yang guifei - Musik und Gender im internet

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Yang Guifei
Die Konkubine
des Kaisers
Oper von Yijie Wang
Libretto von Sören Ingwersen
1
Yang Guifei
Die Konkubine des Kaisers
Ein Arbeitsjournal
Astrid Klein,
Figurine „Yang Guifei“
2
Yang Guifei
Die Konkubine des K aisers
K ammeroper in vier Bildern für Soli, Chor und Orchester
Libretto von Sören Ingwersen
Yang Yuhuan/Guifei Rebekka Reister
Guifeis Schatten Ying Ma
Kaiser Xuanzong Jianeng Lu
Yang Guozong (Guifeis Vetter) Axel Wolloscheck
An Lushan (General) Ronaldo Steiner
Gao Lishi (Eunuch des Kaisers) Algirdas Bagdonavicius
Hofdame Indre Pelakauskaite/
Sophie Reuter
Projektchor der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg
Raika Maier, Yuxi Lu, Chen Ding,
Jinhee Kim, Shengjia Xu,
Sophie Reuter, Indre Pelakauskaite,
Songyan He, Cheng Li, Bolun Wang,
Jialiang Hu, Xiao Yang, Shuo Yang
Projekt-Orchester der Hochschule
für Musik und Theater Hamburg
Jueer Wang (Violine)
Maya Lorenzen (Violine)
Lucas Schwengebecher (Bratsche)
Jiapeng Nie (Cello)
Balthasar ­Brockes (Kontrabass)
Dexin Kong (Flöte)
Natsuki Ogihara (Oboe)
Yunpeng Gou (Klarinette)
Silas Gärtner (Fagott)
Tomás Figueiredo (Horn)
Leonard Huster (Trompete)
Chih-Yen Chang (Posaune)
Chia-Hui Chou (Percussion)
Yang-Huang Huang (Percussion)
Gäste Fengxia Xu-Wagner (Guzheng),
Ya Dong (Pipa), Menglu Che (Erhu)
Musikalische Leitung Bettina Rohrbeck
Regie und Bühnenbild Dominik Neuner
Kostüme und Maske Astrid Klein,
Imke Ludwig
Kostümassistenz Pia Zielke
Dramaturgie und Musik­
vermittlung Bettina Knauer
Choreografie Catherina Lühr
Musikalische Assistenz Justus Tennie
Regieassistenz Ryka Kobiella
Inspizienz Maik Hoppe
Wissenschaftliche Begleitung Prof. Dr. Beatrix Borchard,
Prof. Dr. Georg Hajdu,
Dr. Bettina Knauer
Technische Leitung Heinz Ulbrich
Bühnenmeister Wolfgang Thieß
Beleuchtungsmeister Birger von Leesen
Beleuchtungstechnik Ramzi Chenitir, Andreas Kehler,
Klaus Uhlich
Bühnentechnik Detlev Feist,
Michael Haase, Andreas Heiß,
Volker Teppich
Werkstättenleitung Andreas Heiß
Auszubildender Dennis Ulbrich
Ton Katharina Raspe
Junges Forum Musik und Theater
Uraufführung: 23. Februar 2014
Weitere Vorstellungen:
25. und 27. Februar sowie 1. und 2. März 2014
Vorstellungen am Theater Kiel
26. und 30. April 2014
junges forum Musik + Theater
Peter Krause (Ltg.), Nora Krohn,
Wolfgang Wagner
Produktionsleitung Dominik Neuner
Eine fächerübergreifende
­Produktion der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg
Für die großzügige Unterstützung danken wir:
Inhalt
Inhalt der Oper9
Drei Fragen an die Komponistin Yijie Wang 14
Sören Ingwersen: 15
Im Schat ten der Schönheit
Peter Michael Hamel: 19
Im Bad der Konkubine
The e verl a sting regret23
Dominik Neuner und Bet tina Rohrbeck 30
im Gespräch
Hans Stumpfeldt: 35
„Den Schwalben nachblickend und
den Grillen l auschend“.
Über die k aiserliche Konkubine Yang Guifei
und ihre Lebenswelt
Wissenschaf t und Kunst:45
Be atrix Borchard und Georg Ha jdu im Gespräch
Juan Xu: 52
femme totale – Die Rolle der Frau
in der gegenwärtigen Kunst in China
am Beispiel der „Bald Girls“
Andreas Lorenz: 59
Neue KP-Führung in China: Die singende First L ady
Biografien62
Impressum67
Bildnachweise67
6
Astrid Klein,
Figurine „Schatten“
Inhalt der Oper
1. Akt
Die junge, bildschöne Yang wird von ihrem Schwiegervater, dem Kaiser,
ins Badehaus eingeladen. Dort offenbart er ihr seine Zuneigung und die feste
Absicht, sie zu seiner Frau zu machen. Yang ist schockiert und verzweifelt,
als ihr befohlen wird, den Bund der Ehe mit dem Kaisersohn zu lösen.
2. Akt
Als Konkubine hat Yang sich in ihr Schicksal gefügt. Wie jeden Abend macht
sie sich für den ersehnten Besuch des Kaisers zurecht. Sie fühlt sich vernachlässigt und sucht Trost im Alkohol. Der Eunuch Gao Lishi erscheint und bietet
ihr an, an Stelle des Kaisers das Bett mit ihr zu teilen. Empört schickt Yang den
Eunuchen fort. Plötzlich spricht die Stimme eines rätselhaften Schattens zu ihr
und erinnert sie an ihre Kindertage, an eine Brücke, die in einen blühenden
Garten führte, den die Kinder nicht betreten durften. Der Schatten verschwindet als Yangs Vetter den Raum betritt. Er ermahnt seine Cousine, nicht so viel
zu trinken. Schließlich solle sie ihren Einfluss auf den Kaiser geschickt nutzen,
um möglichst viele Mitglieder der Yang-Familie mit politischen Ämtern zu
­versehen.
3. Akt
Li Chao-tao, Der Kaiser auf einer Reise nach Shu, um 700.
Die kaiserliche Familie verlässt fluchtartig den Palast, als die letzte V
­ erteidigungslinie
der kaiserlichen Truppen am Tong Pass gefallen war. Der Kaiser selbst floh mit wenigen
Getreuen und Yang Guifei Richtung Sichuan. Doch die Leibgarde forderte die Hinrichtung
Yang Guifeis, die in den Augen der Soldaten das Reich in den Untergang getrieben hat.
Im Traum erschien dem Kaiser seine Konkubine Yang als Himmelsfee.
In einem Theaterstück, das anlässlich der Vermählung des Kaisers mit Yang
am Hofe aufgeführt werden soll und in dem Yang selbst als Tänzerin auftritt,
möchte der Kaiser diese Vision realisieren. Yang jedoch hat andere Vorstellun­
gen und gerät in einen Streit mit dem Kaiser. General An Lushan und Yangs
Vetter – inzwischen kaiserlicher Zensor – treten auf und berichten, dass das
Reich von inneren Aufständen und äußeren Feinden bedroht werde und
höchste Gefahr herrsche. Beide Männer verfolgen unterschiedliche Verteidigungsstrategien und verlangen vom Kaiser eine Entscheidung. Als dieser die
Entscheidung verweigert, eskaliert der Streit und kann erst durch Yangs
­Eingreifen geschlichtet werden: Sie überrascht die Anwesenden mit ihrem
­Entschluss, General An Lushan adoptieren zu wollen.
9
4. Akt
Der Kaiser und sein Gefolge sind aus der Kaiserstadt in den Südwesten des
Landes geflohen. General An Lushan, der sich mit dem aufständischen Volk
verbunden hat, tritt auf und fordert die Absetzung des Kaisers, der unter dem
schlechten Einfluss seiner Frau und der ganzen Yang-Familie das Reich ins
Chaos gestürzt habe. Wieder begegnet Yang ihrem Schatten, der sie an die
­ewigen Werte ihres Handelns und ihrer Staatsgeschäfte erinnert. Der Eunuch
Gao Lishi kommt hinzu und verkündet Yang die grausame Hinrichtung ihres
Vetters. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, legt er ihr nahe, sich selbst
mit einem Dolch das Leben zu nehmen, um die Schuld der Yang-Familie zu
sühnen. Yang erkennt, dass nur ihr Tod den Kaiser retten kann, verlangt aber,
der Eunuch solle sie erdrosseln. Im letzten Moment kommt der Kaiser hinzu.
Er kann den Mord an seiner geliebten Yang Guifei aber nicht mehr verhindern.
10
Astrid Klein,
Figurine „Kaiser“
11
Yijie Wang
geb. am 10. Februar 1983 in Qingdao,
China. Yijie Wang hatte seit dem fünften Lebensjahr Klavierunterricht bei
ihrem Vater. Zwischen 1999 und 2002
besuchte sie die an das Konservatorium für Komposition angeschlossene
Oberschule in Beijing. Von 2002 bis
2006 studierte sie Kom­position bei
Prof. Wanchun Shi am Konservatorium
in Beijing. Während des gesamten Studiums gewann sie sechsmal ein Stipendium für Komposition. Seit Oktober
2007 studiert sie Komposition an der
Hochschule für Musik und Theater in
Hamburg bei Prof. Peter Michael
Hamel. Seit Oktober 2008 hat sie das
Leistungsstipendium erhalten. Im August 2008 sind ihre Stücke Mondnacht
und Vier Lieder nach Gedichten von Sappho beim Bayreuther „Junge KünstlerFestival“ uraufgeführt ­worden, im September 2008 wurde ihr Instrumentations-Projekt Oper Cosi fan tutte beim Schwetzinger Mozart-Festival uraufgeführt. Im Dezember 2008 hat sie ihr Stück Frankolin für eine Ausstellung der
Hochschule für bildende Künste Hamburg komponiert. Im Mai 2009 wurde ihr
Stück Vier Lieder nach Gedichten von Sappho im Ernst Barlach Haus aufgeführt.
Im November 2009 ist ihr Stück Die Zeiten des Jahres bei den Hamburger
Klangwerktagen in einer weiteren Besetzung aufgeführt worden. Im Juni 2011
wurden ihre zwei Orchesterwerke Himmelssprung und Chang’e’s Reise zum
Mond in der Hammer Kirche mit der Hamburger Camerata uraufgeführt. In
2010 hat sie das Diplom im Fach Komposition abgeschlossen. Seit April 2011
promoviert sie als erste Ausländerin zum Dr. sc. mus. als Komponistin und
Musikwissenschaflerin bei Frau Prof. Dr. Beatrix Borchard und Prof. Dr. Georg
Hajdu, und erhielt hierfür ein Promotionsstipendium der Stadt Hamburg und
ab 2013 ein Promotionsstipendium von „Pro Exzellenzia“. Im April 2012 wurde ihr Stück Chang’e’s Reise zum Mond in der Laeiszhalle Hamburg mit den
Hamburger Symphonikern (Dirigent: Muhai Tang) aufgeführt. Im April 2013
wurde ihr Auftragskomposition Traumfänger mit dem Ensemble obligat im
Jenisch Haus uraufgeführt. Darüber hinaus unterrichtet sie am International
College of Music die Fächer Musiktheorie und Gehörbildung.
12
Drei Fragen an die
Komponistin Yijie Wang
Im Schatten
der Schönheit
Sören Ingwersen
Mit welcher Musik sind Sie aufgewachsen?
Und wie empfinden Sie die europäische Musikkultur?
Ich bin mit europäischer Musik aufgewachsen. Mit fünf Jahren fing ich an
­Klavier zu spielen, damals spielte ich ausschließlich Musik europäischer
­Komponisten, beispielsweise Mozart, Beethoven und Bach. Daher ist für mich
die europäische Musikkultur gar nicht fremd.
Was ist an Ihren Werken chinesisch-traditionell,
was europäisch, was individuell? Was hat sich an Ihrer
Wahrnehmung von Musik in Deutschland verändert?
In meiner Kindheit habe ich nicht so viel chinesische traditionelle Musik
gehört und gespielt, ich habe erst während meines Studiums begonnen,
sie kennenzulernen. Ich habe diverse traditionelle chinesische Opern kennengelernt, auch verschiedene Volksmusik. Die Musik hat mich stark inspiriert.
Nach meinem Bachelor-Studium kam ich 2006 nach Deutschland, hörte dann
viel europäische zeitgenössische Musik und nahm an zahlreichen Projekten
teil. Durch diese Praxis sammelte ich mehr und mehr Erfahrungen und fand
meinen eigenen Klang.
Wie würden Sie selbst Ihren Kompositionsstil beschreiben?
Mein Ziel ist es, meinen eigenen Weg zu finden und meine eigene Musik zu
komponieren. […] Neue Musik muss nicht unbedingt zu kompliziert und
schwer verständlich sein, sondern darf auch manchmal einfach schön sein.
Die traditionelle chinesische Kultur ist für meine Kompositionen ebenfalls sehr
wichtig. Ich liebe die alte Musik aus China, ich werde diese Musik mit meinem
eigenen neuen Klang und westlichen Instrumenten kombinieren und ihr neues
Leben geben – orientalische und westliche Kultur treffen in ihr aufeinander.
[Aus: kammermusik heute e.V., Ausgabe 34, März 2013]
Ein Herrscher, dem die Macht entgleitet, ein verräterischer General und eine
schöne Konkubine, die am Ende stirbt: Liebe, Macht, Intrige, Tod – kann man
sich einen schöneren Stoff für eine Oper wünschen? Ein Stoff, der auf einer
wahren Begebenheit beruht, die aber so weit zurück liegt, dass die Mythen um
ihn herum fast 1300 Jahre munter ranken konnten.
Yang Guifei – diese Dame ist in China so bekannt wie bei uns die heilige
Mutter Gottes. In ähnlich himmlischer Schönheit wurde sie auf Gemälden,
Vasen, Paravents und in Stein verewigt. Mehrere tausend Dichter haben sie
besungen, unzählige Romane, Kinofilme und TV-Serien bedienen sich in mehr
oder weniger freier Form dieser Figur, die allerdings alles andere als eine
­Heilige war. Die fast 300 Jahre währende Tang-Dynastie, ein großes blühendes
Kaiserreich sei an ihr zugrunde gegangen, heißt es. So eine Ungeheuerlichkeit
traut man einer Frau, die zu den „Vier Schönheiten“ Chinas zählt und mit
einem Gesicht gesegnet war, das „alle Blumen beschämen würde“ eigentlich
nicht zu.
