5 Sipplingen „Osthafen“. Aufnahme des Nordwestprofils von Schnitt 141 (zur Lage vgl. Abb. 7). Die hier hervorgehobenen Funde wurden rechts des Profils angegeben: 1 randgelochter Topf; 2 punkteindruckverzierte Schüssel. 6 Zwei Schichten der Pfyner Kultur Die Sondage ergab zwei Kulturschichtpakete (Abb. 5, Bef. 2 und 4), die durch eine sterile Seekreideschicht (Abb. 5, Bef. 3) voneinander getrennt werden. Davon ist das untere Kulturschichtpaket rund 90 cm stark. Es besteht aus Wechsellagen von organischen und lehmhaltigen Schichten. Eingebunden sind zwei Brandschichten, von welchen die unte- 26 Ü b e rgr e if e nd e B e i t r ä g e u nd F o rs c h u ngsb e ri c h t e re hauptsächlich aus organischem Material mit viel Holzkohle besteht (Bef. 4.13), während die obere stark mit Lehm angereichert ist, der teilweise gebrannt ist (Bef. 4.7–9). Diese Befundabfolge weist auf eine Besiedlung hin, in deren Rahmen Häuser durch eine Brandkatastrophe geschädigt, wiederaufgebaut und wiederholt durch einen Siedlungsbrand betroffen wurden, wobei die Siedlung nach dem neuerlichen Schadfeuer aufgelassen worden ist. Außerdem ist in die Kulturschicht ein Befund eingebunden, der dominierend aus Seekreide besteht (Bef. 4.11). Wie die fotografische Profilaufnahme erkennen lässt, ist sie nicht homogen oder, wie bei einer natürlichen Seeablagerung zu erwarten wäre, durch unterschiedlich hohe Sandanteile geschichtet („laminiert“), sondern lässt Brocken erkennen. Nach dem am Projekt beteiligten Bodenkundler R. Vogt ist sie mit Ton versetzt und zudem mit organischen Materialien angereichert. Um eine natürliche Seeablagerung handelt es sich demnach nicht. Vielmehr dürfte die Seekreide als Baumaterial für einen Fußbodenbelag verwendet worden sein, wie sie in der weitflächig untersuchten Pfahlbausiedlung von Hornstaad-Hörnle IA mehrfach belegt sind. Zwischen der Seekreideschicht und der oberen Lehmbrandschicht liegt eine dünne Lage aus organischem, mit Holzkohle angereichertem Material (Bef. 4.10). Sehr wahrscheinlich bestand zwischen der Ablagerung dieser Befunde ein Zusammenhang, indem bei einem Hausbrand zuerst der Fußboden abstürzte. Dann dürfte es durch den Brand der organischen Hausbestandteile zur Ablagerung der Holzkohleschicht gekommen sein, während die mit Lehm abgedichteten Holzwände mit einer zeitlichen Verzögerung verstürzt sind. In den früheren Ausgrabungen, die weitgehend auf die Untersuchung der oberen Schicht begrenzt waren und bei denen nur auf kleinen Flächen bis auf das untere Schichtpaket abgegraben wurde, ist die Seekreideschicht Bef. 4.11 fälschlicherweise als eine natürliche Seeablagerung bewertet worden. Durch die neuerliche Dokumentation des Befundes wird diese Deutung widerlegt. Ihr zufolge handelt es sich um die Ablagerungen von nur einer älteren Siedlung. Die obere Kulturschicht ist knapp 40 cm stark. Sie besteht an ihrer Basis aus organischem Material (Bef. 2.9). Es folgen ein stärker mit Lehm angereicherter Befund mit Hüttenlehm- und Holzkohleeinschlüssen (Bef. 2.8) und darüber ein stark organisch angereicherter Befund (Bef. 2.7), während den oberen Abschluss eine Lehmablagerung bildet (Bef. 2.6). Eine Deutung der Befundabfolge ist bei Einbeziehung der für den Bereich belegten Häuser möglich (siehe unten). Eine durch Punkteindrücke verzierte Schüssel und am Rand gelochte Töpfe Leider erwies sich das untere Kulturschichtpaket trotz seiner immensen Stärke als sehr fundarm. Auf einer gegrabenen Fläche von 3 m2 ergab es Keramik im Gewicht von 2,5 kg. Wie auch das Profil mit seinen mächtigen Lehmbefunden anzeigt, gerieten wir offensichtlich in ein Areal, in dem mit Seekreide und Lehmen hauptsächlich Baumaterial und kaum Funde anfielen – die Identifizierung eines Gebäudes gelang leider nicht. Der keramische Formenbestand umfasst neben den Fragmenten von Töpfen und eines Henkelgefäßes mehrere Schüsseln. Eine von diesen, weitgehend erhalten, ist mit zwei horizontalen Bändern aus legosteinartig versetzten Punktfeldern versehen (Abb. 6, rechts), sie ist am Bodensee durch diese Zierweise einmalig. Die obere Kulturschicht erbrachte Keramik im Gewicht von 7,8 kg. Auch hier fand sich ein reicher Formenbestand mit Töpfen, Krügen, Flaschen und Schüsseln. Hiervon sind die Töpfe in einem hohen Ausmaß schlick- oder spatelgeraut