Gehirnforschung trifft Wirtschaft DI Jürgen Wieser :„Wir müssen uns vom USP –Denken im Marketing endlich verabschieden“. Die Gehirnforschung zeigt: Emotionen sind die wahrhaft mächtigen Entscheider im menschlichen Gehirn. Die Marketingpraxis setzt große Hoffnungen in den Anwendungsnutzen der Neuroökonomie. Mit „Hirnscannern“ werden heute auch die unbewussten Prozesse der Entscheidung im Kundengehirn gemessen, dort, wo laut Forschern die wirkliche „Musik“ im Kundengehirn spielt. Die Macht der Emotionen „Herbert, trink das!“ Herbert aus der Joghurtdrink-Werbung weckt den Hypochonder in uns. Seine Erlebnisse emotionalisieren das Konsumentengehirn. Und wie die moderne Hirnforschung zeigt, sind sie auch die wirkungsvollen Treiber im menschlichen Gehirn, wenn Kunden Kaufentscheidungen treffen. Zu den weltweit führenden Experten in der Marketing-Hirnforschung und ihre Übertragung auf die Marketingpraxis zählt der deutsche Diplompsychologe Hans-Georg Häusel. Der Bestseller-Autor und Vorstand der Gruppe Nymphenburg Consult AG in Mün- 72 WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 1-2/2012 chen entwickelte mit seinem innovativen "Limbic®"-Ansatz ein weltweit einzigartiges Neuromarketing-Instrumentarium. „Objekte und Informationen, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wert-und bedeutungslos“, so Hans Georg Häusel. Hirnscanner-Untersuchungen ermöglichen heute tatsächlich einen ganzheitlichen Blick auf die Wirkung von Werbespots und Anzeigen-Sujets und die damit verbundenen neuronalen Strukturen im Gehirn. Die Ergebnisse liefern konkrete Hinweise, warum ein TV-Spot oder eine Anzeige einen Kunden emotionalisiert. Man erhält quasi eine Art Abdruck der Werbemaßnahmen im Gehirn. Werbung wirkt belohnend Fragt man Menschen nach ihrer Meinung zu Werbung, erfährt man oft eine ablehnende Reaktion. Man hört: „Werbung nervt, unterbricht spannende Filme, Firmen sollten sich ihr Geld lieber sparen, da man sich durch Werbung nicht beeinflussen lässt“. Doch wirkungsvolle Werbung zeigt im „Hirnscanner“ ein völlig anderes Bild und oft erstaunliche Ergebnisse. Herbert aus der Joghurt-Werbung, die bekannteste Werbefamilie der Möbelbranche oder Österreichs bester Bier, was haben diese TV-Spots alle gemeinsam? Sie schaffen es, die menschlichen Belohnungsareale, z.B. das Ventrale Der Hirnscanner im Einsatz: Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) werden dieser Testperson unterschiedliche TV-Spots präsentiert. Striatum, im Zwischenhirn zu aktivieren. Diese Prozesse sind für die Markenloyalität entscheidend und laufen größtenteils unbewusst ab. Um zu verstehen, wie TV-Spots und Inserate im Konsumentengehirn verarbeitet werden, untersucht der Steirer Jürgen Wieser an der Christian Doppler Klinik in Salzburg die markenrelevante, emotionale Wirkung von Werbung. Der Experte für limbische Kommunikation und Geschäftsführer der Limbio Business OG in Kapfenberg untersucht derzeit für bekannte österreichische Unternehmen auch die Effekte von Prospekt Preisauszeichnungen und die Wirkung von Firmenund Verkaufspräsentationen. „Über 85% der Präsentationen, meist mit Powerpoint-Gestaltung, werden heute als überwiegend langweilig empfunden. Die meisten Unternehmen bringen ihre „Leistungs- PS“ kommunikativ nicht auf die Straße und lassen wichtige Umsätze und Kundenpotentiale liegen“, betont Jürgen Wieser. Er setzt auf völlig neue Strategien, die ein Umdenken im Marketing und Verkauf zur Folge haben. Vielen Ma- nagement-Methoden, die über Jahrzehnte gelehrt wurden, erteilt Jürgen Wieser größtenteils eine Absage. Marketing-Klassiker wie USP, AIDA & Co haben seiner Meinung nach ausgedient, weil das Kundengehirn anders funktioniert, als lange Zeit angenommen wurde. Der Wahrheit ein Stück näher kommen In der Marketingpraxis werden sehr häufig klassische Befragungen für Marktforschungszwecke eingesetzt. Die Krux dabei: Sie kratzen nur an der kognitiven Oberfläche des Bewusstseins. Die wahre Markensubstanz manifestiert sich aber im Unbewussten, genau hier liegt der Wert der Marke. In zahlreichen internationalen Studien konnte der Nachweis erbracht werden, dass Marken zwei Effekte im Gehirn auslösen. Zum einen schalten sie das rationale Denken zurück. Zum anderen pushen sie die Emotionsareale im Gehirn. Marken legen dabei also den Schalter von rational auf emotional um. Dieser Effekt ist den Konsumenten meist nicht bewusst, spielt aber die wesentliche Rolle für die kaufentscheidende Wirkung einer Marke. Eine bekannte österreichische Biermarke im Werbespot-Test: Die hohe neuronale Aktivierung im hinteren Temporallappen zeigt, dass das Gehirn sehr stark auf die gezeigte Geschichte des Spots reflektiert. Fazit: Die Gehirnforschung zeigt uns neue Wege, um Kundenreaktionen vorhersehbar zu machen. Zum Weiterlesen: www.limbio-business.at „Unternehmen, die den limbischen Turbo zünden, nutzen neues Wissen und zeigen Mut in der praktischen Umsetzung“, DI Jürgen Wieser, Geschäftsführer Limbio Business OG, Kapfenberg „Objekte und Informationen, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wertund bedeutungslos“. Dr. Hans-Georg Häusel, Vorstand der Gruppe Nymphenburg Consult AG, München TIPP: Neuromarketing Kongress 2012: Customer Experience Management – was unbewusst (wirklich) wirkt, 26.4.2012, BMW Welt München www.nymphenburg.de Gehirngerechte Arbeitswelt 1.Tagung zur Anwendung der neuesten Ergebnisse der Gehirnforschung in Führung, Management und Beratung. 12.5.2012, Wirtschaftsuniversität Wien www.solutionmanagement.at WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 1-2/2012 73