Werner Fest Der Bergbau als wesentliches Element der Besiedlungsgeschichte des Neumarkter Hochtals Vorwort Seit der Gründung des Historischen Arbeitskreises Neumarkter Hochtal (HistAK) im Jahr 2015 wurde das gesamte Neumarkter Hochtal auf Spuren der frühen Siedlungsgeschichte durchsucht. Dabei wurden praktisch im gesamten Gebiet Hinweise auf intensiven Abbau von Erzen gefunden. Über die Geschichte des Bergbaus gibt es nur eine kleine achtzigseitige Broschüre von Walter Brunner aus dem Jahr 1983. Wobei er für die frühere Geschichte, den Bergbau der Kelten, Römer und Slawen nicht einmal 2 Seiten braucht und das Kapitel mit einem Fragezeichen versieht. In der Zwischenzeit hat sich allerdings einiges verändert. 2008 wurden die Ergebnisse einer Pollenanalyse des Kohltratten-Moores südlich von Schloss Lind veröffentlicht. Daraus ist klar ersichtlich, dass es ab dem 5. Jahrtausend zu einem enormen Rückgang des Baumbestandes gekommen ist, was eindeutig auf eine intensive Rodung bzw. Abholzung der Bäume durch den Menschen hinweist. In diesem Zeitraum beginnt der Abbau von Erzen in Mitteleuropa (“Kupferzeit“). Und 2009 hat der Archäologe Dr. Tiefengraber in Tauchendorf eine der größten Siedlungen in den Ostalpen aus der Hallstattzeit (über 20 ha) nachgewiesen, die bereits vor der keltischen Einwanderung zerstört bzw. verlassen wurde. Bekanntlich wird die Hallstattzeit auch als Ältere Eisenzeit bezeichnet, und derartige Zentren waren auch wirtschaftliche Zentren, deren Grundlage die Erzgewinnung und –verarbeitung war. Daraus ist klar ersichtlich, dass bereits lange Zeit vor den Kelten Bergbau in unserer Region gegeben hat. Endgültig geschlossen wurden die Gruben in der Pöllau bei Neumarkt am 1. November 1889. Bis auf die letzten 128 Jahre war es der Bergbau, der neben der Landwirtschaft die Geschichte der Besiedlung unseres Hochtales geprägt hat. Neumarkt im Jänner 2017 1 (Abbildung 1: GIS Atlas, Bearbeitung W. Fest)) Neben den in der Abbildung angeführten Bereichen gibt es noch einige weitere, die entweder noch nicht bekannt bzw. nicht eindeutig sind. Erwähnt seien hier das Kreuzeck, der Adelsberg oder der Geierkogel in Kulm. Magnetithältiger Felsen am Geierkogel in Kulm 2 Die Rohstoffe im Hochtal Siderit (Spateisenstein, Eisenspat) – Fe[CO3] Eisencarbonat – leicht verhüttbar Magnetit (Magneteisenstein) – Fe3O4 Eisenoxid – bis zu 72,4% Eisengehalt Hämatit (Eisenglanz, Roteisenstein) – Fe2O3 Eisenoxid – hoher Erzgehalt Limonit (Brauneisenstein) – FeO(OH) – wasserhältiges Eisenoxidgemisch (Rost) Arsenopyrit (Arsenkies) – FeAsS – Eisensulfid – Ausgangsprodukt für Arsenerzeugung Bleiglanz (Galenit) – PbS – Ausgangsprodukt für Blei- und/oder Silbergewinnung Zinkblende (Sphalerit) – ZnS Zinksulfid – Ausgangsprodukt für Zink- und Cadmiumgewinnun Pyrit (Schwefelkies, Katzengold) – FeS2 - Ausgangsprodukt für die Schwefelsäureerzeugung Kupferkies (Chalkopyrit) – CuFeS2 Eisenkupfersulfid – wichtigstes Kupfererz Rhodonit – (Mn2+)SiO3 – Schmucksteine Rhodochrosit (Manganspat) – Mn(CO3) Mangancarbonat – Schmuckstein, Manganerzeugung Tremolit (Grammatit) – Ca2Mg5[(OH,F)/Si4O11]2 - Asbesterzeugung Im Bereich der legendären „Stadt Noreia“ habe man nach Abgaben von römischen Schriftstellern 1 neben Eisenerz noch Blei, Kupfer, Silber und Gold abgebaut. Das gesamte Neumarkter Hochtal wurde im Verlauf seiner Besiedlung beidseitig