1 1.1 Ordnung muß sein Angeordnete Körper Wir nehmen einmal an, daß es in einem Körper Elemente gibt, die wir “positiv” nennen. Welche Eigenschaften sollen diese haben? O1) Wenn x und y positiv sind, dann auch x + y und x · y O2) Für jede Zahl x6= 0 ist entweder x positiv oder − x positiv (aber nicht beides) O3) 0 ist nicht positiv Definition: Besitzt ein Körper positive Elemente mit den Eigenschaften O1-O3, so heißt der Körper angeordnet. Definition: x < y bedeutet y − x ist positiv y > x bedeutet x < y x ≤ y bedeutet x < y oder x = y y ≥ x bedeutet x ≤ y Kurzschreibweise: x ≤ y ≤ z heißt x ≤ y und y ≤ z 1.2 Folgerungen aus den Anordnungsaxiomen OF1) Für beliebige “Zahlen” a, b gilt: Genau eine der folgenden drei Dinge gilt: a < b, b < a, a = b Grund: Sei x := b − a. Nach O2 gilt genau eines der drei folgenden: x > 0, x < 0, x = 0. Das entspricht der Behauptung. OF2) Wenn a < b und b < c, dann a < c Grund: a < b bedeutet b − a > 0 und b < c bedeutet c − b > 0. Also ist (b − a) + (c − b) > 0. Und damit c − a > 0 also a < c. OF3) Wenn a < b, dann a + c < b + c Grund: Sei x := a + c, y := b + c. Dann ist y − x = b − a > 0, also y > x. OF4) Wenn a < b und c > 0, dann ist a · c < b · c Grund: a < b bedeutet b − a > 0. Dann ist für c > 0 : c · (b − a) = c · b − c · a > 0 OF5) Wenn a 6= 0, dann ist a2 > 0 Grund: Ist a > 0, so ist a2 > 0. Ist a < 0, dann ist (− a) > 0 also (− a) · (− a) = (−1) · (−1) · a · a = a2 > 0. OF6) 1 > 0 Grund: Voriger Satz mit a = 1 OF7) Wenn a < b und c < 0, dann a · c > b · c Grund: a < b bedeutet b − a > 0 und c < 0 bedeutet (−c) > 0. Also ist (−c) · (b − a) > 0. Somit a · c − b · c > 0. OF8) Wenn a < b, dann − a > −b. Speziell: Wenn a < 0, dann (− a) > 0 Grund: Folgt aus vorigem Satz durch c = −1 OF9) Ist a · b > 0, dann sind entweder a und b beide positiv oder a und b beide negativ. Grund: Sei z.B a > 0 und b < 0. Dann wäre a · (−b) = − a · b > 0 OF10) Wenn a < c und b < d, dann a + b < c + d Grund: Mit c − a > 0 und d − b > 0 ist c − a + d − b = (c + d) − ( a + b) > 0 OF11) Wichtige Tatsache : Es ist a2 ≥ 0 für alle a. Ist a2 + b2 = 0, so gilt a = b = 0. Grund: Für a 6= 0 ist a2 > 0 und 02 = 0, also a2 ≥ 0. Daher ist a2 + b2 ≥ 0 für alle a, b. Ist nun a 6= 0 oder b 6= 0, so ist a2 + b2 > 0. OF12) Es gibt, in einem angeordneten Körper, keine Zahl i mit i2 = −1 denn i2 + 12 = 0. F2 ist nicht angeordnet: 12 + 12 + 1 + 1 = 0. OF13) Ist 0 < a < b, so gilt 0 < an < bn und umgekehrt. −1 k n − k −1 Grund: Es ist bn − an = (b − a)(bn−1 + bn−2 a + . . . + ban−2 + an−1 ) = (b − a) · ∑nk= . 0 a b Da die Ausdrücke der zweiten Klammer alle positiv sind, ist das Vorzeichen der rechten Seite identisch mit dem Vorzeichen von b − a > 0, also bn − an > 0. an > 0 ist wegen a > 0 klar. Die Umkehrung folgt ebenso aus der Tatsache, daß die beiden Seiten der obigen Gleichung dasselbe Vorzeichen haben. Bemerkung: OF11 sichert, daß 1 + 1 6= 0, 1 + 1 + 1 6= 0 usw. Damit ist aber auch −1 − 1 6= 0, −1 − 1 − 1 6= 0 usw. Damit liegen die ganzen Zahlen Z in jedem angeordneten Körper. Weiter p sieht man daß damit die rationalen Zahlen q mit p ∈ Z und q ∈ N in jedem angeordneten Körper liegen. Für F2 ist das offenbar falsch, denn 1 + 1 = 0. p Beispiel: Der Körper Q = { q | p ∈ Z und q ∈ N} ist ein angeordneter Körper. Es gilt: p >0 ⇔ p>0 q und damit p r p r p·s−r·q > ⇔ − >0 ⇔ > 0 ⇔ p·s−r·q > 0 ⇔ p·s > r·q q s q s q·s Definition (Intervalle):i) Für einen angeordneten Körper mit Elementen a ≤ b definieren wir: ( a, b) := { x | a < x < b} [ a, ∞) := { x | a ≤ x } ( a, b] := { x | a < x ≤ b} ( a, ∞) := { x | a < x } [ a, b) := { x | a ≤ x < b} (−∞, b] := { x | x ≤ b} [ a, b] := { x | a ≤ x ≤ b} (−∞, b) := { x | x < b} dabei heißt ( a, b) offenes Intervall und [ a, b] abgeschlossenes Intervall. Die anderen beiden Intervalltypen heißen halboffen. Übungen: 1) Die Summe zweier negativer Zahlen ist negativ 2) Wenn a > 0 , dann 1a > 0; wenn a < 0, dann 1a < 0 3) Wenn 0 < a < b, dann 0 < b−1 < a−1 4) Wenn a ≤ b und b ≤ c, dann a ≤ c 5) Wenn a ≤ b und b ≤ c und a = c, dann b = c 1.3 Die Betragsfunktion In einem angeordneten Körper können wir den Betrag eines Elementes wie folgt definieren: falls x positiv ist x | x | := 0 falls x = 0 − x falls x negativ ist Kürzer geht das durch (s.u.) | x | := √ x2 Definition: Der Abstand zweier Zahlen x, y ist | x − y|. Satz: | x · y| = | x | · |y| Grund Wenn x und y gleiches Vorzeichen haben, ist x · y positiv, also | x · y| = x · y. Wenn beide negativ sind ist | x | · |y| = (− x ) · (−y) = x · y = | x · y|. Sind beide positiv, so gilt: | x | · |y| = x · y = | x · y|. Ist x negativ und y positiv, so gilt: | x | · |y| = x · (−y) = − x · y = | x · y| , da dann das Produkt negativ ist. Analog geht der letzte verbliebene Fall. Satz (Dreiecksungleichung): | x + y| ≤ | x | + |y| Grund: Für x gilt x ≤ | x | und für y gilt y ≤ |y|. Also folgt x + y ≤ | x | + |y|. Außerdem gilt − x ≤ | x | und −y ≤ |y| und somit − x + (−y) = −( x + y) ≤ | x | + |y|. Insgesamt also die Behauptung. 1.4 Das Supremumsaxiom Bei √ Q handelt es sich zwar um einen angeordneten Körper, er hat aber noch Lücken. Die Zahl 2, als die Länge der Diagonale eines Quadrates mit Seitenlänge 1 ist keine rationale Zahl. √ √ p Grund: Wir nehmen an: 2 = q mit teilerfremden p und q. Dann folgt q 2 = p und nach Quadrieren: 2q2 = p2 . Dann ist aber die rechte Seite ein Quadrat. Dann muß aber p durch 2 teilbar sein, also p = 2k, für ein k ∈ N. Dann ist aber 2q2 = 4k2 mithin q2 = 2k2 . Mit dem gleichen Argument wie oben ist dann aber auch q eine gerade Zahl und p und q haben den gemeinsamen Teiler 2. Definition: Sei S eine Menge von Zahlen eines angeordneten Körpers. Eine Zahl s heißt obere Schranke vom S, falls für ALLE Zahlen a in S gilt a ≤ s. Gibt es eine obere Schranke für S, so heißt S nach oben beschränkt. Definition Supremum: Eine Zahl s0 ist kleinste obere Schranke (Supremum) einer