Die Deutsche im Dorf - DAS Theater an der Effingerstrasse

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Die Deutsche im Dorf
von Lukas Hartmann
an der Effingerstrasse
«Wahrheit? Die Wahrheit? Welche denn?
Schiess doch. Schiess doch, wenn Du Mut hast.»
Emma Görres
Die Uraufführung
Die Deutsche im Dorf
von Lukas Hartmann
Bühnenfassung von Tanja Geier Thomson
Emma Görres
Simon
Otto
Christian
Werner
Schwanbeck
Vater von Simon
Witwe Stucki
Gilles Tschudi
Oliver Daume
Simon Käser
Philipp Buder
Aaron Frederik Defant
Wolfram Grüsser
Helge Herwerth
Christiane Wagner
Regie
Markus Keller
Regieassistenz
Hospitanz
Bühnenbild
Kostüme
Technik
Licht
Ingrid Adler
Sarah Laupper
Peter Aeschbacher
Sarah Bachmann
Claudia Pfitzenmaier
Stefan Meier
Bühnenbau
Bühnenbildassistenz
Programmheft
Fotos
Röné Hoffmann
Verena Dietze
Christiane Wagner
Severin Nowacki
Uraufführung
31. Oktober 2015
Aufführungsrechte
Hanser, Nagel & Kimche,
Sanssouci, Hanser Berlin
Eine Pause
Unter dem Patronat des Fördervereins
DAS Theater an der Effingerstrasse
«Musik gegen das Auseinanderfallen: das ist wohl
schon immer so gewesen.»
Lukas Hartmann, «Die Deutsche im Dorf»
Der Autor
Lukas Hartmann wird 1944 in Bern geboren. In der kleinbürgerlichen Enge seines Elternhauses gibt ihm die Kunst
notwendige Weite.
«Am Anfang ist mir Malen und Zeichnen wichtig gewesen»,
erinnert er sich und ergänzt poetisch «dadurch wollte ich mir
die Welt aneignen.» Seine Studien sind intensiv. Die holländischen Meister begeistern ihn. Mit dem Velo fährt der 13-jährige in die Landesbibliothek, denn dort stehen bebilderte
Kunstbände, die ihm als Vorlage dienen. Da ihm seine Eltern
keinen Zeichenunterricht zahlen können, ist er von Anfang an
Autodidakt. Er beginnt in Öl zu malen, bringt sich erfolgreich
Mischtechniken bei und kopiert bald Bilder von Rembrandt.
Die Literatur erfüllt ihn. «Weite Räume» hätten sich dadurch
für ihn aufgetan. In seiner Kindheit taucht er in die Romanwelt von Charles Dickens ein, liest vieles von Alexandre Dumas bis Edgar Allan Poe, den er als Jugendlicher sehr schätzt.
Als 12-jähriger schreibt er erste eigene Texte. Durch seine
Geschichten habe er sich selbst «etwas Wärme verschafft».
Jetzt lebt er schreibend in der Ausweitung seiner Räume. Hier
kann er sich als Held bewähren, Abenteuer erleben – alles
was einen Jugendlichen interessiert.
Seine musikalische Leidenschaft gilt dem Geigenspiel und
der klassischen Musik, was bei seinem Vater, der Blas- und
Militärmusik vorzieht, auf keine Gegenliebe stösst.
Die Schule fällt ihm leicht, ein Umstand, der ihn als «Streber»
zum Aussenseiter macht.
Nach seinem Abschluss besucht er das Lehrerseminar. Seinen
Zeichenlehrer beschreibt er als unfähig, doch den Deutschlehrer bewundert er. Dann passiert das, was Lukas Hartmann
als «biografische Zufälligkeit» bezeichnet. Der Lehrer ist für
ihn eine Art Vaterfigur, er möchte ihm gefallen und vertieft
sich intensiv ins Schreiben, das von nun in seinem Leben
zentral wird.
