Musik und Politik Joseph Haydns Niederschrift der österreichischen Kaiserhymne „Gott erhalte Franz den Kaiser“ aus György Ligeti (© Jürgen Röhrscheid) dem Jahr 1797. Zur Melodie verfasste Hoffmann von Fallersleben 1841 „Das Lied der Deutschen“. Ihre Allianz ist alt und aktuell, komplex und kompliziert – Musik und Politik. „Jede Sekunde des Lebens ist politisch“, sagte einmal der Künstler Wolf Vostell. Und wenn wir unseren Herzschlag als Musik auffassen, was die Ästhetik John Cages nahelegt, ist jede Sekunde des Lebens musikalisch. Musik, ganz egal welche, wann und wo, entsteht nicht im Vakuum, auch nicht im berühmten Elfenbeinturm. Sie ist immer mit dem Leben verbunden, in dem und von dem sie gemacht wird. Das kann ein gutes oder schlechtes Leben sein. Das kann auch ein gutes sein, das vom schlechten weiß, oder ein schlechtes, das vom guten träumt, es herbei sehnt. Musik begleitet diese Zustände seit Jahrtausenden, entsteht aus ihnen, stellt sich ihnen entgegen oder befürwortet sie. Musik ist stets gut für vieles: für Ideen, die alle Menschen adeln, für Ideen, die menschenverachtend sind. „Wo man singet, lass dich ruhig nieder … Bösewichter haben keine Lieder“ dichtet 1804 Johann Gottfried Seume. Beim Dichter Arnfried Astel heißt es hingegen gut 165 Jahre später: „Wo man singt, da lass dich ruhig niederschlagen.“ Zwei überaus konträre Positionen, von denen die zweite wohl eher der Wirklichkeit entspricht. Zwar kennt die genaue Zahl der Gräueltaten, während derer auch gesungen wurde, niemand. Sie dürfte aber aus etlichen Nullen bestehen und stetig wachsen. Gleichwohl gab und gibt es zahlreiche musikalische Unternehmungen, um die Missstände auf Erden anzuklagen, um Trennungen zu überwinden, um Gemeinsinn zu stiften und eine Gemeinschaft zu schaffen. Nicht zuletzt deswegen entstanden (National-)Hymnen. Sie sollten vereinen, was zuvor gar nicht oder noch nicht so richtig zusammengehörte. Es ging und geht bei ihnen um Identifikation mit dem Land, der Region, der Heimat, dem Glauben, der Konfession, der Innung, dem Verein, kurzum: mit einer Idee, mit einem Ideal. Deshalb besitzt auch das Gros aller Musik, die klare Mitteilungen machen will, stets Sprachwörter. Sei es als unmissverständlicher Titel oder – noch deutlicher – als vertonter Text. Denn nur er macht ganz deutlich, was gemeint ist, was der Gesang überhaupt besagen will. Irgendwann genügt dann gar die Melodie, um die mitschwingende Aussage auch textlos zu transportieren. Die hymnischen Klänge sind wegen ihrer großen Bekanntheit, ihrer sozialen wie medialen Verbreitung selbst Begriffsträger geworden, und das durchaus als eineindeutig semantischer Botenstoff. Aber so wie dieser nach innen Identität garantieren soll, so symbolisiert er nach außen zugleich die Grenze. Die Deutschen singen ihr Lied, aber nur sie; die Franzosen singen ihre „Marseillaise“, aber ebenfalls nur sie; und die Briten singen derzeit „God save the Queen“, selbstverständlich auch nur sie. Musik ist eine überaus elastische Kunst; sie taugt für alles Mögliche. Frieden und Einigkeit, Gerechtigkeit und Liebe lassen sich mit ihr letztlich nicht komponieren. Das bedarf ganz anderer Arrangements, vor allem gänzlich anderer Engagements. Die Ausstellung präsentiert verschiedene ausgewählte Aspekte aus dem riesigen Themenfeld „Musik und Politik“. Vieles wird man vermissen – zu Recht. Allein die Dokumentation solcher Musikpolitik, die zur Ausgrenzung, zur Inhaftierung, zur Folter oder gar zum tausendfachen Mord von Musikern führte, würde Säle füllen. Stefan Fricke Eine Ausstellung von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln