E i n fac h s c h l a n k Psychologie »Die beste Diät ist die, die man Hoch hinaus Richtig rationieren Menschen gießen zwölf Prozent weniger in ein hohes, schmales Glas als in ein breites – weil sie sich bei der Einschätzung von Flüssigkeiten eher an der Höhe als an der Breite orientieren. Die meisten Leute kochen zu viel und naschen dann die Töpfe leer. Wenn jeder eine Portion auf dem Teller hat, den Rest sofort in den Kühlschrank stellen. Nachschlag gefällig? Wer Gerichte vom Herd serviert, isst 19 Prozent weniger, weil er für den Nachschlag aufstehen muss. Umgekehrt sollte der gesunde Salat griffbereit auf dem Tisch stehen. nicht bemerkt« Der Ernährungspsychologe und Supermarkt-Berater Brian Wansink erforscht seit 20 Jahren das menschliche Essverhalten. Mit diesen ­psychologischen Taktiken gelingt das Abnehmen wie von selbst Genau. Dahinter stecken ein paar simple­ psychologische Tricks, denen mein Forschungsteam und ich in zahlreichen Studien auf die Spur gekommen sind. Tatsache ist: Wo man Lebensmittel verstaut und wie man diese verspeist, führt oft dazu, dass wir zu viel in uns hineinstopfen – ohne es zu merken. Dieses Wissen können wir uns zu Nutze machen, sodass wir genauso „gedankenlos“ weniger und gesünder essen. Mit welchen Veränderungen lassen sich alltägliche Essfallen umschiffen? Fernseher aus! Fernsehen verleitet dazu, weiterzuessen, auch wenn man nicht mehr hungrig ist: 1. weil es gemütlich ist, 2 ­ . weil man nicht auf die Menge achtet, 3. weil man isst, bis die Sendung vorbei ist. Kann man den Arbeitsplatz „snack-sicherer“ gestalten? In vielen Büros stehen Süßigkeiten griffbereit auf dem Schreibtisch. In einer Studie hat unser Team Mitarbeitern eines Unternehmens Schachteln mit Schokoriegeln geschenkt. Nachts haben wir uns in die Büros geschlichen und die Schachteln heimlich etwas umgestellt. 82 Tischordnung zum Abnehmen FOCUS-Gesundheit Illustration: Naomi Elliott für FOCUS-Gesundheit Menschen essen durchschnittlich 92 Prozent dessen, was sie sich auf den Teller schaufeln – egal, ob sie noch Hunger haben oder nicht. Ein Anfang sind deshalb kleinere Teller und weniger Nachschlagschüsseln auf dem Esstisch. Unser aller Alltag ist einfach zu turbulent und die Willenskraft zu schwach, um sich ständig „bewusst“ richtig zu ernähren. Wenn allein die Wahl des Geschirrs oder die Position der Töpfe einen Unterschied macht, ist das eine große Entlastung. Quelle: „Slim By Design – Mindless Eating Solutions for Ever yday Life“, Brian Wansink, 2014, HarperCollins Professor Wansink, „bewusste Ernährung“ ist heute das große Schlagwort. Sie behaupten dagegen, man könne gesünder essen, wenn man nicht darüber nachdenkt. Optische Täuschung Gut gelöffelt Schüssellösung Auf einem großen Teller wirkt das Essen schnell spärlich – also nimmt man noch einen Löffel mehr. Lieber kleinere Teller wählen. Mit einem kleinen Servierlöffel laden sich Menschen weniger auf den Teller. Denn sie schätzen ihr Essverhalten anhand der Zahl der genommenen Löffel ein – nicht an der tatsäch­ lichen Menge auf dem Teller. Aus einer kleinen Schüssel nimmt man automatisch weniger. Bei einer großen Schüssel entsteht das Gefühl, dass es angemessen sei zuzuschlagen. 83 Psychologie Wenn wir die Schachtel lediglich zwei Meter von der Schreibtischfläche entfernt aufstellten – die Mitarbeiter also aufstehen und ein paar Schritte gehen mussten – , snackten sie weniger als die Hälfte der Schokolade. Das waren dann nur noch rund 100 Kalorien anstatt 225. Es wirkte auch schon, wenn die Riegel in die Schreibtischschublade wanderten – sie also noch nah, aber nicht mehr ständig sichtbar waren. Die Leute aßen dann zumindest ein Drittel weniger. Manchmal ist das Verlangen nach Schokolade aber so stark, dass kein Weg zu weit ist. Also erst einmal abwarten, bevor man alles aufisst! Heilt Zeit also alle Schoko-Gelüste? So kann man das sagen. Aber dieser Trick funktioniert nur, wenn Sie die nicht gegessenen Reste so verstauen, dass