Menge S 6= ∅, wenn gilt: i) s0 ist obere Schranke für S ii) Keine Zahl kleiner als s0 ist obere Schranke für S, d.h. s < s0 ⇒ ∃ a ∈ S : a > s. Anders gesagt: Ist s obere Schranke von S, so gilt s ≥ s0 . Bemerkung: i) Wenn Sie sich einen Pegelstandsanzeiger am Rhein ansehen, sehen Sie lauter obere Schranken für den tatsächlichen Pegelstand. Dieser tatsächliche Pegelstand ist das Supremum dieser. ii) Analog zum Supremum ist das Infimum die größte untere Schranke einer nicht leeren, nach unten beschränkten Menge. Die Eigenschaften von Suprema gelten sinngemäß auch für Infima. Satz: Suprema und Infima sind eindeutig. Grund: Wir nehmen an, daß s0 und s1 beide Suprema der nach oben beschränkten Menge S sind. Weil s0 kleinste obere Schranke ist, gilt s0 ≤ s1 . Da s1 kleinste obere Schranke ist, gilt: s1 ≤ s0 . Also insgesamt s0 = s1 Bemerkung: Wir betrachten in einem angeordneten Körper für ein Element a die Mengen S0 := { x | x ≤ a} und S1 := { x | x < a} Offenbar sind beide Mengen nicht leer, da z.B. x − 1 in beiden liegt. Die beiden Mengen sind verschieden (a ∈ S0 und a ∈ / S1 ) haben aber das gleiche Supremum a. Im ersten Falle nennt man das Supremum auch Maximum. Lemma: Ist sup A = s, so gibt es zu jedem m ∈ N ein x ∈ A, mit s − m1 < x ≤ s. 1 1 Grund: Es ist A = A\(s − m , s] ∪ (s − m , s] ∩ A . Jedes Element x der ersten Menge erfüllt also x ≤ s − m1 . Wäre die zweite Menge leer, so wäre s − m1 eine kleinere obere Schranke von A. Definition: Ein angeordneter Körper erfüllt das Supremumsaxiom, wenn jede nach oben beschränkte, nichtleere Teilmenge ein Supremum hat. Satz: Die reellen Zahlen R sind ein angeordneter Körper der das Supremumsaxiom erfüllt. Bemerkung: Die reellen Zahlen sind sogar, in einem vernünftigen Sinne, der einzige angeordnete Körper mit Supremumsaxiom. Lemma: Seien A, B zwei nichtleere Teilmengen von R mit a < b für alle a ∈ A und b ∈ B. Dann existieren sup A und inf B und es gilt: sup A ≤ inf B Grund: Sei zunächst b ∈ B fest. Dann gilt a < b, also auch a ≤ b, für alle a ∈ A. Also ist A nach oben durch b beschränkt, also existiert sup A ∈ R. Nun ist sup A kleinste obere Schranke und b obere Schranke von A, also gilt sup A ≤ b. Da diese Argumentation für beliebiges b ∈ B gilt, folgt sup A ≤ b für alle b ∈ B. Daher ist sup A untere Schranke von B. Daher ist B ist B nach unten beschränkt und besitzt eine größte untere Schranke: inf B ∈ R. Annahme: sup A > inf B. Dann existiert x ∈ A, mit sup A − m1 < x ≤ sup A. Für genügend große m ist x > inf B (z.B. für 1 m < sup A+inf B ). 