Med-Info Internationale Fach-Informationen für die Medizinproduktebranche Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika Praxisorientierte Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte und Anforderungen der Richtlinie 98/79/EG (IVDD) Seit Dezember 1998 ist die Richtlinie 98/79/EG (IVDD) ­in Kraft.­­Sie regelt das Inverkehrbringen, die Inbetrieb­ nahme und die Marktüberwachung für In-vitro-Diagnostika. In-vitro-Diagnostika sind eine Untergruppe der Medizin­ produkte. In Deutschland erfolgt die Umsetzung der IVDD durch das Medizinproduktegesetz (MPG). Unter Zubehör versteht man einen Gegenstand, der selbst kein In-vitro-Diagnostikum ist, jedoch aufgrund seiner Zweckbestimmung zusammen mit einem In-vitro-Diagnostikum zu verwenden ist, damit dieses entsprechend seiner Zweckbestimmung angewendet werden kann. Zubehör – im Sinne der Richtlinie – wird wie ein eigenständiges In-vitro-Diagnostikum behan­delt. Was versteht man unter In-vitro-Diagnostika (IVD)? In-vitro-Diagnostika im Sinne der Richtlinie sind: Reagenzien, Reagenzprodukte, Kalibriermaterial, Kontroll­ material, Kits, Instrumente, Apparate, Geräte und Systeme, die zur Untersuchung von aus dem menschlichen Körper­ entnommenen Proben (Gewebe, Blut, Urin etc.) zur Dia­ gnose von Krankheiten, zur Beobachtung des Gesund­ heitszustandes eines Menschen oder zur Kontrolle eines Heilbehandlungsverlaufs angewandt werden. Beispiele bzw. Anwendungen von In-vitro-Diagnostika sind: Hepatitis- oder HIV-Tests Klinisch-chemische Untersuchungen Gerinnungsdiagnostik Urinteststreifen Schwangerschaftstests Blutzuckermesssysteme Behältnisse, die vom Hersteller speziell für ­medizinische Proben bestimmt sind TÜV SÜD Product Service GmbH Produkte zur Eigenanwendung bilden eine besondere Gruppe der IVD. Es handelt sich hierbei um IVD, die vom Hersteller dafür vorgesehen sind, von Laien in häuslicher Umgebung angewandt zu werden, zum Beispiel Schwangerschaftstests. Produkte zu Leistungsbewertungszwecken, die außerhalb der Einrichtungen des Herstellers eingesetzt werden, müssen ebenfalls den auf sie zutreffenden Regeln der Richtlinie entsprechen. Ausnahmen Nicht unter die IVD-Richtlinie fallen Produkte, die aus­ schließlich in der Tiermedizin verwendet werden, sowie Erzeugnisse für den allgemeinen Laborbedarf. Bei Produkten, die zur invasiven Probenentnahme am menschlichen Körper vorgesehen sind, handelt es sich um Medizinprodukte im Sinne der Richtlinie 93/42/EWG. Wer ist Hersteller im Sinne der Richtlinie? Die Richtlinie definiert als Hersteller die natürliche/juris­ tische Person, die verantwortlich ist für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Etikettierung eines Fertig­ produktes im Hinblick auf das Inverkehrbringen in eigenem Namen, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Per­ son ausgeführt werden. Der Hersteller im Sinne der Richtlinie wird die entsprechen­ den­Anforderungen an Zulieferer von Halbfertigprodukten und Komponenten weitergeben, die damit ebenfalls von einem Teil der Regelungen betroffen sind. Hersteller außerhalb der EU benötigen einen Repräsentanten innerhalb der EU. Grundlegende Anforderungen an In-vitro-Diagnostika Anhang I der Richtlinie fordert, dass die Sicherheit und ­ die Gesundheit von Patienten, Anwendern und gegebenenfalls Dritten bei sachgemäßer Verwendung des Pro­ dukts nicht gefährdet werden dürfen und etwaige Risiken des Produk­ts­verglichen mit dem damit verbundenen Nutzen vertret­bar sind. Es gilt der Grundsatz der integrierten