BMS - ITK Engineering

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BATTERIE-MANAGEMENT VIRTUELL TESTEN
Das Haushalten mit Energie erweist sich bei elektrifizierten Fahrzeugen als besonders kritisch.
Solches Energiemanagement lässt sich mit virtuellen Tests jedoch bereits in frühen Entwicklungsphasen validieren. Im Automotive-Umfeld gewinnt dabei Co-Simulation enorm an Bedeutung.
T E X T: Dr. Houssem Abdellatif, ITK Engineering FOTOS: J. Glaubitz/Fotolia, ITK
www.mobility20.net/PDF/M20213700
Simulation: Modellbasierte Tests verringern den
Entwicklungsaufwand.
Aufgabe eines Batteriemanagementsystems (BMS) im
Elektroauto ist es, die Energie im Fahrzeug zu verteilen und
zum richtigen Zeitpunkt an richtiger Stelle bereitzustellen. Dabei übernimmt es Aufgaben auf unterschiedlichen Funktionsebenen: von der übergeordneten Kommunikation mit dem
Antriebsstrang über Diagnose, Sicherheitsüberwachung und
Einleiten von Notfallreaktionen bis hin zu Messung und Überwachung des Ladezustands der Batterie sowie Steuerung der
einzelnen Batteriezellen (siehe Kasten Seite 3).
Um Entwicklungszeiten und -kosten einzusparen, ist es erforderlich, diese Funktionen bereits in frühen Entwicklungsphasen effizient und zielführend testen und absichern zu können. Hierfür eignen sich insbesondere „virtuelle“ Methoden,
bei denen noch nicht existierende Komponenten und Hardware durch Simulationsmodelle ersetzt werden. So lassen sich
Tests effizient durchführen und Entwicklungskonzepte frühzeitig überprüfen, wohingegen sich ein Test mit realen Batterien und Hardware sehr aufwendig gestalten würde.
So ist insbesondere die Darstellung von Batterie-Ladezuständen oder -Alterungseffekten zeit- und energieaufwendig
sowie kaum reproduzierbar. Zusätzlich sind Realtests aufgrund
der Hochspannung sicherheitskritisch oder sie sind schlicht-
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weg nicht durchführbar, wie beispielsweise in den Konzeptphasen und am Anfang der Entwicklung, wo noch keine Batterien vorhanden sind. Ein weiterer Vorteil der virtuellen Absicherung ist die Möglichkeit, Modellierungstiefe und Modellabstraktion optimal an die Testzwecke anzupassen. So sind
aufwendige, genaue thermische Modelle zum Beispiel für das
Testen von Sicherheitsfunktionen, Abschaltlogik und Betriebsstrategien nicht zwingend notwendig, sondern teilweise aufgrund ihrer Rechenintensität gar kontraproduktiv.
Funktionsebenen des BMS
Als zentrale Managementeinheit bedient das BMS verschiedene Funktionsebenen (siehe Abbildung Seite 2):
• Sicherheitsfunktionen zum Überwachen sicherheitsrelevanter Zustände, wie die Pilot-Linie (Hochvolt-Interlock), das
Crash-Signal, Isolationswerte sowie Strom und Spannung
an den Hauptklemmen der Hochvolt-Batterie (HV). In
Notfällen veranlasst das BMS das Öffnen der Hauptschütze, um den HV-Spannungskreis zu unterbrechen.
• Übergeordnete Kommunikation: Das BMS steht in kontinuierlicher Kommunikation mit dem restlichen Antriebs-
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Steuerung: Übersicht zur Funktionalität
des BMS im elektrifizierten Fahrzeug
•
•
•
strang und dessen Komponenten (E-Maschine, Leistungselektronik, Traktionssteuergerät etc.). Diese erfolgt je nach
Fahrzeugtopologie über einen oder mehrere CAN-Busse.
Spannungsanforderungen und Grenzwerte werden vom
Antriebsstrang empfangen. Neben aktuellen Messwerten
wird auch der Status der Batterie zurückgemeldet.
Berechnung des Batteriezustandes: Das BMS berechnet
elementare Zustände der HV-Batterie, wie beispielsweise
den Ladezustand (SOC) der Einzelzellen und der Gesamtbatterie, die restliche Lebensdauer sowie die verbleibende
Reichweite des Fahrzeugs.
