und
Lothar Zagrosek.
Seit 2003 wurde das Ensemble durch drei Mitglieder geleitet. Die finanzielle Unterstützung der ZEIT-Stiftung ermöglichte die Schaffung einer Stelle der Geschäftsführung.
Seit dem 1. Januar 2006 wird diese Position von der Amerikanerin Erica Fox Zabusky
ausgefüllt.
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KMN: Frau Fox Zabusky, am 10. April 2006 werden Sie 100 Tage im Amt sein
als Geschäftsführerin des Ensemble Resonanz in Hamburg. Wie kam es dazu,
dass Sie einem so renommierten Orchester wie dem Philadelphia Orchestra
den Rücken kehrten, um in Hamburg dieses noch sehr junge Ensemble zu übernehmen?
Fox Zabusky: Ich war 6 Jahre bei dem Philadelphia Orchestra, wo ich hauptsächlich
für künstlerische Planung, das heißt Konzertprogramme gestalten, Gastdirigenten
bzw. -künstler engagieren, zuständig war. Als ich einige Projekte betreut habe, wurde
mir klar, dass es auch andere Bereiche gibt, die ich gerne mitgestalte, wie z.B. Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und strategische Planung. Bei einem kleineren
und jüngeren Ensemble habe ich die Gelegenheit, das Ensemble zu steuern, mit ihnen
längerfristig zu denken und zu planen, eigene Ideen auszuprobieren, und meine Erfahrungen so zur Geltung zu bringen. Das ist zum einen eine große Herausforderung
und macht zum anderen einen Riesenspaß!
KMN: Auf welchem künstlerischen Level im internationalen Vergleich haben
Sie das Ensemble Resonanz vorgefunden – und ist es schwer, das Ensemble
von Ihren Ideen zu überzeugen?
Fox Zabusky: Das Ensemble steht mit ihrem künstlerischen und technischen Können
ganz oben. Sie stehen in einer Linie mit den besser bekannten Ensembles wie Ensemble Modern, Klangforum Wien, Ensemble Intercontemporain, usw. Das Ensemble
zu überzeugen ist nicht schwer, wenn meine Ideen gut sind. Natürlich gibt es viele
neue Anregungen von mir, und wir diskutieren gern, tauschen Gedanken aus. Manchmal ist es auch andersrum und die Musiker müssen mich von ihren Ideen überzeugen!
KMN: Werden Sie den bereits eingeschlagenen Kurs des Ensemble Resonanz
unterstützen? Kommen durch Ihre Person völlig neue Impulse und Möglichkeiten ins Spiel?
Fox Zabusky: Da das Ensemble auf seinem bisherigen Weg schon erfolgreich war, finde ich es wichtig, weiter in diese Richtung zu gehen und darauf aufzubauen. Jedoch
bringe ich viele neue Ideen und Arbeitsweisen mit, und hoffe, dass meine neuen Impulse das Ensemble bereichern. Ich möchte zum Beispiel gerne einen „Composer in
Residence“ zu uns holen, einen Komponisten, mit dem wir eng über ein oder zwei Jahren zusammenarbeiten können. Das Ensemble ist ja schon bekannt für zahlreiche
Kompositionsaufträge und Uraufführungen. aber es wird etwas neues, wenn man die
Chance hat, längerfristig und bei mehreren Projekten mit einem Komponisten zu arbeiten. Wir haben gerade neue Büroräume bezogen, wir proben diverse Programme,
sind in dieser Saison auf vielen wichtigen Festivals vertreten und ich habe das Gefühl,
dass wir in einer Umbruchzeit sind. Ein neuer Vorstand von Musikern tritt zum 1. April
sein Amt an und wir bekommen zur Zeit viele Projektanfragen. Also es gibt viel zu tun
und viele Anregungen.
KMN: Lassen sich Pläne in der aktuellen Kulturlandschaft überhaupt umsetzen oder bedient man Trends, stopft Lücken und Löcher?
Fox Zabusky: In der Welt der klassischen Musik muss man häufig sehr weit im Voraus
planen, weshalb es schwierig ist, sofort auf den neuesten Trend zu reagieren. Aber darin sehe ich auch einen Vorteil, denn nur was bleibt hat sich als wertvoll bewiesen.
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KMN: Woran liegt es, dass so ein ausgezeichnetes Ensemble immer noch viel
zu wenig bekannt ist?