Aber es gibt noch weitere Extreme, die diesen tragischen Stoff fast schon in
die Nähe eines griechischen Dramas rücken: Bevor Yang eine Konkubine des
Kaisers Xuanzong und schließlich seine Guifei, d.h. kaiserliche Nebenfrau
zweiten Ranges wird, ist sie mit dessen Sohn Shou Li Mei verheiratet. Als die
Frau des Kaisers stirbt, befiehlt dieser, die Ehe seines Sohns aufzulösen, da ihn
seinerseits die Schönheit Yangs betört. Um einen Skandal zu vermeiden, wird
die entehrte Prinzessin, ein Mädchen Anfang 20 und 34 Jahre jünger als der
für damalige Verhältnisse alte Kaiser, ins Kloster gesperrt. Später zieht sie in
den Nebenpalast ein, in dem viele hundert Frauen die erotischen Forderungen
des Kaisers erfüllen müssen, sofern er sich denn überhaupt einmal bei ihnen
blicken lässt. Ihres angesehenen Standes beraubt, muss Yang nun Vater und
Sohn zugleich als Konkubine dienen. Doch – so will es die verklärende Über­
lieferung – der Kaiser ist in echter Liebe zu seiner neuen Konkubine entbrannt
und macht sie zur einflussreichsten Frau am Hof.
15
Zhou Fang (attrib.), Hofdamen, 8. Jh.
Dieser Einfluss ist es auch, der ihr zum Verhängnis wird. Yang, anfangs von
den Menschen geliebt und verehrt, wird nun verantwortlich gemacht für die
Missstände im Land. Dürrekatastrophen, kriegerische Auseinandersetzungen
und Korruption führen zu politischen und sozialen Unruhen. Dem gegenüber
steht eine dem Luxus verfallene Yang Guifei, die viele politische Ämter mit
ihren unfähigen Familienmitgliedern besetzt hat und den Kaiser mit ihrer
Genusssucht vom Regieren abhält, so der Vorwurf der Aufständischen,
an­geführt vom abtrünnigen General An Lushan. Ebenfalls ein pikantes Detail:
An Lushan wurde Jahre zuvor von Yang Guifei als Sohn adoptiert. Nun fordert
er als Wortführer des chinesischen Volks ihren Tod.
Ein Stoff, so reichhaltig und vielschichtig, dass man als Librettist Schwerpunkte setzten muss, um den Rahmen einen Opernabends nicht zu sprengen.
Zudem wird die Überlieferung der Geschichte Yang Guifeis von ikonografi­
schen Topoi begleitet, die man kaum ignorieren kann: der Kaiser und seine
Konkubine im Badehaus; die betrunkene Yang, die ihre Einsamkeit beklagt;
der Federtanz, den Yang am kaiserlichen Hof aufführt; und der steinalte Kaiser,
dem die verstorbene Yang als Geist erscheint – vier „Stationen“, von denen drei
ins Libretto aufgenommen wurden.
Die allererste Frage jedoch war: Soll unsere Oper eine (chronologische)
Erzählung werden, oder sollen wir die Figuren und Themenkomplexe in
16
­freierer Form befragen? Da die Geschichte Yang Guifeis in der westlichen Welt
kaum bekannt ist, entschieden wir uns für ersteres. Die zweite wichtige Frage
betraf das Ende: Das weibliche Opfer, dass die (männliche) Ordnung wieder
herstellt, unreflektiert auf die Bühne zu bringen, hieße, eine Ideologie des
männlichen Blicks zu übernehmen, die hier die Historie (über-)formt. Wie also
die Geschichte erzählen, ohne die schillernde Protagonistin in den patriarchalen Kanon passiv leidender Erlöserinnen einzureihen?
Robert Sheas historischer Roman Die Konkubine des Kaisers bot eine gute
Möglichkeit, sich in die Zeit der Tang-Dynastie „hineinzulesen“ und zugleich
auf die Gefahren aufmerksam zu werden, die eine allzu melodramatische Ausdeutung des Stoffes mit sich bringt. Bei Shea erkennt Yang Guifei aufopfernd
die Notwendigkeit ihres Todes an und geht dabei soweit, den Kaiser zu betäuben, um von ihrem Liebsten unbehelligt Selbstmord begehen zu können. Ein
schwacher, machtloser Kaiser auf der einen, eine Liebe und Güte verströmen­
de Heilige auf der anderen Seite – eine wirkungsvolle Möglichkeit, den Stoff
für die Unterhaltungsliteratur zu idealisieren.
Wie aber wollen wir selbst uns der Figur nähern? Besteht Yangs „heroische“
Tat wirklich „nur“ in der selbstlosen, absoluten Hin- und Aufgabe ihres
­Körpers? Oder macht sie die Forderung der Aufständischen zu ihrer eigenen
Entscheidung? Nicht, um sich freiwillig zu opfern, sondern um das begehrte
Objekt, ihren Körper, dem männlichen Zugriff zu entziehen. Mit ihrem Tod
verhindert sie zwar den des Kaisers, zurück jedoch bleibt ein gebrochener
Mann, der seiner Macht enthoben ist. Die „kastrative“ Bedrohung des Subjekts
durch den Tod trifft hier weniger die Sterbende selbst, als den kaiserlichen
Potentaten. Nicht von ungefähr ist es der Eunuch, den Yang als ihren Todes­
engel auserwählt.
Interessant ist in dieser Hinsicht auch die offensichtliche Gebärunfähigkeit
der Heldin. Weder die Ehe mit dem Prinzen Shou Li Mei noch die mit Kaiser
Xuanzong war mit Kindern gesegnet. Es ist sogar vorstellbar, dass ihre erste
Ehe auch aus diesem Grund aufgelöst wurde. Hier fällt einem Richard Straussʼ
Die Frau ohne Schatten ein: die Kaiserin, die keine Kinder bekommen kann,
deren kastrativer Mangel sich in der Abwesenheit ihres Schattens manifestiert,
was letztendlich dazu führt, dass ihr Mann, der Kaiser, zu einer leblosen
­Statue erstarrt.
In unserer Oper hingegen hat die Heldin einen Schatten und kommuniziert
sogar mit ihm: ein unwirklicher Begleiter aus Kindertagen, der ihr Mut zu­spricht und sie daran erinnert, dass sie einst geschworen hat, ihre eng gesetzten Grenzen zu überschreiten. Doch indem sie dieses tut und man konstatiert,
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sie mische sich in Staatsgeschäfte ein, werden auch die Grenzen des chinesischen Reichs von äußeren und inneren Feinden bedroht. Der Irrtum des
­Kaisers wird offenbar.
Er, der politisch desinteressierte und überforderte Herrscher, glaubte an
die ordnende Kraft seiner Guifei. Sie war von Anfang an mehr als eine bloße
Gespielin, sollte ihn und das Reich mit ihrer lebendigen, lebensspendenden
Kraft erhalten, wie man sie gemeinhin dem Weiblichen und der weiblichen
Schönheit zuspricht. Diese Schönheit ist es auch, die den Kaiser in ihren Bann
zieht, als er Yang – noch bevor die Handlung der Oper einsetzt – zufällig im
Badehaus erblickt, unbekleidet und durch den Fensterausschnitt wie in einen
Bilderrahmen gefasst. Schönheit aber ist nichts anderes als das paradoxe
„Bild dessen, was sie verdecken und ausschließen soll, nämlich des Todes, der
Kastration und Verdrängung“, sagt die amerikanische Literaturwissenschaft­
lerin Barbara Johnson. Die Unfruchtbarkeit der schönen Yang Guifei verstärkt
den Eindruck umso mehr, als wir es hier – hinsichtlich der ästhetischen Ikonografie – mit einer Maske zu tun haben, hinter der noch etwas ganz anderes lauert: eine unmögliche Wunscherfüllung, verkörpert durch das „Ersatzkind“ An
Lushan und dessen destruktive Energie.
Sören Ingwersen arbeitet als freier Redakteur für das Magazin
hamburgmusik, das Magazin der TheaterGemeide Hamburg und
das Online-Theatermagazin GODOT, das er 2010 mit ins Leben
gerufen hat. In den Jahren 2011 und 2012 leitete er die aus
Schülern und Studenten bestehende Redaktion des MusikMagazin ElbNews, ein Kooperationsprojekt der Elbphilhar­monie
und SZENE Hamburg. Als Kultur-Journalist mit den Themenschwerpunkten klassische Musik und Theater schreibt er unter
anderem für die Hamburger Morgenpost und das ­Klassikmagazin
concerti. Außerdem ist er als Booklet-Autor für verschiedene Klassik-Labels tätig und
unterrichtet im Rahmen des Projekts „Leporello“ des Kulturforum21 des Katholischen
Schulverbandes Hamburg journalistisches Schreiben an gemeinbildenden Schulen. Er
schrieb zahlreiche Libretti, vorrangig für Kinder- und Jugendopern sowie Chorprojekte,
die in Hamburg (Laeisz­halle, Opernloft, Haus im Park etc.) und am Theater Freiburg
aufgeführt wurden. Als Autor tritt Ingwersen regelmäßig in literarischen Veranstaltungen auf.
18
Im Bad der Konkubine
Peter Michael Hamel
Erster glücklicher Umstand
Im interkulturellen Seminar des WS 2007 stellt sich heraus, dass Yijie Wang,
die gerade neu in meine Klasse aufgenommene Kompositionsstudentin, aus
Qingdao stammt, der früheren deutschen Handelsniederlassung Tsing Tau,
wo Richard Wilhelm von 1899-1920 als Missionar und Übersetzer klassischer
chinesischer Texte (u. a. das I Ging) wirkte. Im nahe gelegenen Laoshan-­
Gebirge sind die seit 1984 wieder erstandenen taoistischen Klöster heute ein
begehrtes Reiseziel. Da will ich hin, auf den Spuren Richard Wilhelms!
Zweiter glücklicher Umstand
Xiaoyong Chen, als Komponist ehemaliger Ligetischüler wird Gastprofessor
an unserer Hochschule, ist inzwischen zum Teilzeitprofessor berufen, um nach
meiner Emeritierung (auch) das interkulturelle Seminar zu übernehmen. Er
vermittelt mir eine Einladung in die alte Kaiserstadt Xi‘an an die dortige drittgrößte chinesische Musikhochschule, die ich 2011 als Dienstreise wahrnehmen
kann, begleitet von meiner inzwischen erfolgreich diplomierten Schülerin Yijie
Wang und ihrem Mann Jin. Vorher geht es ins Laoshan-Gebirge.
Dritter glücklicher Umstand
Zheng Liu, Komponist und Kollege an der Lübecker Musikhochschule und dort
Schüler von Friedhelm Döhl gewesen, wird zum Leiter der Musikhochschule
seiner Heimatstadt Xi‘an berufen. Er betreut uns dort nun bei den Vorlesungen,
Konzerten und Seminaren und begleitet uns auf einer anschließenden Reise ins
alte China. Die Exkursion führt uns zur legendären Wirkungsstätte des Laotse,
zur Terracotta Armee und schließlich zu den Heißen Quellen von Huaqing mit
dem Bad der kaiserlichen Konkubine Yang Guifei.
Vierter glücklicher Umstand
Im Jahre 748 n.Chr. ließ Kaiser Xuanzong in dieser wunderbaren, am Fuß des
Berges Lishan gelegenen Landschaft mit seinen heilsamen Thermalquellen die
ursprüngliche Palastanlage mit künstlichem See und Badehäusern erbauen,
um dort mit seiner zweiten Konkubine den Winter zu verbringen. Heute krönt
19
eine edle Marmorstatue der Yang Guifei diese von chinesischen und ausländischen Touristen frequentierte Stätte. Durch einen Zufall bekommen wir das
bunte Programmheft einer aufwendigen Ballettaufführung in die Hände: wie
eine Ausstattungsoperette wird hier der Mythos der Yang Guifei „nachgespielt“,
denn zahllose Dichter besangen ihre Schönheit.
Fünfter glücklicher Umstand
Da wir während der ganzen Zeit in China mit Yijie Wang überlegt hatten, was
sie denn als Opernstoff für den künstlerischen Teil ihrer Promotionsarbeit in
Angriff nehmen könnte, gab dieses Prospekt auf Glanzpapier den ersten
Impuls.
In ihren frühen Liedern bereits, dann in ihrem Himmelssprung und ihrem
Mondmärchen war das musikdramatische Talent von Yijie Wang evident.
Sie kann für Singstimmen schreiben und geschmackvoll heutige europäische
Musik mit chinesischen Instrumenten und Zitaten verschmelzen, hat auch
­keine Angst vor Süße und Expressivität. Sie „züchtet Hybride zwischen den
Gattungen“, schrieb Lutz Lesle im Sommer 2011 in der Welt.
Sechster glücklicher Umstand
An der Rückseite einer der Paläste befand sich eine riesige Holztafel mit chinesischen Schriftzeichen. Song of the Everlasting Sorrow war daneben auch auf
Englisch zu lesen. Alle fotografierten diese lange Schrifttafel, denn es handelte
sich um die ins Holz gravierte Original-Handschrift von Mao Zedong. Im Jahre
755 war wegen der politischen Einflüsse der Konkubine eine als An-LushanAufstand bekannt gewordene Militärrevolte ausgebrochen, welche die Dynas­
tie an den Rand des Abgrunds bringen sollte. Das mag Mao Zedong 1200
­Jahre später als revolutionärer Vorbote erschienen sein. „Komm, Yijie, jetzt
wirst du vor deinem Opernprojekt fotografiert!“
Siebter glücklicher Umstand
Auf der Suche nach jemandem aus
der raren Gattung „Opernlibrettist“
hatte Bettina Knauer eine glückliche Hand. Sören Ingwersen war
schon bei der Kollektivoper Über
Frauen – Über Grenzen für die
Münchner Biennale 2000 und zum
50. Jubiläum der Hochschule als
Statue der Yang Guifei bei den Quellen von Huaqing.
21
Schauspieler und Videokünstler dabei. Ihm ist es gelungen, dieses nur den
­ hinesen allseits bekannte Polit- und Liebesdrama in nachvollziehbare HandC
lungsabäufe und eine sang- und vertonbare deutsche Sprache zu bringen.
Achter glücklicher Umstand
Dass die Uraufführung von Yang Guifei – Die Konkubine des Kaisers jetzt zur
Abschiedsvorstellung eines der künstlerisch professionellsten Kollegen unserer
Hochschule werden wird, scheint mir schließlich der eigentliche Glücksfall der
ganzen Angelegenheit zu sein: Dominik Neuner war auch schon der Regisseur
von Alkestis und Medea, jenen erfolgreichen Opernprojekten, die, wie jetzt
Yang Guifei, „das fächerübergreifende Verständnis unserer Hochschule abbilden, in der alle Dekanate und Fachrichtungen miteinander verzahnt, Hand in
Hand an der Realisation zusammenarbeiten.“ (Hochschulzeitung zwoelf)
Peter Michael Hamel, 1947 in München geboren, Schüler
von Büchtger und Bialas, Musikwissenschaften bei Georgiades
und Dahlhaus, Improvisationsgruppe „Between“, Beschäftigung
mit politischem Kabarett, experimenteller Avantgarde und
­Elektronik, Zusammenarbeit mit Cage, Feldman, Ferrari,
Orff, Riedl, Riley und Stockhausen, weltweite Tätigkeit als
„self performing artist“ (Tasteninstrumente und Stimme),
Musiktheater-, Orchester-, Chor- und Kammermusikwerke
(Bärenreiter/E.R.P./Schott), zahlreiche CD-Veröffentlichungen
(www.harmonies.com/www.wergo.de). Von 1997–2012 Professor an der Hochschule
für Musik und Theater Hamburg, 1998 Gründung des Interkulturellen Musikinstitutes
in Aschau im Chiemgau. (www.p-m-hamel.de)
长恨歌
THE EVERLASTING REGRET
汉皇重色思倾国,
御宇多年求不得。
Beauty-loving monarch longed year after year,
To find a beautiful lady without peer.
