Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

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VON 1933 BIS 1945
Nationalsozialismus
und Zweiter Weltkrieg
land unter Adolf Hitler ein totalitär-aggressives System durch. Der Zweite Weltkrieg kostet
mehr Opfer als alle anderen Kriege zuvor. Prägend für diese Zeit ist der blutige Terror, den
Sowjets, Japaner und vor allem Deutsche gegen besiegte Gegner und Zivilisten, politische
Kontrahenten oder einzelne Bevölkerungsgruppen ausüben. Seinen unfassbaren Höhepunkt erreicht er jedoch im von den Nationalsozialisten ins Werk gesetzten Holocaust, dem
industrialisierten Massenmord an sechs Millionen Juden.
Die moderne 20-bändige „Große Weltgeschichte“ präsentiert die Geschichte unserer Welt
präzise, leichtverständlich und streng chronologisch. Genaue Einzelinformationen
und verständliche Zusammenhangs- und Spezialdarstellungen mit über 8000
Abbildungen machen die Vergangenheit inhaltlich und visuell erfahrbar. Je drei Bände
beschreiben die Vor – und Frühgeschichte, die Antike und das Mittelalter. Der Zeitraum von
der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wird in fünf, das 20. Jahrhundert
bis zur Gegenwart in sechs Bänden behandelt.
ISBN 978-3-902016-90-4
9 7 83 902 01 6904
Titelbild: Hitler in Wien; Copyright: corbis
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Zum Auftakt eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte setzt sich in Deutsch-
WELTGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR GEGENWART
W E LT G E S C H I C H T E V O N D E N A N F Ä N G E N B I S Z U R G E G E N W A R T
16
NO- 16
überblick
Nationalsozialismus
und zweiter weltkrieg
Zum Auftakt eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte setzt sich
in Deutschland unter Adolf Hitler ein genauso totalitäres wie kriegslüsternes
System durch. Der Zweite Weltkrieg kostet mehr Opfer als alle anderen Kriege
zuvor. Genauso prägend für diese Zeit ist der blutige Terror, den Sowjets, Japaner
und vor allem Deutsche gegen besiegte Gegner und Zivilisten, politische Kontrahenten oder einzelne Bevölkerungsgruppen ausüben. Seinen unfassbaren
Höhepunkt erreicht er jedoch im von den Nationalsozialisten ins Werk gesetzten
Holocaust, dem industrialisierten Massenmord an sechs Millionen Juden.
E
in wichtiger Erklärungsstrang für die
politischen Entwicklungen der 1930erJahre ist die Weltwirtschaftskrise von 1929.
Der Kollaps des Bankensystems führt in
vielen Teilen der Welt zu Arbeitslosigkeit,
Mangelversorgung und Armut. In einigen
europäischen Ländern wie Frankreich und
Großbritannien halten die demokratischen
Systeme dem wirtschaftlichen Druck stand,
aber keineswegs überall. Noch bevor Adolf
Hitler im Januar 1933 zum deutschen Reichskanzler ernannt wird, haben in Italien, Portugal, Polen, Ungarn, Jugoslawien und der
Sowjetunion autoritäre oder faschistische
Regierungen die Macht übernommen. Zu
ihnen gesellen sich im Laufe der 1930er-Jahre
die Diktaturen in Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Griechenland, Spanien, nicht
zuletzt in Österreich, wo Hitlers Truppen und
der Diktator selbst bei ihrem Einmarsch im
Jahr 1938 begeistert empfangen werden.
Konsolidierung der NSDAP-Herrschaft
W
ie andere Länder wurde auch Deutschland vom Börsenkrach und der Weltwirtschaftskrise 1929 schwer erschüttert. Die
Löhne fielen, Preise und Steuern stiegen. In
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dieser Situation verstand es Adolf Hitler, sich
mit seiner Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiter-Partei (NSDAP) als Retter des Vaterlandes darzustellen. Die Schuld an der
aktuellen Misere, die teils aus den Irrwegen
der deutschen Geschichte, teils aus einer Krise der kapitalistischen Wirtschaftsweise als
solcher resultiere, gab er Demokraten, Kommunisten, vor allem aber den Juden.
Anders als das Wort »Machtergreifung«
vermuten lässt, war Hitlers Weg an die Spitze des Staates durchaus legal. Seit September 1930 hatte die NSDAP 107 Abgeordnete
im Reichstag, mit den Wahlen im Juli 1932
wurde sie zur stärksten Partei, auch wenn sie
die absolute Mehrheit verfehlte und im November 1932 bei erneuten Reichstagswahlen
einen Rückschlag erlitt. Zu Hitlers Verbündeten zählen deutschnationale Industrielle
und Verleger wie Alfred Hugenberg, der über
ein gewaltiges Presseimperium verfügt. Als
Reichstag und Regierung zunehmend handlungsunfähig werden, ernennt der greise
Reichspräsident Paul von Hindenburg – der
als bekennender Gegner des Parlamentarismus und Erfinder der »Dolchstoßlegende«
zu den geistigen Vätern der Rechtsradikalen
zählte – am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum
Reichskanzler.
1933 – 1945
Entschlossen konzentrieren sich der neue
Reichskanzler und seine Helfershelfer auf
die Zerschlagung der Republik und die
Ausschaltung aller Gegner. Durch eine
Verordnung werden Eingriffe in die Presseund Versammlungsfreiheit legalisiert, den
Brandanschlag auf das Reichstagsgebäude
am 27. Februar nutzt Hitler, um die Linken
zu diskreditieren und den Ausnahmezustand
auszurufen. Am 24. März 1933 bringen die
Nationalsozialisten nach einer gezielten Einschüchterungskampagne mit überwältigender
Mehrheit das »Gesetz zur Behebung der Not
von Volk und Reich« durch. Mit diesem »Ermächtigungsgesetz« wird die gesetzgebende
Gewalt auf die Exekutive übertragen: Das
Parlament hatte sich selbst abgeschafft und
die Demokratie liquidiert.
Hitler erlässt ein Versammlungsverbot, das
vor allem linke Parteien und Organisationen
trifft. Zum 1. April 1933 initiiert Reichspropagandaminister Joseph Goebbels im Reich
einen Boykott jüdischer Geschäfte, Rechtsanwalts- und Arztpraxen sowie Banken. Eine
Woche später werden die Juden durch das
Gesetz zur »Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« aus dem Staatsdienst gedrängt.
Die Tatsache, dass es zu diesem Zeitpunkt
in Deutschland kaum noch Juden im traditionellen Sinne gibt, weil sie in der überwiegenden Mehrheit längst assimiliert sind,
beeinträchtigt die Wirkung der nationalsozialistischen Diffamierungskampagne nicht,
sondern wird im Gegenteil als Beweis für die
»jüdische Weltverschwörung« zu einem Argument für die Verschärfung des Terrors.
Eine Gruppe deutscher Infanteristen vor einem in Brand gesteckten Dorf während des Russlandfeldzuges (Foto, 1941)
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1933 – 1945
nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
Propaganda-Postkarte mit Adolf Hitler zum »Reichsparteitag des Sieges« im Aug./Sept. 1933 in Nürnberg
Die Stützen des NS-Staats –
Propaganda und SS
D
urch die Gleichschaltungspolitik wird
das ganze Land auf Parteilinie gebracht. Zwischen Mai und Juli 1933 werden
alle Parteien außer der NSDAP verboten. An
die Stelle der Anfang Mai zerschlagenen Gewerkschaften tritt die Deutsche Arbeitsfront
(DAF), die Bauern werden im »Reichsnährstand« zusammengeschlossen, Künstler und
Beschäftigte aus Theater, Film, Rundfunk
und Presse in der »Reichskulturkammer«.
Sie untersteht dem Propagandaministerium
von Joseph Goebbels, übt scharfe Kontrolle
aus und verlangt von den Mitgliedern einen
»Ariernachweis« sowie Linientreue. Der
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Reichskulturkammer nicht anzugehören,
kommt einem Berufsverbot gleich. Gleichgeschaltet werden auch unpolitische Vereine,
die der NS-Organisation »Kraft durch Freude« (KdF) unterstellt werden. Ab Sommer
1934 ist praktisch jeder Deutsche über Beruf,
Verein, Militär, Teile der Hitlerjugend (HJ)
oder den Reichsarbeitsdienst in irgendeiner
Weise mit der Partei verbunden.
Im Jahr 1934 kommt es zum Machtkampf
innerhalb der NSDAP. Bis zu diesem Zeitpunkt
war die 1921 als Saalschutz gegründete
»Sturmabteilung« (SA) die Speerspitze der
Partei. Geführt wird sie seit 1931 von Ernst
Röhm, einem Nazi der ersten Stunde. Für
Hitler war die paramilitärisch operierende
SA einerseits sehr nützlich, weil sie politische
Gegner in Angst und Schrecken versetzte,
sie war allerdings auch sehr mächtig geworden. Als plötzlich Gerüchte von einem geplanten Putsch in Umlauf kommen – deren
Ursprung und Realitätsgehalt niemals nachgewiesen werden kann – und einige Reichswehrgeneräle bei Hitler vorstellig werden,
entscheidet sich dieser gegen die SA und für
das Militär, auf das er bei seinen weiteren
Plänen unmöglich verzichten kann. Anlässlich eines Spitzentreffens von Parteifunktionären am 30. Juni 1934 lässt er Röhm und
knapp 100 weitere SA-Führer verhaften und
ermorden.
Mit diesem Ereignis beginnt der Aufstieg
der ursprünglich als Leibwache Hitlers gegründeten Schutzstaffel (SS) zum eigentlichen Rückgrat des NS-Staates. Ihr »Reichsführer«, Heinrich Himmler, wird 1936 Chef
der gesamten Polizei, auch der gefürchteten
Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Im April
1934 lässt Hitler den Volksgerichtshof einrichten, der für Landes- und Hochverrat sowie für politische Verbrechen zuständig ist.
Als Anfang August 1934 Reichspräsident
Hindenburg stirbt, ergreift Hitler die Chance, sich per Volksabstimmung als »Führer
und Reichskanzler« einsetzen zu lassen. Die
Reichswehr wird auf ihn als ihren Obersten
Befehlshaber vereidigt und zu »unbedingtem
Gehorsam« verpflichtet. Die Konsolidierung
des NS-Staats ist damit abgeschlossen.
»New Deal« – Roosevelt
mischt die Karten neu
D
ie Weltwirtschaftskrise hat auch die
Vereinigten Staaten unsanft aus dem
amerikanischen Traum geweckt. Hier gelingt
es Präsident Franklin D. Roosevelt mit seiner
staatsinterventionistischen Reformpolitik jedoch, das Vertrauen in Staat und Demokratie
zu erneuern. »Ich gelobe euch, ich gelobe mir
selbst einen New Deal für das amerikanische
Volk«, hat Roosevelt am 27. Juni 1932 als
Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei den Wählern versprochen. Der
Begriff »New Deal« kommt aus der Sprache
der Kartenspieler und meint eine Neuverteilung der Spielkarten. Roosevelt verfolgt
keine bestimmte Ideologie, schon gar keine
sozialistische, wie seine Gegner behaupten.
Er will lediglich die Karten neu verteilen,
ausspielen soll sie jeder selbst.
Als Roosevelt zur Wahl antritt, steht sein
Sieg eigentlich schon fest. Nach drei republikanischen Präsidenten ist die Zeit reif für
einen Wechsel, reif vor allem für einen Politiker, der den USA wieder Selbstvertrauen
gibt. Einem Mann, der seit seinem 40. Lebensjahr infolge einer schweren Polioerkrankung gelähmt ist und sich zwingt, mithilfe
einer eisernen Beinschiene zum Rednerpult
zu gehen, trauen die Amerikaner auch zu, die
Probleme des Landes zu lösen. Seine Politik
des New Deals zielte vor allem darauf ab,
die Wirtschaft anzukurbeln und die Not der
Bevölkerung zu lindern. Durch staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Subventionen
und Sozialgesetze gelingt es dem neuen Präsidenten, die Folgen der Depression zumindest
deutlich abzumildern.
Staatliche Interventionen
und soziale Reformen
S
Karikatur der berühmten »fireside chats» (Kamingespräche) via Rundfunk von US-Präsident Roosevelt
eine vordringlichste Aufgabe nach seiner
Amtsübernahme im März 1933 besteht
darin, den drohenden Zusammenbruch des
Bankenwesens zu verhindern. Viele Institute
sind bereits in Konkurs gegangen, andere
können ihren Kunden die Ersparnisse nicht
mehr auszahlen. Am 5. März ordnet Präsident Roosevelt die Schließung aller Banken an, am 9. März wird der »Emergency
Banking Relief Act« erlassen, ein Notgesetz,
das den Präsidenten ermächtigt, bei Transaktionen einzugreifen. Thema einer seiner
ersten Reden via Rundfunk, in denen er seine Politik immer wieder erläutert, sind die
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1933 – 1945
nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
Maßnahmen bezüglich der Banken. »Es ist
sicherer«, sagt er, »das Geld einer wiedereröffneten Bank anzuvertrauen, als es unter die
Matratze zu legen.« Die ersten Schritte zur
Überwindung der Krise, die in erster Linie
eine Vertrauenskrise war, sind getan.