Als junger Lehrer auf dem Land schreibt er erste Manuskripte
in seiner Freizeit, verschickt sie an Verlage, doch sie werden
abgelehnt. Er beginnt ein weiteres Studium, arbeitet als Jugendberater. Mit Ende zwanzig kommt die Krise. Zwei Jahre
schreibt er nichts. Soll er seine Träume begraben? Doch «der
übermächtige Wunsch etwas zu erschaffen und zu gestalten» ist grösser. Es sind nun Geschichten, die er aus seiner
Erfahrungswelt als Jugendberater erzählt. Nach insgesamt
10 Jahren Suche wird sein erstes Buch 1975 beim Zytglogge
Verlag veröffentlicht. Drei Jahre später gelingt ihm der
Durchbruch mit «Pestalozzis Berg». Jetzt kann er das aussprechen, was er sich bis dahin nicht zugestanden hat: «Ich
bin Schriftsteller.»
Inzwischen arbeitet er als Radioredakteur, lernt viel über journalistische Arbeit und Dramaturgie. Während fünf Jahren
nimmt er sich jährlich zwei Monate Urlaub, um zu schreiben.
1983 bekommt Hartmann ein Stipendium am Istituto Svizzero in Rom. Die Stadt ist von Kulturgeschichte durchdrungen und begeistert den an Historie interessierten Autor. Das
Jahr wird zum biografischen Knotenpunkt. In Rom lernt er
seine heutige Frau Simonetta Sommaruga kennen. Hier
fasst er den Entschluss vom Schreiben zu leben. Ein grosser
Schritt für den Vater dreier Kinder. Der Weg geht weiter.
Rückblickend sagt er, dass es ihn am meisten erstaune, dass
er nie aufgegeben hat.
Lukas Hartmann schreibt Kinderbücher und Romane, darunter zahlreiche historische. «Die Deutsche im Dorf» ist das
zweitletzte Buch, das er bei Nagel & Kimche 2005 veröffentlicht. Der Wechsel zum Diogenes Verlag eröffnet ihm eine
grosse Leserschaft. Er ist angekommen, der Schriftsteller reist
weiter. Immer weiter durch die Welt der Geschichten.
«Vom 28. April stammte das letzte Lebenszeichen,
da setzte er noch Meldungen an seine engsten
Vertrauten ab.»
Die Gerüchte
Freitag, 27. Juli 1945.
Jacksons Team betritt den Tatort der Verschwörung: Hitlers
Reichskanzlei, nicht weit vom ramponierten Brandenburger
Tor: «Das war ein grossartiges Gebäude, und die grosse Halle
schien weder besonders hoch noch besonders weiträumig,
aber sie strahlte – sogar halb zerstört, eine Wucht aus, vor der
man sich ganz unbedeutend fühlte.»
So hat es auch sein sollen: Die Reichskanzlei ist das Werk des
Architekten Albert Speer, der nun auch als Kandidat für Jacksons Tribunal in Nürnberg in alliierter Haft sitzt.
Der Haupttäter und Hausherr aber hat sich entzogen.
«Wahrscheinlich ist Hitler in der Reichskanzlei gestorben, zusammen mit Eva Braun», notiert der Ankläger.
Wahrscheinlich. So richtig glauben mochte Jackson das immer
noch nicht. Adolf Hitler, alias «Schicklgruber», stand noch immer auf den Fahndungslisten. Es gab keine Sicherheit, dass
der Mann sich, wie berichtet wurde, wirklich am Nachmittag
des 30. April hier im Keller erschossen hatte. Zwar hatten am
4. Mai Rotarmisten im Garten die zwei verkohlten Leichen gefunden, doch deren Identität liess sich nicht sicher beweisen.