杨家有女初长成,
养在深闺人未识。
A maiden of the Yangs to womanhood just grown,
In inner chambers bred, to the world was unknown.
天生丽质难自弃,
一朝选在君王侧。
回眸一笑百媚生,
六宫粉黛无颜色。
Endowed with natural beauty too hard to hide,
One day she stood selected for the monarch’s side.
Turning her head, she smiled so sweet and full of grace
That she outshone in six palaces the fairest face.
春寒赐浴华清池,
温泉水滑洗凝脂。
She bathed in glassy water of warm-fountain pool,
Which laved and smoothed her creamy skin when spring was cool.
侍儿扶起娇无力,
始是新承恩泽时。
Upborne by her attendants, she rose too faint to move,
And this was when she first received the monarch’s love.
云鬓花颜金步摇,
芙蓉帐暖度春宵。
Flowerlike face and cloudlike hair, golden-headdressed,
In lotus-flower curtain she spent the night blessed.
春宵苦短日高起,
从此君王不早朝。
She slept till sun rose high, for the blessed night was short,
From then on the monarch held no longer morning court.
22
承欢侍宴无闲暇,
春从春游夜专夜。
In revels as in feasts she shared her lord’s delight,
His companion on trips and his mistress at night.
后宫佳丽三千人,
三千宠爱在一身。
In inner palace dwelt three thousand ladies fair,
On her alone was lavished royal love and care.
Zhou Fang, Hofdamen, 8.Jh.
金星妆成娇侍夜,
玉楼宴罢醉和春。
Her beauty served the night when dressed in Golden Bower
Or drunk with wine and spring at banquet in Jade Tower.
姊妹弟兄皆列士,
可怜光彩生门户。
遂令天下父母心,
不重生男重生女。
All her sisters and brothers received rank and fief
And honours showered on her household, to the grief.
Of the fathers and mothers who’d rather give birth
To a fair maiden than any son on earth.
骊宫高处入青云,
仙乐风飘处处闻。
缓歌慢舞凝丝竹,
尽日君王看不足。
The lofty palace towered high into blue cloud,
With wind-borne music so divine the air was loud.
Seeing slow dance and hearing fluted or stringed song,
The emperor was never tired the whole day long.
渔阳鼙鼓动地来,
惊破霓裳羽衣曲。
But rebels beat their war drums, making the earth quake
And “Song of Rainbow Skirt and Coat of Feathers” break.
九重城阙烟尘生,
千乘万骑西南行。
A cloud of dust was raised o’er city walls nine-fold;
Thousands of chariots and horsemen southwestward rolled.
翠华摇摇行复止,
西出都门百馀里。
Imperial flags moved slowly now and halted then,
And thirty miles from Western Gate they stopped again.
六军不发无奈何,
宛转蛾眉马前死。
Six armies would not march -- what could be done? -- with speed
Until the Lady Yang was killed before the steed.
花钿委地无人收,
翠翘金雀玉搔头。
None would pick up her hairpin fallen to the ground
Or golden bird and comb with which her head was crowned.
君王掩面救不得,
回看血泪相和流。
The monarch could not save her and hid his face in fear;
Turning his head, he saw her blood mix with his tear.
黄埃散漫风萧索,
云栈萦纡登剑阁。
The yellow dust spread wide, the wind blew desolate;
A serpentine plank path led to cloud-capped Sword Gate.
峨嵋山下少人行,
旌旗无光日色薄。
Below the Eyebrow Mountains wayfarers were few;
In fading sunlight royal standards lost their hue.
蜀江水碧蜀山青,
圣主朝朝暮暮情。
On western waters blue and western mountains green
The monarch’s heart was daily gnawed by sorrow keen.
行宫见月伤心色,
夜雨闻铃肠断声。
The moon viewed from his tent shed a soul-searing light,
The bells heard in night rain made a heart-rending sound.
天旋地转回龙驭,
到此踌躇不能去。
马嵬坡下泥土中,
不见玉颜空死处。
鸳鸯瓦冷霜华重,
翡翠衾寒谁与共?
悠悠生死别经年,
魂魄不曾来入梦。
Suddenly turned the tide. Returning from his flight,
The monarch could not tear himself away from the ground
Where ‘mid the clods beneath the slope he couldn’t forget
Where ‘mid the clods beneath the slope he couldn’t forget
The lovebird tiles grew chilly with hoar frost so strong,
And his kingfisher quilt was cold, not shared by a mate.
One long, long year the dead and the living were parted;
Her soul came not in dreams to see the brokenhearted.
君臣相顾尽沾衣,
东望都门信马归。
临邛道士鸿都客,
能以精诚致魂魄。
He looked at ministers, with tears his robe was wet;
They rode east to the capital, but with loose rein.
A Taoist sorcerer came to the palace door,
Skilled to summon the spirit from the other shore.
归来池苑皆依旧,
太液芙蓉未央柳。
为感君王辗转思,
遂教方士殷勤觅。
Back, he found her pond and garden in the old place,
With lotus in the lake and willows by the hall.
Moved by the monarch’s yearning for the departed fair,
He was ordered to seek for her everywhere.
芙蓉如面柳如眉,
对此如何不泪垂!
春风桃李花开日,
秋雨梧桐叶落时。
排空驭气奔如电,
升天入地求之遍。
上穷碧落下黄泉,
两处茫茫皆不见。
Willow leaves like her brows and lotus like her face;
At the sight of all these, how could his tears not fall
Or when in vernal breeze were peach and plum full-blown
Or when in autumn rain parasol leaves were shed?
Borne on the air, like flash of lightning he flew;
In heaven and on earth he searched through and through.
Up to the azure vault and down to deepest place,
Nor above nor below could he e’er find her trace.
西宫南内多秋草,
落叶满阶红不扫。
忽闻海上有仙山,
山在虚无缥缈间。
楼阁玲珑五云起,
其中绰约多仙子。
In western as in southern court was grass o’ergrown;
With fallen leaves unswept the marble steps turned red.
梨园子弟白发新,
椒房阿监青娥老。
Actors, although still young, began to have hair grey;
Eunuchs and waiting maids looked old in palace deep.
夕殿萤飞思悄然,
孤灯挑尽未成眠。
迟迟钟鼓初长夜,
耿耿星河欲曙天。
Fireflies flitting the hall, mutely he pined away;
The lonely lampwick burned out; still he could not sleep.
Slowly beat drums and rang bells; night began to grow long;
Bright shone the Milky Way; daybreak seemed to come late.
He learned that on the sea were fairy mountains proud
That now appeared, now disappeared amid the cloud
Of rainbow colours where rose magnificent bowers
And dwelt so many fairies as graceful as flowers.
中有一人字太真,
雪肤花貌参差是。
Among them was a queen whose name was Ever True;
Her snow-white skin and sweet face might afford a clue.
金阙西厢叩玉扃,
转教小玉报双成。
Knocking at western gate of palace hall, he bade
The porter fair to inform the queen’s waiting maid.
闻道汉家天子使,
九华帐里梦魂惊。
钗留一股合一扇,
钗擘黄金合分钿。
When she heard there came the monarch’s embassy,
The queen was startled out of dreams in her canopy.
Keeping one side of the case and one wing of the pin,
She sent to her dear lord the other half of the twin.
揽衣推枕起徘徊,
珠箔银屏迤逦开。
云鬓半偏新睡觉,
花冠不整下堂来。
但教心似金钿坚,
天上人间会相见。
Pushing aside the pillow, she rose and got dressed,
Passing through silver screen and pearl shade to meet the guest.
Her cloudlike hair awry, not full awake at all,
Her flowery cap slanted, she came into the hall.
风吹仙袂飘飘举,
犹似霓裳羽衣舞。
The wind blew up her fairy sleeves and made them float
As if she danced the “Rainbow Skirt and Feathered Coat.”
玉容寂寞泪阑干,
梨花一枝春带雨。
Her jade-white face crisscrossed with tears in lonely world
Like a spray of pear blossoms in spring rain impearled.
含情凝睇谢君王,
一别音容两渺茫。
She bade him thank her lord, lovesick and brokenhearted;
They knew nothing of each other after they parted.
“If our two hearts as firm as the gold should remain.
In heaven or on earth we’ll sometime meet again.”
临别殷勤重寄词,
词中有誓两心知。
At parting she confided to the messenger
A secret vow known only to her lord and her.
七月七日长生殿,
夜半无人私语时。
On seventh day of seventh moon when none was near,
At midnight in Long Life Hall he whispered in her ear,
在天愿作比翼鸟,
在地愿为连理枝。
“On high, we’d be two lovebirds flying wing to wing;
On earth, two trees with branches twined from spring to spring.”
天长地久有时尽,
此恨绵绵无绝期!
The boundless sky and endless earth may pass away,
But this vow unfulfilled will be regretted for aye.
昭阳殿里恩爱绝,
蓬莱宫中日月长。
Love and happiness long ended within palace walls;
Days and months appeared long in the fairyland halls.
回头下望人寰处,
不见长安见尘雾。
Turning her head and fixing on the earth her gaze,
She saw no capital ’mid clouds of dust and haze.
唯将旧物表深情,
钿合金钗寄将去。
To show her love was deep, she took out keepsakes old
For him to carry back, hairpin and case of gold.
(Bai Juyi / Übersetzung: Xu Yuanchong)
Dominik Neuner und
Bettina Rohrbeck
im Gespräch mit Bettina Knauer
Yang Guifei wird ihre letzte Inszenierung an der HfMT sein. Warum haben
sie sich zusammen mit der Dirigentin Bettina Rohrbeck gerade für dieses
Werk entschieden?
D. N. Es wurde ja wohl Zeit, an der Hochschule für Musik und Theater auch
mal die Uraufführung einer Oper zu wagen. In diesem Fall die einer enorm
begabten chinesischen Kompositionsstudentin aus unserem Haus. Und
unseren Gesang- und Oper-Studierenden gibt das die notwendige Gelegenheit,
sich auch mit aktueller Musik befassen. Und dann ist da dieser Stoff! Als
Schweizer habe die Geschichte der Yang Guifei vorher nicht gekannt. Aber
offenbar genießt sie in China die legendäre Größe von „Wilhelm Tell“. Doch
die historisch verbriefte Geschichte um Yang Guifei greift ins Innerste, ins
Abgründigste der Menschen, wie wir es aus den griechischen Tragödien kennen. Und dieses in den jungen Menschen aus Europa, Südamerika und China
zu wecken war mir ein Bedürfnis.
B. R. Immer mehr Studierende aus dem asiatischen Raum kommen an die
Hochschule. Sie lernen unsere Kultur kennen, wir aber setzen uns kaum mit
der ihren auseinander – dahinter steht eine Arroganz. Es ist also mehr als überfällig, dass wir mit diesem Opernprojekt in einen Dialog mit der chinesischen
Kultur treten. Was ich zudem spannend finde ist, dass chinesische Künstlerin­
nen und Künstler oft viel unvoreingenommener mit stilistischen Fragen
um­gehen. Das zeigt sich in der Musik aber auch in der bildenden Kunst. Neue
Impulse kommen heute nahezu ausschließlich aus Asien, wie ich auch beim
Besuch der Biennale in Venedig immer wieder feststellen kann. Auch die Neue
Musik steckt in Europa in einer Sackgasse. Was darf ich überhaupt noch? –
­diese Frage behindert viele Entwicklungen. Yijie Wang hingegen scheut sich
nicht Melodien zu komponieren und geht mit verschiedensten Einflüssen
unverkrampft um. Darauf sollten wir uns einlassen.
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Das Opernprojekt entwickelte sich in einem fächerübergreifenden Prozess.
Was bedeutet ihnen diese Verbindung zugleich wissenschaftlichen und
künstlerischen Forschens?
D. N. Jedem künstlerischen Prozess liegt zuerst eine Frage zugrunde. So auch
der Wissenschaft. Solche Transferprojekte wie diese Opernproduktion helfen,
ein verschultes und isoliertes Lehr- und Lernverständnis aufzubrechen. Und
die Zeit des Studiums wird wieder zur wichtigsten Zeit im Leben, in der es gilt,
eben dieses Leben auch in seinen Untiefen auszuloten, es zu befragen, es in der
Rolle zu erspüren und zu erforschen. Da gehen Kunst und Wissenschaft Hand
in Hand. Unbefragt darf nichts auf die Bühne gestellt werden.
Welche Kontexte rufen sie mit ihrer Deutung der Yang Guifei auf?
D. N. Yang Guifei wird zumeist als femme fatale bezeichnet. Zweifellos eine
männliche Projektion, die ich brechen möchte. Femme fatale meint eine
un­ergründliche Frau, die im selben Maße von Männern begehrt wird wie sie
diesen zum Verhängnis wird. Um den Verhängniszusammenhang aufzulösen,
bleibt den Männern dann nur der Mord resp. die Opferung der Frau. Am Ende
steht bei diesem europäischen Topos der femme fatale also die tote Frau. Yang
Gufei fällt insofern aus diesen Zuschreibungen heraus, da sie immer Handelnde bleibt, bei sich ist – auch im Tode. Und sie ist Realistin, sich der gesellschaftlich-politischen Implikationen ihres Handelns stets bewusst. Anders der Kaiser.
Dieser flüchtet sich in die Kunst, verliert sich in seinen Projektionen. Er wagt
den Blick auf Yang Guifei nur in Momenten der Verführung oder der Aggres­
sion, wenn er schwärmt, dann projieziert er sie in ein Jenseitiges, wo die
„himmlischen Jungfrauen auf rosa Wolken thronen“. Der 3. Akt macht das
besonders deutlich: „Ich erkenne dich als Bild in meinem Traum …“. Yang
Guifei antwortet: „Fass mich nur an! Ist das vielleicht ein Traum?“. Yang Guifei
weiß, dass Kunst immer geerdet sein muss. Als Referenztext für die Selbst­
bewusstheit Yang Guifeis ist mir das Gedicht von Ingeborg Bachmann wichtig.
Dieses Gedicht – symbolisch im chinesischen Zeichen für „Ich“ verdichtet –
ist ein Kernpunkt meiner Interpretation.
Das Vogel-Motiv, verdichtet in Yang Guifeis Schatten, spielt eine große Rolle
in ihrer Inszenierung.
D. N. Gleich zu Beginn der Oper erschrecken sich die Hofdamen des Kaisers
über einen Vogel, der ins Bad gefallen ist. Das Bad, in dem der Kaiser seine
ange­betete Yang Yuhuan zu seiner Frau als Yang Guifei machten möchte. Der
Schatten und die Bewegungsabläufe der Inszenierung sind „vogelhaft“. Das
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Ich.
