Gleisfreimelder basierend auf Strommessung Teil 1 Dr. Hansruedi Tanner 1. Problemstellung Je grösser eine Modellbahnanlage und je verschlungener der dazugehörige Gleisplan wird, umso schwieriger wird es für den Modellbahner, die Übersicht über das Betriebsgeschehen zu bewahren. Er benötigt deshalb Hilfsmittel, um den Betriebszustand der Anlage möglichst rasch und fehlerfrei erkennen zu können. Sollen gar mehrere Züge automatisch gesteuert verkehren, ist eine zuverlässige Rückmeldung der Zugstandorte unabdingbar, denn über dieser Rückmeldungen wird der Verkehr durch die angeschlossene Steuerung (z.B. Blocksteuerung oder PC) überwacht. Aber auch wenn keine automatische Steuerung eingesetzt wird, möchte der Modellbahner sehen können, wo sich seine Züge befinden. So interessiert es beispielsweise, welche Geleise eines verdeckten Abstellbahnhofs belegt sind. Diese Problematik ist auch im Grossbetrieb bekannt. Je grösser ein Personen- oder Rangierbahnhof ist, desto unübersichtlicher wird er. Beim Vorbild stellt man deshalb Gleisbesetzungen auf einem Gleisbildstellpult übersichtlich dar. Die Information, welche Geleiseabschnitte frei und besetzt sind, wird über sogenannte Isolationsstrecken gewonnen. Dies sind Geleiseabschnitte, bei denen eine Schiene isoliert angebracht wird. Durch den durch eine Achse ausgelösten Kurzschluss zwischen den beiden Schienen wird die Besetztmeldung ausgelöst bzw. sicherungstechnisch korrekter, die Freimeldung verhindert. Grundsätzlich gilt: Je feiner die Aufteilung der Geleiseanlage in rückgemeldete Abschnitte erfolgt, desto grösser ist die Informationsmenge, die für die Steuerung zur Verfügung steht und umso abgestufter können z.B. Rangierfahrten durchgeführt werden. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, wie eine vorbildgerechte Geleisbesetztanzeige auch auf einer Modellbahn realisiert werden kann. 2 Lösungsansätze Beim Vorbild und auch auf Modellbahnanlagen gibt es zwei grundsätzliche Lösungsansätze, um Belegtinformation zu erfassen: Ereignis- und Zustandsmelder. 2.1 Ereignismelder Ereignismelder sind Fühler, die das Auftreten eines bestimmten Ereignisses an einem definierten Punkt erfassen und mit einen Impuls melden (Abbildung 1). Solche Ereignismelder sind im Vorbild z.B. in Achszähler eingebaut, bei denen jede durchfahrende Achse einen Impuls auslöst, der ein angeschlossenes Zählwerk hinauf- oder hinunterzählt. Auf der Modellbahnanlage gehören z.B. Reed-Kontakte, Lichtschranken oder Induktionsschlaufen zu den Impulsmeldern. Der Hauptzweck von Ereignissen ist es, als Folge des Impulses eine Aktion auszulösen, z.B. eine Fahrstrasse zu schalten oder einen Block freizugeben. Der Hauptvorteil des Impulsmelders liegt denn auch darin, dass sowohl Zeitpunkt als auch Ort eines Ereignisses sehr genau erfasst werden können. Sollen hingegen mit Werbung für den Verein.wird beim Vorbild bei der Achszähleranwendung deutlich: Um zu 4 Mitteilungsblatt VSDM 2/97 zählen, wieviele Achsen sich in einem Abschnitt befinden (=Zustand des Abschnittes), müssen die Ereignisse sowohl beim Einfahren in als auch beim Ausfahren aus dem Block erfasst werden. Erst die Differenz zwischen den beiden Zählern ergibt den aktuellen Belegungszustand. Bei aufeinanderfolgenden Abschnitten kann ein einzelner