Von März bis Juni 1933 tagt der Kongress
unentwegt und verabschiedet eine Fülle
von Gesetzen. Sie beinhalten zum Beispiel
Einsparungen und eine Reorganisation
der Verwaltung. Junge Arbeitslose werden
zu öffentlichen Tätigkeiten im Straßenbau,
bei der Anlage von Nationalparks oder bei
Wiederaufforstungsprojekten verpflichtet.
Die Bundesstaaten erhalten Unterstützung
vom Bund. Es werden Programme für verschuldete Hauseigentümer, für Farmer und
den Grundstein für eine öffentliche Sozialversicherung, für die Disziplinierung von
Großunternehmen und fordert eine höhere
Besteuerung größerer Einkommen – und
wird 1936, 1940 und 1944 gegen alle Traditionen dreimal in seinem Amt bestätigt.
Gründungslegende der VR China –
der »Lange Marsch«
W
ährend Roosevelt die amerikanische
Wirtschaft erneuert, begründet Mao
Zedong (Mao Tse-tung) in China mit seinem
»Langen Marsch« den Heldenmythos der
Kommunistischen Partei. Nach dem Bruch
zwischen der nationalchinesischen Kuo-
Unmittelbar vor der drohenden Vernichtung
gelingt es den Generälen Tschou En-lai und
Mao Zedong, mit rund 90 000 Kämpfern aus
dem Belagerungsring auszubrechen. Schwere Kämpfe begleiten den 12 500 km langen
Marsch in Richtung Nordwesten. Als er nach
zwölf Monaten im Oktober 1935 endet, haben
nur etwa 7000 Kommunisten die unvorstellbaren Strapazen überlebt. Nach diesem Kraftakt setzen sich die Truppen Mao Zedongs,
der inzwischen unumstrittener Anführer der
Kommunisten geworden ist, in der Provinz
Shaanxi am Mittellauf des Hwangho fest. Der
»Lange Marsch«, der gleichzeitig auch ein Werbefeldzug für die kommunistischen Ideale ist,
wird nach Gründung der Volksrepublik China
zum Symbol der siegreichen Revolution.
Vorbereitung zum Massenmord
D
Mao Zedong (M.) auf dem »Langen Marsch«, der Militäraktion und Propagandafeldzug zugleich ist (Gemälde, 1935)
für die Belebung der Industrie aufgelegt. Mit
der »Tennessee Valley Authority« wird eine
Entwicklungsbehörde gegründet, die in dem
rückständigen Tal Flüsse reguliert, für Elektrifizierung sorgt und die Malaria bekämpft.
In der zweiten Phase des New Deals, die 1935
beginnt, nimmt sich Roosevelt vor allem der
kleineren Farmer und Arbeiter an. Er legt
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mintang-Partei (KMT) Jiang Jieshis (Chiang Kai-shek) und den Kommunisten hatten
die­se 1931 im Südosten Chinas eine Sowjetrepublik nach dem Vorbild der UdSSR ins
Leben gerufen. In dem folgenden Krieg mit
den Truppen Jiang Jieshis werden die unterlegenen Kommunisten bis Oktober 1934 in der
Provinz Jiangxi vollständig eingekesselt.
er Antisemitismus ist in Europa seit dem
späten 19. Jahrhundert ein weit verbreitetes Phänomen, doch nur in Deutschland
wird er zur Staatsdoktrin erhoben. Seit dem
1. April 1933 werden die Juden mit einer
ganzen Flut von Gesetzen und Verordnungen
systematisch diskriminiert, kriminalisiert,
aus dem Berufsleben gedrängt und ihrer Exis­
tenzgrundlage beraubt. Durch die Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935 »zum
Schutz der deutschen Ehre und des deutschen
Blutes« wird die Heirat zwischen Nichtjuden
und Juden verboten, sexuelle Beziehungen
gelten als Rassenschande. In der Öffentlichkeit müssen jüdische Bürger jede Form der
Demütigung schutzlos hinnehmen. Bald dürfen sie keine Geschäfte mehr eröffnen und
keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.
Einen ersten Gipfelpunkt erreicht der Terror in der Reichspogromnacht vom 9. auf den
10. November 1938, in der fast alle deutschen
Synagogen und 7000 jüdische Geschäfte zerstört werden, 30 000 Juden geraten in Haft.
In der Reichspogromnacht vom 9./10.11.1938 brennt
auch die Synagoge von Bielefeld.
Infamerweise müssen die Opfer eine »Sühneleistung« von einer Milliarde Reichsmark
an das Reich bezahlen. Ihre finanzielle Ausbeutung wird zum System. Insgesamt verlassen bis Kriegsbeginn rund 260 000 der
500 000 deutschen Juden das Land. Sie alle
müssen eine »Reichsfluchtsteuer« zahlen, die
ihnen kaum mehr lässt, als sie auf dem Leib
tragen. Zu Schleuderpreisen müssen sie ihre
Geschäfte und Immobilien sowie ihr ganzes
Hab und Gut verkaufen. Durch diese »Arisierung« jüdischen Vermögens gelangen viele
Deutsche zu beträchtlichem Reichtum.
Mussolinis Italien
und die »Achse Berlin–Rom«
I
n Italien hatte der frühere Linkssozialist
und Pazifist Benito Mussolini nach seiner
Machtübernahme (»Marsch auf Rom« 1922)
das Parlament ausgeschaltet, die Arbeiterbe17
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1933 – 1945
nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
wegung zerschlagen, die Opposition geknebelt und eine faschistische Diktatur errichtet,
die ganz auf den unumschränkt herrschenden
»Duce« zugeschnitten war. Trotz der ideologischen Nähe zwischen Nationalsozialismus
und Faschismus verhalten sich Mussolini
und Hitler zunächst durchaus nicht wie natürliche Verbündete, sondern wie Rivalen.
Als Hitler entgegen den Bestimmungen des
Versailler Vertrags im März 1935 die allgemeine Wehrpflicht einführen lässt, gründet
Mussolini im April 1935 mit Großbritannien
und Frankreich ein Bündnis gegen die deutsche Expansionspolitik. Erst als er im Herbst
1935 durch seine Eroberungspolitik in Äthiopien in Konflikt mit den Verbündeten gerät,
kommt es zu einer Annäherung zwischen
»Duce« und »Führer«.