Sklaverei ertrag ich nicht
Ich bin immer ich
Will mich irgend et was beugen
Lieber breche ich.
Kommt des Schicksals Härte
oder Menschenmacht
Hier, so bin ich und so bleib ich
Und so bleib ich bis zur letzten Kraft.
Darum bin ich stets nur eines
Ich bin immer ich
Steige ich, so steig ich hoch
Falle ich, so fall ich ganz.
Ingeborg Bachmann
Un­berechenbare von Vögeln fasziniert mich. Sie sind scheu, sie sind schnell.
Ich möchte dieses Motiv bis in die einzelnen Bewegungsabläufe hinein aus­
falten. Zudem gelten Vögel als Träger eines anderen, geheimen Wissens. Für
mich hat Yang Guifei eine solche Vogelseele; sie ist eine Frau, die im Gegenwärtigen Vergangenes erfährt und es in die Zukunft wirft – ein „Ahnungs­
wesen“.
Die Arbeit an einer Uraufführung ist immer mit besonderen
Herausforderungen verbunden? Wie sehen sie diesen Prozess?
B. R. Sehr positiv. Das Projekt ist ein ständiger Dialog und das muss vor allem
für die Sängerinnen und Sänger so sein. Viele Werke der Neuen Musik für
Stimme sind kaum oder nicht umsetzbar, sie werden abstrakt konzipiert und
achten nicht darauf, was Sängerinnen und Sänger leisten können. Anders bei
Yijie Wang: sie schreibt gesanglich, hat mit uns gemeinsam mit den Sänger­
Innen und InstrumentalistInnen gearbeitet und ständig geprüft, was stimmlich
und spieltechnisch machbar ist. Übrigens: früher war dies absolut üblich;
Mozart hat immer für seine Sänger geschrieben. Und Yijie Wangs Musik ist für
Menschen mit Menschen geschrieben. Sie arbeitet außerordentlich strukturiert und als verlässliche Partnerin für alle Ausführenden.
D. N. Zu einer solchen Uraufführung gehört ein ganz strikter Fahrplan. Und
es braucht viel Zeit. Vier Fassungen des Librettos sind gemacht worden, mehrmals dramaturgisch hinterfragt worden, dann erst konnte der Kompositionsprozess einsetzen. Auch hier gab es ein permanentes, offenes Miteinander.
Man muss sich als Partner verstehen, auf allen Ebenen, dann wird solch eine
Uraufführung ein großartiges gemeinsames Projekt.
Dominik Neuner (Regie, Bühne)
Der in Basel geborene Regisseur kam 1973 nach Stuttgart,
wo er die Schauspielschule absolvierte. Seine Laufbahn als
Schauspieler und Regieassistent begann 1976 am Staatstheater
Stuttgart und am Theater Heidelberg. 1978 wurde er als
­Dramaturg, Regisseur und Schauspieler an die Württembergische Landesbühne Esslingen engagiert. Gastinszenierungen
führten ihn nach Aachen, Luxemburg, Saarbrücken, Basel und
Luzern. 1985-88 leitete Neuner als Oberspielleiter das Schauspiel am Stadttheater Würzburg. Seit 1990 trat er als Opernregisseur in Maastricht,
Amsterdam, Rotterdam und wiederholt in den Opernhäusern von Prag, Innsbruck,
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33
Regensburg, Braunschweig, Kiel und Münster mit den Werken von Verdi, Wagner,
­Puccini, Tschajkowsky, R. Strauss, und B. Britten in Erscheinung. 1996 wurde Neuner
Operndirektor am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Die langjährige Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Toshijuki Kamioka, den Bühnenbildnern Roland Aeschlimann
und Hans Dieter Schaal, sowie den Dramaturgen Norbert Abels und ­Margrit Poremba
fand ihre Fortsetzung am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit H
­ offmanns Erzählungen
von J. Offenbach, Mazeppa von Tschajkowsky, Puccinis Manon Lescaut – und in Wuppertal mit Tschajkowskys Pique dame. 2010 brachte er am Staatstheater Saarbrücken eine
viel gelobte Inszenierung von Puccinis Turandot auf die Bühne. Neben Essays zu
Re­zeptionsfragen des Musiktheaters erschienen die Biographien Mozart auf Reisen und
Rossini. Seit 2002 bekleidet Dominik Neuner eine Professur an der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg und ist Gast-Regisseur an diversen Opernhäusern. Im Juni
2014 inszeniert er am Staatstheater Saarbrücken R. Strauss’
Die Frau ohne Schatten.
Bettina Rohrbeck (Musikalische Leitung)
studierte Klavier, Komposition und Dirigieren. Zusammenarbeit
als Assistentin mit den Dirigenten Kent Nagano, Reinhard
­Goebel, Eduardo Lopez-Banzo, Ruben Dubrowski, als Klavier­
begleiterin u. a. der SängerInnen Renate Behle, Horst Laubenthal, Mirella Freni, Felicity Lott. Konzertreisen führten sie durch
Europa, Asien und Südamerika, es entstanden Rundfunk und
CD-Aufnahmen (u. a. mit Hammerflügel: Schubertlieder,
­Loewe-Balladen, Winterreise), Gastverträge beim SchleswigHolstein-Festival, den Opernfestspielen Freistadt, dem Rossini-Festival auf Rügen, der
Chorakademie Siena, dem Grieg-Festival-Bergen, den Weber-Tagen Eutin, bei den
­Goethe-Instituten in Lima, La Paz, Bogota, Caracas, dem Center of the Arts Singapor,
der Universität Brasilia, der ISAF Afghanistan u. a. Als Dirigentin arbeitete sie in Frankreich und Österreich sowie an Opernhäusern in Deutschland und der Schweiz. Bettina
Rohrbeck ist Studienleiterin und Kapellmeisterin an der Oper Kiel und hat einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Hamburg inne. 2012 leitete sie in Zusammenarbeit
mit der Oper Kiel und dem Festival für neue Musik „Chiffren“ die Uraufführung eines
von Jugendlichen in einem 2-jährigen Kurs komponierten Opernprojektes, das von
ARTE dokumentiert wurde.
„Den Schwalben
nachblickend und den
Grillen lauschend“
Über die k aiserliche Konkubine Yang Guifei und
ihre Lebenswelt
Hans Stumpfeldt
„Den Schwalben nachblickend und den Grillen lauschend“, so lautet ein altes
kulturelles Klischee über die Befindlichkeiten der weiblichen Angehörigen des
Hofstaates chinesischer Kaiser in lange vergangenen Jahrhunderten, also auch
im 8. Jahrhundert, in dem diese Oper Yang Guifei der jungen chinesischen
Komponistin Yijie Wang spielt. Vielleicht hat allein diese berühmte Frauengestalt aus der chinesischen Geschichte sie auf dieses Thema gebracht. Vielleicht
waren das aber auch Erlebnisse von Opernaufführungen aus der westlichen
Theatertradition oder solche aus der so ganz
anders gearteten chinesischen Oper. Da mag viel
zusammengekommen sein, bevor sie in Hamburg Kompositionslehre studierte. Wahrscheinlich hat Yijie Wang den Stoff für ihre Oper mit
großem Bedacht ausgewählt. Die chinesische
Geschichte böte viel Stoff für herzergreifende
Opernlibretti, doch dieser ist zusätzlich einer der
volkstümlichsten, aber hundertmal in Gedichten,
Stücken, Filmen dargestellt. In Kurzfassung,
­dieser Stoff klingt wie folgt:
Ein alternder Kaiser liebt eine seiner vielen Konkubinen beinahe abgöttisch, begünstigt sie und
ihre Verwandtschaft verschwenderisch, vernachlässigt über den Liebesfreuden das Regieren, er­regt so Ummut unter Würdenträgern und Untertanen und fordert hierdurch Rebellionen machtlüsterner Provinzherren heraus. Als einer dieser
34
Portrait der Konkubine
Yang Guifei nach dem Bade,
Ende der Ming-Dynastie.
Privatbesitz.
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aufrührerischen Militärs gegen die Hauptstadt vorrückt, müssen der Herrscher
und seine Schöne fliehen. Am Ende muß der Kaiser zusehen, wie die ebenfalls
rebellische Leibgarde, nach anderen ein Obereunuch, seine Liebs­te erdrosselt,
doch er gelangt auf den Thron zurück, ein gebrochener Mann.
Bereits am Beginn dieser Liebe stand eine Ruchlosigkeit. Erstmals sah der
­Kaiser Yang Guifei nämlich bei der Verheiratung seines 18. Sohnes mit ihr.
Ihre Schönheit betörte ihn, voll Leidenschaft begehrte er sie, doch er konnte
sie nicht einfach kaiserlich-väterlich für sich beanspruchen, denn nach der
­Sitte der Zeit wäre das eine inzestuöse, blutschänderische Verbindung gewesen. Die Schöne muß erst einmal in ein Nonnenkloster, um das zu „heilen“.
Skandalfrei blieb auch die Liebeszeit nicht. Yang Guifei holte nicht nur drei
ältere Schwestern als Genossinnen in den Harem, sondern sorgte auch für
immense Bereicherungen mehrerer männlicher Verwandter. Für das eigene
Wohlbehagen neben dem alternden Kaiser soll der spätere Aufrührer
An Lushan gesorgt haben, ein Koloß von drei Zentnern Gewicht. Damit er
ungestört bei ihr im Harem verweilen könnte, soll sie ihn sogar als Adoptivsohn angenommen haben.
Nach ihrem schmählichen Ende beauftragt der Kaiser, sich nach ihr verzehrend, einen Magier, sie im Jenseits aufzustöbern. Auf einer der Inseln der
Seligen im Ostmeer – nach einem Volksmärchen sogar auf dem Mond – findet
der sie, noch im Jenseits putzmunter. Zwar will sie nicht zum Kaiser zurück,
versichert ihn jedoch ihrer unverbrüchlichen Liebe und verheißt ihm, künftig
könnten sie einander am siebten Tag des siebten Monats erneut begegnen. Das
ist der Tag, besser: die Nacht, des chinesischen Liebesfestes. Leicht lässt sich
vorstellen, dass diese Geschichte viele Menschen bewegte. Leider lässt sich von
kaum einer ihrer Einzelheiten behaupten, dass sie historischer Wirklichkeit
entspricht. Am ehesten darf das lediglich davon gelten, Yang Guifei habe dafür
gesorgt, dass Angehörige von ihrem hohen Konkubinenstatus profitierten. –
Das war eine andere Welt, China im 8. Jahrhundert, wie China uns bis heute
fremd geblieben ist! In Europa war das die Zeit von Karl dem Großen und seinem Frankenreich. Den Affinitäten und Unterschieden zwischen den beiden
Reichen am westlichen und östlichen Ende der Welt will ich in einem Vortrag
mit Lesungen und Bildern am 21. Februar nachgehen*. – Lagen Tang- und
Frankenreich tatsächlich an den beiden genannten Weltenden?
Der kaiserliche Harem, in China oft „die hinteren Hallen/ die hinteren Paläste“
genannt, wäre nicht ein solcher gewesen, wenn viel von den Vorgängen in sei-
36
Li Kung-lin, Ausritt von Hofdamen (Ausschnitt), 12. Jh.
nen Abgeschiedenheiten an die Öffentlichkeit gedrungen wäre. Deshalb
­konnte auch die historische Überlieferung kaum etwas hierüber weitergeben.
Nur umrisshaft lässt er sich schildern, der wie eine abgegrenzte und ummauerte Kleinstadt in der ebenfalls von stattlichen Mauern umgebenen Kaiserstadt
in der Hauptstadt Chang’an war. „Seitenpalast“, neben dem Kaiserpalast,
­nennen zeitgenössische Quellen oft den Harem, und ein Palast ist nicht etwa
ein einzelnes stattliches Bauwerk, sondern eine ausgedehnter Komplex von
herrlichen Bauten, die bescheiden „Pavillon“, „Halle“, sogar „Hütte“ genannt
wurden, aber auch poetisch anmutende besondere Namen hatten, die auf mit
ihnen verbundene Besonderheiten verwiesen. Mehrere tausend Menschen
bevölkerten beständig diese Harem-Kleinstadt, mehr oder weniger ausschließlich Frauen und Eunuchen, deren beide Gruppen durch strenge Hierarchien
gegliedert waren.
An der Spitze der Frauen jeglichen Alters stand in der Regel die Kaiserin, die
oder eine Hauptfrau des Herrschers. An Würde und Rang über ihr konnte die
Kaiserinwitwe stehen, die Gemahlin eines verblichenen Kaisers. Ihr folgten die
kaiserlichen Konkubinen, deren Wertschätzung durch den ihnen zuerkannten
Rang angedeutet wurde, der bei Yang Guifei, dem Familiennamen Yang nachgestellt, „Wertgeschätzte Konkubine“ bedeutete. „Huldvolle Konkubine“ war
der nächste Rang, und noch die untersten Ränge klangen bedeutend oder
wenigstens ansehnlich.
37
Mehrere hundert Konkubinen, die besser Hofdamen genannt werden sollten,
lebten beständig in diesen Hinteren Hallen beziehungsweise dem Seitenpalast;
nach manchen Berichten waren das zur Zeit der Yang Guifei sogar dreitausend.
Unbekannt ist, ob allein kaiserliche Wertschätzung für die Zuerkennung solcher Rangstufen verantwortlich war; auch Schönheit oder Liebeskünste dürften nicht allein darüber entschieden haben. Wahrscheinlich gelangten junge
Mädchen aus Familien geringen Standes wegen ihrer Schönheit in den Harem,
doch auch große und angesehene Würdenträger- und Adelsfamilien waren
bestrebt, Töchter aus ihrem Hause im Harem unterzubringen, wo ihre Aufgabe
unter anderem war, zum Wohle der Familie und deren männlichen Angehörigen auf den Kaiser einzuwirken.
Für alle wichtigen Lebensbereiche waren im Harem besondere Funktionäre
zuständig, natürlich für den Schmuck und die Gewänder, auch die Gebäude
und die Gartenanlagen, für die Speisen und die Getränke, allein für die aufwendigen Frisuren drei Würdenträger. Alle diese Funktionäre verfügten über
Untergebene, deren Zahl unbekannt ist, wie auch den Hofdamen Zofen und
Dienerinnen zur Seite standen. Meistens wurden diese Hofdamen, von der Kaiserin angefangen, auch zu kleinen Arbeiten angehalten, vor allem bei der Herstellung von Seide, was seit dem Altertum ein Privileg der feinen Damen war.
Aber auch die Bildung kam nicht zu kurz, denn drei Würdenträger waren für
ihre Kenntnisse in den Klassikern und der Geschichte zuständig. Kaiser Ming
richtete zusätzlich im Jahre 714 das Hofunterhaltungsamt ein, in dem jeweils
einige hundert Hofdamen in Musikübungen und mehreren darstellenden Künsten unterrichtet wurden.