2 Also haben wir inf B < x ≤ sup A Also ist x keine untere Schranke von B. Daher gibt es ein y ∈ B, mit y < x, im Widerspruch zu A < B. 1.5 Archimedizität In diesem Abschnitt sei K ein angeordneter Körper, der das Supremumsaxiom erfüllt. Satz: Die Menge der natürlichen Zahlen 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, . . .ist in K nach oben unbeschränkt. D.h. , daß es zu jedem x ∈ K ein n ∈ N gibt, mit x < n. Grund: Wäre N beschränkt, so gäbe es nach dem Supremumsaxiom s = sup N. Nun ist s − 1 < s keine obere Schranke für N. Also gibt es ein n ∈ N, mit n > s − 1. Also ist n + 1 > s im Widerspruch dazu, daß s obere Schranke vom N ist. Folgerung: Ist x ∈ K und x > 0, dann existiert ein n ∈ N, mit n1 < x. Grund: Nach vorangehendem Satz gibt es ein n ∈ N, mit 1 x < n, also x > 1 n 1 n für alle n ∈ N, so ist x = 0. < n1 für alle n ∈ N, so ist b = a. Folgerung: Ist 0 ≤ x < Folgerung: Ist |b − a| 1.6 Wurzeln Sei K ein angeordneter Körper, der das Supremumsaxiom erfüllt. Satz: Sei a > 0. Dann gibt es genau ein positives Element b, mit b2 = a. Grund (Skizze): Die exakte Begründung ist technisch schwierig. Die Idee (s.u.) ist, daß eine der drei Möglichkeiten b2 > a, b2 < a, b2 = a gelten muß. Die Annahme von b2 > a bzw. b2 < a führen auf einen Widerspruch, so daß b2 = a gelten muß. (Eine ausführliche Begründung finden Sie auf Übungsblatt 3) Sei K ein angeordneter Körper, der das Supremumsaxiom erfüllt. Satz: Sei a > 0. Dann gibt es zu jedem n ∈ N genau ein positives Element b, mit bn = a. Grund: Ist 0 < y < z, so gilt 0 < yn < zn . Zwei verschiedene positive Zahlen können also potenziert mit n nicht gleich werden. Dies zeigt die Eindeutigkeit. (*) Existenz: Sei zunächst a > 1. Wir betrachten die Menge S = { x > 0| x n ≤ a}. Zunächst gilt 1n = 1 < a, also 1 ∈ S und somit ist S nicht leer. Weiter gilt für x ∈ S: x n < a < an und somit an − x n > 0. Damit ist nach OF13) x < a. Die Menge S ist also durch a beschränkt. Nach dem Supremumsaxiom gibt es also s = sup S in K. Wegen 1 ∈ S ist s ≥ 1. Wegen s − m1 < s < s + m1 für alle m ∈ N mit m ≥ 2 gilt: 1 s− m n n <s < 1 s+ m n Wegen der Supremumseigenschaft von s und wegen s − m1 < s gibt es ein b ∈ S mit s − Dann gilt aber 1 n s− < bn ≤ a m n Da s + m1 > s, ist s + m1 ∈ / S also s + m1 > a. Insgesamt gilt also: 1 s− m n Daher ist n |b − a| < n <b ≤a< 1 s+ m n 1 s+ m n 1 − s− m n 1 m < b. = Wegen 0 < s − 1 m < s+ 1 m 2 m n −1 ∑ k =0 1 s+ m k 1 s− m n − k −1 ! < s + 1 ist dieser Ausdruck kleiner als 2 n −1 1 (s + 1)k (s + 1)n−k−1 = 2n(s + 1)n−1 ∑ m k =0 m wird also beliebig klein für große m. Daher gilt bn = a. Ist nun a < 1, so gibt es ein b, mit bn = 1 a > 1. Dann ist n 1 b = 1 bn = 1 1 a = a. 1 √ n 1 Definition: a n = n a = b, a m = ( an ) m . Die reellen Zahlen (eine Übersicht): Die reellen Zahlen sind ein angeordneter Körper, der das Supremumsaxiom erfüllt. Insbesondere gilt: i) Die reellen Zahlen erfüllen, mit der Addition und Multiplikation, die Axiome (und damit deren Folgerungen) eines Körpers ii) Die reellen Zahlen sind angeordnet durch <, isbesondere ist jedes Element ungleich 0 entweder positiv oder negativ. iii) In reellen Zahlen hat jedes positive Element eine Quadratwurzel. i) Die reellen Zahlen sind archimedisch geordnet, d.h. zu jeder reellen Zahl x gibt es eine natürliche Zahl n, mit | x | < n