1896 hatten die Äthiopier gegen die Ita­
liener in der legendären Schlacht von Adwa
den einzigen großen Militärerfolg eines afri-
kanischen Landes gegen eine Kolonialmacht
errungen. 1935 dient Mussolini ein Grenzkonflikt zwischen Italienisch-Somaliland und
Äthiopien als Vorwand für einen neuerlichen
Abessinienfeldzug. Als der Vormarsch der
Italiener nach einigen Anfangserfolgen ins
Stocken gerät, befiehlt der »Duce« entgegen
aller Bestimmungen der Genfer Konvention
massive Angriffe mit Bombenflugzeugen und
Senfgasgranaten, durch die ganze Dörfer
ausgelöscht werden. Trotz des äthiopischen
Widerstands erobern die Invasionstruppen
am 5. Mai 1936 Addis Abeba. Vier Tage später wird König Viktor Emanuel III. zum Kaiser von Äthiopien ausgerufen, anschließend
wird das Land mit Eritrea und Somaliland
zur Kolonie Italienisch-Ostafrika vereinigt.
Im Oktober unterzeichnen Mussolini und
Hitler ein geheimes Freundschaftsabkommen, am 1. November 1936 verkündet der
»Duce« die »Achse Berlin–Rom«.
Achille Starace (r.), ein Gefolgsmann Mussolinis, während des Abessinienfeldzuges (Foto, 1935)
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Beginn des Spanischen Bürgerkriegs
E
gensatz zum linken Lager setzt die Rechte auf
das Führerprinzip: Im Oktober 1936 wird die
militärische und politische Gewalt auf den
Generalissimus Franco übertragen, der Sitz
der Gegenregierung liegt in Burgos.
ine wichtige Etappe bei der italienischdeutschen Annäherung war die gemeinsame Intervention im Spanischen Bürgerkrieg. Dessen Vorgeschichte hatte 1931 mit
Internationale Brigaden
dem Wahlsieg der Republikaner, der Abdanunterstützen
Volksfrontregierung
kung König Alfons’ XIII. und der Ausrufung der Republik begonnen. Denn die neue
Regierung war den politischen und sozialen
rei Tage nach dem Putsch entschließt
Krisen des Landes kaum gewachsen; zu tief
sich die Regierung in Madrid, die Arwar die Kluft zwischen Rechten und Linken. mee aufzulösen und die Arbeitermilizen zu
Als die Bergarbeiter in Asturien im Oktober bewaffnen. Den Vormarsch der Junta auf
1934 eine Räterepublik proklamierten, ant- Barcelona kann Buenaventura Durruti, der
wortete das mittlerweile von Nationalisten Anführer der Anarchisten, stoppen. Allerregierte Madrid mit rücksichtsloser Härte dings ist die Volksfrontregierung aus Komund setzte Militär zur Niederschlagung des munisten, Anarchisten, Sozialisten und ReAufstands ein. Organisiert wurde der Einsatz publikanern in ihren Zielen und Methoden
von General Francisco Franco Bahamonde. stark gespalten. Im September 1936 beginnt
Gleichzeitig radikalisierten sich die Separa- der Ministerpräsident der Volksfrontregietistenbewegungen in Katalonien, im Basken- rung, Francisco Largo Caballero, mit der
land und in Galicien.
Bewaffnung der Gewerkschaften. Im OktoIn weiten Teilen des Landes herrschten be- ber werden in Madrid die Internationalen
reits bürgerkriegsähnliche Zustände, als sich Brigaden ins Leben gerufen, eine militärische
bei den Wahlen 1936 eine linke Volksfront Einheit aus sympathisierenden Freiwilligen,
aus Republikanern, Sozia­
der sich unter anderem
listen und Kommunisten
Ernest Hemingway, André
Ausschlaggebend für den
durchsetzt. Zahllose GegMalraux, George Orwell
Ausgang des Spanischen Bürner hat die neue Regierung
und Egon Erwin Kisch
gerkriegs ist die Intervention
im Militär, unter den Naanschließen. Unterdessen
ausländischer Mächte.
tionalisten, in der Kirche
setzen sich die Militärs in
sowie im monarchistisch
Andalusien fest, während
oder katholisch geprägten Kleinbürgertum. ihr Vorstoß auf Madrid im November 1936
Die Ermordung eines monarchistischen Ab- am Widerstand der Bevölkerung scheitert.
geordneten gibt den letzten Anstoß für einen Im Mai 1937 weicht die republikanische
sorgfältig vorbereiteten Putsch der nationa- Regierung nach Valencia aus und organilistischen Militärs am 17. Juli 1936. Sein Aus- siert von dort den ersten großen Angriff bei
gangspunkt ist die Kolonie Spanisch-Marok- Brunete, um die Nationalisten von Madrid
ko, wo General Franco stationiert ist. Schon fernzuhalten.
Monate zuvor haben die Militärs einen Plan
Ausschlaggebend für den Ausgang des Bürzur Einkreisung Madrids ausgearbeitet. In gerkriegs ist die Intervention des Auslands.
kurzer Zeit erobern sie große Teile des Nor- Die Nationalisten erhalten Militärhilfe von
dens und wichtige Gebiete im Süden. Im Ge- Italien, Portugal und Deutschland; die deut-
D
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nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
1933 – 1945
Trotzki oder Nikolaj Bucharin, den Präsi- vor der Roten Armee nicht Halt, was deren
dent der Kommunistischen Internationale Schlagkraft im Zweiten Weltkrieg erheb(Komintern), mit Intrigen, Verleumdungs- lich schwächt. Schätzungen zufolge werden
kampagnen und Gewalt ausschaltete. Bis allein 40 000 führende Militärs liquidiert.
1928 zum unumschränkten Herrscher der Populärstes Opfer ist Marschall Michail N.
UdSSR aufgestiegen, errichtete Stalin ein Tuchatschewski, ein Held des Bürgerkriegs,
Gewaltregime, das Millionen Sowjetbürger der 1937 wegen angeblicher Spionage hingezum Opfer von Schauprozessen, Liquidie- richtet wird. Auch viele einstige Partei­größen
rungen und Straflagern macht.
werden in den Schauprozessen unter fadenSinnbild seines Repressionssystems ist der scheinigen Beschuldigungen zum Tode verGULAG – eine Abkürzung der russischen urteilt.
