Die von den meisten Gummersbachern als Schock empfundene, innerlich nicht akzeptierte Niederlage von 1918 und die Novemberrevolution lösten nach dem Kriegsende eine starke Politisierung aus. Mit der Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechtes spielten nun auch in der Kommunalpolitik die Parteien eine starke Rolle, wobei zunächst die SPD zur stärksten Partei avancierte, ohne allerdings die absolute Mehrheit zu erlangen. Viele politische Versammlungen, Wahlkämpfe und kurze Streiks prägten die ersten Jahre nach dem Kriegsende. In Gummersbach stand vor allem die Wohnungsnot als drängendes Problem im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den örtlichen Parteiorganisationen, in die sich auch die nun mitgliederstarken freien Gewerkschaften nachhaltig einmischten. Eine Großdemonstration im November 1919 führte zur zeitweisen Verhängung des Kleinen Belagerungszustandes über die Stadt. Während des Kapp-Putsches 1920 verteidigten Gewerkschaften und Parteien (mit Ausnahme der DNVP und DVP) mit Hilfe eines Generalstreiks die Demokratie und entwaffneten die Lützower Truppen in der Stadt, die für einige Tage am Rande bürgerkriegsähnlicher Kämpfe stand. Die wirtschaftliche Situation wurde vor allem von den allgemeinen Konjunkturschwankungen bestimmt, da die Gummersbacher Betriebe inzwischen stark auf die nationalen und internationalen Märkte ausgerichtet waren. Hyperinflation (1923), französische Besetzung von Teilen des heutigen Stadtgebiets (1923/25) und vor allem die Weltwirtschaftskrise ab 1929 zerstörten immer stärker das Ansehen der Republik, deren unbestreitbare Erfolge wie der Ausbau des Sozialstaates, weitere herausragende Infrastrukturmaßnahmen (z. B. Bau der Aggertalsperre) und der Wohnungsbau kaum gewürdigt wurden. Mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit - 1932 ca. 20% im Stadtgebiet - wuchs auch in Gummersbach die Zahl der offenen Republikfeinde, und die politischen Auseinandersetzungen nahmen an Umfang und Stärke zu, bis hin zu gewalttätigen Aktionen. Obwohl die NSDAP bei Wahlen 1932 ca. ein Drittel aller Stimmen erhielt, war Gummersbach vor 1933 jedoch nicht nationalsozialistisch dominiert; die Wahlerfolge der NSDAP lagen unter dem Reichsdurchschnitt. Das ehemals nationalliberale Bürgertum votierte vor allem für die Deutschnationalen, die allerdings 1933 auch auf lokaler Ebene bis zu ihrer Auflösung mit der NSDAP koalierten. Doch mit ihrem beachtlichen sozialistischen wie auch katholischen Milieu unterschied sich die Gummersbacher Bevölkerung damit nachhaltig vom bäuerlich-protestantischen Milieu in den Gemeinden südlich der Agger, die mit überwältigenden Mehrheiten bereits vor 1933 für die Nationalsozialisten votierten. Im Wahlverhalten wurde nochmals sichtbar, dass Gummersbach - besonders im Aggerraum - sich zu einer Stadt mit einer Industriebevölkerung gewandelt hatte. Notgeld 1920 Q: Generalstreik gegen den Kapp-Putsch und die Verteidigung der Republik im März 1920 Aus zwei sich ergänzenden Perspektiven erinnern sich der politisch liberale Unternehmer Carl Hugo Steinmüller und der Gewerkschafter und spätere Kommunist Albert Nohl an die dramatischen Vorgänge in der Woche vom 13.-20. März 1920: Albert Nohl schreibt über die Ereignisse am Samstag/Sonntag, den 13./14.März 1920: ... Noch am selben Nachmittag eilten in allen Arbeiter-Vororten Radfahrer los und gaben Anweisung, sofort zu einer Sitzung des Gewerkschaftskartells zu kommen. Der Aufruf zum Generalstreik war noch nicht bis Gummersbach durchgedrungen, aber während der Sitzung erschien ein Eilkurier aus Hagen und gab bekannt, daß in allen Städten an Rhein und Ruhr der sofortige Generalstreik und die Bildung von Arbeiterwehren und Aktionsausschüssen zur Abwehr des Putsches und zur Verteidigung der Arbeiterrechte angeordnet seien. Im Laufe des Sonntags, am 14. März, wurde