Gebissuntersuchungen der Sowjets hatten bestätigt, dass der
männliche Tote Hitler war. Das wissen wir heute. Doch als
Jackson sein Tagebuch schrieb, kannte er die Untersuchungsergebnisse nicht – weil Stalin sie geheim hielt. Zwar hatte am
6. Juni die Rote Armee auf einer Pressekonferenz berichtet,
man habe Hitlers Leiche identifiziert und als Todesursache das
Zerbeissen einer Giftkapsel festgestellt. Doch zugleich streute
Moskau, dass Hitler wahrscheinlich noch immer auf der Flucht
sei, sogar unter Schutz des Westens stehe. Bald darauf verbreitete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS einen Bericht aus Kairo, wonach Hitler als Frau verkleidet, in Dublin
gelandet sei und sich nun in Irland versteckt halte.
»
Was hatte ich der
Siegfried-Garde
entgegenzusetzen?
» Fortsetzung
Vom 28. April stammte das letzte Lebenszeichen, da setzte er
noch Meldungen an seine engsten Vertrauten ab. «Zwischen
diesem Tag und dem 1. Mai fand Hitler den Tod, entweder, indem er Gift einnahm, sich erschoss oder seinen Unterstand in
die Luft zu sprengen befahl. Ein Gefangener, ein Wachmann
vom Sicherheitsdienst der Reichskanzlei, sagte, er habe Eva
Braun am 1. Mai in der Reichkanzlei jammern hören, sie
würde lieber dort sterben, anstatt zu flüchten. Später am
Abend, als er die Tür des Notausganges öffnete, sah er die
Leichen von Hitler und Eva Braun brennend am Boden liegen.
Reicht das? Es reicht immer noch nicht. Die Gerüchte hielten
sich weiter, gespeist von alliierten Geheimdiensten, falschen
Agenten und echten Spinnern. Im September sollte es eine
regelrechte Hitlerhysterie geben. Ein Rundfunkbericht aus
Rom meldete, Hitler sei in Hamburg gesehen worden, wo er
unter falschen Namen lebe. Unter dem Namen Schicklgruber?
Tagelang durchkämmten britische Geheimdienstler die Stadt.
Suchschiffe fuhren los, um den Diktator und seine Angetraute
zu fangen, die angeblich in einer Luxusjacht über die Nordsee auf dem Weg in die Weltmeere waren. Tausende Briefe
wurden von Geheimdienstlern heimlich geöffnet und gelesen
– vielleicht fand sich ja irgendwo ein Hinweis? Noch im Januar
1946, als der Prozess schon seit Wochen lief, meldeten die
heimlichen Mitleser Treffer: Ein Briefeschreiber hatte die Überzeugung formuliert, Hitler werde als Sozialdemokrat zurückkehren».
Thomas Darnstädt in Nürnberg,
Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945
Antwerpen: Hier pulsiert das Leben! Schiffe aller Nationen liefen diesen Hafen an. Hier gab es alles, was sich ein Seemann
wie ich wünschen konnte. Bei schönem Wetter sass ich vor
dem «Café Golding».
Es war angenehm, einfach nur dazusitzen, ohne Angst zu haben, von der Gestapo belauscht zu werden.
Ein Herr mittleren Alters fragte, ob er bei mir Platz nehmen
könne. Er war ein gutaussehender, eleganter Mann. Wir schauten uns in die Augen. Schliesslich meinte er, ob ich gewillt sei,
ein schönes Stück Geld zu verdienen? Zunächst machte ich
dem Herrn klar, dass ich ein Transsexueller und zu 70 Prozent
Frau war. «Macht gar nichts», lachte er mich an, «kommst du
mit?» Was konnte mir schon passieren. Mit dem Typen würde
ich allemal fertig, dachte ich mir. In seiner Bude angekommen,
zeigte er mir zu meiner Überraschung zuerst die Garderobe:
Von Damenunterwäsche über Kleider und Röcke bis zum
Pelzmantel war alles vorhanden. Selbst eine mir gut sitzende
Perücke war dabei, alles vom Feinsten. «Bedien dich», meinte
er, «es ist alles wie für dich geschaffen.»
Mein Herz klopfte fürchterlich. Endlich ganz ungehindert ausleben können, was ich wirklich bin – eine Frau in einem Männerkörper!
