Porträt Firmengründung auf dem Airport Als Enfant terrible stand Dr. Kristian Glagau Anfang der 90-er Jahre auf der Straße. Heute ist er Alleininhaber und Chef der Orthomol GmbH, Langenfeld. Sein Unternehmen macht mit orthomolekularer Ernährungsmedizin fast 90 Millionen Euro Umsatz und hält mit mehr als 400 Mitarbeitern den stattlichen Marktanteil in Höhe von 95 Prozent. Und Wachstum ist programmiert. „Was wir gemacht haben, war ein Kreuzzug. Nicht nur gegen Produkte wie Cebion oder Multibionta, sondern auch bei den Ärzten, die sich damals als Verordner und nicht als Empfehler verstanden“, erinnert sich Dr. Kristian Glagau an seine ersten Jahre als selbständiger Unternehmer in der Pharmabranche. „Heute kann ich sagen, Ärzte sind nicht so schlecht wie ihr Ruf“, ergänzt er, „wir haben keinem Arzt nur eine einzige Mark bezahlt, um unsere Produkte zu empfehlen.“ Der Entschluss, mit orthomolekularer Ernährungsmedizin den Sprung ins sprichwörtlich kalte Wasser zu wagen, glich der Not, aus der eine Tugend gemacht wurde. Der Wirtschaftswissenschaftler Glagau – Dissertationsarbeit ‚Arztgestützte Empfehlung als integrale Komponente des Marketings im selbstmedikativen Segment von Nahrungsergänzungsmitteln‘ – verfolgte eine gradlinige Karriere im Marketing der Pharmabranche. Neben einigen anderen erinnert er vor allem seine ersten Schritte bei Schering, aber auch Schwarz Pharma, wo die Themen Marketing und Vertrieb ganz groß geschrieben wurden, wie Glagau betont: „Damals, als ich dort als Marketingleiter gearbeitet habe, war Schwarz in Deutschland das Nonplusultra, das Unternehmen delegierte ganz bewusst Eigenverantwortung. Das hat mich geprägt.“ 52 Healthcare Marketing 4/09 Der Gedanke, in die Selbständigkeit zu gehen, wurde schließlich ausgelöst durch seinen Abschied vom letzten Arbeitgeber. Glagau: „Bei der Medice GmbH, Iserlohn, wurde ich als Geschäftsführer quasi vor die Tür gesetzt. Ich glaube, ich kam mit der Familie nicht zurecht. Plötzlich stand ich mit einer satten Abfindung auf der Straße und fragte mich, was ich machen sollte. Und mir war klar geworden, als Enfant terrible kann man im Rahmen des GmbHGesetzes immer auf die Straße gesetzt werden.“ In dieser Situation traf er in München auf dem Flughafen, „nichts im Leben ist Zufall“, Dr. Hans Dietl, den er aus seiner Zeit bei Fresenius (er war damals technischer Leiter) kannte. „Er sagte, Glagau, was machst du denn jetzt, und ich sagte ihm, ich tingele so ein bisschen und prüfe Alternativen. Darauf fragte er mich, ob wir jetzt nicht die Sache mit der orthomolekularen Medizin gemeinsam angehen wollten“, erinnert er sich an die Geburtsstunde seiner Firma. Mut gaben ihm ein vertrauter Partner, die gemeinsame Idee und nicht zuletzt das familiäre Unternehmerblut. Vater Glagau hatte ein zur damaligen Zeit sehr großes und erfolgreiches Dentallabor. „Dietl war der Typ, der sagte, eigentlich bin ich finanziell gesattelt, ich muss nicht mehr arbeiten, aber ich würde gerne die Konzeption der Produkte entwickeln“, charakterisiert Glagau seinen vor einigen Jahren verstorbenen Mitstreiter. Und aus dieser Arbeitsteilung, „alles andere war mein Job“, entwickelte sich eine „blenden- de“ Partnerschaft mit, wie Glagau sagt, „blindem Vertrauen. Er war es aber auch, der sagte, wenn wir die drei Millionen Umsatz erreicht haben, verkaufen wir das und machen Kohle.“ An den Start ging das Duo im Herbst 1992 mit Orthomol Immun, Orthomol Cor, Orthomol Vital f (für Frau- Fast die Hälfte der Mitarbeiter bei Orthomol sind im Außendienst, vorrangig bei den Therapeuten, unterwegs en) und Vital m. Heute sind es rund 20 Produkte. Und es war abenteuerlich, wie sich Glagau erinnert: „Wir haben fast in der Garage wie Silicon Valley oder Hewlett Packard begonnen. Mit einer Besetzung aus Glagau, noch mal Glagau und noch mal Glagau – meiner Frau und meiner Tochter.