dieser Aktionsausschuß nach Rücksprache mit den demokratischen Parteien gebildet, und zwar aus den Gewerkschaftsvorständen, der SPD, der Deutsch-Demokratischen Partei und der christlichen Gewerkschaft. In einem gemeinsamen Aufruf hieß es u.a.: Kampf mit dem gesetzlichen und unblutigen Mittel des Generalstreiks. Der Aktionsausschuß ist gleichzeitig die Kampfleitung. Wenn wir mutig und unverzagt durchhalten, wird der Sieg unblutig und unser werden. ... Auszug aus einer Rede, die Carl Hugo Steinmüller am 15. März auf einer gemeinsamen Versammlung der Sozialdemokraten und der Unabhängigen Sozialdemokraten, die links von der SPD standen, hielt: ... jetzt gilt es nicht, ob Sozialist oder Demokrat, heute müssen wir und als deutsche Brüder fühlen, die geschlossen einstehen für unsere Verfassung. Die alte Regierung hat mir in manchen Dingen gewiss nicht gefallen, allerdings aus anderen Gründen, wie meinem Nachbar, Herrn Hoffmann [Führer der USPD], aber sie hat manches Gute erreicht, und das dürfen wir ihr nicht vergessen. ... Sie hat uns eine Verfassung gegeben, hat Deutschlands Einigkeit hergestellt und uns vor einstehen für unsere Verfassung. Die alte Regierung hat mir in manchen Dingen gewiss nicht gefallen, allerdings aus anderen Gründen, wie meinem Nachbar, Herrn Hoffmann [Führer der USPD], aber sie hat manches Gute erreicht, und das dürfen wir ihr nicht vergessen. ... Sie hat uns eine Verfassung gegeben, hat Deutschlands Einigkeit hergestellt und uns vor der Einzelstaaterei bewahrt. Auch die Steuergesetzgebung und das Betriebsrätegesetz sind als grosse Taten der alten Regierung zu verzeichnen. Stehen wir zusammen, bis die Reaktionäre zu Boden geworfen sind und stimmen Sie mit mir ein in den Ruf: Es lebe unsere freie Republik. Ein allseitiges stürmisches Hoch folgte meinen Worten. ... Albert Nohl berichtet über die Entwaffnung der Truppen am 18.März; ein Tag später wurde der Generalstreik auf Anweisung des Aktionsausschusses in Gummersbach beendet: ... Alle Ortswehren wurden auf die Stellplätze beordert, Befehl: Sofort mit allen verfügbaren Waffen konzentrisch auf Gummersbach vorzurücken und die Lützower einzuschließen. Bis zum Mittag war der Ring geschlossen. ... Den Lützowern wurde ein Ultimatum gestellt: Abgabe der Waffen, freier Abzug mit Begleitung nach Paderborn oder Sennelager bei Umgehung der Ruhr-Front. Im engen Stadtring standen Hunderte Arbeiter aus Dümmlinghausen, Hesselbach, die Steinarbeiter aus Becke/Niedernhagen/Müllenbach mit Karabinern und Sprengsätzen, die MG-Abteilung aus Dieringhausen/Vollmerhausen und Teile des Großenbernberger Schützenvereins mit ihren Donnerbüchsen- schließlich waren die Lützower bereit, die Gewehr- und MG-Schlösser und die Zünder der Minenwerfer sowie die Kapseln der Handgranaten und Munition abzugeben und dann mit dem Sonderzug nach Paderborn zu fahren. Die Arbeitertrupps blieben. ... Aus: Steinmüller, Carl-Hugo: Bericht über den Kapp-Putsch, Ms (1920), S. 2f., Steinmüller-Archiv; Nohl, Albert: Ruhr-Arbeiter siegten über den Putsch-General Kapp, in: die tat, Nr.10, 9.3.1974 Vitrine aus der Ausstellung 888 Jahre Gummersbach mit Exponaten aus einer "irrsinnigen Zeit"; v.l. französische Grenzposten in Nochen/Peisel (1920), Passierschein, Inflationsgeld, Briefmarken und Lohnschecks aus der Inflationszeit Aufmarsch des demokratischen Reichsbanners in der Kaiserstraße, um 1930 1918-1920 Revolution, Unruhen und Streiks; Generalstreik führt im November 1919 zur Verhängung des kleinen Belagerungszustandes; Abwehr des reaktionären Kapp-Putsches durch Generalstreik zur Verteidigung der Republik 1923 Hyper-Inflation 1928 Fertigstellung der Aggertalsperre 1929 Beginn der Weltwirtschaftskrise 1932 Zusammenlegung der Kreise Gummersbach und Waldbröl zum Oberbergischen Kreis; Gummersbach bleibt Kreisstadt. weiter mit Die NS-Diktatur (1933-1945)