Ich begann mich zu verkaufen, um wenigstens ab und zu mal
in Frauenkleidern mein gefühlsmässig weibliches Leben führen zu können. Dies dürfte für normale Menschen nicht zu
verstehen sein. Mannhaftigkeit, gutes Aussehen, gradlinig,
treu und zuverlässig, anständig und ehrlich, das waren die
Vokabeln für richtige Männer. Hatten sie nicht das Recht und
die Pflicht, Menschen wie mich auszumerzen? Was hatte ich
der Siegfried-Garde entgegenzusetzen? Meinen Rock?
Bruno Stephan, German Girl Bruno
Transvestitismus
Der Begriff «Transvestit» ist eine Wortschöpfung von Magnus
Hirschfeld. Er definiert «Transvestitismus»:
«Es ist dies der Drang, in der äusseren Gewandung des Geschlechtes aufzutreten, der eine Person nach ihren sichtbaren
Geschlechtsorganen n i ch t zugehört. Wir haben diesen Trieb
als transvestitischen bezeichnet, von trans entgegengesetzt
und vestitus gekleidet, wobei wir gern zugeben wollen, dass
mit diesem Namen nur das Augenfälligste der Erscheinung
getroffen wird, weniger der innere rein psychologische Kern.»
(Hirschfeld 1918)
Hirschfeld stellt fest, dass die Kleidung für das körperliche und
seelische Wohlbefinden von Transvestiten von lebenswichtiger Bedeutung ist.
Transvestiten, denen stark daran liegt, ihren Vornamen der
angestrebten Geschlechtszugehörigkeit anzupassen, bezeichnet Hirschfeld als «Namenstransvestiten».
Er setzt sich erfolgreich für die Realisierung dieses Wunsches
ein. Anfang der 20er Jahre dürfen männliche und weibliche
Transvestiten mit behördlicher Genehmigung ihre Vornamen
in geschlechtsneutrale umändern, z.B. in Alex, Toni oder Gert.
Auch tragen Institutsmitglieder dazu bei, dass «Transvestitenscheine» eingeführt und polizeilich anerkannt werden. In diesen Bescheinigungen wird festgehalten, dass die betreffende
Frau als «Männerkleidung tragend», bzw. der betreffende
Mann als «Frauenkleidung tragend» bekannt ist.
Ende der 20er Jahre berichtet sein Institutskollege Felix Abraham über die ersten operativen Genitalumwandlungen, die
unter der Mitwirkung von Ludwig Levy-Lenz durchgeführt
werden.
In der Regel gibt es eine Schrittfolge auf dem Weg zum anderen Geschlecht: Namensänderung, Transvestitenschein, Operation.
«Hitler! Ich frage mich, woran man bei einem
Menschen das Böse erkennt.»
Simon
Porträts
Markus Keller
«Sprich ganz normal, mit deiner Stimme». Vor
drei Tagen hat Markus Keller mit den Proben zu
«Die Deutsche im Dorf» begonnen. Heute steht
zum ersten Mal Gilles Tschudi in der Rolle der
Emma Görres auf der Bühne. Der Schauspieler
trägt Frauenkleider, eine blonde Perücke und ein
erstes Paar Pumps, die ihm sogar etwas zu gross sind. Markus
Keller will einen echten Ton, nichts Falsches oder Aufgesetztes
von Tschudi hören.
2005 ist «Die Deutsche im Dorf» veröffentlicht worden. «Die
Geschichte hat mich sofort begeistert, als ich sie gelesen habe»,
erzählt Markus Keller nach der Probe. Er lobt, dass Hartmann
«scharf beobachtet» hat. Genauso «scharf» schaut Keller heute
auf seine Inszenierung und hört den Schauspielern sehr genau zu.
Drei Romane des Berner Autors Lukas Hartmann hat Markus
Keller schon im Theater an der Effingerstrasse mit grossem Erfolg auf die Bühne gebracht.