Vor allem in diesen Bereichen, Literatur und Kunst, erneuerte sich die chinesische Kultur in dieser Tang-Zeit, im 7. und 8. Jahrhundert, die als Chinas
­Goldenes Zeitalter und zugleich als eines von großer Weltoffenheit gelten. Alle
damals weitverbreiteten Religionen – Judentum, Manichäismus, Christentum,
sogar schon der Islam – hatten sich in der Hauptstadt Stätten für fromme
Übungen geschaffen, doch der indische Buddhismus dominierte, in seinem
chinesischen Gewand, obwohl das Kaiserhaus den einheimischen Daoismus
stärker beachtete, denn es fühlte sich dessen Ahnherrn Laozi familiär verbunden und hatte solche vorgebliche Nähe schon für seine legitimatorische Propaganda genutzt.
Nachhaltig gewirkt haben die anderen Religionen nicht, denn auch sonst
waren die Menschen in der Tang-Zeit nicht so recht philosophischen und tran-
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szendentalen Problemen
zugetan. Ihnen lagen die
Lebensfreuden näher am
­Herzen, darunter auch und
vor allem die Poesie. Wegen
der Eigenart der chinesischen
Sprache und Schrift lässt sich
nicht leichthin feststellen, ob
sich fremdländische Einflüsse
auch in der Dichtkunst zeigen.
Unübersehbar ist aber, dass
Anonym, Hofdamen beim Musizieren, 9. Jh.
die Musik sich erneuerte, vor
allem durch die Einführung
neuer Musikinstrumente, meistens aus Zentralasien und über die Seidenstraße
nach hier gelangt. Auf den gleichen Wegen erreichten neue, oft florale Ornamente aus dem Westen China und bereicherten die Dekore von Spiegeln,
Schminkdöschen, kostbaren Schalen und weiteren Werken der chinesischen
Handwerkskunst, während einzigartige Gläser aus Syrien anscheinend öfter
unversehrt die weite Reise nach hier überstanden. Eine Reise ganz anderer Art
erlebte ein Bauwerktyp: Die kleinen Stupas als Ausdruck indisch-buddhistischer Gedenkfrömmigkeit wurden von noch frommen Baumeistern auf dem
Weg dieses Baukonzepts über die Seidenstraße nach China zu sieben-, gar
neungeschossigen Pagoden aufgetürmt. Aberhunderte solch himmelstürmender und oft kostbar ausgestatteter Pagoden im Tang-Reich haben ihren
Betrachtern fraglos Botschaften vermitteln wollen, doch darüber lässt sich
einstweilen nichts genauer sagen. Für mentalitätsgeschichtliche Studien wäre
zwar reichlich Material vorhanden, doch bisher wurden solche Studien nicht
versucht.
Eine überaus anschauliche Materialgruppe hierfür wären die sogenannten
Grabfiguren, kleine Skulpturen von 40 bis 80 Zentimeter Höhe, mit Darstellungen vor allem von Tieren und Menschen. Als der Brauch, den Toten solche
Skulpturen ins Grab mitzugeben, Jahrhunderte früher aufgekommen war,
­deuteten diese vor dem Jenseits an, welche soziale Stellung der Verblichene im
irdischen Leben eingenommen hatte. Diese Funktion blieb in der Tang-Zeit
wohl nur eingeschränkt bewahrt. Offensichtlich ist, dass eine Freude am
Bizarren die gestaltenden Künstler und wohl auch die Betrachter ihrer Werke
erfüllte. Das zeigt sich allein schon daran, dass von den Tieren vor allem das
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Kamel, das Lastentier der Seidenstraße, dargestellt wurde. Alle seine Lebenshaltungen erschienen den Tang-Menschen offenbar als so ungewöhnlich und
bestaunenswert, wenn nicht bizarr-lächerlich, dass sie nicht genug darüber
staunen konnten.
üppigen reifen Frau, weshalb sie
zur Blüte des fünften Monats
­erhoben wurde, nach dem Mond­
kalender im Hochsommer.
Als besonders interessant erschienen ihnen wohl die heute sogenannten Musikantenkamele, die mehrere abenteuerlich aussehende Musiker ausländischer
Herkunft transportierten. Überhaupt waren Ausländer – von blondlockigen
Knaben bis zu wildbärtigen, hakennasigen Armeniern – unter den Menschendarstellungen besonders beliebt. Aber auch Beamte und Diener, letztere nicht
selten in frechen Posen, wurden wiedergegeben. Natürlich gilt das auch für
Frauen, vornehme und Dienerinnen, welche Skulpturen erlauben, die Mode
und die Modetorheiten, auch die des Schminkens, jener Zeit zu rekonstruieren.
Nur wenige beiläufige Aufzeichnungen lassen etwas über Liebe
und Liebesleben damals erkennen,
doch weite Bevölkerungskreise
lebten anscheinend zumindest
die Sexualität unbefangen und
unreglementiert aus. Da erscheint
dann als naheliegend, dass – wie
die Grabfiguren erweisen – das
Dekolleté bei den Kleidern der
Damen aufkam – und schnell
­größer wurde. Angeblich stammte
diese „Erfindung“ aus Persien, und
in diesem Zusammenhang sollte ich
sagen, dass ein berühmter Dichter
Tonfigur einer Hofdame.
in einer Art Ratesspiel fragte: „Was
ist ein Widerspruch in sich?“ Eine
der Antworten lautete: „Ein armer
Perser.“ – Ungefähr 15.000 lebten damals in China, vor allem als Kaufleute
und im heutigen Kanton. Wir können uns nur allmählich vorstellen, wie
anders die Welt und China damals aussahen, doch darüber werde ich mehr,
wie gesagt, am 21. Februar erzählen.
Sie vermitteln aber auch eine Vorstellung von idealer Frauenschönheit damals.
Üppige Fülle gehörte dazu, jedenfalls in „feinen“ Häusern, und die Gesichter
sollten vollen Monden gleichen, die Augenbrauen den kräftigen Leibern von
Nachtfaltern. Frauen, denen die Natur das nicht gegeben hatte, schminkten
sich kräftig und zeitweise so stark, dass die gestalteten Augenbrauen einen
großen Teil der Stirn einnahmen, mit einer üppigen Hochfrisur ­darüber. Als
Haarschmuck, neben Nadeln und Spangen aus edlen Materialien, steckten sich
die üppigen Hofdamen dann noch
­Päonien, Pfingstrosen, in die Haare.
Um die Züchtung immer neuer
­Formen dieser prachtvollen Blüten
entfalteten deren Liebhaber und
professionelle Blumengärtner einen
Kult, dem nur viel später die
Tulpen­lust in den Niederlanden
im 16. Jahrhundert ähneln sollte.
Die Zweithauptstadt Luoyang wurde ein Zentrum der Päonienliebe –
und sieht diese Blüte bis heute als
ihre Blüte an. Zur Wertschätzung
der Päonie hat beigetragen, dass
sie nicht wie die Frühlingsblüher
Winterkirsche, Aprikose und
­Pfirsich junger Mädchenblüte
Zhou Fang,
­verglichen wurde, sondern einer
Hofdamen beim Triktrakspiel, 8. Jh.
40
In Zusammenhang mit Welt und Zeit der Yang Guifei dürfen die beklagenswerten Eunuchen nicht verschwiegen werden. Einige tausend wieselten stets
durch den kaiserlichen Harem, auch in vornehmen Privathäusern der Hauptstadt waren sie anzutreffen. Meistens kamen sie als Knaben aus den südlichen
Provinzen des Reiches in die Hauptstadt, an den Kaiserhof sogar regelrecht als
„Tribut“. In der Regel wurden sie von älteren Eunuchen adoptiert und auf ihre
Tätigkeit vorbereitet. Hierzu gehörte jedoch nur selten so etwas wie Bildung.
So ist von nur wenigen Eunuchen bekannt, dass sie wenigstens lesen und
schreiben konnten. Im Gegenteil wird beinahe allen Macht- und Geldgier
nachgesagt, was bei einigen zu legendärem Reichtum führte. Weil sie unmittelbaren Zugang zum Kaiser hatten, konnten sie auch dessen Würdenträgern
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solchen Zugang vermitteln oder verwehren und den Herrscher zusätzlich über
die ihm liebsten Haremsdamen manipulieren.
Anscheinend war nicht geregelt, wie der Kaiser unter den vielen Schönheiten
für seine Beiwohnungen wählen sollte. Kaiser Ming, der jeweils ungefähr
­dreißig namentlich bekannte männliche und weibliche Nachkommen gezeugt
haben soll, scheint das mit einiger Umsicht getan zu haben. Eine hübsche
Anekdote erzählt, er habe den Hofdamen aufgetragen, sich Blüten in die Haare
zu stecken. Dann habe er eigenhändig einen Schmetterling gefangen und
­wieder freigelassen. Der Dame, auf deren Haarblüte sich der Schmetterling
niederließ, „beglückte“, wie auch im seinerzeitigen Chinesisch der Begriff
dafür lautete, er in der kommenden Nacht.
Ein Schmetterling war schon lange Symbol für männliches Liebesverlangen,
und später wählen künstlerisch ambitionierte Literaten häufig das Motiv „Blüte mit Schmetterling“, wobei die dargestellte Blüte ebenfalls symbolhaft oder
anspielend wirkt. Solche Hintergründigkeiten in der Malerei kamen in der
Tang-Zeit auf, doch die eben angeführte Anekdote endet schnöde mit den Worten: „Als er mit der Yang zusammen war, endete dieses Schmetterlingsspiel.“
Zwei überaus unterschiedliche Gruppen von Personen beherrschten also den
Harem, die schönen Hofdamen und die Eunuchen. Beide Gruppen waren
ihrerseits nicht homogen, sondern nach Alter, Nähe zum Herrscher und anderen Kriterien stark differenziert, aber in großer persönlicher Nähe verbunden.
Solches Verbundensein führte freilich nur überaus selten zu Vertrautheiten.
Sowohl die Damen als auch die Kastraten waren bestrebt, ihr trostloses persönliches Geschick durch Selbstsucht in anderen Lebensbereichen aufzuhellen,
wobei die Damen eher ihre Familien als die eigene Person im Sinn hatten,
die bei den Eunuchen naheliegenderweise weniger galt. Insgesamt erscheint
der kaiserliche Harem als ein gewaltiger Intrigantenstadl, in dem auf zwei Bühnen – bei den Damen und bei den Eunuchen – gleichzeitig gespielt wird. Niedertracht und Giftmischerei dürften oft die Szenen des Lebens hier bestimmt
haben, und ein Rührstück wie das um die kaiserlich-unsterbliche Liebe zu der
Wertgeschätzten Konkubine Yang dürfte dort selten vorgekommen sein.
In den Augen der Zeitgenossen dürften seine Empfindungen für Yang Guifei
befremdlich erschienen sein, denn die romantische Liebe war damals noch
nicht entdeckt worden. Vielleicht hat ein Gedicht des großen Bai Juyi
(772–846) zur Verklärung der romantischen Liebe, insbesondere dieser kaiserlichen, geführt oder zumindest zu ihr beigetragen. In den meisten Ge­dichten
42
aus jener Zeit begegnen in Zusammenhang mit den Hofdamen aber Schwalben. Leicht nachvollziehbar ist, dass die meist streng bewachten Hof­damen an
diese munteren Zugvögel ihre Sehnsüchte hefteten. Mit den Grillen verglichen
sie sich noch direkter und hielten diese Tierchen ihrerseits in kostbaren kleinen Käfigen gefangen, die sie sogar mit auf ihre Nachtlager nahmen, um ihrem
traurigen Gezirpe nicht weniger betrübt zu lauschen.
Vielleicht gehören Schwalben und Grillen aber in Zusammenhang mit den
Hofdamen auch zu einem kulturellen Klischee, das mit der Lebenswirklichkeit
im kaiserlichen Harem nur ungefähr zu tun hatte. Frühe Bilddokumente zeigen die Hofdamen ansonsten nicht nur beim Spielen von Musikinstrumenten
und bei Brettspielen wie dem chinesischen Schach und Halma, sondern auch
polospielend zu Pferde. Für dieses Spiel mussten sie sich gewiss in die freie
Natur und auch die Gesellschaft von anderen Männern begeben, wie Bilder
und Grabfiguren zeigen. Außerdem durften sich die Hofdamen zum Liebesfest
am 7. 7. sowie zum Laternenfest beim ersten Vollmond im neuen Jahr unter
das gewöhnliche Volk mischen, was natürlich auch liebevolle Begegnungen
erlaubte. Ein berühmtes Gedicht erzählt von einer solchen Begegnung:
„Der Mond schien in die Weidenzweige, / und paarweis’ trafen sich die
­Menschen. – In diesem Jahr, an diesem Tage, / leuchten Mond und Laternen
ganz wie damals,/ doch nirgends ist der Mann vom letzten Jahr, / und Tränen
netzen mir das Frühlingshemd.“
Das Frühlingshemd deutet nicht nur auf Eleganz und Schönheit, sondern auch
auf Liebesverlangen, das bei dieser Hofdame vielleicht unerfüllt blieb, aber
diese Feste boten den Schönen nicht nur Gelegenheit für liebenwürdige
Eskapa­den. Bekanntlich nutzten einige solche Gelegenheiten auch, um ganz
aus dem Harem zu verschwinden. Sonst erlaubte ihnen erst der Tod des Herrschers die Freiheiten, zu ihren Familien zurückzukehren, einen Mann aus dem
einfachen Volk zu finden oder als daoistische Nonne ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben zu führen. Ganz so schlimm wie auf den ersten Blick
erscheint das abgeschiedene Leben der Hofdamen also nicht. Klar ist auch,
dass sich polospielende Damen nicht von ungebildeten Eunuchen gängeln
­ließen. Literarische Überlieferungen aus der Tang-Zeit deuten manchmal
immerhin an, dass einige Hofdamen außerordentlich starke und eigenständige
Persönlichkeiten waren und dass sich solche auch unter den Frauen anderer
sozialer Schichten befanden. Aber die verstreuten und zugleich vielgestaltigen
Materialien für solche sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Überlegungen
müssten erst noch gesichtet und umsichtig interpretiert werden, bevor die
43
Gestalt von Yang Guifei und ihre Verbindung mit dem Kaiser genauer gewürdigt werden können.
Sicher heute schon ist, dass Yang Guifei nicht unter eingebundenen Füßen,
den später sogenannten Lilienfüßen, zu leiden hatte. Dieser scheußliche
Brauch, der Benachteiligung und Entmündigung der Frauen symbolisiert, kam
erst ungefähr hundert Jahre nach ihrem Tod, der eigentlich eine Ermordung
war, auf. Und ihre Mörder leitete ein in vorchristliche Zeiten zurückreichendes
kulturelles Klischee, demzufolge die enge emotionale Bindung eines Kaisers an
eine Frau abträglich für seine Herrschaft und das ganze Reich sei.