Bezeichnung für »Hauptverwaltung der Besserungslager« –, von dem der Westen 1974
Appeasementpolitik scheitert –
durch das Buch »Archipel GULAG« des
Hitler will mehr
Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn erfährt. In den Straflagern sind
während der Stalin-Ära zeitweise weit mehr
n einer geheimen Besprechung im Novemals zwei Millionen Menschen interniert;
ber 1937 weiht Hitler erstmals einige hohe
meist, weil sie einer politischen Betätigung NS-Funktionäre in seine außenpolitischen
verdächtigt werden oder einer als »unzu- Pläne im Hinblick auf Österreich und die
verlässig« eingestuften Volksgruppe wie den Tschechoslowakei ein. Gleichzeitig beginnt
Ukrainern, Krimtataren,
er, den politischen Druck
Wolgadeutschen, Kalmüauf Österreichs BundesWährend der sogenannten
cken oder Kaukasiern ankanzler Kurt Schuschnigg
stalinistischen Säuberungen
gehören. Auch sowjetische
zu erhöhen. Erst verlangt
dienen Schauprozesse als
Soldaten, die die deutschen
er eine Beteiligung der
perfide Propagandawaffe.
Gefangenenlager mit Glück
österreichischen Natioüberlebt haben, werden als
nalsozialisten an der Re»Verräter« an der vaterländischen Sache in gierung, dann ihre vollständige Übergabe.
die Verbannung geschickt. Die Lebens- und Nachdem er die Information erhalten hat,
Arbeitsbedingungen in den Lagern sind kata- dass Großbritannien einem Anschluss Össtrophal, die durchschnittliche Lebenserwar- terreichs an das Deutsche Reich zustimmen
tung liegt um ein Vielfaches unter der nor- würde, lässt er am 12. März 1938 die Wehrmalen. Ihren Gipfel erreicht die stalinistische macht in das Nachbarland einmarschieren.
Gewaltherrschaft in den »Säuberungen« von Von der Bevölkerung werden die Deutschen
1936 bis 1938. Den willkommenen Anlass lie- und ihr »Führer« mit Jubel empfangen, das
fert Stalin die Ermordung des führenden Par- Ausland reagiert mit nur matt vorgetragenen
teimitglieds Sergej Kirow. Die Verhaftungen, Protesten.
Verhöre, Schauprozesse und Verbannungen
Gut zwei Monate später gibt Hitler der
kennen plötzlich keine Grenzen mehr. Die Wehrmacht den Befehl, einen Angriff auf
Zahl der Beschuldigten geht in die Hundert- die Tschechoslowakei vorzubereiten. Über
tausende, zu ihnen zählen Politiker, Arbeiter, den Führer der Sudetendeutschen Partei,
Bauern, Schriftsteller, Intellektuelle und be- Kurt Henlein, setzt er die Regierung in
kennende Christen. Die Gewalt macht auch Prag massiv unter Druck, das Sudetenland
I
Die Ruinen des José-Fina-Hospitals in Guernica nach einem deutschen Luftangriff (Foto vom 26.4.1937)
sche Legion Condor richtet bei Luftangriffen auf die baskische Stadt Guernica am
26. April 1937 ein Massaker an, das Pablo
Picasso in seinem weltberühmten Gemälde
»Guernica« festhält. Auch die Republikaner
erhalten Unterstützung, die sich allerdings
schon bald als zweischneidig erweist, denn
mit der Militärhilfe aus der Sowjetunion gelangt auch der Geist der stalinistischen »Säuberungen« ins Land. Die Fahndung nach
sogenannten Linksabweichlern im eigenen
Lager schwächt die republikanischen Kräfte. Als ihre letzte Großoffensive zwischen
Sommer und Herbst 1938 scheitert, ist der
Krieg faktisch entschieden. Am 26. Januar
1939 nehmen die Nationalisten Barcelona
ein, am 27. Februar wird die Junta von Großbritannien und Frankreich anerkannt, am
28. März kapitulierte Madrid. Rund 1,2 Mio.
Menschen sind tot, mehr als die Hälfte waren
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Zivilisten. Viele Republikaner flüchten, Hunderttausende werden von Francos Schergen
in Lager gesperrt, in denen es zu zahllosen
Massenerschießungen kommt.
Stalins unmenschliche
»Säuberungen«
Z
eitgleich zum Bürgerkrieg in Spanien
strebt die Schreckensherrschaft unter
dem sowjetischen Diktator Stalin ihrem
Höhepunkt zu. Nach der Oktoberrevolution
1917 war dem Georgier der Sprung in die
kommunistische Parteiführung gelungen,
1922 hatte er den Posten des Generalsekretärs erhalten. Von skrupellosem Ehrgeiz
getrieben, kämpfte er sich nach Lenins Tod
1924 nach und nach bis an die Spitze des
Staates, wobei er Kontrahenten wie Leo
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nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
mit seinen rund 3,5 Mio. Sudetendeutschen
an das Reich abzutreten. Im Zeichen der
Appeasementpolitik werden die deutschen
Forderungen nun auch von Großbritannien
und Frankreich unterstützt. Dreimal reist der
britische Premierminister Neville Chamberlain nach Deutschland, um die Sudetenkrise
durch seine Politik des Entgegenkommens
beizulegen. Im Münchener Abkommen vom
29. September 1938 einigen sich Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland auf die Modalitäten der Abtretung.
Chamberlain, der am Tag darauf noch einen
deutsch-britischen Nichtangriffspakt unterzeichnet, glaubt tatsächlich, in München
den »Frieden für unsere Zeit« noch einmal
gerettet zu haben. Es dauert nicht lange, bis
auch er das Scheitern seiner Appeasementpolitik einsehen muss, denn Hitler will mehr:
Mitte März 1939 besetzen deutsche Truppen
Böhmen und Mähren und errichten dort ein
vom Reich abhängiges »Protektorat«. Die
Slowakei wird de jure unabhängig, de facto
aber ein deutscher Vasallenstaat.
Der Überfall auf Polen
E
rst jetzt reagieren die Westmächte. Im
April 1939 geben sie eine Garantie­
erklärung für Polen ab, kurz darauf nehmen
sie Verhandlungen mit Stalin auf. Als die
Gespräche im Sommer ins Stocken geraten,
springt plötzlich Deutschland in die Bresche.
Am 14. August 1939 schlägt Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop den Sowjets
einen »kurzen Besuch« in Moskau vor, nur
eine Woche später wird, zur vollständigen
Einmarsch der Wehrmacht in Prag: Die Bevölkerung empfängt die Besatzer mit Empörung (Foto, 15.3.1939).
