Thiergarten Annaburg - Landesamt für Umweltschutz Sachsen

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Tiergarten Annaburg
Wittenberg (WB)
VO Landkreis Wittenberg v. 31.01.2000 (Das Amtsbl. f. d. Landkr.
Wittenberg. - 6(2000)14 v. 15.07.2000, S. 5)
324 ha
LSG0003WB_
Landkreis:
Verordnung:
Größe:
Codierung:
Im LSG liegt das Gebiet:
Code
EU-Nr.
Name
FFH0074
DE 4244 302
Gewässersystem Annaburger Heide
südöstlich Jessen
Anteil (%)
1,67
Gebietsbeschreibung
Das LSG befindet sich im Südosten des Landkreises Wittenberg und schließt unmittelbar südlich an
das Stadtgebiet von Annaburg an. Begrenzt wird das Gebiet im wesentlichen durch den Verlauf des
historischen Mauergrabens, nur im Nordosten verläuft die Begrenzung entlang des Neugrabens. Es
liegt in der Landschaftseinheit Annaburger Heide und Schwarzes-Elster-Tal.
Zur Zeit wird der überwiegende Teil des LSG von großflächigen Waldgebieten eingenommen, sowohl
von Laubmischwäldern als auch von Kiefernforsten. Im Norden des Gebietes befindet sich das
Renaissanceschloß Annaburg mit seinen Nebengebäuden, dem sich westlich der sogenannte „Kleine
Tiergarten“ anschließt, ein alter Laubwaldbestand mit einigen Hügelgräbern. An dem LSG liegen ein
Industrie- und Gewerbegebiet und die aus Einfamilienhäusern bestehende „Siedlung Annaburg“, die in
den 1930er Jahren entstand. Südlich vom Schloss schließen sich mehrgeschossige Plattenbauten,
Kleingartenanlagen und ein Sportplatz an. Der östliche Bereich wird vor allem ackerbaulich genutzt.
Gegenüber der Gebietsbeschreibung im LSG-Buch S. 374–376 wurden durch die Neuverordnung des
LSG Siedlungsflächen aus dem Gebiet herausgelöst, so dass Innenbereiche von Annaburg nun nicht
mehr im neu festgesetzten LSG liegen. Die Gebietsbeschreibung ist aber weiterhin inhaltlich
zutreffend.
Landschafts- und Nutzungsgeschichte
Erste Zeugnisse für eine Besiedlung des Annaburger Raumes liefern Hügelgräber der Lausitzer Kultur
im „Kleinen Tiergarten“. Im 12. Jahrhundert entstand eine frühdeutsche Burganlage. Befestigungen
sind seit 1422 nachweisbar. Zu den größten und bekanntesten gehörte das Jagdschloß Friedrich des
Weisen von Sachsen. Kurfürst Friedrich III. ließ zu Beginn des 16. Jahrhunderts den hölzernen Bau
abreißen und errichtete einen massiven Bau. Dieses Jagdschloß Lochau, in der Nähe der
Residenzstadt Wittenberg gelegen, zählte zu den beliebtesten Aufenthaltsorten des Kurfürsten. Nach
dem Tod Friedrich des Weisen 1525 in Lochau wurde das Schloß nur noch zu gelegentlichen
Jagdaufenthalten genutzt. In den Jahren 1572-1575 ließen der Kurfürst August I. und seine Frau Anna
das heutige Schloß Annaburg errichten. Der Renaissancebau besteht aus dem Vorderschloß mit
massiven Rundtürmen und dem von einem Wassergraben eingefaßten Hinterschloß. Zum Ensemble
gehörten auch umfangreiche Gartenanlagen und ein Schloßteich. Der Mauergraben umgab einen
Tiergarten zur herrschaftlichen Jagd.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloß geplündert und stark zerstört und diente in den nächsten
Jahren Forstbeamten als Wohn- und Lagergebäude. Erst ab 1762 wurde das Schloß instandgesetzt
und war dann bis 1921 Militär-Knaben-Erziehungsinstitut. Seitdem wird das Gebäude zu
Wohnzwecken genutzt und ist in den 1980er Jahren saniert worden.