In Zusammenhang mit chinesischer Kultur und Geschichte, auch chinesischer
Gegenwart, muss sich ihr Freund oder ein aufgeschlossener Interessent unablässig mit Klischees auseinandersetzen, den eigenen und chinesischen. Für die
Tang-Zeit, die Lebenswelt der Yang Guifei, rühmt ein solches Klischee deren
Glanz, während ein anderes besagt, noch viel an ihr sei geheimnisvoll. Beides,
höfischen Glanz und Geheimnisse von damals, lässt die Oper von Yijie Wang
aufscheinen – auch die Musik in dieser fernen Welt.
* Prof. Hans Stumpfeldt wird im Rahmen des „Ateliers“ zur Uraufführung (19. und 21.–23. Februar 2014)
Vorträge zu den Themen Musik und Dichtung am Kaiserhof und in der Hauptstadt im Jahre 750, China und
die Welt um 750 und Die schönste Frau der T’ang-Zeit und die Stellung der Frau in ihrer Zeit halten.
Prof. Dr. Hans Stumpfeldt, geb. 1941, aufgewachsen in Lohme
auf Rügen, studierte nach seiner Flucht aus der DDR in Freiburg
Politik, Geschichte und Sinologie. Nach seiner Promotion 1967
(Titel der 1970 publizierten Dissertationsschrift: Staatsver­
fassung und Territorium im antiken China: über die Ausbildung
einer territorialen Staatsverfassung) wurde er Wissenschaftlicher
Assistent an der Sinologischen Abteilung der Universität Münster, 1979 wurde er als Professor an die Universität Hamburg
be­rufen und vertrat dort den Studiengang Staat und Gesellschaft Chinas. Seit September 2006 ist Hans Stumpfeldt Emeritus. Neben seinem Forschungsschwerpunkt, der Geschichte und Staatsphilosophie der Han- und Vor-Han-Zeit,
interessiert er sich für die vielfältigsten Themen, die er in zahlreichen Vorträgen,
­Artikeln und Rundfunksendun­gen auch einem breiteren Publikum vorgestellt hat. Seit
dem Jahr 2000 hat er eine eigene Homepage (www.stumpfeldt.de), auf der er in regelmäßigen Abständen Wissenswertes zu China, seiner Geschichte und Gegenwart, aber
auch zum deutschen Chinabild und zu Hamburger China-Kontakten zusammenträgt.
44
Wissenschaft und Kunst:
Beatrix Borchard und
Georg Hajdu
im Gespräch mit Bettina Knauer
Das Opernprojekt Yang Guifei entwickelte sich in einem fächerüber­
greifenden Prozess – in einem „Zugleich“ von wissenschaftlichem und
künstlerischem Forschen. Wie ist dieses „Zugleich“ vorzustellen?
B. B. Am Anfang stand zwar die Idee eines „Zugleichs“, aber de facto stand in
diesem Falle der künstlerische Prozess im Vordergrund. Die wissenschaftlichanalytische Auseinandersetzung zunächst in der Arbeit am Libretto, dann in
Gestalt von Seminaren und Kolloquien sowie von Texten blieb nachgeordnet.
Das hat sicher nicht nur, aber auch mit kulturellen Unterschieden zu tun. Ein
analytischer Umgang mit Themen und Stoffen ist eher europäische als chinesische Tradition. Ein erster Schritt der verbalisierten Reflexion bot das die Produktion begleitende Arbeitsbuch sowie das wissenschaftlich-künstlerische Atelier, das wir als Einstieg für die Uraufführung veranstalten. Der zweite wird
dann nach der Uraufführung erfolgen. Es handelt sich bei dem Projekt ja um
die erste künstlerisch-wissenschaftliche Promotion an unserem Hause, also um
eine Verknüpfung von künstlerischen mit diskursiven Reflexionsformen. Für
uns alle ist die Entstehung von Yang Guifei eine wichtige Erfahrung auch im
Hinblick auf die Betreuung eines so komplexen Vorhabens. Es hat der Komponistin eine einzigartige, aber auch ungewohnte Chance der Kooperation und
Praxiserfahrung geboten.
G. H. Komposition, wie wir sie seit dem 20. Jahrhundert verstehen, ist in
zunehmendem Maße mit Forschung verbunden. Je nach Temperament und
Ausrichtung des Komponisten/der Komponistin ist das eher eine historischgesellschaftswissenschaftliche oder/und naturwissenschaftlich-systematische.
In dem gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Musikwissenschaft
entworfenen Promotionsstudiengang geht es neben dem künstlerischen
­Projekt ja auch darum, Techniken der Forschung zu erlernen, diese zur
Fortsetzung S. 48
45
Imke Ludwig, Figurinen
„Yang Gufei“, „Yang Guozhong“, „Schatten“ und „An Lushan“
­ nwendung zu bringen und am Ende einen konsistenten Text zu verfassen,
A
der den Anforderungen einer Promotion genügt.
Gibt es an der HfMT Hamburg besondere Strukturen, die diesen Prozess
­wissenschaftlich-künstlerischen Forschens unterstützen?
B. B. Für das Selbstverständnis der Hochschule spielt die wissenschaftliche
Reflexion künstlerischer Prozesse eine zentrale Rolle und es gibt seit langem
eine ganze Anzahl fächerübergreifender Projekte wie das Alkestis- und MedeaProjekt, die Salons, die seit 15 Jahren stattfindenden Gender-Ringveranstaltungen, die stets einen künstlerischen Teil miteinbegreifen, u.v.m. Deswegen
wurde ein besonderes Dekanat, das „Dekanat Zwölf“, geschaffen, in dem sich
Kollegen und Kolleginnen aus allen Bereichen zusammenfinden. Dieses Selbstverständnis spiegelt sich auch in der Entwicklung einer künstlerisch-wissenschaftlichen Promotion (Dr. sc. mus.). Aber die am Konservatoriumsmodell
des 19. Jahrhunderts orientierte Fächerstruktur ist noch dominant. Jeder Umorientierungsprozess braucht Zeit und Menschen, die ihn tragen.
G. H. Ja, seit ca. drei Jahren studieren bei uns Komponistinnen und Komponisten in diesem neuartigen Promotionsstudiengang, der mit einem Dr. scientiae musicae abschließt. Das entspricht in etwa dem Doctor of Musical Arts,
wie er an einigen amerikanischen Universitäten angeboten wird. Wir hatten in
Hamburg, im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Musikhochschulen, das Glück, dass dieser Abschluss bereits an der HfMT existierte und wir
ihn nur an unsere Anforderungen anpassen mussten. Da wir relativ geringe
Vergleichmöglichkeiten hatten, sind wir beim Verfassen der Promotions- und
Studienordnung durch manche Fassungen gegangen, bevor wir mit dem
Ergebnis ganz zufrieden waren. Ein Ergebnis, das einerseits eine rigorose
Struktur besitzt, aber andererseits den unterschiedlichen Profilen und Interessen der Bewerber genügend Spielraum lässt (wobei dies hauptsächlich das zu
studierende Nebenfach betrifft).
Yijie Wang komponiert transkulturell, europäische und chinesische
­Traditionen durchdringen sich. Es geht um Verbindung und nicht um die
Markierung von Differenz. Ist das eine Entwicklung, die als exemplarisch
zu bezeichnen wäre?
B. B. Sicher, aber ich glaube, dass durch die Verbindung die Differenzen
durchaus markiert werden. Wirklich neu ist „Transkulturalität“ natürlich nicht.
Schon immer waren Musiker und Musikerinnen Reisende und haben alles aufgegriffen und sich anverwandelt, was sie angeregt hat.
48
G. H. Ja und nein. Natürlich ist es ein Glücksfall das Yijie Wangs Promotion
alle diese Aspekte umfasst, andererseits können wir das nicht von allen Bewerbern erwarten. Allerdings bringen alle meine Promovenden, von denen zwei
Drittel aus dem Ausland kommt, eine aparte Kombination von Eigenschaften
und Talenten mit. Das kann die Beschäftigung mit ungewöhnlichen Tonsystemen bei Nora-Louise Müller, die Erforschung von Theaterrequisiten als musikalische Instrumente bei Todd Harrop oder die Nutzung ungewöhnlicher Controller für die live-elektronische Performance bei Alexander Schubert sein.
Im „Atelier“, das die Uraufführung vorbereitet und kontextualisiert,
haben sie das musikalische Programm konzipiert. Welche Schwerpunkte
haben sie gesetzt und warum?
G. H. Es ging mir dabei erst einmal um das Ungewöhnliche des Ost-West-­
Dialogs, der in seiner Intensität ständig zunimmt. Der erste chinesische Komponist, dem ich in der Ligeti-Klasse begegnete (es muss ungefähr 1987 gewesen
sein), war mein jetziger Kollege Xiaoyong Chen. In meiner kalifornischen Zeit
kam ich dann in engeren Kontakt mit Amerikanern chinesischer Herkunft und
entdeckte meine Affinität zu ihrer Kultur und Mentalität. Dort traf ich auch
ganz zufällig die in Frankreich lebende Komponistin Tona Scherchen-­Hsiao, die
Tochter des berühmten Dirigenten Hermann Scherchen und der ­chinesischen
Komponistin Xiao Shuxian, bei der Xiaoyong Chen in Peking Kontrapunktunter­
richt hatte. Tona Scherchen-Hsiao studierte in den 60er Jahren ebenfalls bei
Ligeti. Trotz ihres wirklich interessanten Hintergrunds und nicht zu unterschätzenden Oeuvres, in dem westlich-avantgardistische und östlich-traditionelle
Elemente zur Synthese gelangen, ist sie bei uns so gut wie unbekannt – ein
Umstand, den es unbedingt zu ändern gilt. Während meiner Reisen nach China
habe ich auch Jian Feng kennengelernt, die am Konservatorium in Wuhan
unterrichtet, das als eines der besseren der chinesischen 9 Musikkonservatorien gilt. Die seit 2010 in Hamburg lebende Multimediakünstlerin Xiao Fu hat
bei ihr in den 90er Jahren im Studiengang für elektronische Musik gelernt, der
erste seiner Art in China. Mein Beitrag ist das Stück Swan Song, ein Metakommentar mit multimedialen Mitteln zu dem Film Lebe Wohl meine Konkubine,
der in den 90er Jahren Furore machte und als einer der Hauptwerke des neuen
chinesischen Film gilt; er dreht sich um das Leben zweier Peking-Opernsänger.
Mein Stück wird der Nachtigall von Karsten Gundermann gegenüber gestellt,
der einen europäischen Märchenstoff im Stil der Pekingoper vertont hat und
damit sowohl in Asien wie Europa Erfolg hatte. So schließen sich in der Programmgestaltung mehrere Kreise zu einem hoffentlich harmonischen Ganzen.
49
(An Beatrix Borchard) Herrschaft – Geschlecht – Kunst: das könnte der
­Obertitel der Auseinandersetzung mit dem Mythos Yang Guifei sein.
­Insbesondere aus Perspektive der Gender-Forschung birgt Yijie Wangs Oper
interessante Fragestellungen.
B. B. Im Zentrum der Oper steht eine historische Frauenfigur. Die Geschichten,
die sich seit Jahrtausenden um sie ranken, wurden bisher – soweit ich weiß –
unter Gendergesichtspunkten von chinesischer Seite aus nicht hinterfragt. Wir
hingegen stellen den Mythos Yang Guifei in den Kontext des Entwurfs von
Frauen- und Männergestalten in der europäischen Operngeschichte. Da gibt es
Parallelen – nicht der Kaiser, der seine politischen Aufgaben vernachlässigt,
sondern die Frau, die er liebt, muss sterben. Erotische Anziehung als Bedrohung männlicher Herrschaft ist also nicht nur im Christentum ein zentrales
Motiv. Der Kaiser und seine Konkubine, beide sind Künstler. Ihr Versuch, Liebesgemeinschaft und Schaffensgemeinschaft miteinander zu verknüpfen,
unterläuft die staatserhaltene Hierarchie zwischen Männern und Frauen, Kaiser und Untertanin. Auch hierin liegt eine Bedrohung der bestehenden Verhältnisse. Schließlich das Thema Haupt- und Nebenfrauen. Eine Konkubine ist keine Prostituierte, auch keine Kurtisane. Was aber war ihre Funktion in der
Tang-Zeit, was erzählt die Geschichte von Yang Guifei über Geschlechterverhältnisse, wenn wir sie heute und hier auf die Bühne bringen?
Georg Hajdu, geboren 1960 in Göttingen, gehört zu den ersten
Komponisten, die sich systematisch der Verbindung von Musik,
Naturwissenschaft und Informatik verschrieben haben. Nach
Studien in Köln und in Berkeley, promovierte er mit der multimedialen Oper Der Sprung. Neben seinen Werken, die mehrfach
mit Preisen ausgezeichnet worden sind, schrieb er Publikationen zu verschiedenen Themen im Grenzbereich von Musik
und Naturwissenschaft. Zu seinen Forschungsgebieten gehören
Multimedia, Mikrotonalität, algorithmische Komposition, Echtzeit-Interaktion und der Einsatz von Netzwerken in der Musik. Seit 2002 ist er Professor
für multimediale Komposition an der HfMT Hamburg. 2010 war er Visiting Professor an
der Northeastern University und Artist in Residence am Goethe-Institut in Boston.
Mehr zu Georg Hajdu: http://georghajdu.de/
Beatrix Borchard, Prof. Dr. phil. habil. studierte in Bonn
und Berlin Musikwissenschaften, Germanistik und Geschichte
und promovierte über Clara Wieck und Robert Schumann,
­Bedingungen künstlerischer Arbeit in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Weinheim-Basel: Beltz 1984. 2000 Habilitation:
­Stimme und Geige. Amalie und Joseph Joachim. Biographie und
Interpretationsgeschichte, Wien: Böhlau 2005. Beatrix Borchard
lehrte zehn Jahre an der Hochschule der Künste Berlin Musikwissenschaft und arbeitete für das Goethe-Institut, vor allem in
China, Portugal und Rumänien. Seit 2002 ist sie Professorin für Musikwissenschaften
an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Hier leitet sie ein von der DFG
gefördertes Forschungsprojekt zum Thema Orte und Wege europäischer Kulturvermittlung durch Musik. Pauline Viardot – Sängerin, Pianistin, Komponistin, Arrangeurin, Volksmusiksammlerin, Pädagogin und Veranstalterin und die Forschungsplattform Musik/
Musikvermittlung und Gender: http://mugi.hfmt-hamburg.de.
Mehr zu Beatrix Borchard: http://mugi.hfmt-hamburg.de/Borchard/
50
51
femme totale –
Die Rolle der Frau
in der gegenwärtigen Kunst
in China am Beispiel
der „Bald Girls“
“Bald Girls”.
Ausstellung Iberia 798, Peking 2012.
Juan Xu
„Abrasieren“.
Performance Xiao Lu, Lixinmo und Jiny Lan,
Ausstellung Iberia 798, Peking 2012.
“By that yardstick alone, the Saturday
opening of ‘Bald Girls’, a feminist art
show in the 798 arts district of
Beijing, was a tremendous success.
