V060411 Erzeugung von Wechselstrom 6.4.11 Erzeugung von Wechselstrom ****** 1 Motivation Eine kleine Spule im Magnetfeld eines Solenoiden wird durch einen Motor in Rotation versetzt. Man untersucht die Abhängigkeit der dabei erzeugten Wechselspannung von der Feldstärke und der Drehzahl. 2 Experiment Abbildung 1: Versuchsanordnung zur Erzeugung von Wechselstrom Eine um die senkrechte Achse drehbare kleine Spule mit 1000 Windungen befindet sich im horizontalen Magnetfeld B eines Solenoiden (siehe Abb. 1, Detail in Abb. 2). Ein kleiner Motor ausserhalb des Solenoids versetzt über eine Schnur die Spule mit der Frequenz ν in Rotation. Die dabei erzeugte Wechselspannung wird mit zwei Kontakten abgegriffen und auf den Eingang eines Oszilloskops gegeben. Der magnetische Fluss Φ durch die Querschnittsfläche A der Spule beträgt Φ = A · B = AB cos ϕ , (1) wobei ϕ der Winkel zwischen Magnetfeld und Normalenvektor der Fläche ist. Der Flächenvektor dreht sich um die vertikale Achse in der Horizontalen mit der Winkelgeschwindigkeit ω = 2πν. Damit ist ϕ = ωt ⇒ Φ = AB cos ωt (2) Die induzierte Spannung ist gleich Uind = Φ̇ = ABω sin ωt Physikdepartement ETH Zürich 1 (3) V060411 Erzeugung von Wechselstrom ω = 2πν B Abbildung 2: Detail: Drehbare Spule im Magnetfeld des Solenoiden und ist damit proportional sowohl zum Magnetfeld als auch zur Drehzahl. Man demonstriert dies folgendermassen: a) Ausgangswert Man beginnt die Messungen mit der Stromstärke I = 10 A durch den Solenoiden und der Motordrehzahl ν = ν0 (siehe Abb. 3 a)). b) Abhängigkeit vom Magnetfeld, U = U (B) Die Halbierung des Spulenstroms und damit der Feldstärke halbiert die Amplitude der erzeugten Wechselspannung (siehe Abb. 3 b)). c) Abhängigkeit von der Drehzahl, U = U (ν) Die Halbierung der Drehzahl halbiert sowohl die Frequenz als auch die Amplitude der Wechselspannung (siehe Abb. 3 c)). Physikdepartement ETH Zürich 2 V060411 Erzeugung von Wechselstrom c I = 10 A , ν = 12 ν0 b I = 5 A , ν = ν0 a I = 10 A , ν = ν0 Abbildung 3: Erzeugung von Wechselstrom: a) Ausgangswert Spulenstrom I = 10 A, Drehzahl ν = ν0 , b) Die Halbierung des Spulenstroms halbiert die Amplitude der erzeugten Wechselspannung, c) Die Halbierung der Drehzahl halbiert sowohl die Frequenz als auch die Amplitude der Wechselspannung. Physikdepartement ETH Zürich 3 V060411 Erzeugung von Wechselstrom 3 Theorie 3.1 Das Induktionsgesetz Ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt nach Maxwell ein elektrisches Wirbelfeld (siehe Abb. 4): ∂B ∇×E =− (4) ∂t ∂B ∂t B dr Rechte-Hand-Regel E ∇×E =− ∂B ∂t Abbildung 4: Die Richtung der induzierten E-Feldes. Das Magnetfeld B zeigt nach oben und nimmt mit der Zeit zu. Wir integrieren Gl. (4) über die von der Kurve C umrandeten Fläche A und formen das Oberflächenintegral auf der linken Seite mithilfe des Stokesschen Satzes in ein Linienintegral über C um; beim Integral auf der rechten Seite nehmen wir an, dass sich die Geometrie zeitlich nicht ändert, so dass wir das Flächenintegral mit der Zeitableitung vertauschen können: Z Z ∂B − (∇ × E) · dA = · dA (5) ∂t A A I Z ∂ ⇒ − E · dr = B · dA = Φ̇ (6) ∂t | {z } C A ≡dΦ Damit erhalten wir für die induzierte Spannung Uind : Uind = +Φ̇ , wobei Φ der magnetische Fluss durch die von C umschlossenen Kurve ist. Physikdepartement ETH Zürich 4 (7) V060411 Erzeugung von Wechselstrom q 0 E(r) dr E 1 Ḃ 1 dr q 0 + + + + + + + + + Z1 U1(0) = − Z1 E · dr < 0 E · dr < 0 U1(0) = − 0 0 Abbildung 5: Elektrische Spannung U1(0) des Punktes 1 bezüglich des Punktes 0 für ein Potential- und für ein Wirbelfeld. Die zeitliche Änderung Ḃ der magnetischen Flussdichte B zeigt in die Zeichenebene hinein. In beiden Fällen gilt dieselbe Definition der Spannung, die bei beiden Beispielen negativ ist, so dass die positive Ladung q beschleunigt wird und das Feld Arbeit leistet. In den meisten Lehrbüchern erscheint fälschlicherweise ein negatives Vorzeichen in dieser Gleichung. Um dies aber zu erreichen, wird die Spannung U1(0) eines Punktes (1) bezüglich eines Punktes (0) für elektrische Wirbelfelder entgegengesetzt zur Spannung in Potentialfeldern definiert: Z1 U1(0) = − E · dr Potentialfeld Falsch! 