Gilles Tschudi
Es gibt verschiedene Legenden, die Auskunft über
Gilles Tschudis Berufswunsch geben wollen. «Ich
bin am Faschingsdienstag geboren», beginnt Gilles Tschudi die erste Legende zu erzählen. Alle Verwandten wären in Larven ins Geburstzimmer
gekommen. Dieser erste Anblick soll Gilles Sichtweise auf Menschen geprägt haben. Masken wurden zum Gesicht. Bei einem unmaskierten Gesicht fragt er sich später, welche Maske er wohl trägt.
Die zweite Legende lebt im Theater. Damals war der gebürtige
Basler zwölf Jahre alt. Seine Mutter nahm ihn mit ins Theater.
«Das war ‹Der eingebildete Kranke›», erinnert sich Gilles. Fasziniert wäre er vom Hauptdarsteller gewesen, der das Bett kaum
verliess. Gilles war auch vom Puppenspiel beindruckt, denn einige
der Figuren wurden mit Puppen dargestellt. Als die Vorstellung
vorüber war, soll er zu seiner Mutter gesagt haben, dass er Schauspieler werden will.
Soweit die Welt der Legenden. Vielleicht ist beides ein Stück
der Wahrheit, die Gilles nach Abbruch der Schule verwirklichte:
Den Wunsch, Schauspieler zu werden. Zunächst drei abenteuerliche Monate an einer Privatschule in Basel, dann der Sprung
nach Zürich. Dort besuchte er die Schauspielakademie.
Bei seinem abschliessenden Vorsprechen war auch ein Redakteur vom ZDF anwesend: Nachdem Gilles den Mann mit «Mainz
bleibt Mainz wie es singt und lacht, Heil Hitler!» begrüsst hatte,
konnte er sich ganz seiner Theaterkarriere widmen.
Philipp Buder
Eine Anzeige brachte Philipp zum ersten Mal mit
der Welt des Theaters in Verbindung: «Damals
hat das Staatstheater Cottbus junge Schüler gesucht.» Kurz darauf war Philipp besetzt, spielte
einen Schüler und stand mit Profis auf der Bühne.
In diesem Moment spürte er, dass er seinen Beruf gefunden hatte. Deshalb machte er als Zwanzigjähriger ein
Praktikum am Staatstheater, durchlief innerhalb eines Jahres
sämtliche Abteilungen, vom Souffleur bis zur Bühnentechnik.
Ihm gefiel die besondere Atmosphäre während einer Vorstellung,
die hinter der Bühne herrscht. Technische Abläufe, schnelle Umzüge der Schauspieler, das Zusammenwirken vieler Kräfte, damit
die Vorstellung gelingt. Er beobachtete die Schauspieler beim
Proben und Spielen – vieles konnte er dabei lernen.
Philipp begann sich an Schauspielschulen zu bewerben. In Potsdam hatte er Erfolg. Nach vier Jahren Studium machte er im
letzten Jahr seinen Abschluss.
An «Christian», den er in «Die Deutsche im Dorf» spielt, reizt
Philipp die starke Entwicklung der Figur. «Er übernimmt bald
die Führerrolle», erklärt er. Die Besessenheit, die Christian entwickelt, erinnere ihn an Hitler. Am Theater an der Effingerstrasse ist Philipp Buder zum ersten Mal zu sehen. Es ist sein
viertes Engagement an einem Theater.
»
» Fortsetzung
Aaron Frederik Defant
Im Stück spielt er den Aussenseiter Werner, eine
Figur, die Aaron Defant nicht mit seinem Leben
in Verbindung bringen würde. «Eher ruhig» und
«für mich» wäre er in seiner Kindheit gewesen,
aber selbstgewählt. «Ausgeschlossen» hat er sich
nie gefühlt.
Die Lust am Theaterspielen entstand aus einer Notlösung. In der
Schule unterrichtete ein Lehrer, den er nicht mochte, ein Fach,
mit dem er nichts anfangen konnte. Als einzige Möglichkeit bot
sich der Kurs Pantomime und Theater an. Den Berufswunsch ins
Rollen brachte allerdings eine Filmbesetzung. In seiner Heimatstadt Stuttgart wurden junge Darsteller für einen Film gesucht.