Zellsteuerung: Zur Absicherung gegen Überladung, Tiefentladung und thermische Belastung sorgt das BMS für
eine gleichmäßige Belastung der verschiedenen Zellen [4].
Neben der Verlängerung der Lebensdauer der Einzelzellen
führt dies ebenfalls zu einer Optimierung des aktuellen
energetischen Zustands des Gesamtsystems.
Thermomanagement: Die Belastung wird in Abhängigkeit
von der Packgeometrie und gestützt durch die Messwerte
der Temperatursensoren ermittelt. Basierend auf diesen
Werten steuert das BMS die Kühlmodule im Batteriepack.
Diesen fünf Funktionsebenen stehen nun drei virtuelle
Methoden gegenüber:
• Physikalisch motivierte Simulation: Dabei handelt es sich
um thermische, elektrische oder chemische Modelle oder
auch um deren Verknüpfungen (Co-Simulation) mit höchstem Detaillierungsgrad und geringster Abstraktionsstufe.
• Verhaltenssimulation: An dieser Stelle wird das „zeitliche“
Verhalten von Komponenten nachgebildet. Der physikalische Hintergrund spielt eine untergeordnete Rolle.
• Zellsimulation und -emulation: Eine spezielle elektronische Schaltung emuliert die chemische Zelle. Spannungen
und Ströme werden möglichst realitätsnah mittels eines
Zellmodells eingespeist und erzeugt [, 3]. Jede Funktionsebene lässt sich durch unterschiedliche Gewichtung der
virtuellen Methoden testen und absichern, wie die Abbil-
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dung auf Seite 3 zeigt. Beispielsweise lassen sich Sicherheitsfunktionen größtenteils durch eine Verhaltenssimulation
ausreichend testen und absichern. In geringem Umfang
können Teilfunktionalitäten der Ebenen auch durch aufwendige physikalische Modelle geprüft werden.
Physikalisch motivierte Simulationen
Das physikalische Verhalten der Batterie lässt sich mit sogenannten physikalisch motivierten Simulationen bis in den
elementarsten Bestandteil nachbilden. Dies gilt sowohl für das
chemische und thermische, als auch das elektrische Verhalten.
Durch Modellierung einzelner chemischer Redox-Reaktionen
in den jeweiligen Zellen lassen sich Lade- und Alterungszustand gemäß chemischer Grundsätze bestimmen und abbilden. Materialeigenschaften und geometrischer Aufbau können
korrekt abgebildet und dargestellt werden. Diese physikalischchemischen Modelle besitzen einen sehr aufwendigen Aufbau
und sind nicht echtzeitfähig. Sie dienen vor allem dem Verständnis der Batteriephysik sowie der Entwicklung der Batteriepacks, können jedoch ebenfalls bei der Entwicklung des BMS
verwendet werden, indem sie an Funktionsmodelle angekoppelt werden (Co-Simulation). Hierdurch erreicht man zusätzliche Sicherheit hinsichtlich der Funktionalität in den Konzeptphasen und ersten Funktionalitätstests.
Für die Abbildung der Spannungsantwort der Zelle bei unterschiedlichen Lasten dienen physikalisch-elektrische Modelle
und impedanzbasierte Modelle [2]. Letztere sind im Automotive-Bereich stark verbreitet, da Rechen- und Parametrierungsaufwand verhältnismäßig gering sind. Das mit Hilfe einer Impedanzspektroskopie ermittelte Zellverhalten wird durch schaltungstechnische Standardelemente, wie Spannungsquellen,
Widerstände, Kapazitäten und Induktivitäten abgebildet.
Die Attraktivität dieses Ansatzes sinkt jedoch mit zunehmenden abzubildenden physikalischen Eigenschaften, wie beispielsweise der thermischen Abhängigkeit und den nichtlinearen Zusammenhängen mit dem Ladezustand. Der Parametrie-
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Relevanz: Gewichtung der virtuellen Methoden
beim Test und bei der Absicherung der verschiedenen
Funktionsbereiche des BMS
rungsaufwand bei solchen Modellen stellt vor allem bei der
Abbildung von Reihenschaltungen durch getrennte Einzelmodelle eine Herausforderung dar. Physikalisch-elektrische
Modelle sind dennoch äußerst hilfreich bei der Validierung der
Zellsteuerung und der Balancing-Strategie des BMS. Zusätzlich
liefern sie Elementarmodelle, die in den BMS-Algorithmen
aufgrund ihrer überschaubaren Struktur eingesetzt werden.