Sicherheit, d. h. Risikovermeidung bzw. -minimierung bereits bei der Konstruktion und Auslegung des Produkts, Schutz­maßnahmen gegenüber dem Restrisiko und entsprechen­ de Information des Anwenders. Der allgemein anerkannte Stand der Technik muss angewandt werden. Die Produkte müssen für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet und ihre Leistung für die gesamte Lebensdauer gesichert sein. Neben diesen allgemeinen Anforderungen gibt es vor allem Anforderungen, die sich auf die Auslegung und die Herstellung der Produkte beziehen: Chemische und physikalische Eigenschaften (Verträglichkeit mit dem Probenmaterial) Schutz vor Infektion und mikrobieller Kontamina­ tion (Verarbeitung, Verpackung) Eignung für die Anwendung unter den entspre­ chenden Umgebungsbedingungen (Minimierung von Risiken) Kombination mit anderen Produkten, Entsorgung Messfunktion (Genauigkeit, Anzeige) Schutz vor Strahlung (beabsichtigte oder unbeab­ sichtigte Strahlung, ionisierende Strahlung) Schutz vor Stromstößen, elektromagnetische Verträglichkeit Schutz vor mechanischen oder thermischen Risiken Gebrauch durch Laien: einfache Handhabung, geringe Gefahr einer falschen Interpretation der Ergebnisse (nur für Produkte zur Eigenanwen­ dung) Bereitstellung von Informationen durch den Her­ steller (Kennzeichnung, Gebrauchsanweisung) Die Anforderungen sind näher beschrieben und erklärt in: Harmonisierten Standards, z. B. EN ISO 14971, EN 13640 Gemeinsamen technischen Spezifikationen (derzeit nur für Produkte gemäß Anhang II, Liste A) Anleitungen, z. B. MEDDEV-Dokumenten Einteilung in Produktgruppen Die Richtlinie unterscheidet vier verschiedene Produkt­ gruppen – j­e nach dem Risiko, das mit der Anwendung verbunden ist. Produkte zur Eigenanwendung Die Liste A in Anhang II enthält die Produkte mit dem höchsten Risikopotenzial. Dies sind Reagenzien, Kalibrato­ ren und Kontrollen zur Blutgruppenbestimmung (AB0-System, Rhesus- und Kell-System); zum Nachweis von HIV-1 und -2- sowie HTLV-I und -II-Infektionen und Hepatitis B, C und D; zum Nachweis von vCJD. Sie unterliegen besonderen Vorschriften, die in Anhang I, Kapitel 7 der Richtlinie beschrie­­ben sind. Das Produkt muss für den Laien leicht anwendbar und die­beigefügten Anweisungen müssen leicht verständlich sein. Die Gefahr von Bedienungsfehlern bzw. einer falschen Interpretation der Ergebnisse muss so gering wie mög­ lich gehalten werden. Soweit möglich, müssen diese Produkte eine Kontroll­ möglichkeit enthalten, mit der der Anwender feststellen kann, ob das Produkt bei Anwendung bestimmungs­ gemäß arbeitet. Liste B Ein typisches Beispiel sind Schwangerschaftstests. Liste A Die Liste B in Anhang II enthält die Produkte mit hohem Risiko (Reagenzien, Kalibratoren und Kontrollen, soweit keine anderen genannt) zur Blutgruppenbestimmung (Duffy-System, Kidd-System); zur Bestimmung irregulärer Anti-Erythrozyten-Antikörper; zum Nachweis von Röteln und Toxoplasmose; zum Nachweis von Phenylketonurie; zum Nachweis der Infektion mit Zytomegalie-Virus oder Chlamydien; zum Nachweis des Tumormarkers PSA; zur Bestimmung der HLA-Gewebetypen DR, A, B; zur Schätzung des Trisomie-21-Risikos (inklusive Software); zur Eigenanwendung zur Bestimmung von Blutzucker­ werten (inklusive Instrumenten). Bei sämtlichen Produkten, die in den Listen A und B genannt sind, ist die Beteiligung einer Benannten Stelle in allen Aspekten des Konformitätsbewertungsverfahrens erforderlich. Bei Produkten zur Eigenanwendung muss insbesondere der Aspekt der Eigenanwendung von der Benannten