“ Aber er gibt auch offen zu, dass er nie eine finanzielle Not gelitten hat. Eine fast siebenstellige Abfindung und der finanzielle Background seines Partners Porträt „Ärzte sind nicht so schlecht wie ihr Ruf. Wir haben keinem Arzt eine einzige Mark bezahlt, um unsere Produkte zu empfehlen.“ waren eine sichere Basis. „Und, das ist besonders wichtig, meine Frau stand voll hinter mir“, betont der Langenfelder. „Wir konnten reinvestieren, ohne für uns Gewinne aus der Firma zu nehmen.“ Über den Verkauf der Firma – das 3-Millionen-Ziel war nach eineinhalb Jahren erreicht – wurde nie wieder gesprochen. „Wir sind im Gesundheitsmarkt zu einer Legende geworden. Was mich erfüllt, ist, dass dieser Kreuzzug so erfolgreich war. Und wenn man Marketing und Vertrieb im Blut hat, dann ist es schön, über 400 Mitarbeiter. Wenn wir den Teilmarkt, auf dem wir uns bewegen, mit ‚ergänzenden bilanzierten Diäten‘ definieren, haben wir einen Marktanteil von 95 Prozent.“ Ursprünglich kam der Wettbewerb ausschließlich über die holländische Grenze. „Wir haben die Kategorie der ergänzend bilanzierenden Diäten in Deutschland etabliert. Produkte wie unsere gibt es eigentlich nur in Holland, den USA, Südamerika und England. Die Niederländer waren damals mit Niederlassungen hier in Deutschland etabliert und hatten Schwierig- „Kurskorrekturen haben wir nie durchgeführt. Unserer Linie sind wir treu geblieben.“ selbst etwas initiiert zu haben und erfolgreich zu sein“, zeigt sich Glagau selbstbewusst. Deshalb prallen Offerten von Investoren auch an ihm ab. „Wir werden weitermachen. Meine beiden Kinder sind im Unternehmen, ob sie es einmal übernehmen werden, kann ich nicht prognostizieren. Ich bin nicht der Typ, der meint, eine Dynastie müsste fortgepflanzt werden. Aber wenn wir verkaufen würden, bliebe viel von unserer Kultur, auch bei den Mitarbeitern, auf der Strecke.“ Ins Jahr 1995 fällt der Bau des großen Verwaltungsgebäudes mit Produktion, Vertrieb und Logistik. Damals waren zwischen 30 und 35 Mitarbeiter beschäftigt. Es folgten An- und Umbau mit der Auslagerung der Produktion in zwei Bauabschnitten bis 2005. „Heute haben wir an diesen beiden Standorte keiten, an den Markt zu kommen“, blickt Glagau zurück. Neider gab es viele. Ein berühmtes Vitaminunternehmen in Deutschland betitelte Glagau und seinen Partner sogar als Verbrecher mit illegalen Produkten. „Dann kamen die berühmten Attacken beispielsweise von Glaxo. Das Unternehmen versuchte, unseren Produkten auf dem prozessualen Wege die Verkehrsfähigkeit zu entziehen. Wir haben aber jeden Prozess gewonnen. Dann wurden wir mit einem Produkt original nachgeahmt und in der Apotheke zehn Mark günstiger angeboten“, schildert er die Stolpersteine. „Kurskorrekturen haben wir aber nie durchgeführt. Unserer Linie sind wir treu geblieben. Wir haben auch am Rand keine Produkte aufgenommen, sondern haben uns konsequent auf ergänzend bilanzierte Diäten konzentriert. Das gilt auch für unseren Vertrieb. Wir gehen mit unserem Außendienst zum Arzt, und der Vertriebsweg ist die Apotheke." Den gesamten Text können Sie in unserer aktuellen ‚Healthab care Marketing‘-Ausgabe Der Umsatz könnte mit Publikumswerbung deutlich gesteigert werden. Seite 52 weiterlesen. Orthomol aber kommuniziert über den Außendienst und macht DirektMagazin noch Wenn Sie unser werbung. „Pro Jahr initiieren wir etwa 4.000 Veranstaltungen. Erinneabonnieren Sie nicht beziehen, rungswerbung machen wir über Inselanzeigen in Zeitschriften.“ Neben jetzt hier! der Primärzielgruppe der Ärzte sieht Stärkere Kundenbindung als bei Coca Cola oder bei Marlboro Glagau ein weiteres Potenzial bei den Krankenhäusern. „Wenn wir alles ausschöpfen würden, könnten wir in Deutschland mit unserem Sortiment mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zwischen 150 und 200 Millionen Euro Umsatz machen.“ Uwe Käckenhoff 4/09 Healthcare Marketing 53