Aarons Mutter versuchte, ihren Sohn zu diesem Casting zu bewegen. Denn der damals 16-jährige Aaron wollte eigentlich lieber mit dem Mofa und seinem Kumpel die Nachmittage verbringen. Irgendwann fuhren sie dann doch um die Ecke und als dann
noch zufällig eine Mitarbeiterin des Besetzungsbüros vor der Tür
stand und sie fragte, ob sie noch zum Casting kommen wollen,
konnte Aaron nach mehreren Runden besetzt werden. Die Fernsehserie «Fabrixx» folgte, dann schloss er mit 18 Jahren die Schule
ab. Vor der Schauspielschule arbeitete er 6 Monate im Schichtdienst bei Daimler. «Einfach, um Geld zu verdienen und etwas zu
machen.» Einfach nur herumsitzen ist nicht Aarons Sache.
Simon Käser
Wenn man mit Simon Käser über seinen Beruf
spricht, spürt man schnell, dass eines für ihn im
Vordergrund steht: «SPIELEN». Es gibt weder eine
bestimmte Form des Theaters, die er bevorzugt,
noch gibt es irgendeine Schublade, in der er Inszenierungsstile sortiert hätte. «Manche Leute denken, sie wissen, wie Theater zu sein hat», erklärt Simon, «Theater kann so vieles sein.» Als Schauspieler ist es für ihn wichtig,
offen zu sein und nicht zu wissen, wie es funktioniert. «Das beste
»
«Ich sage Euch nur eins: Die unglaublichsten Dinge
haben sich schon als wahr herausgestellt. Und dann
werden wir berühmt. Weltberühmt.»
Christian
» Fortsetzung
Rezept ist es, kein Rezept zu haben.» Für den gebürtigen Freiburger steht «Spielen» an erster Stelle. Sein Wunsch, Schauspieler zu werden, ist wie ein Baum gewachsen. Er spielte in einer
Schultheatergruppe, die sich immer dienstags traf. Dieser Abend
wurde zu seiner Insel.
Als er mit 18 Jahren ein Austauschjahr in Südafrika verbrachte,
spürte er, dass er das Spielen richtig vermisste. Er belegte Theaterkurse. Die Leiterin drückte ihm ein Empfehlungsschreiben in
die Hand, lobte ihn in den höchsten Tönen. «Es ist das, was ich
machen muss», wusste Simon und besuchte die Schauspielschule in Bern. Direkt im Anschluss spielte er für zwei Jahre am
Schauspielhaus in Graz.
Otto gehört zu der Sorte Figuren, die Simons Spiellust wecken:
«geradeheraus, unreflektiert, und dominant.» Für die Rolle hat
er sogar seinen Bart geopfert.
Oliver Daume
Dass Oliver Schauspieler wurde, zeichnete sich
weder in seiner Kindheit noch in seiner Jugend
ab. In seiner Familie spielten Theater und Literatur keine Rolle. Seine Leidenschaft lebte er auf
dem Spielfeld aus. «Ich war eher der FussballTyp», erzählt Oliver Daume entspannt. Vierzehn
Jahre spielte der gebürtige Appenzeller in einem Club, stand
schon als Siebenjähriger auf dem Rasen und hängte dann doch
die Fussballschuhe an den Nagel. Inzwischen hatte er eine
kaufmännische Lehre und erste journalistische Erfahrungen bei
einer Appenzeller Zeitung gesammelt. «Ganz solide» lächelt
Oliver, bis er an einem Nachmittag ins Kino ging. «Ich sass
ganz alleine im grössten Kino in St.Gallen», erinnert er sich an
diesen klaren Wintertag. Dann begann der Film. Fightclub. Als
er nach der Vorstellung wieder auf der Strasse stand, schneite es.