Für das vom BMS übernommene Thermomanagement sind
thermische Modelle auf Basis von Finiten Elementen bei der
Auslegung der Kühlungsstrategie von großem Nutzen. Mit diesen ortsaufgelösten 3D-Modellen lassen sich die Wärmeerzeugung in den einzelnen Zellen sowie die Wärmeübertragung
innerhalb und außerhalb des Batteriepacks darstellen. Die
Packgeometrie sowie die verwendeten Materialien werden hierbei mit hoher Genauigkeit berücksichtigt. Diese 3D-Modelle
sind nicht echtzeitfähig, jedoch haben sie in der Entwicklungsund Auslegungsphase der Thermomanagementstrategie einen
hohen Nutzen, da sie sehr detailliert sind.
Die Ankopplung der oben erwähnten Modelle untereinander sowie an das Funktionsmodell des zu entwerfenden BMS ist
GRUNDLAGEN: BATTERIEN, ZELLMODULE, ZELLSTAPEL
Die für Hybrid- und Elektrofahrzeuge verwendeten Batterien bestehen in der Regel aus identisch in Reihe geschalteten Zellen.
Die Gesamtspannung an der Batterieklemme ist gleich der Summe aller Zellspannungen. Die Gesamtkapazität entspricht der
Zelle mit der geringsten Kapazität. Bei Lithium-Ionen-Batterien
werden zum Beispiel Li-Ionen-Zellen verwendet, deren Nennspannung bei etwa 3,6 Volt liegt [1, 3].
Die Zellen werden in Zellstapeln (Packs) zusammengefasst. Ein
Zellstapel wird mit eigener Zellkontrollelektronik zu einem Zellmodul ergänzt. Diese Elektronik wird oft als BMS-Slave bezeichnet und übernimmt die Temperatur- sowie Zellspannungsmessung im eigenen Pack. Sie integriert die für den Zellausgleich
(Cellbalancing) sowie Spannungsunterbrechung notwendige
Elektronik und kommuniziert mit dem zentralen BMS-Steuergerät
(BMS-Master) über einen galvanisch getrennten Bus.
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eine zentrale Voraussetzung für eine zielorientierte Entwicklung. Die Co-Simulation gewinnt somit an enormer Bedeutung
im Automotive-Umfeld.
Absicherung durch Verhaltensmodelle
Bei Verhaltensmodellen liegt der Fokus nicht auf der vollständig korrekten physikalischen Darstellung der Komponenten, sondern auf der Abbildung ihres Verhaltens. Dieses kann
entweder physikalisch motiviert sein wie etwa das einfache
Klemmenspannungsmodell der Batterie oder es orientiert sich
an der umgesetzten Steuerungssoftware beziehungsweise an
den Kommunikationsprotokollen zwischen den einzelnen
Bordnetzteilnehmern.
Für die Validierung und das Testen der Sicherheitsfunktionen sind rudimentäre Verhaltensmodelle vollkommen ausreichend []. Diese geben Spannung und Stromverläufe sowie
Systemstatus an die BMS-Software weiter, um zu überprüfen,
ob das BMS entsprechend der Situation korrekt reagiert. Dies
betrifft auch einfache Ein- und Ausschaltabläufe sowie Sicherheitsreaktionen auf Crash-Signale oder Interlock-Unterbrechungen. Ebenfalls ist es legitim, diese Modelle lediglich durch
virtuell erzeugte Stimuli abzubilden. Jedoch bewegt sich der
aktuelle Trend dahin, dass die Stimulation modellbasiert erfolgt. Damit lässt sich die gesamte Wirkungskette im ClosedLoop absichern (X-in-the-Loop-Absicherung), was aus Gründen der Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit sehr zu empfehlen ist.