sozusagen „umgegraben“. Hauptsächlich handelt es sich aber um Eisenerz und Eisenerzverbindungen. Dabei ergeben sich zwei Hauptbereiche: das Gebiet um Pöllau bei Neumarkt und der nördliche Teil der Seetaler Alpen (Wenzelalpe – Feßnach). Interessanterweise handelt es sich dabei fast durchwegs um Magnetit- und Hämatitvorkommen. Geologischer Grobüberblick Im Osten bilden die Seetaler Alpen den Abschluss. Hier finden wir in erster Linie Glimmerschiefer 2, Amphiboliten 3, Marmore4 und Pegmatite 5. Untergeordnet treten auch Granitgneise 6 und Quarzite 7 auf. Die Westseite wird von der Grebenzen und deren Vorbergen gebildet. Diese Berge gehören zu der dem Kristallin überschobenen „Gurktaler Decke“. Wobei die Grebenzen zum so genannten Murauer Paläozoikum gehört. Die Unterlagerung des Grebenzenmassivs wird im Norden und Osten von Chlorit-Serizit-Quarzphylitten 8 und im Süden von Glimmerschiefern gebildet. Vom Neumarkter Becken wird das Massiv durch eine Störung (Dislokation) 9 getrennt. Im Becken dominieren phyllitische 10 Gesteine mit Einschaltungen von Grüngesteinen. (nach Huber, Andrea: Rohstoffsicherungsgebiete im Bezirk Murau) 1 Strabon, Plinius d. Ä., Livius graubraunes mittel- bis grobkörniges Gestein; geschieferte Metamorphite 3 grau bis schwarzgrünes metamrophes Gestein 4 metamorhoses Carbonatgestein 5 grobkörniges magmatisches Gestein 6 durch Metamorphose aus Granit entstandener Gneis 7 fein- bis mittelkörniges metamorphes Gestein 8 quarzreiches metamorphes Gestein 9 tektonisch verursachte Veränderung einer Gesteinszone 10 feinblättrig 2 3 Der nördliche Teil der kristallinen Seetaler Alpen – rechts der Kreiskogel, in der Bildmitte die Wenzelalpe, wo auf einer Höhe von über 2.000 Metern Eisenerz abgebaut wurde. In Richtung Feßnach (Scheifling) sind noch zahlreiche Spuren des Bergbaus zu sehen. Das Grebenzenmassiv und der Kalkberg mit einem konzentrierten Magnetit- und Hämatitvorkommen. Im linken (südlichen) Teil der Grebenze findet man noch heute eine Vielzahl von Stollen und Pingen. Im Vordergrund das rätselhafte „Mariahofer Omega“ am Fuß des Kirchhügels. 4 NORISCHES EISEN – NORISCHER STAHL [....] durior [....] ferro quod noricus excoquit ignis [....] „Hart wie Eisen und Stahl in der norischen Esse geschmolzen“ Dieser Ausspruch des römischen Dichters Ovid 11 weist auf die Güte der norischen Eisenproduktion hin. Was war nun dieses legendäre Eisen, das in den Bereichen der Schneidfähigkeit und der Schärfbarkeit die Qualität modernen Stahls erreicht? Begründet wird das mit dem Mangangehalt und der Phosphorarmut des Erzes. Das Ferrum Noricum (Norisches Eisen, Norischer Stahl) ist das kohlenstoffhaltige harte Eisen aus Noricum während des Römischen Reiches. Es war einer der wesentlichen Gründe für die waffentechnische Überlegenheit der römischen Truppen. Historiker vertreten bislang die Ansicht, dass die Funktionstauglichkeit dieses Materials abhängig vom technologischen Können der Schmiede sei. Die mehrstufige Schmiedetechnologie in der La Tène - Kultur gleiche den rohstoffbedingten Qualitätsmangel aus. Dieser Rohstoff stamme aus der Gegend um Hüttenberg. Römischer Abbau wurde im Bereich des Möselgutes im Görtschitztal nachgewiesen. Hinweise auf Erzgewinnung im Neumarkter Hochtal durch Bodenfunde aus der Späthallstattund der La Tène-Zeit (500 v. Chr.) finde man vorwiegend im Gebiet von Noreia (St. Margarethen am Silberberg). Im Gebiet von Hüttenberg sei Erzgewinnung und –verhüttung erst aus der Römerzeit nachweisbar. Für das Neumarkter Gebiet habe man keine Nachweise über Bergbau in römischer Zeit. Vermutungen, dass im Schratzbachgraben in römischer und wahrscheinlich schon in norischer Zeit Erz abgebaut worden sei, seien nicht nachweisbar 12. (nach Brunner, Walter: Bergbaue und Schmelzöfen, 1983) In der achtzigseitigen Broschüre Brunners umfasst das Kapitel Bergbau der Kelten, Römer und Slawen nicht einmal 2 Seiten, wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass man 1983 noch nichts von der großen hallstattzeitlichen Siedlung in Tauchendorf gewusst hat. Die folgende Weiheinschrift am Fürstenhof in Friesach war allerdings längst bekannt: „Den erhabenen Grenzgottheiten (Termunes) geweiht. Quintus Calpurnius Phoebianus, Pächter der römischen Eisensteuer, und die Söhne Quintus Calpurnius Phoebianus Junior und Charitonianus haben (das Heiligtum) unter Aufsicht des Bergwerkverwalters Gaius Julius Hermes wiederherstellen lassen.“ Nachdem die Familie der Phoebiani, als Pächter der Erzsteuer (das römische Steuerwesen war „privatisiert“) eine der reichsten Familien der Provinz Noricum, am Fuß der Grebenzen ein Heiligtum errichteten, ist es naheliegend, dass sich auch das Zentrum des Erzabbaues hier befunden haben muss. Die im Neumarkter Hochtal vorhandenen Eisererzvorkommen sind zum allergrößten Teil Vermischungen von Magnetit und Hämatit. Ihr durchschnittlicher Erzanteil beträgt 62,49%. Zudem haben diese Erze einen Titananteil (TiO2) von 0,09%. Sie haben eine sehr große Ähnlichkeit mit den schwedischen Magneterzen. Bei den hohen Schmelztemperaturen moderner Öfen kann es zu Bodenversetzungen kommen. Bei den niedrigeren Temperaturen der Holzkohleöfen, wie sie in der Latène Zeit verwendet wurden, gehen 30 bis 50% des 11 12 Publius Ovidius Naso 43 v. Chr. – 17 n. Chr. Carinthia I (1895), S. 164 5 Titans ins Roheisen über. Das wiederum verleiht dem Metall eine vorzügliche Dichte und Festigkeit. (Quelle: Redlich, Dr. Karl A.: Bergbaue Steiermarks, Leoben 1903). Womit wir wieder beim berühmten norischen Eisen gelandet wären. Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass die hochwertigen Erze des Neumarkter Hochtales zumindest den von der Qualität her minderwertigen Erzen der Hüttenberger Gegend (Siderit) von den keltischen Schmieden beigemengt wurden, um die Härte des norischen Stahls zu erreichen. Eine Überlegung, die nicht so ohne weiters von der Hand gewiesen werden kann. Verwendete Literatur: Redlich, Karl A., Dr.: Bergbaue Steiermarks Hörhager, J.: Das Eisensteinvorkommen bei Neumarkt in Obersteier, 1903 Leoben, Verlag: Ludwig Nüssler, K.k. bergakademische Buchhandlung Brunner, Walter: Bergbaue und Schmelzöfen, Ein historischer Führer zu den Abbau- und Verhüttungsstätten im Gerichtsbezirk Neumarkt i. d. Steiermark, Styria Verlag, Judenburg 1983 Geologische Karte der Republik Österreich 1:50.000 Erläuterungen zu Blatt 160 Neumarkt in Steiermark, Geologische Bundesanstalt, Wien 1980 Huber, Andrea: Rohstoffsicherungsgebiete im Bezirk Murau, Wien 1988 Drescher-Schneider, Ruth: Das Kohltrattenmoor im Süden von Schloss Lind. Neue pollen- und großrestanalytische Ergebnisse zur spät- und postglazialen Vegetations- und Klimaentwicklung im Gebiet Neumarkt (Steiermark, Österreich)., Graz 2008 6