PROF. DR. CARL FRIEDERICH GETHMANN: Klima-­‐Forschung und Klima-­‐Engineering. Ethische Probleme des Handels unter Bedingungen des Nicht-­‐Wissens. Vortrag im Rahmen des KOLLOQUIUMS PHILOSOPHIE Abstract Die Handlungsoptionen des Klima-­‐Engineering gehören zu einer Gruppe von pragmatischen Kontexten, die sich grob als kollektive Handlungsprobleme von globalem Zuschnitt zusam-­‐ menfassen lassen. Zu ihnen gehören sowohl Verteidigungs-­‐ / Abwehrprobleme (Erdbeben, Wirbelstürme, Meteoriteneinschläge u.a.), Versorgungsprobleme (Energie, Wasser, Nahrung, Rohstoffe, u.a.), geogene Entsorgungsprobleme (Hausmüll, chemische Noxen, nukleare Ent-­‐ sorgung, u.a.) und atmosphärische Entsorgungsprobleme (Umweltschadstoffe, Klimagase, u.a.). In Bezug auf diese lassen sich zunächst Vermeidungsstrategien und Anpassungsstrate-­‐ gien unterscheiden; zu letzteren gehören die verschiedenen Optionen des Klima-­‐Engineering. Bei allen Unterschieden weisen diese Handlungskontexte aus ethischer Sicht Gemeinsamkei-­‐ ten auf. Zu ihnen gehört der Umstand, daß die entsprechenden Handlungsoptionen von glo-­‐ baler Wirkungsextension und hoher technischer und ökonomischer Eingriffstiefe unter Be-­‐ dingungen des Nicht-­‐Wissens (d.h. der Ungewißheit, Irrtumsgefährdetheit und / oder Wahr-­‐ scheinlichkeit des Wissens) ausgeführt oder unterlassen werden müssen. Der Vortrag befaßt sich im ersten Teil mit dem grundsätzlichen Verhältnis von Handeln und Wissen. Ausgegangen wird von der traditionellen Rekonstruktion mit Hilfe gemischter (sog. praktischer) Syllogismen. Die Klasse der präskriptiven und deskriptiven Prämissen wird dann grundsätzlich analysiert. Auf dieser Grundlage wird das Problem des Fallibilismus des wis-­‐ senschaftlichen Wissens hinsichtlich seiner ethischen Konsequenzen behandelt. Im zweiten Teil des Vortrags werden auf der geschaffenen Grundlage einige ethische Fragen der kollektiven Probleme globalen Zuschnitts behandelt. Zunächst wird Kritik an den im ideo-­‐ logiepolitischen Meinungskampf immer wieder vorgetragenen Verzichtsszenarien geübt; sie tragen nicht automatisch eine Problemlösungsgarantie in sich und verdanken sich oft welt-­‐ anschaulichen Motiven außerhalb der angesprochenen Sachkontexte. Ferner werden Fragen der Langzeitverantwortung und der Globalen Gerechtigkeit angesprochen, darunter auch die Bedeutung des Bevölkerungswachstums. Bezüglich der Fragen der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Erwärmungswinnern und –verlierern wird ein globaler Ausgleichsfond vorgeschla-­‐ gen Abschließend wird zusammenfassend hinsichtlich der kollektive Handlungsprobleme von globalem Zuschnitt für einen pragmatischen Inkrementalismus, d.h. einen Politikstil des zu-­‐ rückhaltenden Vorwärtstastens Hand in Hand mit der Verbesserung der Wissenslagen, ein-­‐ getreten. Der Vortragende Universitätsprofessor Dr. phil. habil. Dr. phil. h.c., lic. phil. Carl Friedrich Gethmann. Geb. 1944; Studium der Philosophie in Bonn, Innsbruck und Bochum; 1968 lic. phil. (Institu-­‐ tum Philosophicum Oenipontanum); 1971 Promotion zum Dr. phil. (Ruhr-­‐Universität Bo-­‐ chum); 1978 Habilitation für "Philosophie" (Universität Konstanz). 2003 Ehrenpromotion zum Dr. phil. h.c. an der Humboldt-­‐Universität zu Berlin. -­‐ 1968 wiss. Assistent; 1972 Univer-­‐ sitätsdozent für Philosophie an der Universität Essen; 1978 Privatdozent an der Universität Konstanz; seit 1979 Professor für Philosophie an der Universität Essen; weitere Lehrtätigkei-­‐ ten an den Universitäten Düsseldorf und Göttingen. -­‐ Berufungen auf Ordentliche Professu-­‐ ren (C4) an die Universität Oldenburg (1990; abgelehnt), die Akademie für Technikfolgenab-­‐ schätzung in Stuttgart (1991; abgelehnt), an die Universitäten Essen (1991; angenommen), Konstanz (1993; abgelehnt) und Bonn (1995; abgelehnt); seit 1996 Direktor der Europäi-­‐ schen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-­‐technischer Entwicklungen in Bad Neuenahr-­‐Ahrweiler GmbH; seit 2010 Honorarprofessor an der Universität zu Köln. -­‐ Mitglied der Academia Europaea (London); o. Mitglied der Berlin-­‐Brandenburgischen Aka-­‐ demie der Wissenschaften; o. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopol-­‐ dina (Halle); o. Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech); Mit-­‐ glied der Bio-­‐Ethik Kommission des Landes Rheinland Pfalz; Präsident der Deutschen Gesell-­‐ schaft für Philosophie e.V. (2006 – 2008); Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsschwerpunkte (laufend) und Veröffentlichungen (Auswahl): 1. Sprachphilosophie / Philosophie der Logik Protologik (1979); Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens (Hrsg. 1980); Logik und Pragmatik (Hrsg. 1982); Letztbegründung vs. lebensweltliche Fundierung des Wissens und Handelns (1987); Sprache (mit G. Siegwart 1991); Reden und Planen (1996); Wahrheit und Beweisbarkeit (2000); Logik und Topik (2002); Anti-­‐Mentalismus (mit Th. Sander, 2002); Menschsein Menschbleiben. (2010); Die Sprache der Wissenschaft (2010); Einführung in die Sprachphilosophie (in Vorb.). 2. Phänomenologie Verstehen und Auslegung (1974); Lebenswelt und Wissenschaft (Hrsg. 1991); Dasein: Erken-­‐ nen und Handeln. Heidegger im phänomenologischen Kontext (1993); Hermeneutische Phä-­‐ nomenologie und Logischer Intuitionismus (2001); Vom Bewusstsein zum Handeln (2007); Hrsg.: O. Becker, Grundprobleme existenzialen Denkens (2008) Die Aktualität des Methodi-­‐ schen Denkens (2010). 3. Angewandte Philosophie (Medizinische Ethik / Umweltethik / Technikfolgenabschätzung) Proto-­‐Ethik (1982); Ethische Aspekte des Handelns unter Risiko (1987); Praktische Geltungs-­‐ ansprüche und ihre Einlösung (1991); Umweltstandards (mit K. Pinkau et al. 1992, engl. 1998); Lebensweltliche Präsuppositionen praktischer Subjektivität (1993); Zur Ethik des Han-­‐ delns unter Risiko im Umweltstaat (1993); Technikfolgenbeurteilung der bemannten Raum-­‐ fahrt (mit P. Janich und H. Sax 1993); Langzeitverantwortung als ethisches Problem im Um-­‐ weltstaat (1993); Ethische Probleme der Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat (1995); Heilen: Können und Wissen (1996); Zu Ethik des umsichtigen Naturumgangs (1996); Technik-­‐ folgenabschätzung (mit A. Grunwald 1996); Praktische Subjektivität und Spezies (1998); Rechtfertigungsdiskurse (1999); Das abendländische Vernunftprojekt und die Pluralität der Kulturen (2000); Umweltstandards. Kombinierte Expositionen und ihre Auswirkungen auf den Menschen und seine Umwelt (mit C. Streffer et. al 2000, engl. 2003); Philosophie und Technik (mit A. Gethmann-­‐Siefert, 2000); Praktische Vernunft und technische Kultur (2002); Die Natürlichkeit der Natur und die Zumutbarkeit von Risiken (Hrsg mit L. Honnefelder, O. Schwemmer und L. Siep 2001); Tierschutz als Staatsziel (2001); Environment across Cultures (Hrsg. mit C. Ehlers, 2003); Wissen als Macht (2003); Ethische Probleme der Molekularen Medizin (mit F. Thiele, 2003); Gesundheit nach Maß? (mit W. Gerok, H. Helmchen et al. 2004); Ethische Probleme einer langfristigen Energieversorgung (mit Ch. Streffer, K. Heinloth, K. Rumpff, A. Witt, 2005); (Herausgeber) Die Verantwortung des Politikers, München: Fink 2008 (mit P. Janich und H. Schmidt) (Herausgeber) Langzeitverantwortung. Ethik – Technik -­‐ Ökologie, Darmstadt 2008 (mit J. Mittelstraß) „Warum sollen wir überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? (2008); Das Ethos des Heilens und die Effizienz des Gesundheitssystems (2008); Professionelle Ethik und Bürgermoral (2009). -­‐ Herausgeber der Schriftenreihe Wis-­‐ senschaftsethik und Technikfolgenbeurteilung (Springer Berlin u.a. 1999 ff) und der Zeit-­‐ schrift Poiesis & Praxis (Springer Berlin u.a. 2001 ff).