Plainclothes officers rushed into the
Iberia Center for Contemporary Art
shortly before the afternoon opening
and demanded the removal of two
paintings by Lan Jiny, an artist
based in Germany, according to the
show’s organizer, Xu Juan.
Feminist art in China, a country
where very few women dare say
they are feminists for fear of social
ostracism, is still a tiny phenomenon.
But, in fact, the show on Saturday
didn’t need the censorship to have an
impact. The artist’s actions were
­dramatic enough. And what they
said was: The world’s attention may
be transfixed by a handful of female
Chinese billionaires, but the true
situation of the country’s 653 million
women is parlous.
So schreibt die „New York Times“ am 07. 3. 2012 über eine außergewöhnliche
Ausstellung in Peking: „Bald Girls“, die erste feministische Künstlerinnengruppe in China.
“Bald Girls – A Door”.
Poster „Bald Girls“, Ausstellung 2013.
52
Der Titel „Bald Girls“ ist von dem berühmten absurden Theaterstück der Kahlen Sängerin inspiriert worden, das der französische Schriftsteller Eugène
Ionesco in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts schrieb. Die Aussprache der
Worte von „Bald Girls“ in der chinesischen Sprache hat zwei Bedeutungen,
„Sängerin“ oder „Kämpferin“. Diese Doppeldeutigkeit soll darauf hindeuten,
dass „Feministische Kunst“ gerade erst in China Einzug gehalten hat und sich
noch einen Platz erkämpfen muss. Künstlerinnen sehen sich in der zeitgenössischen feministischen Kunst als Kämpferinnen und sie fühlen sich verpflichtet,
für die Aufklärung und das Bewusstwerden der modernen Frau zu kämpfen.
53
In der Tat ist die zeitgenössische
chinesische Gesellschaft fast so
absurd wie dieses absurde Theaterstück: „Ich würde lieber in einem
BMW weinen als auf einem Fahrrad
zu lächeln“ war ein berühmter Slogan der Sendung Nur wenn Du der/
die Richtige bist im chinesischen
Fernsehen. Es ist inzwischen ein
Motto für chinesische Mädchen auf
dem Heiratsmarkt geworden. Der
Sendung nach sieht die Beziehung
zwischen Männern und Frauen in
China folgendermassen aus:
„Frauen lieben Geld, Männer reizvolle Frauen“. Dies stimmt aller“Second Sex”.
dings nur teilweise. Denn nicht nur
Fotographie von Li Xinmo Zajia Peking 2013.
die Frauen finden Geld sexy, auch
In Anlehnung an Simone de Beauvoirs Buch
Männer lieben Geld. Wenn Geld
Das andere Geschlecht.
und Sex als entweder und oder zur
Wahl stehen würden, würden Männer allerdings eher Geld bevorzugen. Dass erotische Frauen bei reichen Männern so begehrt sind, liegt einfach an der Tatsache, dass Frauen als Waren
nicht so teuer, vor allem leicht zu bekommen sind. Hingegen ist es auch nicht
so, dass die chinesischen Frauen nur Geld lieben und nichts für sexy Männer
empfinden. Dass für manche Frauen in China Geld attraktiver als ein gutaussehender Mann ist, hängt mit der Tatsache zusammen, dass
Geld ein angenehmes und beneidenswertes Leben bietet. Mit anderen Worten:
Geld ist quasi eine Art von Sozialversicherungskarte für ein menschenwürdiges Leben. Die Vorliebe zum Geld bei chinesischen Frauen ist nicht nur eine
kulturelle Tradition, sondern auch ein Beweis dafür, dass das ökonomische
Sein das ideologische Bewusstsein bestimmt. Es ist doch eine kraftvolle
­Aussage, dass Frauen als benachteiligte soziale Gruppe immer noch nicht
„die Hälfte des Himmels“ sind.
Liebe zum Geld bei Frauen findet man sogar im chinesischen Sprichwort:
„Einen Mann zu heiraten bedeutet Kleidung und Nahrung zu bekommen“. Nach
konfuzianischen gesellschaftlichen Prinzipien steht der Mann über der Frau.
54
“Woman”. Malerei von Li Xinmo 2011 Peking.
Diese Tradition ist seit 2000 Jahren Kulturkonsens in China, einschließlich der
Frauen selbst. Im vormodernen China musste die Frau fast Unerträgliches
ertragen, bis sie schließlich als Schwiegermutter an die Macht der Familienbande kam. Ähnlich wie im antiken Griechenland gilt der Mann in China als
Kulturträger, war das Maß aller Dinge, die Frau stand hingegen stellvertretend
für das Unvollständige, das Unvollkommene. Die Chinesen glaub(t)en:
„Schwacher Körper, schwacher Geist“. Das heißt, die Frau ist körperlich
­schwächer, war selbstverständlich aber auch geistig schwach. Zusammen­
fassend gesehen wurde in den letzten 2000 Jahren die Frau in China entweder
als Übermutter verehrt oder als Prostituierte verdammt, nur hat sie keine
gleichberechtigte und unabhängige Persönlichkeit. Bis in die heutige Zeit wird
der Mann in China als mutig und abenteuerlustig betrachtet, denn er galt als
der einzige Schöpfer materiellen und geistigen Reichtums und stand damit im
Zentrum.
Dieser Androzentrismus hat sich jedoch bis heute noch nicht grundlegend
v­ erändert, auch wenn die Bewegung der Gleichberechtigung der Geschlechter
der späten Qing-Dynastie und am Anfang der Republik, vor allem die von der
55
Politik veranlasste kommunistische Ideologie der Gleichheit in den letzten
60 Jahren chinesischen Frauen zwar günstige soziale Bedingungen gegenüber
der Frauenbewegung in den westlichen Ländern schaffte. Da es aber von oben
nach unten verordnet ist und nicht aus Forderungen der Frauen selbst kommt,
fehlt es an Fragen nach dem Konzept der inneren Wandlung und bleibt somit
erzwungen. Auf der kulturellen Ebene mangelt es auch an der Bildung einer
subversiven Kraft innerhalb des Gender-Bewusstseins.
Erst in den letzten Jahrzehnten hat der Wirtschaftsaufschwung und die Öffnung-nach-Außen-Politik der Emanzipation der Frau einen hervorragenden
Nährboden bereitet. Die Situation der Frau ist allerdings sehr unterschiedlich:
Auf der einen Seite gibt es bereits in den großen Städten eine Menge von
selbstbewussten, finanziell unabhängigen, emanzipierten Frauen mit höherer
Bildung, die im Prozess der wirtschaftlichen Reform immer mehr Freiheit zur
Selbstverwirklichung genießen, wie zum Beispiel Künstlerinnen und Unternehmerinnen; auf der anderen Seite gehen gleichzeitig doch nicht wenige
Frauen in der traditionellen Rolle
der Frau im alten China auf: als
Hausfrauen, Nebenfrauen oder
Konkubinen. Diese Frauen sind
­passiv, abhängig und geben dabei
sogar ihre Persönlichkeit auf. Diese
Koexistenz von verschiedenen und
komplexen Zuständen der Frauen
als Phänomen der chinesischen
Gesellschaft ist eigenartig und
so absurd wie das Theaterstück
Die kahle Sängerin von Ionesco.
In der chinesischen Kunstgeschichte und in dem patriarchalischkünstlerischen Diskurs wurde die
Frau entmachtet, sie hat keine eigene Stimme. Chinas zeitgenössische
Kunst der Frauen ist von der feministischen Kunstsprache westlicher
Frauen inspiriert: In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts kam die
westliche feministische Theorie
56
“Vagina’s Memory”. Performance 2008.
Dieses Foto wurde verboten
bis zur Ausstellung “Bald Girls” 2012.
zum ersten Mal in China an. Seitdem existiert in China „Feminis­
tische Kunst“ in der zeitgenössi­
schen Kunstbetrachtung. Sie unterscheidet sich wesentlich von der
sogenannten „Frauenkunst“ der
Vergangenheit. Die zeitgenössische
feministische Kunst in China will
den Status Quo ändern: Indem sie
den traditionellen männlich künstlerischen Ausdruck hinter sich lässt
und ihre eigene weibliche Kunstsprache findet. Hier geht es nicht
nur um das Geschlecht der Künst­
lerinnen, also die weiblichen Merkmale des biologischen Körpers.
Erprobt wird vor allem vielmehr
die soziale Rolle der Frau unter
­verschiedenen soziokulturellen
­Perspektiven.
„Bald Girls“ ist die erste chinesische
Kunstgruppe mit eindeutig feministischen Gedanken. Sie präsentiert
das Konzept des Genders: Reflek­
tion soziokultureller Strukturen
bzw. kritisches Gender-Bewusstsein.
„Bald Girls“ wendet sich gegen die
Konventionen und gibt sich in der
zeitgenössischen Kunst kämpferisch: Sie gehen in China mit
Frauen-Aktivistinnen auf die Straße
und lenken die Aufmerksamkeit auf
spezielle Frauenproblematiken,
nämlich auf ihre eigenen Gefühle,
geistige Aktivität und auf die Verzwickung der Frauenrolle im sozialen und kulturellen Kontext.
„Gegen Ungerechtigtkeit
des Bildungsministeriums“.
Foto von der Protestaktion der
Frauen-Aktivistinnen Guangzhou 2012.
(Chinesische Schriften:
Nicht groß genug, nicht schön genug).
“Fifteen Shots … from 1989 to 2003”.
Performance Xiao Lu 2003 Peking.
57
Neue KP-Führung in China:
Die singende First Lady
Andreas Lorenz
Sie ist berühmter als ihr Ehemann Xi Jinping, der auf dem Parteitag zum
neuen Chef der KP ernannt wird: China bekommt mit der Sängerin Peng
Liyuan eine schillernde First Lady. Ihre Rolle als brave Gattin spielt die
Sopranistin schon jetzt perfekt.
“One Person Wedlock”. Performance Xiao Lu 2009.
Im Gegensatz zur traditionellen „Femme Fatale“ Yang Guifei (eine von den
„Vier Schönheiten“ in der 2000 Jahre alten chinesischen Geschichte), die allein
durch ihre Schönheit Staatsangelegenheiten der Tang Dynastie beeinflusst hat,
steht „Bald Girls“ für eine aktive soziopolitische, wirtschaftliche und geistige
Veränderung der Rolle der Frauen in China. Also statt einer „Femme Fatale“
eher die „Femme Totale“: eine neue, zukunftsweisende Form von weiblich
­orientiertem, selbstbestimmtem Denken und Handeln, in dem „alles kann und
nichts muss“.
Juan Xu, geboren in Chengdu, China. Sie hat in Tübingen studiert und sich mit dem Feminismus in der zeitgenössischen
Kunst Chinas intensiv auseinandergesetzt. Sie ist die Kuratorin
der chinesischen Künstlergruppe „Bald Girls“ und Direktorin
von „China-in-Motion“, des chinesischen Filmfestivals in Frankfurt. Sie lebt in Wiesbaden und Peking.
58
„Ich fand seine Kleidung altmodisch und einfach, und sein Gesicht sah älter aus
als er war.“ So beschrieb die damals 24-jährige Sängerin Peng Liyuan die erste
Begegnung mit ihrem späteren Ehemann. Das war 1986, und Xi Jinping diente
als Vize-Bürgermeister der südlichen Hafenstadt Xiamen.
Er selbst hatte offenbar keine Ahnung, dass er einen Star vor sich hatte und
zeigte sich als nicht gerade galanter Verehrer. „Er fragte mich, was für ein
Talent man braucht, um zu singen“, erinnerte sich Peng später. Dennoch war
es Liebe auf den ersten Blick, ein Jahr darauf heirateten die Sopranistin und
der Funktionär.
25 Jahre später dürfte Xi auf dem 18. Parteitag von Chinas KP zum neuen
Parteichef, und damit zu einem der mächtigsten Männer der Welt bestimmt
werden. Und China bekommt somit eine richtige First Lady – eine, die sogar
populärer ist als ihr Mann, der bislang, wie alle Spitzenkader, mehr im Verborgenen wirkte. Auf die Frage: „Wer ist Xi Jinping?“ wissen viele Chinesen nur
eine Antwort: „Der Mann von Peng Liyuan.“
Pengs Karriere ist ebenso erstaunlich wie die ihres Gatten. Über ihr Elternhaus ist wenig bekannt. Nur soviel: Ihre Eltern zögerten, als sie den aufstrebenden KP-Funktionär anschleppte, weil sie die Genossen alle für korrupt
hielten. In der ostchinesischen Provinz Shandong geboren, wurde sie mit 18
Jahren Soldatin. Damals war dies keine ungewöhnliche Entscheidung für eine
junge Frau, denn die Volksbefreiungsarmee galt als sicherer und begehrter
Arbeitsplatz, fernab von politischen Wirren, die unter Mao Zedong jahrzehntelang das Land erschüttert hatten.
59
Ihr Lied „Auf den Ebenen der Hoffnung“ begeisterte China
Ihre Vorgesetzten entdeckten bald, dass sie gut singen konnte und kommandierten sie zur Kulturtruppe ab, die durch das Land reiste, um die Moral der
Soldaten und Bauern zu stärken. Ihren Durchbruch erlebte Peng 1982 auf der
Frühlingsfest-Gala des staatlichen Fernsehens, das TV-Ereignis des Jahres, weil
fast das ganze Volk vor dem Bildschirm sitzt. „Auf den Ebenen der Hoffnung“
hieß das Lied, mit dem sie China begeisterte.
Mit Volksliedern und patriotischen Gesängen wie „Mein Vaterland“, „Die
Menschen meines Dorfes“ oder „Berg Chomolungma“ schmachtete sie sich
später in die Herzen der Funktionäre und Generäle – mal in tibetischer Tracht,
mal in Uniform mit Ordensband, die Frisur streng onduliert, mal in brauner
Kaderkluft, das Haar neckisch zu zwei Zöpfen geflochten.
Oft begleiten sie Kinder- oder Armeechöre, hinter ihr wedeln Tänzerinnen
mit den Armen, das Gesicht in revolutionärer Glückseligkeit verzückt, und sie
schmettert mit sehr hoher Stimme etwa: „Auf der Straße, sonnenbeschienen,
in der Luft aufflatternde Fahnen. Entwicklung auf wissenschaftlicher Grundlage und Harmonie – sie sind es, die China zu helleren Ufern führen.“
Zwölfmal ist Peng inzwischen auf der Frühlingsfest-Gala aufgetreten, was
einem Ritterschlag für konservative und linientreue Künstler gleichkommt;
einmal gewann sie sogar einen Künstlerpreis im Wert von einer Million Yuan
(derzeit umgerechnet rund 123.000 Euro). Nach wie vor dient sie im Militärmusikkorps der Armee im Rang eines Generalmajors. Seitdem ihr Mann Vizepräsident ist, tritt sie allerdings weniger häufig auf. Dafür engagiert sie sich als
„Botschafterin des Guten Willens“ der Weltgesundheitsorganisation WHO für
Tuberkulosekranke und HIV-Infizierte und rät zum Gebrauch von Kondomen.