Es hatte sich etwas verändert. «Ich spürte, dass da etwas war,
das aus mir raus musste». Das war 1999. Vier Jahre später besuchte er eine Schauspielschule in Zürich, die sich auf Filmarbeit
spezialisierte und lies sich ausbilden. Neben seiner Arbeit als
Schauspieler schreibt er für ein Online-Magazin und hört fleissig Radio. «Ich arbeite als freier Radioanalyst im Auftrag für das
Bundesamt für Kommunikation.» Ob die Sender ihren Auftrag
einhalten, ist die Hauptaufgabe seiner Analyse.
Und seine Rolle im Stück? «Mich reizt an meiner Rolle, dass
Simon nicht nur auf der Suche nach Informationen über Görres,
sondern auch auf der Suche nach seiner Sexualität ist.» Die
Deutsche im Dorf» ist Olivers dritte Produktion am Theater an
der Effingerstrasse.
Christiane Wagner
Warum ich Schauspielerin werden wollte? Als ich
elf Jahre alt war, stand ich im Studio Werkhaus
des Nationaltheaters in Mannheim auf der Bühne.
Ein Märchen für Kinder. Ich war der König. Überhaupt spielte ich immer die Männer, da die
Genetik meines Vaters mein Wachstum kräftig
vorantrieb. Als die Vorstellung begann, war ich gebannt von
der Atmosphäre. Ich erinnere mich an den Geruch der Luft und
daran, wie unzählige Staubteilchen im Scheinwerferlicht tanzten. Ich erinnere mich, dass ich glücklich war. «Hier kann ich
sein», dachte ich. Das Stück begann. Ich sprach den ersten Satz:
«Ich will Dir alles geben, was Dein Herz nur wünschen kann.»
Wolfram Grüsser
Die Entscheidung fiel an seinem Schreibtisch. «Bin
ich dafür da, anderen Betrieben ihre Gewinne
auszurechnen?» fragte sich Wolfram Grüsser in
den 60-er Jahren. Damals hatte er eine gute
Stelle als Steuergehilfe in Stuttgart. Den Traum,
Schauspieler zu werden, hatte er nach der Absage
einer Schauspielschule auf Eis gelegt. Bis zu dem Tag, als sein
Blick auf den mächtigen Stapel Akten fiel. Er spürte, dass er einen
«Abenteuertag» brauchte.
Gut gelaunt und ohne eigenen Erwartungsdruck fuhr er nach
Bochum, um an der Schauspielschule vorzusprechen. Die Absage
»
» Fortsetzung
gab er sich vorab schon selbst, aber er wollte spielen. Und dann
passierte es: Wolfram wurde aufgenommen. Dem unerwarteten Triumph folgte die Niederlage. «Wochen später sollten
wir improvisieren.» Wolfram erklärt, dass seine Kehle «wie zugeschnürt» war. Er war komplett blockiert. Erst ein StrasbergKurs, den er Jahre später in München besuchte und die Arbeit
mit Andrea Breth am Neumarkt Theater in Zürich, gaben ihm
Selbstvertrauen und lösten seine Ängste auf. «Andrea liess uns
stundenlang improvisieren». Dann das entscheidende Feedback
der Regisseurin: «Am ehrlichsten wart ihr, als euch nichts eingefallen ist.»
Helge Herwerth musste sich in die Rolle des Vaters von Simon erst einfühlen. «Ich wäre eher ein
heiterer Vater», erklärt er. Die Beziehung zu seinen jungen Eltern hat ihn geprägt. Helges Mutter ist nur 18 Jahre älter als er. «Wir sind zusammen mit den Aufgaben gewachsen», erinnert er
sich und gerät ins Schwärmen, wenn er von seiner Kindheit auf dem Land bei Hamburg erzählt.
In seiner Rolle als Vater in «Die Deutsche im Dorf», sieht er auch
Herausforderungen. Er erklärt, dass gerade kleinere Rollen die
schwierigen sind. «Du musst immer auf dem Punkt sein, wenn
Du auftrittst». So gesehen gibt es keine kleinen Rollen.
Seinen Berufswunsch musste Helge Herwerth nicht finden.