Melder selbstverständlich gleichzeitig als Zu- und Abgangsmelder arbeiten, wodurch sich die Zahl benötigter Melder wieder reduziert. Abbildung 1: Ausgangssignal eines Ereignismelders Abbildung 2: Ausgangssignal eines Dauermelders 2.2 Dauermelder Dauermelder sind Fühler, die beim Auftreten eines Ereignisses innerhalb eines definierten Bereiches den Ausgangszustand wechseln und diesen beibehalten, solange das Ereignis andauert (Abbildung 2). Solche Dauermelder finden sich beim Vorbild in den meisten Bahnhöfen in Form der in der Einleitung erwähnten isolierten Geleiseabschnitte Im Gegensatz zum Impulsmelder, wo nur ein kurzer Impuls in der Regel mechanisch erfasst und anschliessend gemeldet wird, bleiben Dauermelder für die Zeit aktiv, in welcher das Ereignis andauert. Man kann also zu jedem Zeitpunkt mit Sicherheit sagen, ob sich ein Stromverbraucher im isolierten Abschnitt befindet. Hingegen ist mit Ausnahme des Einfahrzeitpunktes keine Aussage über den genauen Ort des Aufenthalts möglich. Innerhalb der Isolationsstrecke kann sich die Lok an jedem beliebigen Ort aufhalten. Trotz dieser Einschränkung ist der Informationsgehalt eines Dauermelders für den Einsatz in der Modellbahn grösser als derjenige des Impulsmelders: Alle Informationen des Impulsmelders werden auch durch einen Dauermelder zur Verfügung gestellt. Ein wesentlicher Vorteil von Dauermeldern ist ausserdem, dass sie nach dem Einschalten der Anlage direkt wieder den richtigen Zustand anzeigen. Dies ist bei Impulssmeldern nicht der Fall, diese müssen zunächst durch ein auftretendes Ereignis initialisiert werden. Tabelle 1 zeigt die wesentlichsten Eigenschaften von Impuls- und Dauermeldern im Überblick. Mitteilungsblatt VSDM 2/97 5 Eigenschaft Melden von Ereignissen Melden von Zuständen Selbstinitialiserung Impulsmelder ja nein nein Dauermelder ja ja ja Tabelle 1: Gegenüberstellung von Impuls- und Dauermeldern Trotz diesen Vorteilen werden Dauermelder auf der Modellbahn wenig eingesetzt. Dies liegt wohl vor allem daran, dass es insbesondere bei einem Zweileiter-Geleise etwas mehr braucht als nur einen einfachen Schalter, z.B. ein Reedkontakt oder ein Kontaktgeleise, um einen Dauermelder zu realisieren: Es muss ein richtiger Fühler gebaut werden, der bereits bei kleinen Strömen, z.B. verursacht durch eine mit einem Widerstand bestückte Wagenachse, sicher anspricht. Wie das gemacht werden kann, soll in den nächsten Abschnitten erläutert werden. Fortsetzung folgt im Mitteilungsblatt 3/97 6 Mitteilungsblatt VSDM 2/97 Gleisfreimelder basierend auf Strommessung Teil 2 Dr. Hansruedi Tanner 3 Lösungsmöglichkeiten 3.1 Die Billig-Lösung mit Optokoppler Die einfachste Lösung zur sicheren Strommessung benötigt nach Schema 1 genau drei Bauteile: Einen Brückengleichrichter, einen Optokoppler und einen Widerstand. Und so funktionierts: Die Pole Plus und Minus des Brückengleichrichters werden kurzgeschlossen, somit sind jeweils zwei Dioden des Gleichrichters in Serie und zu den anderen beiden antiparallel geschaltet: Der Bahnstrom kann ungehindert fliessen, verursacht jedoch aufgrund der Durchbruchspannung von ca. 0.7 V pro Diode einen Spannungsabfall von ca. 1.4 V. Dieser Spannungsverlust tritt aufgrund der Diodencharakteristik bereits bei kleinsten Strömen auf