Fox Zabusky: Das Ensemble wurde 1994 in Frankfurt von Studenten gegründet und
wurde in den ersten paar Jahren projektweise engagiert. Es gab in dieser Zeit kein
professionelles Management und zu wenig finanzielle Mittel, um den Ruf des Ensembles weit zu verbreiten. Außerdem fehlte auch die feste Bindung an eine Stadt. Seitdem
das Ensemble Resonanz vor vier Jahren nach Hamburg gekommen ist, wo wir als „Ensemble in Residence“ der Laeiszhalle – Musikhalle Hamburg mit fünf Konzerten in der
Saison unsere eigene Reihe gestalten können, ist unser Ruf schon gestiegen. Jedoch
müssen wir noch mehr tun. Ich möchte dafür sorgen, dass unser gesamtes Material,
die Website und wichtige Pressemeldungen sowohl in Deutsch als auch in Englisch gestaltet werden. Nur so kann man Leute aus dem Ausland für uns interessieren und
gewinnen.
KMN: Sind die Chancen in diesen mühsamen finanziellen Zeiten bei der Vermarktung neuer Konzepte größer als für herkömmliche Konzertgestaltung?
Fox Zabusky: Wir leben in einer Zeit, in der es eine Riesenauswahl an Freizeitmöglichkeiten gibt. Bestimmt gibt es viele Menschen, die gerne etwas Neues ausprobieren
möchten, aber man darf das Stammpublikum nicht vergessen. Dieses Publikum mag
konservativer sein, aber immerhin sind sie ein sehr wichtiger Teil des Konzertpublikums.
KMN: Ein besonderer Interessenschwerpunkt des Ensemble Resonanz ist die
Gegenüberstellung Alter und Neuer Musik. Sehen Sie dadurch Chancen zur
Gewinnung eines jungen Publikums?
Fox Zabusky: Unser Publikum ist schon gut gemischt. Es gibt sowohl ältere wie auch
jüngere Leute, die gern unsere Mischung von Alt und Neu miterleben. Wir haben auch
vor, in Schulen zu gehen, um mit jungen Leuten zu musizieren und unser Begeisterung von Musik weiterzugeben. Dadurch hoffen wir, unser Zukunftspublikum schon für
uns zu sichern! Unser Schwerpunkt sind Werke aus der letzten Hälfte des 20. Jahrhundert und Anfang des 21. Jahrhunderts. Wir spielen jährlich mehrere Uraufführungen und Deutschland-Premieren und sind auf diversen Festivals für zeitgenössische
Musik vertreten.
KMN: Welche Kriterien legen Sie an zur Vergabe von Auftragswerken?
Fox Zabusky: Der/Die Komponist(in) muss ein gutes Verständnis für das Ensemble
und seine Art des Musizierens haben. Da wir hauptsächlich ohne Dirigenten spielen, ist
es auch wichtig, dass unsere kammermusikalische Spielweise berücksichtigt wird und
das Stück tatsächlich ohne Dirigenten einstudiert werden kann.
KMN: Das Ensemble spielt mit 18 festen Mitgliedern. Richten Sie Ihre Planung an dieser Besetzung aus oder müssen für die meisten Werke dennoch
Aushilfsmusiker engagiert werden?
Fox Zabusky: Die 18 festen Musiker bilden den Kern des Klangkörpers und diese Besetzung möchten wir auch am liebsten einsetzen. Aber nicht alle Werke sind für diese
Besetzung geschrieben und natürlich kann man ein Streichensemble noch mit anderen
Klangfarben bereichern. Daher haben wir einen festen Stamm von Musikern anderer
Instrumentengruppen, die wir regelmäßig dazu engagieren. Grundsätzlich folgen wir
dem Modell „form follows function“ oder „Besetzung folgt Anspruch." Das bedeutet,
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dass Sie das Ensemble als Trio sehen können und als Oktett ebenso wie als Kammerorchester.
KMN: Welche Rolle spielt bei Ihren Plänen das Prestigeprojekt Hamburger
Elbphilharmonie?
Fox Zabusky: Als „Ensemble in Residence“ der Laeiszhalle-Musikhalle Hamburg sind
und bleiben wir mit dem Haus eng verbunden. Aber wir werden nach wie vor an mehreren Spielstätten auftreten und hoffen selbstverständlich, auch in der Elbphilharmonie mit dabei zu sein. Die Elbphilharmonie ist eine wunderbare Chance für das ganze
Musikleben dieser Stadt und bietet Hamburg die Möglichkeit, sich als richtige Musikmetropole zu zeigen.
Dankeschön für das Interview, Frau Fox Zabusky.
© Uta Petersen / Kulturmanagement Network / 2006
Weitere Informationen unter:
http://www.ensembleresonanz.de
http://www.zeit-stiftung.de
http://www.jeunessesmusicales.de
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