22
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1933 – 1945
Überraschung der Weltöffentlichkeit, zwiEröffnung der Westfront
schen Deutschland und seinem ideologischen
Hauptgegner UdSSR ein auch als Hitler-Stalin-Pakt bezeichneter »Deutsch-sowjetischer
m Frühjahr 1940 beschränken sich die
Nichtangriffspakt« unterzeichnet, der neben
Westmächte im Wesentlichen noch immer
gegenseitigen Garantien ein geheimes detail- darauf, Deutschland mittels einer Seebloliertes Zusatzabkommen über die Aufteilung ckade wirtschaftlich in die Knie zwingen zu
Polens enthält.
wollen. Als London Anfang April die AbrieMit dem Überfall auf Polen am 1. Septem- gelung der norwegischen Gewässer ankünber 1939 löst Deutschland den größten und digt, entschließt sich Hitler, noch vor einem
opferreichsten Krieg der Menschheitsge- Angriff im Westen im Norden aktiv zu werschichte aus. In breiter Front überschreiten den. Mit dem Einmarsch in Dänemark und
zwei deutsche Heeresgruppen die Grenze. Norwegen sichert er sich den Erznachschub
Innerhalb von drei Wofür die Rüstungsindustrie
chen überrollen die deutaus den schwedischen
Polen wird nach seiner milischen Panzerdivisionen
Gruben.
Die Kämpfe im
tärischen Niederlage in eine
die Westhälfte Polens, das
Norden sind noch nicht
deutsche und eine russische
tapfer kämpft, aber weder
abgeschlossen, als deutsche
Einflusszone aufgeteilt.
über ausreichend PanzerTruppen am 10. Mai 1940
abwehrwaffen noch über
mit einem Panzervorstoß
eine schlagkräftige Luftwaffe verfügt. Am durch die Ardennen, mit Luftlandungen auf
17. September marschiert auch die Rote Ar- Schlüsselstellungen in Belgien und mit einem
mee von Osten her in das Land ein, um sich Angriff auf die Niederlande die Westfront
ihren Anteil an der Beute zu sichern. Damit eröffnet. Mit ihrer »Blitzkrieg«-Taktik, einer
ist die Zerstörung des polnischen Staates, wie modernisierten Variante des Schlieffenplans
er seit dem Jahr 1921 existierte, vollzogen. von 1914, zwingt die Wehrmacht die NiederUngeachtet der Garantieerklärung bleiben lande und Belgien zur Kapitulation, während
die Westmächte defensiv. Am 30. November das britische Expeditionskorps und franzö1939 greift Stalin Finnland an, das nach dem sische Verbände bei Dünkirchen eingeschlosgeheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin- sen werden und nur mit knapper Not nach
Pakts zur sowjetischen Einflusssphäre gehört. Großbritannien entweichen können.
Etwa gleichzeitig beginnen SonderkommanAnschließend holen die Deutschen zum entdos der SS im besetzten Polen mit Massener- scheidenden Schlag gegen Frankreich aus.
schießungen, denen allein bis Frühjahr 1940 Am 14. Juni 1940 rücken deutsche Truppen
rund 80 000 Menschen – vor allem Politiker, in Paris ein, am 22. Juni unterzeichnet eine
Ärzte, Lehrer, Geistliche und Juden – zum französische Delegation die Kapitulation.
Opfer fallen. Dass dies erst der Anfang war, Dass Italien am 10. Juni in den Krieg gegen
wird sich bald auf schreckliche Weise zei- Frankreich eingetreten war, hatte keine migen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion litärische Bedeutung mehr. Frankreich wird
ermorden die deutschen »Einsatzgruppen« im Norden und längs der Atlantikküste von
systematisch zwei Millionen Menschen. Die den Deutschen besetzt, im südlichen Teil bilmeisten Opfer sind Juden. Im Juni 1940 wer- det Marschall Philippe Pétain in der neuen
den die ersten politischen Gefangenen ins KZ Hauptstadt Vichy eine autoritäre Regierung,
Auschwitz verschleppt.
die mit den Deutschen zusammenarbeitet.
I
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nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
Nur Churchill hält stand –
die Luftschlacht um England
N
un konzentriert sich Hitler auf England,
wo seit Mai 1940 mit dem »Hitler-Fresser« Winston Churchill ein Mann an der
Staatsspitze steht, der die Appeasementpolitik seit Jahren als rückgratloses Kuschen
brandmarkt. Seine Rolle im Zweiten Weltkrieg wird der britische Historiker Arnold
Toynbee später auf die Formel bringen:
»Ohne Churchill läge die Welt in Ketten.«
Hitler befiehlt der deutschen Luftwaffe, das
»Unternehmen Seelöwe«, die Landung von
Bodentruppen auf der Insel, vorzubereiten.
Die »Luftschlacht um England« beginnt am
13. August 1940. Den 4500 deutschen Flugzeugen stehen weniger als 3000 Maschinen
der Royal Air Force gegenüber. Ziel der deut-
schen Terrorangriffe ist es, englische Städte
wie Coventry »auszuradieren« (Hitler), um
Schrecken zu verbreiten. London wird bis
Januar 1941 in 60 aufeinander folgenden
Nächten bombardiert, 20 000 Zivilisten sterben. Allerdings tragen die Bombardierungen
eher zu einer Stärkung des britischen Widerstandswillens bei. Außerdem muss die Luftwaffe Verluste hinnehmen, die größer sind,
als sie kurzfristig ausgleichen kann. Hitler
muss seine Invasionspläne aufgeben.
1940 besiegeln Deutschland, Italien und
Japan den Dreimächtepakt zur Neuordnung
Europas und Ostasiens. Den »Achsenmächten« Deutschland und Italien schließen sich
bis 1942 Ungarn, Rumänien, Slowakei,
Finnland, Bulgarien und Kroatien an. Als
Italien auf dem Balkan und in Nordafrika
verlustreiche »Parallelkriege« anzettelt, greift
der Bündnispartner Deutschland ein: Jugoslawien und Griechenland werden ab dem
6. April 1941 in wenigen Wochen überrollt,
die Mittelmeerinsel Kreta nehmen deutsche
Fallschirmjäger ein, in Nordafrika kann das
deutsche Afrikakorps unter General Erwin
Rommel die Briten vorübergehend aus Italienisch-Libyen verdrängen.
Russlandfeldzug und
Wende in Stalingrad
U
Steht für eisernes Durchhaltevermögen und Siegeszuversicht: Winston Churchill mit dem Victory-Zeichen
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ngeachtet des deutsch-sowjetischen
Nichtangriffspakts hat Hitler seine
Wahnidee, »Lebensraum« im Osten zu gewinnen und den »jüdischen Bolschewismus«
zu vernichten, niemals aufgegeben. Seit Ende
1940 bereitet er den Angriff auf die Sowjetunion vor, der sich durch die Balkanoffensive
von 1941 nur verzögert. Am 22. Juni 1941
schließlich überschreitet die Wehrmacht ohne Kriegserklärung, aber mit Tausenden von
Panzern, in drei großen Heeresgruppen die
sowjetischen Grenzen. Unterstützt wird der
1933 – 1945
Mitten in den Ruinen des umkämpften Stalingrad bereiten sich Einheimische im Oktober 1942 eine Mahlzeit.