Sollen bei den Tests lediglich übergeordnete Regelungsstrategien sowie die Kommunikation mit dem Fahrzeug betrachtet werden, so reichen Verhaltensmodelle aus. Diese Tests
lassen sich mittels RCP-Einheiten (Rapid Control Prototyping)
oder kleinen Hardware-in-the-Loop-Systemen durchführen
[3]. Die fehlenden Fahrzeugkomponenten sowie elektronische
Kontrolleinheiten der Zellmodule können durch ein Kommunikationsmodell wie beispielsweise eine Restbussimulation ersetzt werden [3]. Auch übergeordnete Funktionsmuster der
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Emulation einer Batteriezelle: Das abzubildende
Spannungs verhalten in Bezug zum Ladezustand
der Zelle und in Abhängigkeit der Temperatur
Zellsteuerung sowie des Thermomanagements werden somit
effizient und mit geringerem Kostenaufwand abgesichert.
Emulation auf Zellebene
Für Systemtests des gesamten BMS sind Verhaltensmodelle
unzureichend, da hierzu die Abbildung der einzelnen Zellspannungen notwendig ist. Zwischen den BMS-Slave-Einheiten und den einzelnen Zellen befindet sich eine zusätzlich abzusichernde Schnittstelle. Diese besteht in der Regel aus zugehörigen Zellspannungen und Strömen. Beide Größen werden
mittels speziellen elektronischen Schaltungen emuliert und somit physikalisch an den Klemmen des BMS-Slave erzeugt. Die
Berechnung der notwendigen Spannungen erfolgt virtuell anhand eines Zellmodells.
An dieser Stelle gilt es, verschiedene Herausforderungen zu
bewältigen. Zunächst soll das Modell echtzeitfähig sein (in der
Regel wird das Testsystem mit  kHz berechnet) und gleichzeitig verschiedene physikalische Aspekte, wie Innenwiderstand,
Diffusion und Doppelschichtkapazität berücksichtigen und
abbilden. Weiterhin müssen Lade- und Entladestrom der Zelle,
sowie Verlustströme, die beispielsweise durch Gasungseffekte
beim Laden von NiMH-Zellen auftreten, berücksichtigt werden [3].
Thermodynamische Effekte wie die Temperaturabhängigkeit des Innenwiderstandes und die damit verbundenen Leistungsverluste werden ebenfalls abgebildet. Darüber hinaus
muss stets eine flexible Parametrierung realisierbar sein, da
die Vorteile virtueller Methoden erst entfaltet werden, wenn
physikalisch schwer oder umständlich zu erzeugende Effekte
leicht durch Umparametrierung realisiert werden können.
Die Ansprüche an die Emulationsgenauigkeit müssen der
hohen Empfindlichkeit des BMS genügen. Deshalb ist es so
ausgelegt, dass es sehr sensibel auf kleinste Spannungsschwankungen reagiert. Für einen erfolgreichen Test ist daher zwingend erforderlich, eine Genauigkeit von in der Regel  mV ein-
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zuhalten. Dies reicht aus, um die flachen Ladekurven bestimmter Zelltypen, wie beispielsweise Lithium-Ionen-Zellen, darzustellen. Neben einem guten Zellmodell ermöglicht diese
Genauigkeit auch eine optimale Regelung der Emulationselektronik, die robust gegenüber Balancing-, Lade- und Entladeströme ausgelegt werden muss.
Eine komplette Systemabsicherung der Lade- und Entladestrategie des BMS lässt sich durch Ergänzung eines Kommunikationsmodells mit dem Restfahrzeug realisieren. Mittels dieser Methode können verschiedene Software-Routinen des
BMS, die die internen Zustände der Batterie mit möglichst hoher Genauigkeit ermitteln, getestet und validiert werden.
Mit mehr Effizienz in die Zukunft
Virtuelle Methoden eignen sich dazu, Batteriemanagementsysteme sicher und effizient zu testen und abzusichern.
Sie werden in der Entwicklung auch in Zukunft immer mehr
an Bedeutung gewinnen, da sie reproduzierbare Ergebnisse
liefern und den Entwicklungsaufwand verringern. Schon heute existieren für unterschiedliche Funktionsebenen geeignete
Modelle mit entsprechender Abstraktion, die eine gezielte
Funktionsvalidierung ermöglichen und somit ein Gewinn für
jeden Entwicklungsprozess sind. ☐
Die Literaturhinweise finden Sie in der Online-Version dieses
> MORE@CLICK M20213700
Artikels.
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