Früh stand für ihn fest, dass er eine Schauspielausbildung machen wird. Noch während seiner Ausbildung bei Hiltrud Frese,
begann er sich an Theatern zu bewerben. Auch das Schauspielhaus Zürich war darunter. Als die schriftliche Absage kam,
wunderte er sich. Er hatte gehört, dass sie jemanden suchen.
Helge griff zum Hörer – seine Nachfrage wurde belohnt, denn
er wurde zum Vorsprechen nach Zürich eingeladen. Helge wurde
sofort engagiert. Und er blieb in der Schweiz, auch wenn er
dies nicht geplant hatte.
Effinger
Tresen-Talks
Sonntag, 8. November 2015: Die Deutsche im Dorf
Lukas Hartmann, Tanja Geier Thomson und Gilles Tschudi diskutieren über die Bühnenfassung des Romans und die Inszenierung. Das Ensemble liest drei Passagen aus dem Roman «Die
Deutsche im Dorf», von Lukas Hartmann. Nach dem TresenTalk, der diesmal im Zuschauerraum stattfindet, können Sie
Bücher von Lukas Hartmann erwerben.
Sonntag, 13. Dezember 2015: Die Wunderübung
Diesmal steht das Thema «Wunderübung Beziehung» im
Mittelpunkt unseres Tresen-Talks. Zu Gast sind Regisseurin
Ingrid Adler und der Psychotherapeut Raphael Romano. Der
Notfallpsychologe und erfahrene Paartherapeut wird mit uns in
Beziehungswelten eintauchen. Unser Ensemble wird ausgesuchte Texte lesen, die sich thematisch mit «Paar oder nicht
Paar» beschäftigen.
Sonntag, 24. Januar 2016: Verschwunden
Einen Monat nach Weihnachten findet unser erster Tresen-Talk
in 2016 statt. Diesmal steht die Produktion «Verschwunden» im
Mittelpunkt. Wir starten mit der Blue Cocktail Bar des Blauen
Kreuzes ins Jahr. Lassen Sie sich von Rezepten inspirieren, die
ganz ohne Alkohol verführen. Unsere Überraschungstexte liest
Ihnen unser Ensemble vor.
Eintritt frei
WANN UND WO? Von 19.00 Uhr bis 20 Uhr in der Theaterbar
WER? Auch Gäste, die keine Vorstellung besuchen,
sind willkommen.
Die Tresen-Talks werden unterstü tzt von Felsenau Bier und
Stauffacher – Die Welt der Bücher & Multimedia.
Schenken Sie ein Stück
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DAS Theater an der Effingerstrasse
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Telefon 031 382 72 72
www.dastheater-effingerstr.ch
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Merci!
Wir danken für die Unterstützung
Gemeinden:
Allmendingen, Bolligen,
Bremgarten, Ittigen, Kirchlindach,
Moosseedorf, Münsingen, Muri,
Rubigen, Schwarzenburg, Wohlen,
Worb, Zollikofen
Förderverein DAS Theater
an der Effingerstrasse
Effinger Fauteuil-Club
Berner Theaterverein
GESELLSCHAFT ZU MITTELLÖWEN BERN
Stiftung Hausammann für Kunst
Eva M. Rufer-Stiftung
Quellennachweis:
– Foto Lukas Hartmann: © Bernard van Dierendonck
– Thomas Darnstädt in Nürnberg, Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945, Piper, München 2015
– Transvestitismus, Magnus Hirschfeld:
http://www.hirschfeld.in-berlin.de/institut/
– Bruno Stephan, German Girl Bruno,
Als Transsexueller unter dem Hakenkreuz,
Bella Vista Verlag, Bad Schwartau 2004
– Dirk Swaab, Wir sind unser Gehirn, Droemer, München 2011
– Text über Lukas Hartmann und alle Texte
«Ensemble» von Christiane Wagner.
Auslassungen innerhalb der Texte sind nicht gekennzeichnet.
Titel wurden zum Teil geändert.
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