Einmarsch von einer starken Luftstreitmacht.
Anfangs scheint die »Blitzkrieg«-Taktik auch
in Russland erfolgreich zu sein. Der Hauptvorstoß kommt erst im November kurz vor
Moskau zum Stehen, östlich von Kiew werden vier sowjetische Armeen eingeschlossen
und vernichtet. Dann allerdings bricht der
Winter herein und mit ihm die mörderische
Kälte. Erschöpfung und Materialknappheit
machen sich breit, außerdem sehen sich die
Invasoren einer entschlossenen Gegenoffensive der Roten Armee ausgesetzt.
Zum Wendepunkt an der Ostfront wird die
Schlacht um Stalingrad, das im September
1942 von den Deutschen besetzt worden war.
Im Zuge der sowjetischen Gegenoffensive
wird die 300 000 Mann starke 6. Armee un-
ter ihrem Oberbefehlshaber Friedrich Paulus
im November 1942 von der Roten Armee eingeschlossen. Zeitgleich beginnen energische
Gegenvorstöße auch an anderen Frontabschnitten. Angesichts seiner aussichtslosen
Lage entschließt sich Generalfeldmarschall
Friedrich Paulus im Februar 1943, gegen den
ausdrücklichen Willen Hitlers zu kapitulieren, um wenigstens das Leben seiner verbliebenen, völlig erschöpften Truppe zu retten.
90 000 deutsche Soldaten geraten in russische
Gefangenschaft. Hitlers Armeen verlieren
den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Die desaströse Niederlage hat einschneidende psychologische und militärstrategische Folgen,
die den Ausgang des Zweiten Weltkriegs entscheidend mitbestimmen.
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25.09.2007 17:47:56 Uhr
1933 – 1945
nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
Grausamer Krieg im Pazifik
D
Marines hissen nach schweren Gefechten gegen die Japaner am 23.2.1945 die US-Flagge auf der Insel Iwo Jima.
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er Zweite Weltkrieg ist noch immer im
Wesentlichen ein europäischer Krieg,
als die Japaner mit einem Überraschungs­
angriff auf die US-Flotte in Pearl Harbor
auf Hawaii den Kriegseintritt der USA provozieren. Schon in den Jahren zuvor hatte
Japan mit dem Einmarsch in die Mandschurei 1931 und dem Überfall auf China 1937
seine imperiale Ausrichtung erkennen lassen.
Im Dezember 1937 überrennen die Japaner
die chinesische Hauptstadt Nanjing, in der
sie ein furchtbares Massaker an schätzungsweise 200 000 Zivilisten anrichten. Den
Vormarsch der Deutschen in Europa nutzen sie im September 1940 zur Besetzung
Französisch-Indochinas. Nach dem Überfall
auf Pearl Harbor beginnt Japan einen schier
unaufhaltsamen Siegeszug im Pazifikraum:
Die Truppen des Tenno erobern zahlreiche
Pazifikinseln, Hongkong, die Philippinen,
das heutige Indonesien (Niederländisch-Indien), Sumatra, Java, Birma und Teile Neuguineas. Nachdem die Japaner im Frühjahr
1942 einen Großteil der alliierten Flotte in
der Javasee versenkt haben, befinden sie sich
auf dem Gipfelpunkt ihrer Macht.
Erstmals gestoppt wird dieser Vormarsch
im Mai 1942, als australische und neuseeländische Schiffe der japanischen Flotte in der
Korallensee schwere Verluste zufügen. Nur
Wochen später, im Juni, kommt es bei den
Midwayinseln zur größten Seeschlacht im
Pazifikkrieg, in der Japan vier Flugzeugträger und 250 Flugzeuge verliert. Sukzessive erkämpfen sich die Alliierten nun die Initia­tive
zurück. Zwischen Sommer 1942 und Ende
1943 erobern sie mehrere Pazifikinseln zurück, Anfang März 1944 vertreiben sie die
japanischen Einheiten aus Neuguinea und
starten eine Offensive in Birma. Im Juni und
Juli 1944 erobern die Amerikaner die strate-
gisch wichtigen Marianeninseln, im Oktober
landen sie auf den Philippinen. In der großen
Seeschlacht vor deren Küste können auch
die erstmals eingesetzten Kamikazeflieger,
die sich in selbstmörderischer Absicht auf
die Flugzeugträger der Alliierten stürzen,
die japanische Niederlage nicht abwenden.
Die Vorentscheidung fällt mit der amerikanischen Eroberung der heftig umkämpften
Inseln Saipan und Iwo Jima: Dank dieser
neuen Stützpunkte liegt Japan nun in Reichweite der alliierten Luftwaffe.
Der Zusammenbruch Deutschlands
B
ereits im Mai 1943 hatte die »Heeresgruppe Afrika« unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel kapitulieren müssen,
ebenso war der Seekrieg im Atlantik zugunsten der Alliierten entschieden. Anfang
Juli 1943 leitete die Niederlage am Kursker
Bogen in der größten Panzerschlacht dieses
Krieges den Zusammenbruch der deutschen
Ostfront ein. Am 10. Juli 1943 landen die
Alliierten auf Sizilien, am 9. September auch
auf dem italienischen Festland; Mussolini
wird gestürzt. Die neue Regierung vereinbart
Anfang August 1943 einen Waffenstillstand
mit den Alliierten, woraufhin Hitler eine
neue Front in Italien eröffnet, Rom besetzt
und italienische Soldaten gefangen nimmt.
Inzwischen werden einige deutsche Städte
bombardiert. Gleichzeitig wird die Wehrmacht von der Roten Armee Stück für Stück
zurückgedrängt. Im Frühjahr 1944 stehen
die sowjetischen Truppen an der polnischen
Vorkriegsgrenze, am 6. Juni 1944 beginnt die
alliierte Invasion in der Normandie, damit ist
im Westen eine weitere Front eröffnet, was
die strategische Situation Deutschlands nur
noch aussichtsloser macht.
