Chronischer Schmerz eine eigenständige Krankheit Eli Alon Facharzt FMH für Anästhesiologie Schmerztherapie SGSS und SSIPM Professor an der UZH Praxis in Zürich Definition Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Deklaration Während akuter Schmerz zu Recht als ein Warnsymptom für verschiedene Erkrankungen und Verletzungen angesehen wird, ist chronischer Schmerz ein spezifischer Gesundheitsproblem und eine eigenständige Krankheit. Während der akute Schmerz einen kurzer, sich selbst limitierender Prozess ist, Wirkt sich chronischer Schmerz dominierend auf das gesamte Leben des Betroffenen und oft auch auf das Leben seiner Familie, Freunde und anderen Betreuungspersonen aus. Die Behandlung chronischer Schmerzen beruht zwar häufig auf einer adäquaten Anwendung von Medikamenten, erfordert aber auch den Einsatz zahlreicher anderer Methoden unterschiedlicher Natur. Schmerztherapie kann und muss von verschiedenen Ansätzen heraus erfolgen Das interdisziplinäre Schmerz-Konsilium Praxis für Schmerztherapie ARZTHAUS Lyntheschergasse 3 8001 Zürich Prof. E. Alon, Anästhesiologe Dr. J. Schönbächler, Rheumatologe Dr. U. Galli, Psychologin Dr. K. Schwegler, Psychiater Dr. J. Lutz, Neurolog Starke Opioide in der Behandlung von chronischen Schmerzen Opioide sind wirksam, vor allem bei PHN und bei diabetischer Neuropathie. Es ist eine Schmerzreduktion von 30% zu erwarten Es gibt Hindernisse verschiedener Art, die auch den Arzt, den Patienten selbst und administrative Hindernisse einschliessen. Zwischen den verschiedenen Medikamenten gibt es signifikante Unterschiede Die durchschnittliche tägliche Dosis beträgt circa 100mg Morphin oder eines äquivalenten Stoffes. Es ist nicht belegt, dass eine Erhöhung der Dosis auf über 200 mg Morphin oder eines äquivalenten Stoffes pro Tag Vorteile bringt. Tritt Toleranz auf, so muss eine Opioid-Rotation in Betracht gezogen werden. Buprenorphin transdermal (zB Transtec ®) 35 µg/h Fentanyl transdermal (zB Durogesic ®) 25 µg/h Hydromorphon slow release (zB Palladon ®) 8 mg Methadon (zB Ketalgin) 20 mg Morphin slow release (zB MST continus ®) 60 mg Oxycodon slow release (zB Oxycontin ®) 30 mg Die Kombination von Opioiden mit Antiepileptika bringt Vorteile. Signifikante NW stellen ein grosses Problem dar, denn sie können Patienten trotz Schmerzlinderung dazu bringen, die Medikamente abzusetzen. Verstopfung, Übelkeit, Schläfrigkeit, Schwindel, Juckreiz und seltener Erbrechen, Kopfweh, trochene Mund und Schwitzen. Eine Atemdepression wurde bei Schmerzpatienten nie beobachtet. Nebenwirkungen müssen aggressiv behandelt werden. „Constipation Ladder“ 5 4 3 2 1 + Naloxon + Enema + Propulsive Laxative ( Laxoberon ®) Osmotic Laxative (Movicol ® Transipeg ®, Duphalac ®) Magnesium (Magnesiocard ®, Magnesium San Pellegrino ®, Eine Toleranzentwicklung kann durch entsprechende Dosisanpassungen vermieden bzw. behandelt werden. Das plötzliche Aufhören der Opioidbehandlung verursacht ein Entzugsyndrom. Diese Symptomatik kann durch langsames Ausschleichen der Dosis verhindert werden. Es gibt keinen Beweis, dass das Suchtpotential bei Schmerzpatienten grösser ist als in der allgemeinen Bevölkerung. Remifentanil (Ultiva)-Test unter Kreislaufkontrolle Eur J Pain 9 (2005) 123 -125 Beginn mit 0.04mcg/kg/min (150 mcg/h), alle 3 min Dosissteigerung um 0.04mcg/kg/min Endpunkte: Schmerzreduktion > 50%, oder VAS ≤ 3, AF ≤ 7, SaO2 ≤ 85%, starke Sedation Responder und nicht Responder werden erkannt 1. Case 85 year old lady with back pain and osteoporosis Tramadol-Medication: heart beating and no effect Opioid rotation: Buprenorphin TTS, initially 1/8 patch, to 1 patch 35 mcg/h Pain reduction 30%, sleep much better, increased social activity 2. Case 42 year old lady with failed back surgery syndrome Came to our Pain Unit with heavy pain, trembling and agitation. Medication: Fentayl TTS 100 mcg/h every 3 days, Antiepileptics, antidepressants. Opioid rotation. Finally: Fentanyl TTS 25mcg/h every 2 days und Methadone 70mg/day. 60% less pain Ein einziger Arzt soll die Verantwortung für die Behandlung übernehmen. Dieser sollte über möglichst reiche Erfahrung im Umgang mit Schmerzpatienten und Opioiden verfügen. Die Patienten sollen über die Art der Medikation und die potentiellen Nebenwirkungen informiert werden, und ihre Zustimmung zur Behandlung geben. Ein Therapiekonzept muss erarbeitet werden, das sich nicht allein auf die Analgesie stützt. Anfänglich sollen die Patienten wöchentlich beim Arzt ihre Rezepte erneuern. Später sind weniger Besuche notwendig. Die verbesserte Analgesie sollte in vermehrte Aktivität umgesetzt werden; die physische und soziale Integration sollte verbessert werden. Eine relative Kontraindikation besteht bei Patienten mit anamnestisch bekanntem Suchtverhalten gegenüber irgendeiner Substanz. Nach Auswahl der Opioide und des Applikationsmodus soll das Medikament nicht nach Bedarf, sondern nach einem festen Zeitplan verordnet werden. Bei ungewöhnlicher Dosissteigerung sollte die Situation neu analysiert werden. Die Progredienz der Erkrankung oder andere Faktoren sollten abgeklärt werden. Der Arzt soll den Verlauf der Behandlung erfassen. Besonders sollten Wirkung, NW, Wohlbefinden und Verhalten des Patienten während der Therapie dokumentiert werden.