und genügt, um über den Widerstand R mit einem Wert von ca. 14 Ohm den Optokoppler zu aktivieren. Am Ausgang des Optokopplers kann nun je nach Optokoppler-Typ ein Relais oder ein Leistungstransistor, welcher die Leuchtdioden auf dem Gleisbildstellpult ansteuert, oder - wie in Schema 1 angedeutet - direkt eine Kette von Leuchtdioden angeschlossen werden. Die Schaltung lässt sich für Analog- sowie Digitalbetrieb, für Gleich- und Wechselstrom einsetzen, da unabhängig vom Stromfluss durch den Gleichrichter der Schema 1: Schaltung mit Optokoppler Optokoppler stets mit Strom versorgt wird. 3.2 Die erweiterte Lösung mit einem Operationsverstärker Die Schaltung im obigen Abschnitt hat verschiedene Vorteile: Sie besticht durch Einfachheit, ist leicht verstehbar, was die Fehlersuche auch für “elektronische Laien” vereinfacht und lässt sich ausserdem mit wenigen Komponenten und ge4 Mitteilungsblatt VSDM 3/97 ringem finanziellen Aufwand realisieren. Leider hat sie aber auch einen Nachteil: Der Spannungsabfall ist mit ca. 1.4V (immerhin rund 10% der Schienenspannung!) relativ hoch. Ausserdem muss der Stromfluss im zu messenden Abschnitt so gross sein, dass die Leuchtdiode im Optokoppler aktiviert wird. Je nach Optokoppler sind dazu einige Millampere notwendig. Sollen nicht nur Loks, sondern auch Wagen detektiert werden, sind die Widerstände entsprechend klein zu wählen. In Schema 2 wird deshalb eine etwas professionellere Schaltung angegeben, bei welcher der Messspannungsabfall je nach Messdiodentyp nur ca. 0.2 - 0.7V beträgt und die Schema 2: Messschaltung mit OpAmp bereits Schienenströme von einigen Mikroampere zuverlässig feststellen kann. Und so funktionierts: Durch einen Stromfluss an der Schiene entsteht über der Diode bzw. über dem zur Diode parallel geschalteten Widerstand (ca. 1 kOhm für eine Messempfindlichkeit bis ca. 100kOhm) ein Spannungsabfall von max. 0.7 V, abhängig vom Diodentyp und vom Stromfluss. Diese Spannung wird über einen Spannungsteiler auf die Eingänge des vorgespannten Komparators (Operationsverstärker) geschaltet und führt dort zu einer Veränderung der Spannungsdifferenz und zu einem Polaritätswechsel an den beiden Eingängen. Die Vorspannung des Komparators wird über den Spannungsteiler im unteren Teil des Schemas erzeugt. Die Vorspannung am Plus-Eingang des Komparators beträgt VDD = ca. 5 V, diejenige am negativen Eingang ca. 4.96 Volt. Sie kann nach folgender Formel berechnet werden: 5V - (0.7V/(1000+47)Ohm*47Ohm) Diese Vorspannung genügt, um bei fehlender Strombelastung am Komparator einen klar definierten Ausgangszustand zu erzeugen, andererseits aber bereits bei kleinem Stromfluss an den Schienen den Komparator zum Kippen zu bringen. Der Komparator vergleicht also lediglich die Polarität zwischen seinen beiden Eingängen und legt das Ergebnis an den Open Collector-Ausgang. Sobald ein Strom an den Mitteilungsblatt VSDM 3/97 5 Schienen fliesst, wird der Ausgang aktiv. Die Spannung VDD = 5V kann übrigens, da die Belastung auf wenige A beschränkt bleibt, auf einfachste Weise mit einem Widerstand und einer Zenerdiode aus VDU abgeleitet werden. Im Gegensatz zur ersten lässt sich die zweite Schaltung nur in Systemen verwenden, die mit Wechselstrom betrieben werden, also mit Digitalsystemen wie