Sie sie nicht mehr sehen und sich während der Viertelstunde von dem Objekt der Begierde ablenken, zum Beispiel indem Sie Anrufe erledigen oder den Schreibtisch aufräumen. Es ist also sinnvoll, keine ganze Schokoladentafel oder XLChipstüten in der Schreibtischschublade parat zu haben. Sondern zum Beispiel nur für jeden Tag eine einzelne Praline. Viele Menschen haben ernstere Naschmotive. Die einen futtern bei Stress, die anderen, wenn sie Angst haben, traurig, einsam oder gelangweilt sind. Grundsätzlich muss natürlich jeder selbst ausprobieren, welche kleinen 84 »Unser Alltag ist zu turbulent und die Willenskraft zu schwach, um sich bewusst richtig zu ernähren« Brian Wansink, 55 Am Food and Brand Lab der amerikanischen Cornell University erforscht der Ernährungspsychologe, wie man Süßig­ keiten-Fallen umgeht Wie kann man diesem kalorienreichen Belohnungsreflex ein Schnippchen schlagen? Wenn Sie Sport treiben oder sich bewegen, sollten Sie das nicht als unangenehme Verpflichtung oder gar Qual betrachten. Damit rechtfertigen Sie automatisch, dass Sie sich hinterher mit „kleinen Sünden“ belohnen dürfen. Besser ist es, die Aktivität als etwas Positives zu sehen: Sie tun Ihrem Körper etwas Gutes, nehmen sich Zeit für sich selbst, FOCUS-Gesundheit Gute Idee, aber was haben die Supermarktbetreiber davon? Für jede Extraminute, die wir im Obst- und Gemüsegang verbringen, landet auch für etwa 1,20 Euro mehr Obst und Gemüse in unserem Einkaufswagen. Das gilt bis zu einem Zeitraum von 15 Minuten. Wenn Sie also mehr Gesundes kaufen wollen: Gehen Sie mindestens zweimal den Obst- und Gemüse­ gang rauf und runter, auch wenn Sie das normalerweise nicht tun. Der Inhalt Ihres Einkaufswagens wird sich automatisch ändern. Wer abnehmen will, sollte sich mehr bewegen. Doch lauern nicht auch beim Sport Essfallen? Das stimmt. Mehr Bewegung bedeutet nicht automatisch weniger Gewicht. Nach dem Sport meinen wir oft, uns für die Anstrengung belohnen zu dürfen. In einer Studie haben wir eine Gruppe von Büroangestellten mittags auf eine „Sport-Runde“ geschickt. Die Teilnehmer sind zwei Kilometer um einen See gegangen. Eine Begleitperson hat dabei immer wieder den Trainingsaspekt betont: „Ja, weiter so, schon die Hälfte geschafft, wir sind fast da, auf geht’s!“ Für eine andere Gruppe benannten wir diese Runde als „szenischen Spaziergang“. Die Begleitperson erklärte unterwegs Pflanzen und Tiere, lobte den Ausblick und die Idylle. Beide Gruppen liefen genau dieselbe Strecke in genau demselben Tempo. Beim Mittagessen zeigte sich, was diese unterschiedliche Benennung ausmachte: Die vermeintlichen „Sportler“ aßen 35 Prozent mehr Nachspeise und 40 Prozent weniger Salat als die „Spaziergänger“. die Aufmerksamkeit der Einkäufer in eine bestimmte Richtung. Sie beeinflussen also, welche Lebensmittel Menschen wahrnehmen und letztlich kaufen. Sie haben das Einkaufsverhalten in Supermärkten wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Was war Ihre spannendste Entdeckung? Sie beraten auch Supermärkte, wie sie ihre Kunden dabei unterstützen können, gesünder einzukaufen. So etwas funktioniert? Die „Halber Teller“-Regel Füllen Sie immer eine Hälfte Ihres Tellers mit Gemüse, Salat oder Obst. Dann ist auf der anderen Hälfte alles erlaubt Die Anordnung der Waren, die Beleuchtung, süßigkeitenfreie Kassen und Werbe- und Aufklärugsschilder steuern Von solchen kleinen Veränderungen profitieren beide Seiten, denn frisches Obst und Gemüse ist in der Regel teurer als zum Beispiel ein industriell hergestelltes Früchtemüsli. Die Supermärkte machen also auch mehr Umsatz. In den USA arbeiten wir gerade daran, dass alle Supermarktketten eine Verpflichtung unterschreiben, ihre Geschäfte entsprechend umzugestalten. In Deutschland kooperieren wir gerade mit dem Discounter Aldi. Wir sind noch in der Planungsphase, aber wahrscheinlich werden Sie auch in Deutschland bald einige unserer Forschungs­ergebnisse im Alltag erleben. Im Idealfall