Architektenforum „Andere Länder – andere Farben“

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Architektenforum „Andere Länder – andere Farben“
Vortrag von Herrn Prof. Daniele Marques
Marques AG, Luzern
Seinen Schwerpunkt legt Prof. Marques auf sein Verständnis von Architektur und die Frage,
wie die Architektur Farbe „produziert“. Jedes Gebäude hat sein eigenes Farbkonzept, das von
verschiedenen Faktoren und Rahmenbedingungen bestimmt wird. So muss jede Situation,
jeder neue Standort wie eine Lektüre studiert werden, um das passende Farbkonzept zu
entwickeln.
Bedingt durch diese immer wieder neuen Rahmenbedingungen sind im Büro Marques
beispielhafte Projekte entstanden, in denen Farbe in ihrem „ursprünglichen“ Sinn als Pigment,
als Anstrich, eingesetzt wurde.
„Schulhaus Villa Therese“, Fribourg
Das „Schulhaus Villa Therese“ bei Fribourg war ein Wettbewerbserfolg von 1999 und wurde
2003 fertiggestellt. Ein bestehendes, umgenutztes Pensionat aus der Jahrhundertwende des
20. Jahrhunderts wurde um eine Doppelturnhalle sowie 14 Unterrichtsräume und vier
Kindergartenklassen erweitert. Das Volumen wurde ungefähr verdreifacht.
Die besondere Atmosphäre des umgebenden Englischen Gartens wurde beibehalten.
Naturstein umfasste Fenster und Steinsockel der Bestandsgebäude und prägte die
Materialstimmung des Ortes. Die Gestaltung der neuen Baukörper passt sich dieser Schwere
an.
Ein Weg mit Stützmauern führt in Serpentinen durch das stark ansteigende Gelände und um
die Gebäude. Nach dem Prinzip des Englischen Gartens wurden unterschiedliche Baumarten
mit teils rotem, teils grünem Laub und auch Nadelhölzer angepflanzt.
Es wurden Typologien entwickelt, die den Bestand nicht kopieren, sondern die neuen
Nutzungen so stark wie möglich nach außen vermitteln. Der Schultrakt mit den
Klassenzimmern hat eine ablesbare Schichtung. Der Gang ist mit Fenstern zum Pausenraum
hin ausgerichtet. Garderobenräume liegen nicht auf dem Gang, sondern sind den
Klassenräumen direkt zugeordnet. Neben der Schichtung sind die Wegeführung und die
Durchblicke in die Natur wichtig.
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Architektenforum „Andere Länder – andere Farben“
Vortrag von Herrn Prof. Daniele Marques
Marques AG, Luzern
Das Kindergartengebäude ist anders strukturiert: Die Kinder sammeln sich in einem ersten
Vorraum und gehen über eine Treppe in ihre Gruppenräume, die Zugang zu Freiflächen
haben. Die Turnhalle ist in einem separaten Baukörper untergebracht. Unter den beiden
Sporthallen befinden sich die Umkleiden und Geräteräume. Auch hier finden wir eine
Schichtung von Räumen, die sich im Farbkonzept widerspiegelt.
Am schwarz eingefärbten Beton der Schulgebäude wurde so lange mit Zusatz von
Basaltgestein experimentiert, bis er die gewünschte dunkle Farbe hatte. Durch das
anschließende Waschen des Betons wurde die sogenannte Zementmilch entfernt und somit
die Körnung des Betons freigelegt. Die Fenster sind bündig in die Fassade eingeschnitten.
Während sich die Außenfassaden auf die Materialität der Bestandsbauten beziehen, dominiert
im Inneren ein Farbkonzept, das die Schichtung abbildet. Erste Überlegungen, das Innere mit
unterschiedlichen Materialien – Stein, Stoff, Holz – zu gestalten, wurden nicht weiter verfolgt.
Dem konkreten äußeren Gestaltungskonzept wurde ein abstraktes Inneres entgegengehalten.
Daraus ist die Idee entstanden, innen nur mit Farben zu arbeiten – ohne Details, ohne
unterschiedliche Materialstrukturen, ohne Sockelleisten, ohne Fenster. Ausschließlich Farbe
ist Gestaltungsmittel. Es gibt keine weißen Flächen. Es entsteht ein spannender Dialog
zwischen innen und außen: Beim Blick in die Natur entstehen überraschende Effekte in der
Farbwahrnehmung.
Der Eingangsbereich der Schule ist in Schwarz gehalten – schwarzer Boden, schwarze
Wände, schwarze Decke – um das Auge von der Helligkeit des Lichtes zu entspannen und um
für die anschließende Farbigkeit bereit zu sein.
Im Gang des Schulhauses wurde für Boden, Wand, Decke und Treppe ein Gelb gewählt. Die
Garderoben sind monochrom in Orange, Rot, Grün oder Blau. Die Schulzimmer selber haben
ein verbindendes Farbkonzept: Decke und Wände haben das Gelb des Gangs, die
Bodenfarbe entspricht der Farbe der zugehörigen Garderobe.
Obwohl die gleichen Gelbtöne in allen Klassenzimmern verwendet wurden, wirken sie durch
die Kombination mit der Bodenfarbe jeweils anders. Je nach Lichteinfall entstehen immer
andere Stimmungen.