Der Star spielt die Rolle vom Heimchen am Herd
Ihren Mann, den künftigen Ober-Mandarin, findet sie schlicht „exzellent“, der
Star selbst spielt stets die Rolle vom Heimchen am Herd. Tatsächlich versagte
sie sich für ihren Mann eine Gesangskarriere außerhalb von Armee und KPKulturszene. Nie ließ sie sich für Werbefilme engagieren – und verzichtete
damit auf viel Geld.
Die „Familie“, betont sie in Interviews, sei ihr das Wichtigste auf der Welt.
Sie sei der „friedliche Hafen für eine Frau und ein Fels in der Brandung“.
Gleichwohl schwirren Gerüchte durch China, dass die beiden längere Zeit
getrennt voneinander lebten. Die gemeinsame Tochter, Mingze, studiert derzeit unter falschem Namen an der Harvard Universität.
Für die KP und ihren Mann ist Peng womöglich ein politischer Glücksfall.
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Mit ihrem Charme könnte sie die Untertanen für den farblosen Apparatschik
einnehmen und den beschädigten Ruf der Partei aufbessern. Und in der Welt
könnte sie ein sympathisches China-Bild verbreiten – die Armee-Muse als Teil
von Chinas Soft-Power.
Schon werden Erinnerungen an eine andere First Lady wach: Song Meiling,
die als Ehefrau des Mao-Gegners Chiang Kai-shek Ende der vierziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts mit Schönheit und Intelligenz die Herzen der Amerikaner eroberte und sogar vor dem US-Kongress sprechen durfte.
Später hatten die Chinesen nicht mehr so viel Glück mit den Ehefrauen
ihrer Staats- und Parteichefs. Jiang Qing, vierte Frau Maos und Schauspielerin,
war leidenschaftliche Kulturrevolutionärin, schwang eifrig das Mao-Büchlein,
hielt geifernde Reden und hatte schließlich viele Menschen auf ihrem Gewissen. Als führendes Mitglied der „Viererbande“ verurteilte Maos Nachfolger sie
1981 zum Tode – auf Bewährung.
Ihre Nachfolgerinnen blieben stets im Schatten ihrer Ehemänner. Liu
Yongqing, Frau von Hu Jintao, wirkt so steif und unbeholfen wie ihr Mann.
2003, als Bundespräsident Johannes Rau Peking besuchte, erlebte Christina
Rau sie bei einem Staatsempfang in der Großen Halle des Volkes als eine uninteressierte Tischnachbarin. Auch Wang Yeping, Frau von Hus Vorgänger Jiang
Zemin, war selten in der Öffentlichkeit zu sehen, und wenn doch, dann
schwieg sie.
Und nun? Wird die Sopranistin Peng Liyuan womöglich eine zweite Carla
Bruni? Kann sie gar Michelle Obama die Schau stehlen?
Eines steht fest: Es wird nicht ihre Entscheidung sein. Über ihre Rolle entscheidet das künftige Politbüro. Und das besteht überwiegend aus Männern.
[Aus: SPIEGEL ONLINE, Andreas Lorenz, 8. November 2012]
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BIOGRAFIEN
Dominik Neuner (Regie, Bühne)
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Bettina Rohrbeck (Musikalische Leitung)
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Astrid Klein (Kostümbild)
geboren 1987, studierte Kostümdesign bei Prof. Maren Christensen an der Hochschule Hannover und bei Gary Thorne am
­Central St. Martins College London. Während des Studiums
hospitierte Astrid Klein u. a. am Staatstheater Nürnberg, mehrfach am Thalia Theater Hamburg, an der Oper Magdeburg und
übernahm eine Stylingassistenz im modejournalistischem
Bereich beim Neon Magazin in München. Sie ent­wickelte und
realisierte das Kostümbild zu Benjamin Brittens Albert Herring
für die HmTmH Hannover, assistierte als Gast am Staatstheater
Kassel und realisiert neben ihrem derzeitigen Masterstudium an der HAW, bei Prof.
Reinhard von der Thannen, eigene Projekte, wie zuletzt Shakespeares Der Sturm am
Lichthof Theater Hamburg mit Regisseur Hans-Jörg Kapp oder Nussbaumeders Eisenstein am Stadttheater Gießen, in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Titus Georgi.
Imke Ludwig (Kostümbild)
geboren 1987 in Münster. Seit 2008 Studium Kostümdesign
und Szenografie an der FH Hannover bei Prof. M. Christensen.
Hospitanzen am Stadttheater Dortmund unter anderem bei der
Abschlussinszenierung von Christine Mielitz, sowie weitere
­Hospitanzen und Assistenzen am Staatstheater Hannover.
­Ausstattung einer Franz Kafka-Collage am Mittwoch: Theater
Hannover. Im Juli 2012 Bachelorabschluss; seit dem Winter­
semester 2012/2013 Masterstudium Design mit dem Schwerpunkt Kostüm an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg bei Prof. Reinhard von der Thannen. Ausstattung der Oper Il Combattimento di Tancredi e Clorinda unter der Regie von Rahel Thiel, in Kooperation mit der
Hochschule für Musik und Theater.
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Rebekka Reisert (Yang Guifei)
ist in Freiburg im Breisgau geboren. Ihr Gesangsstudium absolvierte Sie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg
bei der amerikanischen Sopranistin Prof. Carolyn Grace James,
so wie dem Pianisten und Spezialisten für Liedbegleitung und
Interpretation Prof. Burkhard Kehring. Sie ist Preisträgerin des
Mozartpreises für Gesang der Absalom-Stiftung der Freimaurer
zu Hamburg, so wie Stipendiatin der Yehudi Menuhin Stiftung
Live Music Now. Nach mit Auszeichnung bestandenem Opern­
diplom führten Sie erste Engagements an die Oper Kiel (Sirene
in Rinaldo von Händel, Blondine, schwangere Türkin und 1. Chefsekretärin in Sekretärinnen von Wittenbeinl), an das Theater Lübeck, wo sie in der Spielzeit 2011/12 Mitglied des Internationalen Opernelitestudios war und Partien wie die Valencienne in der
Operette Die Lustige Witwe von Lehar, die Gretel in Hänsel und Gretel von Humperdink
und die Zeitel in Anatevka gab. Weiter sang Sie am Landestheater Neustrelitz (Die Partie der Anna Reich, aus Die Lustigen Weiber von Windsor von Nicolai) und in der Kammeroper Hamburg (2012/13 Nedda im Bajazzo von Leoncavallo, 2013/14 Celestina
in Lauter Verrückte von Simon Meyer und Hester in Der Scharlachrote Buchstabe von
­Frederic Krol, eine deutsche Uraufführung).
Neben der Oper ist Sie eine begeisterte Konzertsängerin. Konzertreisen führten sie
bereits in einige, namhafte Konzertsäle, wie in den großen Saal der Laeiszhalle in Hamburg, den Herkulessaal in München, das Konzerthaus und die Philharmonie in Berlin,
das Gewandhaus Leipzig, die Philharmonie Dresden, den Königin Elisabeth Saal in Antwerpen, Belgien und zu Letzt in das Theatro Muncipale in Sao Paulo, Brasilien. Weitere
Reisen und Konzerte sind geplant, wie in den Konzertsaal des German Forum in New
York. Ein Satie-Abend mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter
der Leitung von Ruben Gazarian (Juni 2014) und einen Liederabend mit Werken von
Rachmaninow, Debussy und Richard Strauss mit der Konzertpianistin Mzia Jajanitze im
Foyer der Oper Kiel im Mai 2014. Diesen Sommer ist Rebekka Reister erstmals bei den
Eutiner Schlossfestspielen zu sehen, als Tochter Hodel in Anatevka.
Ying Ma (Yang Guifeis Schatten)
Die chinesische Sopranistin wurde 1988 in Shanghai geboren.
Sie erhielt bereits ab dem Jahr 2000 Gesangsunterricht bei
Prof. Xiaoqun Chen vom Shanghai Conservatory of Music. 2007
begann sie ihr Studium am Shanghai Conservatory of Music im
Fach Operngesang. Neben ihrem erfolgreichen Studium in
­China hat sie zahlreiche Preise bei verschiedenen Wettbewerben
erhalten, z. B. den dritten Preis des „ersten Nachwuchsgesangswettbewerbs der V. R. China“. Im Jahr 2010 erhielt sie Gesangsunterricht bei Kammersängerin Jeanette Scovotti am Hambur-
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ger Konservatorium. Seit September 2011 studiert sie bei Prof. Carolyn Grace James an
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg im Fach Gesang und Oratorium. 2013
war sie Drittplatzierte beim „Mozart-Preis“ und gewann danach den 2. Preis des Wett­
bewerbs 2013 der Elise-Meyer-Stiftung für Studierende der Hochschule für Musik und
Theater Hamburg. Jetzt studiert sie im ersten Semester im Masterstudiengang Oper der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Jianeng Lu (Kaiser Xuanzong)
geboren 1985 in Suzhou in der Nähe von Shanghai im Südosten
Chinas, studierte von 2000 bis 2003 am Konservatorium Shanghai bei Prof. Jingzu Bian. Als 16-Jähriger gewann er den 3. Preis
beim Internationalen Gesangswettbewerb „The 7th Takasaki
International Art & Musik Competition“ in Japan. 2003/04
­studiert er am Hamburger Konservatorium bei Kammersängerin
Jeanette Scovotti. Im Herbst 2004 begann sein Studium an der
Musikhochschule Lübeck bei Prof. Günter Binge. Im Jahr 2006
sang er Jonathan in Saul von Händel in der Aegidienkirche
Lübeck. Gastspiele führten den jungen Tenor ans Lübecker Theater und zum Theater
Bern (Vögeli in Per Norgards Oper Der Göttliche Tivoli). Von 2007 bis 2011 studierte er
an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Prof. Scot Weir. Im Sommer 2007
sang er die Partie des Nathanaël in Offenbachs Hoffmanns Erzählungen und Bote in
­Verdis Aida bei den Eutiner Festspielen. 2009 war er in der Rolle des Harlekin in Viktor
Ullmanns Oper Der Kaiser von Atlantis am Konzerthaus Berlin zu hören. Im Jahr 2010
debütierte Jianeng Lu als Rudolph in Wilhelm Tell an der Philharmonie in Berlin. Im
Sommer 2010 sang er als Podesta in Mozarts Die Gärtnerin aus Liebe beim Gut Immling
Opernfestival. 2011 gab er sein Debüt als Königssohn in Kinderoper Eisenhans an der
Berliner Staatsoper. Von 2011 bis 2013 vertiefte er seine solistische Ausbildung an der
Hochschule für Musik Trossingen bei Prof. Moldenhauer.Im Jahr 2013 debütierte er in
der Hauptrolle des Barigoule in Pauline Viardots Oper Cendrillon mit Berliner Philharmoniker bei den Baden-Baden Festspiel. Seit Oktober 2012 ist er als Gesangsdozent an
der Brandenburgische Technische Universität im Fachbereich Instrumental-und
Gesangspädagogik in Cottbus tätig. Er ist Stipendiat des Vereins „Live Music Now
­Yehudi Menuhin“.
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Axel Wolloscheck (Yang Guozong)
wurde in Dortmund geboren und begann seine musikalische
Ausbildung zunächst auf dem Klavier, später im Fach Dirigieren.
2007 begann er in beiden Fächern das Studium in Osnabrück.
2009 wechselte er an die Hochschule für Musik Detmold, um
dort Opern- und Konzertgesang zu studieren. Der mit mehreren
Stipendien ausgezeichnete Sänger sammelte die ersten Bühnen­
erfahrungen mit den Partien des Vaters aus Hänsel und Gretel
von E. Humperdinck und des Sprechers aus der Zauberflöte von
W.A. Mozart, sowie des Herrn Fluth aus Die Lustigen Weiber von
Windsor von O. Nicolai. Später folgten Partien wie Eugen Onegin von P.I. Tschaikowsky
und die des David aus L’amico Fritz von P. Mascagni. 2012/13 gastierte er bei dem
­Detmolder Kammerorchester mit der Titelpartie aus Der Kaiser von Atlantis von
V. Ullmann und sang mit der Neuen Philharmonie Westfahlen in vielen großen Theatern im Ruhrgebiet eine Zusammenfassung des Fliegenden Holländers. Neben den Engagements auf der Opernbühne singt Axel Wolloscheck regelmäßig Konzerte und Lieder­
abende, die ihn bereits bis nach Korea und Japan führten. Er besuchte zahlreiche
­Meisterkurse u. a. bei Andras Schiff, Thomas Heyer und Lars Woldt. Seit dem Winter­
semester studiert er in der Master Oper Klasse von Geert Smits an der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg.
Ronaldo Steiner (An Lushan)
der brasilianische Bariton wurde in Boston, USA geboren. Er
studierte Schulmusik auf Florianópolis, Brasilien, und Gesang
an der University of Georgia in Athens, USA. in 2013 schloß er
einen Master in Operngesang an der Hochschule für Musik und
Theater in Hamburg unter Prof. Geert Smits ab. In seiner bis­
herigen Karriere sang Ronaldo Steiner zahlreiche Oratorium
und Partien seines Fachs, u. a. den Grafen Almaviva in Figaros
Hochzeit, der Titelrolle in Mozarts Don Giovanni, Mikado in
­Gilbert and Sullivans The Mikado, Escamillo in Bizets Carmen,
Junius in Brittens The rape of Lucretia, Baron Pictordu in Pauline Viardots Cendrillon und
Theseus in Martinus Ariadne.
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Algirdas Bagdonavicius (Gao Lishi)
Der Tenor und Countertenor studierte zunächst Wirtschafts­
wissenschaften an der Universität Vilnius, mit einem Abschluß
als Master. Von 2001-2009 studierte er Gesang bei Professor
Vytautas Juozapaitis an der Akademie für Musik und Theater
Litauen. 2005 und 2006 nahm er am Sommersfestival „Oper
Oder Spree“ teil, 2006 debütierte er in der Rolle des Pilėnietis in
V. Klova’s Opera Pilėnai an der Lithuanian Opera of Chicago.
Seit 2006 ist er Solist am Panevėžys Music Theatre, seit 2007
Gastsolist im Klaipėda State Music Theatre. Seit 2009 unter­
richtet er an der Fakultät der Künste der Vilnius University of Applied Sciences. 2010
wurde er als Countertenor entdeckt und singt seitdem sowohl als Tenor wie Counter­
tenor. 2011 wurde er zweiter beim International Chamber Singers Competition „Beatri“
in Vilnius.
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Impressum
Redaktion: Dr. Bettina Knauer
Gestaltung: Veronika Grigkar, grigkar.de
Bildnachweise
(S. 12+22) Fotos: © Torsten Kollmer
China-Bildarchiv, Hamburg
Hochschule für Musik und Theater
Eine Produktion der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
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