wird Ihnen das beim Einkaufen gar nicht auffallen – aber beim Gang auf die Waage. Interview: Mila Hanke Psychologie für Naschkatzen Aus den Augen, aus dem Sinn! Abnehmen ist ganz einfach – vorausgesetzt, man weiß, wie, behauptet Brian Wansink. Nur ein bisschen im Haus ­umräumen und den Kühlschrank neu ordnen, und schon haben Sie Ihre Gelüste nach verbotenen Naschereien im Griff Illustration: Naomi Elliott für FOCUS-Gesundheit Dagegen müssen Sie auch gar nicht krampfhaft ankämpfen. Denn die Frage ist ja: Wie viel Schokolade brauche ich tatsächlich, um meine Schoko-Sehnsucht zu befriedigen? Brauche ich wirklich eine halbe Tafel? Oder wäre ich vielleicht auch mit weniger glücklich? In einer Studie haben wir den Leuten ein Viertel von dem gegeben, was sie normalerweise bei Snack-Attacken naschen – zum Beispiel statt acht Stückchen Schokolade nur zwei. Eine Viertelstunde später gaben die Probanden an, sich so befriedigt zu fühlen, als hätten Sie alle acht Stücke vernascht. eine Pause von der Arbeit oder dem stressigen Familienalltag. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie die verbrauchten Kalorien im Anschluss nicht gleich wieder in sich hineinfuttern. Umgebungsveränderungen bei ihm persönlich am meisten bewirken. Aber auch und gerade wenn Jobfrust oder Liebeskummer das Bedürfnis nach Süßigkeiten verstärken, ist es sinnvoll, diese Lebensmittel nicht in der ganzen Wohnung zu verteilen. Denn dann werden wir beim Öffnen jeder Schublade oder jedes Schrankes immer wieder vor die Entscheidung gestellt: Will ich das jetzt essen oder nicht? Das ist ein unnötiger Test für die eigene Willenskraft. Am besten verstauen Sie Snacks und Süßigkeiten in einem einzigen Schrankfach weit oben oder noch besser: im Keller oder in einer Speisekammer. Konnte allein der Standort der Schokolade das Naschverhalten verändern? Foto: Gilber to Tadday E i n fac h s c h l a n k Versteckspiel für Verbotenes Bewahren Sie Kalorien-, Zucker- und Fetthaltiges in blickdichten Tupperdosen auf – nicht in durchsichtigen Schüsseln oder unter durchsichtiger Frischhaltefolie. Denn für den Kühlschrankinhalt gilt ebenso wie für Schrankfächer und Schubladen: „Du isst, was du zuerst siehst.“ Während die „Eyecatcher“ im Durchschnitt bereits innerhalb von zwei Tagen gegessen sind, bleibt alles „Versteckte“ bis zu zehn Tage unangetastet. Gesundes auf dem Präsentierteller Der Trick funktioniert auch umgekehrt: Vorgeschnittene Obststücke oder Gemüsesticks in durchsichtigen Beuteln oder Dosen snackt man automatisch mehr und öfter, weil sie so leichter ins Auge fallen. FOCUS-Gesundheit Küchen- und Kühlschrank-Ordnung Wenden Sie die „First seen, first eaten“-Regel auf Ihre komplette Küche an. Das Einzige, was offen in Ihrer Küche herumstehen sollte, ist ein gefüllter Obstkorb. Räumen Sie Obst und Gemüse aus dem untersten, blickdichten Kühlschrankfach in die Fächer auf Augen­ höhe: Sie werden rund dreimal so viel davon essen. Auch wenn sich Salat, Karotten & Co. unten im Gemüsefach länger halten – es nützt nichts, wenn Sie sie dort kaum beachten und letztlich auf den Kompost werfen. Kleine Einkaufshelfer Teilen Sie Ihren Einkaufswagen mit Ihrer Tasche oder Jacke optisch in zwei Hälften. Legen Sie Obst und Gemüse in den einen Teil des Wagens, Fettes, Süßes, Kohlenhydratreiches in die andere. Allein durch diese „Hälfte-HälfteTrennung“ werden Sie etwa doppelt so viel Obst und Gemüse kaufen als sonst, weil Sie sich bewusster überlegen, was Sie in den Wagen legen. Der Apfel-Trick Essen Sie vor dem Einkauf einen kleinen gesunden Snack – zum Beispiel einen Apfel. Dieser lenkt das danach folgende Einkaufsverhalten automatisch in eine „gesündere“ Richtung: Versuchspersonen kauften nach einem Apfel-Snack rund 25 Prozent mehr Obst und Gemüse ein. Eine Checkliste für zu Hause finden Sie auf www.slimbydesign.org/home-2/. Weitere Tipps in Brian Wansinks neuestem Buch „Slim By Design – Mindless Eating Solutions for Everyday Life“, 2014. 85