DCC-kompatible, Märklin Motorola, Selectrix oder FMZ, sowie mit Analog-Wechselstromsystemen. Soll die Schaltung auch für Analog-Gleichstrom verwendet werden, ist ein zweiter, umgekehrt gepolter Komparator vorzusehen, da sonst nur in einer Fahrtrichtung detektiert wird. Am Ausgang des Komparators stellt sich ein Rechteckpuls ein, der durch eine anschliessende Logik ausgewertet werden kann. 4 Einfluss der Schienenkapazität Besondere Aufmerksamkeit muss bei beiden Schaltungen der Kapazität der angeschlossenen Geleiseanlagen gewidmet werden. Ein übliches Zweileitergleis hat pro Meter Länge eine Kapazität von ca. 220 pF. Bei einem Märklin-Dreileiter-Kunststoffgeleise ist dieser Wert aufgrund des sandwichartigen Aufbaus mit einer MittelleiterBasisplatte rund doppelt so hoch. Je nach Länge des angeschlossenen Abschnittes fliesst bei jedem Polaritätswechsel des Wechselstromsignals ein Umladestrom von einigen Milli-Ampere, der durch die Kapazität der Schiene hervorgerufen wird. Am Ausgang des Komparators kann dieser Umladestrom zu kurzen Einschaltspitzen führen (Abbildung 3). Werden mit dem Komparatorausgang direkt Leuchtdioden angesteuert, machen sich diese Impulse durch ein leichtes Glimmen der LED s bemerkbar. Sobald dann tatsächlich eine Last am Geleise liegt (z.B. Lok mit Decoder oder Wagen mit Widerstandsachse), bleibt der Komparatorausgang während der gesamten Zeit der Halbwelle aktiv (Abbildung 4). Angeschlossene Leuchtdioden leuchten dadurch entsprechend heller. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu umgehen: Reduktion der Empfindlichkeit oder Analyse des Ausgangssignals in der nachfolgenden Auswertungslogik. Die Empfindlichkeit kann über eine geschickte Wahl der Komponenten verändert werden. In der Schaltung gemäss Schema 1 sind dies vor allem der Optokoppler und sein Vorwiderstand. Die Schaltung nach Schema 2 ist bezüglich Umladeströme empfindlicher. Da ausserdem auch bei einem Stromverbrauch an der Schiene die Einschaltdauer des Komparatorausgangs maximal 50% der Zeit beträgt, sollte das Signal durch einen nachfolgenden Integrator weiterbearbeitet werden. Dieser ermittelt die unter dem Spannungsverlauf liegende Fläche des Komparatorausgangssignals und schaltet, sobald diese kleiner als 50% der Gesamtfläche ist, den Ausgang aktiv. Ein solcher Integrator kann mit einem weiteren Operationsverstärker aufgebaut sein oder mit einem Mikrocontroller programmiert werden. 5 Zusammenfassung 6 Mitteilungsblatt VSDM 3/97 Abbildung 3: Ausgang am Operationsverstärker bei kapazitivem Stromverbrauch Abbildung 4: Ausgang am Operationsverstärker mit einer Belastung von 100kOhm Trotz leistungsmässiger Vorteile werden in Zweileiteranlagen noch wenig Dauer-melder eingesetzt, weil deren Aufbau im Vergleich zu Impulsmeldern wie Reed-Kontakten aufwendiger ist. Insbesondere für Anwendungen wie Gleisbesetzt-meldungen auf Gleisbildstellpulten wären solche aber von grossem Nutzen. Mit dem vorgestellten Melder nach Schema 1 hat der Modellbahner eine einfache, mit wenigen Komponenten realisierbare Schaltung, mit der er Gleisbesetztmelder bauen kann. Für professionelle Anwendungen und insbesondere für Melder mit hoher Empfindlichkeit sollte ein Melderaufbau entsprechend Schema 2 eingesetzt werden. Mitteilungsblatt VSDM 3/97 7