und an ihrem Rand gelocht (wie Abb. 6, links), wobei die Löcher teilweise nicht durchgehend sind, da A bs c hli e S S e nd e G e l ä nd e u n t e rs u c h u ng e n z u m D F G - F o rs c h u ngspr o j e k t „ S ippling e r D r e i e c k “ 27 dabei aber nicht gefunden, zudem kommt ein Formbeleg von der Oberfläche. Randgelochte Töpfe waren demnach tatsächlich nur in einigen wenigen Haushaltungen üblich. Pfahlbauhäuser mit doppelten Pfählen 6 Sipplingen „Osthafen“. Randgelochter, schlickgerauter Topf von der Basis der oberen Kulturschicht (links; ca. 3710 v. Chr.) und punkteindruckverzierte Schüssel von der Oberkante der unteren Schicht (rechts; ca. 3765 v. Chr.). 28 beim Lochen an der Außenfläche teilweise Buckel aufgewölbt wurden. Vergleichbare Gefäße sind in der oberen Schicht bereits in den 1980/90er Jahren ausgegraben worden, wo sie großenteils zwischen zwei Häusern lagen. Durch unsere Dokumentation und die Untersuchung der beprobten Pfähle können die Grundrisse der beiden Gebäude ergänzt werden (Abb. 7). Wie eine Kartierung der randgelochten Töpfe zeigt, ist ihr Fundaufkommen unmittelbar an Haus 1 am größten, zudem stammen zwei Gefäße aus seinem Innenbereich (Abb. 7, Fundnr. 18 und 1015) und eines aus dem Areal östlich des Gebäudes (Abb. 7, Fundnr. 17). Sehr wahrscheinlich gehörten die Gefäße demnach zum Inventar von Haus 1. Bereits bei der Vorlage der Funde aus den 1980/90er Jahren urteilte M. Kolb, dass die Begrenzung der randgelochten Töpfe auf einige wenige Haushaltungen einen spezifischen „Hausstil“ anzeigen würde. Das damalige Urteil kann inzwischen eindrucksvoll bestätigt werden. Zwar wurde die Schicht seitdem auf rund 24 m2 an fünf weiteren Stellen ihrer Flächenausdehnung ausgegraben. Weitere randgelochte Töpfe wurden Ü b e rgr e if e nd e B e i t r ä g e u nd F o rs c h u ngsb e ri c h t e Die beiden ergänzten Hausgrundrisse (Abb. 7) erlauben eine nähere Deutung der oberen Kulturschicht. Nach A. Billamboz, dem am Projekt beteiligten Dendroarchäologen, stammen die ältesten Pfähle aus dem Jahr 3711 v. Chr., während liegendes Holz mit Brandspuren aus der Schicht auf 3710 v. Chr. datiert. Bereits in den Jahren 3709/08 und somit zwei bis drei Jahre nach ihrer Errichtung sind an beiden Häusern Pfähle ersetzt worden. Demnach wurden die Gebäude kurz nach ihrer Erbauung durch den erschlossenen Siedlungsbrand betroffen und mussten danach instand gesetzt werden. Darüber hinaus ist am Standort von Haus 2 noch ein Grundriss mit einer Datierung auf 3689 v. Chr. darzustellen (Abb. 7, rot). 22 Jahre nach der Erbauung von Haus 2 wurde an seiner Stelle also ein Neubau erstellt, doch scheinen zu dieser jüngsten Bauphase im abgebildeten Profil Siedlungsablagerungen zu fehlen. Da die Kulturschicht an die Oberfläche tritt, dürften sie bereits erodiert sein. Außerdem ergeben die Grundrisse Hinweise auf die Bauweise der Gebäude. Die Größe des zweischiffigen Grundrisses von Haus 2 beträgt 3,5 m × 9 m. Nach einigen doppelten Pfahlsetzungen bei einer Datierung in dasselbe Jahr dürfte es sich um „Doppelpfahlkonstruktionen“ handeln. Typisch dafür sind Doppelpfähle, von welchen jeweils einer das Dach und ein zweiter den abgehobenen Fußboden trug. Zwar scheint dem zu widersprechen, dass für die meisten Stellen nur einzelne Pfähle belegt sind. Doch wissen wir, dass die Dachträger oftmals aus Eichenholz und die Fußbodenträger aus anderem Holz bestanden. Da Eichenholz datiert wurde und die Darstellung der Hausgrundrisse auf den datierten Pfählen basiert, kommen die Pfähle der anderen Holzarten in den Grundrissen nicht zum Ausdruck – wie eine Gesamtkartierung zeigt, ist die Pfahldichte entlang der Längswände enorm. In der Flä- che waren die Häuser zu dicht aneinander liegenden, uferparallel ausgerichteten Reihen angeordnet. Nach einer Ausdehnung der Schicht auf einer Fläche von 290 m × 55 m muss die Größe der Siedlung beträchtlich gewesen sein – Billamboz rekonstruiert eine Großsiedlung von mehr als 100 Häusern. 7 Sipplingen „Osthafen“, Schnitte 40, 140 und 141 mit zwei Hausgrundrissen der Siedlung um 3700 v. Chr. und einer Kartierung der rand­gelochten Töpfe. Hausgrundrisse nach A. Billamboz. A bs c hli e S S e nd e G e l ä nd e u n t e rs u c h u ng e n z u m D F G - F o rs c h u ngspr o j e k t „ S ippling e r D r e i e c k “ 29