0 Z1 (8) E · dr Wirbelfeld U1(0) = + 0 Zum Beweis für unsere Behauptung berechnen wir die elektrische Spannung U1(0) des Punktes 1 bezüglich des Punktes 0 für ein Potential- und für ein Wirbelfeld (siehe Abb. 5). Wir verwenden dazu jeweils eine positive Probeladung q, auf die ja die Kraft F in Richtung des elektrischen Feldes gemäss F = qE (9) wirkt, was einer negativen Spannung entspricht. Physikdepartement ETH Zürich 5 V060411 Erzeugung von Wechselstrom Als Beispiel für ein Potentialfeld wählen wir das Feld eines Plattenkondensators: Z1 U1(0) = − E · dr < 0 (10) 0 Das Wirbelfeld werde durch die zeitliche Änderung Ḃ der magnetischen Flussdichte B erzeugt, welche im Bild in die Zeichenebene hineinzeigt. Damit ist das induzierte E-Feld entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn gerichtet. Beim Verschieben der Probeladung auf dem Kreisbogen vom Punkt 0 zum Punkt 1 gewinnt die Ladung Energie, so dass für die Spannung gilt: Z1 U1(0) = − E · dr < 0 (11) 0 Wir müssen nun noch zeigen, dass für das Ringintegral Gln. (6) und (7) gelten. Die in Richtung des E-Feldes berechnete Spannung ist I Uind = − E · dr < 0 (12) Der zu dieser Orientierung gehörende Flächenvektor A zeigt aus der Papierebene heraus, so dass für die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses folgt: Φ̇ = Ḃ · A = −|Ḃ| · |A| < 0 (13) Aus den identischen Vorzeichen von Uind und Φ̇ folgt schliesslich die Gültigkeit der Gl. (7). Wenn wir nun die Integrationsrichtung in Gl. (10) umkehren, Z0 U0(1) = − E · dr > 0 (14) 1 erhalten wir die positive Spannung U0(1) = −U1(0) > 0 , (15) so dass auch das Ringintegral in Gl. (12) das Vorzeichen wechselt und bei dieser Integrationsrichtung positiv wird. Nun hängt aber der Flächenvektor A als Axialvektor vom Drehsinn seiner Umrandung ab, das heisst, A wechselt ebenfalls das Vorzeichen, so dass auch der Fluss des Magnetfeldes nun positiv ist. Damit gilt unabhängig von der Integrationsrichtung Uind = +Φ̇ Physikdepartement ETH Zürich 6 (16) V060411 Erzeugung von Wechselstrom E Ḃ B A I UB(A) = − E · dr Abbildung 6: Die in der Schleife induzierte Spannung ist gleich dem Linienintegral des elektrischen Feldes über die Schleife. Das Innere der Leiterschleife ist feldfrei! 3.2 Offene Leiterschleife im veränderlichen Magnetfeld Wir betrachten eine Leiterschleife in einem Magnetfeld. Wir nehmen an, dass sich das Feld mit der Zeit ändert. Eine Spannung wird induziert. Siehe Abb. 6. Da die Leitungselektronen im Metall beweglich sind, werden sie im Uhrzeigersinn so lange verschoben, bis das von ihnen erzeugte elektrische Feld das äussere, induzierte Feld kompensiert. Aus diesem Grund ist der Pol B negativ, der Pol A dagegen positiv geladen. Weil das Ringintegral über den Kreis nicht verschwindet, gilt I UB(A) = − E · dr (17) Demnach fällt die gesamte Spannung zwischen den beiden Polen ab, und die elektrische Feldstärke ist entsprechend dem Verhältnis von Polspalt zu Kreisumfang vergrössert! Da der Leiter nicht geschlossen ist, fliesst kein Strom. 3.3 Geschlossene Leiterschleife im veränderlichen Magnetfeld In einer geschlossenen Leiterschleife bewirkt das induzierte elektrische Feld einen Strom. Die Stromdichte j beträgt bei rein Ohmschem Widerstand j = σE , wobei σ die elektrische Leitfähigkeit bedeutet. Physikdepartement ETH Zürich 7 (18)