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Vortrag von Herrn Prof. Daniele Marques
Marques AG, Luzern
Wie bei der amerikanischen Künstlerin Maria Nordmann, die mit farbigem Licht in Räumen
arbeitet, ist es sehr spannend durch diese Farbräume hindurchzugehen. Die Künstlerin
arbeitet mit farbigem Licht in weißen Räumen und beim Durchschreiten der Räume gewöhnt
sich das Auge an die jeweilige Farbe und die anschließenden Farben werden anders
wahrgenommen. Geht man in entgegengesetzter Richtung durch die Räume, hat man wieder
ein anderes Farbempfinden.
Hier passiert Ähnliches in der Wahrnehmung des Außenraums – es ist nicht einfach ein
Grünraum, sondern er erscheint wie ein Gemälde. Man „liest“ es anders – eine spannende und
überraschende Farbwahrnehmung.
Im Kindergarten ist das Prinzip ähnlich: Dem schwarzen Eingangsbereich folgt ein gelber
Gang in einem etwas anderen Gelb als bei der Schule in den oberen Bereichen. Auch hier
entstehen Reflexionen durch das Orange, Blau, Grün oder Rot der Garderoben. Die Decken
und Wände der Gruppenräume sind ebenso Gelb.
In der Turnhalle ist der Eingangsbereich Schwarz und ein Gang mit gelben, orangefarbenen
und roten Flächen schließt an, die Turnhalle selbst ist monochrom Gelb. Durch einen
Lichtschlitz fällt das Sonnenlicht ein und verstärkt die Farben nochmals. Auch hier hat man
den Bezug zum Außenraum, der durch Licht- und Farbstimmungen wieder ganz eigen auf den
Betrachter wirkt.
„Schulhaus hinter Gärten“, Riehen
Das „Schulhaus hinter Gärten“ ist ebenso ein Wettbewerbserfolg aus dem Jahre 1999
(Fertigstellung 2006). Zwei ähnliche Projekte, die aber unterschiedlich entwickelt wurden.
In Riehen, einem grünen Wohnvorort von Basel, wurde ein Schulhaus für Grundschüler
geplant. Die einzelnen Gebäudeteile haben unterschiedliche Funktionen: Klassenzimmertrakt,
Turnhalle und Nebenräume für Fahrräder etc. Die Außenräume wurden mit Bezug zum Ort,
zum Straßen- oder zum Grünraum gestaltet.
Das Zusammenschieben der unterschiedlichen Volumen bildet eine Gesamtfigur, verbunden
durch die Hofmauern und Plätze. Die Fassade aus verputztem Beton trägt sich selber, im
Inneren gibt es keine tragenden Wände, alle sind flexibel. So können die unterschiedlichen
Bedürfnisse und Anforderungen, die sich über die Jahre hin ändern, berücksichtigt werden.
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Vortrag von Herrn Prof. Daniele Marques
Marques AG, Luzern
Während in Fribourg eine typologische Schichtung ablesbar ist, wurde hier auch eine
räumliche Schichtung verwirklicht. Alle Schichten wurden so durchlässig wie möglich gestaltet,
um zusammenhängende Raumerfahrungen zu ermöglichen.
Der Pausenhof hat eine Farbe, die Turnhalle hat eine weitere Farbe und auch der Hof, mit
Blick auf die Sportplätze, hat seine Farbe. Die Fassaden weisen zwei Farben auf: Sandsteinund Ziegelrot.
Die Klassenzimmer wurden in die Tiefe gestellt und es wurden weitere Fenster zur Gangzone
hin eingeplant, die auf einer Höhe von 1,60 Meter beginnen. So werden die Kinder nicht
während des Unterrichts gestört. Auch an den Gangfassaden sind Fenster, die gleichzeitig als
Sitzgelegenheiten dienen und so das Licht auch von der anderen Seite in die Zimmer bringen.
Jedes Klassenzimmer hat – wie in Fribourg – einen Gruppenraum, so kann in kleineren oder
größeren Gruppen konzentriert oder gemeinsam gearbeitet werden.
Hier wird das Farbkonzept von außen hineingetragen: In Basel ist die Gebäudestimmung
geprägt durch Backsteingebäude und durch dunkelroten Sandstein. Einerseits wurde das
„Steinerne“ des Dorfes aufgenommen, die Fassade wurde grobkörnig verputzt und mit leicht
variierenden Anstrichen wurden die Farben des Back- bzw. des Sandsteins aufgenommen.
Dieses Konzept zieht sich auch ins Innere des Gebäudes.
Den
unterschiedlichen
Funktionen
wurden
verschiedene
Farben
zugeordnet:
Die
Treppenhäuser sind grün, die Gänge blau und die Klassenzimmer sind in drei Gelbtönen
gehalten. Zwei Wände und die Decke haben immer die gleiche Farbe. Durch den Lichteinfall
und die Reflexion entstehen völlig unterschiedliche Farbeindrücke.
In den Klassenzimmern ist sogar die Möblierung und gesamte Raumausstattung gelb, eine
ungewöhnliche und überraschende Raumerfahrung, durch die alle in dem Raum temporär
befindlichen Objekte viel stärker im Mittelpunkt der Wahrnehmung stehen. In dieser
Konsequenz ist Farbe in der Architektur bisher kaum verwendet worden.
Durch die entstandenen Farbkonzepte erfolgt eine Konzentration der Wahrnehmung.
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