Stel­ le begutachtet und bewertet werden. Achtung: Eine Ausnahme bilden die Produkte zur Eigenanwendung für die Blut­zuckerbestimmung (vgl. Liste B). Sonstige IVD-Produkte Für alle Produkte, die weder in Anhang II genannt noch zur Eigenanwendung bestimmt sind, gilt: Die Beteiligung einer Benannten Stelle ist nicht vorgesehen. Typische Beispiele sind klinisch-chemische Tests oder Tests für die Schilddrü­ senfunktion. Konformitätsbewertungsverfahren Der Hersteller kann zwischen verschiedenen Wegen der Konformitätsbewertung wählen, sofern verschiedene Optionen möglich sind. Die verschiedenen Verfahren sind in den Anhängen der Richtlinie beschrieben. Sollten Sie Fragen bezüglich des Konformitätsbewertungsverfahrens für Ihre Produkte haben, helfen Ihnen unsere Spezialisten gerne weiter. Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte der Liste A Beispiel: HIV-Test-Kit Anhang V Anhang IV Baumusterprüfung Vollständiges QM-System Anhang VII Prüfung der Produktauslegung durch Benannte Stelle QM Produktion Verifizierung hergestellter Produkte durch die Benannte Stelle nach Anhang VII.5 bzw. IV.6 Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte der Liste B Beispiel: Tumormarker PSA Anhang V Baumusterprüfung Anhang VII Anhang VI Anhang IV QM Produktion Produktprüfung Vollständiges QM-System Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte zur Eigenanwendung Beispiel: Schwangerschaftstest Anhang V Baumusterprüfung Anhang III.6 Anhang VI Anhang VII Anhang IV Auslegungsprüfung durch Benannte Stelle Produktprüfung QM Produktion Vollständiges QM-System Konformitätsbewertungsverfahren für sonstige IVD Beispiele: klinisch-chemischer Test, Blutzuckertest durch medizinisches Fachpersonal Anhang III Herstellerselbsterklärung Übersicht zu den Anhängen III bis VIII Anhang III: Herstellerselbsterklärung Anhang VI: Produktprüfung Der Hersteller hält eine technische Dokumentation bereit, aus der hervorgeht, dass das Produkt die geltenden Anfor­­derungen erfüllt. In Anhang III, Absatz 3 werden die allge­ meinen Anforderungen an die technische Dokumentation aufgelistet; diese Auflistung findet in allen Verfahren An­ wen­­dung. Der Herstellungsprozess muss den Grundsätzen der Qualitätssicherung entsprechen. Eine Benannte Stelle prüft die fertigen Produkte. Dabei wird jede Produktcharge einzeln geprüft und freigegeben (nicht anwendbar für Liste-A-Produkte). Ein System zur Marktüberwachung, zum Meldewesen, zur Aufbewahrung von Dokumenten etc. muss eingerichtet sein. Nach erfolgreicher Selbstbewertung gibt der Her­ steller eine Konformitätserklärung ab, ohne dass er eine Benannte Stelle hinzuziehen muss. Anhang III.6: Bewertung der technischen Dokumentation von Produk­ten zur Eigenanwendung durch die Benannte Stelle; zu­­sätzlich durchzuführen zum Verfahren nach Anhang III, sofern dieser­Bewertungsweg eingeschlagen wird. Ein Audit ist nicht erforderlich. Anhang IV: Vollständiges Qualitätssicherungssystem Der Hersteller verfügt über ein Qualitätsmanagementsys­ tem nach EN ISO 13485 einschließlich Design, erfüllt die zu­sätzlichen Anforderungen der Richtlinie (z. B. nach Anhang I und III) und erklärt die Konformität seiner Produkte mit der Richt­­linie. Diese Maßnahmen werden von der Benannten Stelle in einem Audit bewertet. Bei Produkten der Liste A des Anhangs II ist zusätzlich eine Produktauslegungs­prüfung (Anhang IV.4) sowie eine Verifizierung hergestellter Produkte (Anhang IV.6) vorgeschrieben, die auf Chargenkonsistenz zielt. Anhang V: Baumusterprüfung Eine