Im Gebiet des heutigen LSG stockten in der Vergangenheit überwiegend Eichenmischwälder,
vereinzelt unterbrochen durch nasse Wiesenbereiche. Aufgrund der hohen Wilddichte ging in den
Wäldern der Unterwuchs zurück, so daß relativ lichte Wälder mit Hudewaldcharakter entstanden, die
in Resten im Gebiet des Kleinen Tiergartens und an der Züllsdorfer Straße noch zu erkennen sind.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden Teilflächen gerodet und landwirtschaftlich genutzt, so daß
neben den Waldflächen ein höherer Anteil Wiesen und Acker entstand.
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Geologische Entstehung, Boden, Hydrographie, Klima
Das LSG befindet sich im westlichen Randbereich der Annaburger Heide. Seine grundlegende
Formung erfolgte während des Warthestadiums der Saalekaltzeit, als hier die von Norden
heranströmenden Schmelzwasser und die von Süden kommenden Flüsse im Breslau-Bremer
Urstromtal gebündelt wurden. Es sedimentierten sich mächtige Sand- und Kiespakete (Talsande), die
während der Weichselkaltzeit durch den verwilderten Lausitzer Strom nochmals eine Umlagerung
(Niederterrasse) erfuhren.
Das Relief ist bei Höhenlagen um 77 m über NN meist flach und neigt sich nur schwach in Richtung
Nordwesten. In den Forsten am Südrand des LSG beleben bis 3 m hohe Dünen das Landschaftsbild.
Der landwirtschaftlich genutzte Bereich im Nordosten wird von geringmächtigen holozänen
Überschwemmungsablagerungen, sogenanntem Auenlehm, vereinzelt auch von moorigen Bildungen,
bestimmt. Die ursprünglich sehr hohen Grundwasserstände sind durch Entwässerungsgräben stark
abgesenkt worden. Die Vorflut verläuft über den Mauergraben und den Neugraben (erbaut 1576/77)
zur Schwarzen Elster.
Das LSG liegt im Breslau-Bremer Urstromtal. Die dominierenden Bodenformen sind Acker-GleyBraunerden und Podsol-Gley-Braunerden, braune, grundwasserbeeinflußte Sandböden mit
Eisenverlagerung. Außerdem kommen vor: Gleye aus lehmigem Auensand über Niederungssand und
Schotter - ein Teil von Annaburg steht auf diesem Boden - und Regosole bis Podsole auf Dünen,
braune, geringmächtige, karbonatfreie Sandböden.
Das LSG befindet sich im Klimagebiet der Leipziger Tieflandsbucht und der Heidegebiete zwischen
Mulde und Schwarzer Elster und ist charakterisiert durch mittlere Jahrestemperaturen von 8,4°C und
mittlere Niederschlagssummen von 530 mm.
Pflanzen- und Tierwelt
Von besonderem ökologischen Wert sind in dem vor allem durch Siedlungen, Kiefernforste und
landwirtschaftliche Nutzflächen geprägten Raum die alten Eichen-Mischbestände im Kleinen
Tiergarten, die ein wertvoller Lebensraum unter anderem für gehölzbewohnende Vogelarten,
Kleinsäuger und xylobionte Käferarten sind. Neben den bestehenden Laubbaumbeständen entwickeln
sich die Kiefernforste natürlich und durch forstliche Tätigkeit zu stabileren Kiefern-EichenMischbeständen. Von Bedeutung sind weiterhin kleinere feuchte Erlen- beziehungsweise
Erlenbruchbestände südlich des Schlosses im Bereich der ehemaligen Teiche und am Mauergraben.
Kleinflächig sind Reste artenreicher Feuchtwiesen entlang des Neugrabens zu finden, die ein
abwechslungsreiches Mosaik aus Rohrglanzbeständen, Pfeifengras und mageren Bereichen mit
hohem Schafgarbenanteil bilden. Auch die Wasserschwertlilie ist in den Gräben vertreten. Im Gebiet
kommen typische Laubwaldpflanzen vor. Es konnten über 75 Großpilzarten nachgewiesen werden,
unter den Pilzen sind Klapperschwamm, Leberpilz und Ungestreifter Tiegelteuerling erwähnenswert.
Interessante Säuger des Neugrabenbereichs sind Biber und Fischotter. Mehrere Fledermausquartiere
sind im LSG bekannt, so kommen neben Braunem und Grauem Langohr auch Bechsteinfledermaus
und das vom Aussterben bedrohte Mausohr vor. Bemerkenswerte Vogelarten des Gebietes sind
Rotmilan, Waldkauz, Hohltaube, Wendehals sowie Schwarz- und Grünspecht. An den Gräben ist der
Eisvogel anzutreffen. Das Gesamtareal des Tiergartens ist ganzjährig Jagdgebiet des Habichts.