Noch einmal mobilisiert Hitler die verbliebenen Kräfte für eine letzte Offensive in den
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1933 – 1945
nationalsozialismus und zweiter weltkrieg
»Endlösung« Holocaust –
Selektion und Zyklon B
E
Nach einem alliierten Luftangriff auf Berlin steht 1943
die Kuppel des Französischen Doms in Flammen.
Ardennen. Wegen Material- und vor allem
Treibstoffmangels ist kaum noch Gegenwehr
möglich, weder gegen die über Weichsel und
Oder vorstoßende Rote Armee noch gegen die
über den Rhein Richtung Elbe vorrückenden
Westalliierten. Die Mobilisierung von Kindern und alten Männern im sogenannten
Volkssturm kostet weitere Menschenleben.
Am 25. April 1945 wird Berlin eingeschlossen, fünf Tage später erschießt sich Hitler in
seinem Bunker unter der Berliner Reichskanzlei. Ein Großteil der deutschen Städte
liegt aufgrund der fortgesetzten Bombardierungen in Trümmern. Eine Woche später
kapituliert sein Nachfolger Admiral Dönitz
bedingungslos. Die Zahl der Opfer dieses
grausamen Krieges übertrifft selbst die des
Ersten Weltkriegs um ein Vielfaches. Rund
60 Mio. Soldaten und Zivilisten sind tot; von
diesen Opfern stammten 27 Mio. aus der
Sowjetunion, etwa 10 Mio. aus China.
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rst nach dem Krieg wird das Ausmaß
des Massenmords an den europäischen
Juden offenbar. Im Frühjahr 1940 werden in
Polen, wo mehr als 2,5 Mio. Juden leben, die
ersten Gettos eingerichtet. Zur Kennzeichnung müssen die Juden einen gelben Stern
auf der Kleidung tragen. In den überfüllten
Gettos sind die Lebensbedingungen katastrophal, die Versorgung wird mit Absicht
verknappt, Krankheiten und Tod gehören
zum Alltag. Im Sommer 1941 erhält der
SS-Offizier Reinhard Heydrich von Reichsmarschall Hermann Göring den Befehl, ein
Konzept zur »Endlösung der Judenfrage«
auszuarbeiten. Fast gleichzeitig wird Rudolf Höß, der Kommandant von Auschwitz,
von Himmler mit der Entwicklung einer
Methode zur »industriellen« Massentötung
von Menschen beauftragt. Höß lässt von der
I. G. Farbenindustrie das Giftgas Zyklon B
entwickeln. Zum Einsatz kommt es erstmals
im September 1941, als in Auschwitz 900
Kriegsgefangene ermordet werden.
Am 20. Januar 1942 treffen sich Vertreter der obersten Parteidienststellen und der
Reichsministerien zur Wannseekonferenz.
Das Protokoll der Sitzung führt der »Leiter
des Judenreferats« Adolf Eichmann. Zum
Zeitpunkt des Treffens haben die Einsatzgruppen allein in Russland schon mindestens
500 000 Juden ermordet. Der Massenmord
hat längst begonnen, aber erst jetzt wird er
zum obersten Staatsziel erhoben. Geplant ist
die Ausrottung aller Juden im gesamten deutschen Einflussgebiet. Männer wie Eichmann
planen den Genozid in den unterschiedlichsten Behörden mit deutscher Gründlichkeit. Die oberste Zuständigkeit liegt bei
Heinrich Himmler, dem »Reichsführer
SS«. In den Vernichtungslagern Auschwitz,
Majdanek, Treblinka, Chelmno, Sobibór und
Belzec werden Gaskammern und Krematorien eingerichtet.
Ab dem Frühjahr 1942 beginnt in den als
Duschräumen getarnten Gaskammern der
Massenmord. Aus 23 europäischen Ländern
rollen Bahntransporte mit Männern, Frauen,
Kindern und Alten in die Vernichtungslager. Sie enden an einer Selektionsrampe. Die
meisten Opfer werden gleich in die Gaskammern geführt, nur die »Arbeitsfähigen« werden aussortiert. Tatsächlich geht es auch um
eine Vernichtung durch Arbeit. In Zusammenarbeit mit der SS errichtet die deutsche
Großindustrie Zweigbetriebe bei den Lagern;
in Steinbrüchen und Munitionsfabriken müssen die Juden wie Sklaven für den »Endsieg«
schuften. In einigen Konzentrationslagern
führen Mediziner an den Gefangenen bes­
tialische Experimente durch.
Als die jüdische Philosophin Hannah
Arendt 1943 im US-amerikanischen Exil die
Wahrheit über Auschwitz erfährt, reagiert sie
zunächst mit Unglauben: »Und dann haben
wir es ein halbes Jahr später doch geglaubt,
weil es uns bewiesen wurde. Das ist der eigentliche Schock gewesen. Vorher hat man
sich gesagt: Nun ja, man hat halt Feinde. Das
ist doch ganz natürlich. Warum soll ein Volk
keine Feinde haben? Aber dies ist anders gewesen. Das war wirklich, als ob der Abgrund
sich öffnet. Weil man die Vorstellung gehabt
Ein Zivilisationsbruch ohnegleichen
E
rst mit dem Vormarsch der Roten Armee werden die Lager befreit. Von den
insgesamt 7 210 350 registrierten Häftlingen
in den Konzentrations- und Vernichtungslagern überleben etwa 530 000. Wie viele Juden dem NS-Vernichtungssystem zum Opfer
gefallen sind, lässt sich nur grob beziffern,
die jüngsten Schätzungen gehen von knapp
über sechs Millionen Opfern aus. Auf etwa
500 000 wird die Zahl der ermordeten Sinti und Roma geschätzt, auf 100 000 die der
Behinderten, die im Rahmen des Euthanasieprogramms ermordet wurden. Involviert
in diese Verbrechen waren die gesamte Exekutive, Legislative und Judikative, unzählige Verwaltungsbeamte, die Wehrmacht,
die Industrie und viele Mediziner. Nur eine
kleine Gruppe von Tätern musste sich später
juristisch verantworten, die anderen setzten
ihre Karrieren weitgehend nahtlos fort.
Nach der Befreiung: Überlebender Häftling des KZs
Buchenwald vor Knochenresten aus dem Krematorium
hat, alles andere hätte irgendwie noch einmal
gutgemacht werden können, wie in der Politik ja alles einmal wieder gutgemacht werden
kann. Dies nicht. Dies hätte nie geschehen
dürfen. Und damit meine ich nicht die Zahl
der Opfer. Ich meine die Fabrikation der Leichen und so weiter – ich brauche mich darauf
ja nicht weiter einzulassen. Dieses hätte nie
geschehen dürfen.«
29
25.09.2007 17:48:00 Uhr
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