Benannte Stelle führt eine Typprüfung (Evaluation) entsprechend den grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie durch und stellt eine BaumusterPrüfbescheinigung aus. Liste-A-Produkte bedürfen zusätzlich einer Verifizierung hergestellter Produkte (Anhang VII.5), die auf Chargen­ konsistenz zielt. Anhang VII: Qualitätssicherung Produktion Der Hersteller verfügt über ein Qualitätsmanagement­ system für seine Produktion einschließlich Prüfung und Endabnahme entsprechend EN ISO 13485 und erfüllt die zusätzlichen Anforderungen der Richtlinie. Er stellt sicher, dass die entsprechenden Produkte dem genehmigten Baumuster und den Anforderungen der Richtlinie (Anhang I) entsprechen. Anhang VIII: Produkte für Leistungsbewertungszwecke Hier sind die Verpflichtungen des Herstellers einschließ­ lich des Inhalts der für derartige Produkte auszustellen­ den Erklärung beschrieben. Nationale Umsetzung Die Richtlinie über In-vitro-Diagnostika wurde am 27.10.1998 vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU erlassen und am 07.12.1998 im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Die Um­­setzung in nationales Recht der Mitgliedstaaten war bis zum 07.12.1999 vorgesehen. In Deutschland erfolgte dies im­ Rahmen des zweiten Änderungsgesetzes zum Medizin­ produktegesetz (MPG). Erstmals anwendbar war die neue Richtlinie am 07.06.2000. Im Dezember 2011 wurde Liste A durch die Richtlinie 2011/100/EU um Produkte zum Nachweis von vCJD ergänzt. Zukünftige Entwicklung der europäischen Regulierung von IVD Auf Basis der Ergebnisse der im Sommer 2010 von der Kommission durchgeführten öffentlichen Konsultation hat die Kommission im September 2012 einen Vorschlag für eine IVD-Verordnung vorgelegt und damit ein europäisches Gesetzgebungsverfahren gestartet, das voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2016 abgeschlossen werden wird. Diese EU-Verordnung wird ohne Umsetzung in nationales Recht wirksam werden und unter anderem wesentliche Änderungen im Klassifizierungssystem bringen, was die Konformitätsbewertung vieler Produkte betreffen wird. TÜV SÜD Product Service und seine Partner TÜV SÜD Product Service: Marktführer und Ihr Partner bei der Prüfung und Zertifizierung Dr. Dieter Schönwald Telefon: +49 89 5008-4241 E-Mail: [email protected] Auch im Bereich der In-vitro-Diagnostika arbeiten wir mit einem Netzwerk hoch qualifizierter Partner zusammen, die Ihren und unseren Qualitätskriterien entsprechen müssen. Durch die Zusammenarbeit mit den jeweils qualifiziertesten Partnern stellen wir sicher, dass unser Service für Sie immer dem aktuellsten Stand des Wissens entspricht. Ihr Ansprechpartner von TÜV SÜD Product Service informiert Sie gerne zu weiteren Details. Durch jahrelange Erfahrung und branchenspezifisches Fachwissen decken wir alle Medizinprodukte und Konformi­ tätsbewertungsverfahren gemäß Richtlinie für aktive implantierbare medizinische Geräte 90/385/EWG (AIMD), Richtlinie über Medizinprodukte 93/42/EWG (MDD) und Richtlinie über In-vitro-Diagnostika 98/79/EG (IVDD) ab. ­­ Als Benannte Stelle für Medizinprodukte führen wir die Prüfstellennummer 0123. TÜV SÜD Product Service GmbH, Medical and Health Services, Ridlerstr. 65, 80339 München www.tuev-sued.de/medinfo 2015 © TÜV SÜD Product Service GmbH I PS-MKG/MHS/medinfo/29.0/de/DE Sie erhalten von uns nicht nur die gesetzlich vorgeschriebe­ nen Prüfungen und Zertifizierungen, sondern können in allen Entwicklungsphasen von unserem umfangreichen Fachwis­ sen profitieren – und das weltweit.