Teichmolche und Erdkröten laichen in den vorhandenen Kleingewässern, die Ringelnatter kommt vor.
Großer Eichenbock und der Rosenkäfer sind als auffällige Vertreter der Insektenwelt hervorzuheben.
Sporadische Nachweise des Hirschkäfers und jüngste, reichliche Larvenfunde lassen hoffen, daß
auch diese Art ihren ursprünglichen Lebensraum zurückerobert.
Entwicklungsziele
Vorrangige Entwicklungsziele für das LSG bestehen in der Sicherung und Entwicklung der naturnahen
Laubmischbestände, insbesondere des Alteichenbestandes des Kleinen Tiergartens und der
Erlengehölze in Schloßnähe sowie am Mauergraben, aber auch des Gehölzbestandes im Schloßpark.
Durch Förderung der Naturverjüngung beziehungsweise gezielten Unterbau oder Aufforstung von
Teilflächen ist der Anteil standortgerechter, naturnaher Waldbestände zu fördern. Die Acker- und
Grünlandnutzung sind nach Möglichkeit zu extensivieren, Grünlandumbruch zugunsten der
ackerbaulichen Nutzung sollte unterbleiben.
Ein weiteres Entwicklungsziel besteht in der Anhebung des Grundwasserspiegels, um eine ständige
Wasserführung der Fließgewässer zu ermöglichen und die Austrocknung der Bruchwaldflächen zu
verhindern. Dadurch würde sich die in dem Gebiet vorhandene faunistische und floristische
Artenvielfalt erhöhen.
Von Bedeutung ist auch die Wahrung der historischen Bezüge einschließlich der Instandsetzung
beziehungsweise -haltung der denkmalgeschützten Bauten und Objekte. Die vorhandene Bebauung
sollte landschaftsverträglich eingebunden werden.
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Möglichkeiten für eine gebietskonforme und -verträgliche Erholungsnutzung durch die
Besucherlenkung und Führungen werden entwickelt.
Exkursionsvorschläge
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit des Gebietes ist die Schloßanlage Annaburg mit ihrem
Renaissanceschloß, den Nebengebäuden und den Parkanlagen. Erst in jüngster Zeit wurde auch der
Kleine Tiergarten, der aufgrund seiner naturräumlichen Ausstattung und der Stadtnähe besonders für
die Erholungsnutzung geeignet ist, wieder dafür erschlossen. Das Wegenetz wurde unter
Einbeziehung der vorhandenen Sehenswürdigkeiten, der Hügelgräber, der Alteichen, dem Förstergrab
und dem Kriegerdenkmal verbessert. Rastplätze wurden angelegt, Hinweis- und Schautafeln, vor
allem zur Erläuterung der vorhandenen Gehölze, wurden angebracht, so daß der Charakter eines
kleinen Naturlehrpfades entstand.
Ein Parkplatz für PKW und Busse befindet sich direkt am Kleinen Tiergarten, Ecke Torgauer und
Züllsdorfer Straße. Führungen werden vom Fremdenverkehrsverein Annaburg organisiert.
Verschiedenes
Annaburger Schloß
Die Annaburger Schloßanlage aus dem 16. Jahrhundert gliedert sich in drei Komplexe - Vorderschloß,
Hinterschloß und Gartenanlagen. Das Vorderschloß stellt eine dem Hinterschloß nördlich vorgelagerte
Dreiflügelanlage mit drei Stockwerken dar, die als Wirtschafts- und Stallgebäude sowie als
Wohngebäude für Knechte und Mägde diente. Das vierstöckige Hinterschloß ist eine Vierflügelanlage
mit Innenhof und offener Loggia, Eckbastionen und Volutengiebeln. Das Gebäude ist von einem
Wassergraben eingefaßt, über den ursprünglich eine Zugbrücke zum Haupttor führte. Bemerkenswert
ist der große Bergfried von 1585 im Innenhof mit einer glatten, stufenlosen Wendelschnecke. Das
Hinterschloß diente als Wohn- und Repräsentationsbau, unter anderem befanden sich hier die
Kurfürstenkapelle, eine Bibliothek, eine Druckerei, die Hofküche und die Hofapotheke. Zu den
Gartenanlagen gehörten Kräuter- und Schloßgarten, der Tiergarten westlich der Schloßanlage sowie
ein Schloßteich, verbunden mit einem umfangreichen Grabensystem und Fischteichen.
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