Analysis für Informatiker (Prof. Dr. Bürgisser) M u s t e r l ö s u n g Wintersemester 10/11 z u Ü b u n g s b l a t t 3 Aufgabe 9: (Logik, 5 Punkte) Verneinen Sie folgende Aussagen, indem Sie sie als prädikatenlogische Formeln interpretieren und formal negieren: 1. Manche Aufgaben sind unlösbar. 2. Ich mag Sport und Musik. 3. Zu jeder Aufgabe gibt es jemanden, der sie lösen kann. 4. Ich interessiere mich für moderne, aber nicht für klassische Musik. 5. Ich werde zum Abendessen entweder Nudeln kochen oder mir eine Pizza bestellen. Musterlösung: 1. L(a) := Aufgabe a ist lösbar“ und sei A die Menge aller Aufgaben. Die Aussage lässt sich also ” übersetzen in die Formel ∃a ∈ A : ¬L(a), deren Verneinung durch ∀a ∈ A : L(a) gegeben ist, in Worten: Alle Aufgaben sind lösbar“. ” 2. S := Ich mag Sport“, M := Ich mag Musik“. Aussage: S ∧ M , Verneinung ¬(S ∧ M ) = ” ” ¬S ∨ ¬M , in Worten: Ich mag Sport nicht oder ich mag Musik nicht“. ” 3. L(p, a) := Person p kann Aufgabe a lösen“. Sei P die Menge der Personen und A die Menge ” der Aufgaben. Aussage: ∀a ∈ A ∃p ∈ P : L(p, a). Negation: ¬(∀a ∈ A ∃p ∈ P : L(p, a)) = ∃a ∈ A ∀p ∈ P : ¬L(p, a), in Worten: Es gibt eine Aufgabe, die niemand lösen kann“. ” 4. M := Ich interessiere mich für moderne Musik“, K := Ich interessiere mich für klassische ” ” Musik“. Aussage: M ∧ ¬K. Negation: ¬(M ∧ ¬K) = ¬M ∨ K, in Worten: Ich interessiere mich ” nicht für moderne Musik oder ich interessiere mich für klassische Musik“. 5. N := Ich werde zum Abendessen Nudeln kochen“, P := Ich werde mir zum Abendessen eine ” ” Pizza bestellen“. Die Aussage ist ein exklusives Oder: (N ∨ P ) ∧ ¬(N ∧ P ). Negation: ¬ (N ∨ P ) ∧ ¬(N ∧ P ) = ¬(N ∨ P ) ∨ ¬¬(N ∧ P ) = (¬N ∧ ¬P ) ∨ (N ∧ P ), in Worten: Ich werde zum Abendessen weder Nudeln kochen noch mir eine Pizza bestellen oder ” ich werde zum Abendessen sowohl Nudeln kochen als auch mir eine Pizza bestellen“. Aufgabe 10: (vollständige Induktion, 5 Punkte) Beweisen Sie: Für alle n ∈ N ist 3 ein Teiler von n3 − n. Musterlösung: Induktionsanfang: Im Fall n = 0 ist n3 − n = 0 und 3 ist ein Teiler von 0. Induktionsvoraussetzung (I.V.): Für n ∈ N gelte: 3 ist ein Teiler von n3 − n. Induktionsschritt: Zu zeigen: 3 ist ein Teiler von (n + 1)3 − (n + 1). Beweis: (n + 1)3 − (n + 1) = n3 + 3n2 + 3n + 1 − n − 1 = (n3 − n) + (3n2 + 3n) = (n3 − n) | {z } nach I.V. Vielfaches von 3 + 3 · n · (n + 1) | {z } Vielfaches von 3 Da die Summe zweier durch 3 teilbarer Zahlen durch 3 teilbar ist, folgt die Behauptung. Aufgabe 11: (vollständige Induktion und Fibonacci-Zahlen, 5 Punkte) Die Fibonacci-Zahlen Fn für n ∈ N>0 sind wie folgt definiert: F1 := 1, F2 := 1 und Fn+1 := Fn + Fn−1 für alle natürlichen Zahlen n ≥ 2. Beweisen Sie: Für alle n ∈ N>0 gilt √ √ 1 1 − 5 n 1 1 + 5 n −√ . Fn = √ 2 2 5 5 Musterlösung: √ √ Setze a := 1+2 5 und b := 1−2 5 und rechne nach, dass 1 + a = a2 und 1 + b = b2 . Induktionsanfang: Es gilt √ √ √ 1 1 − 5 1 1 1 − 1 + 2 5 1 1 + 5 1 √ −√ =√ = 1 = F1 2 2 2 5 5 5 und √ √ 1 1 + 5 2 1 1 − 5 2 1 1 1 s.o. √ −√ = √ (1 + a) − √ (1 + b) = √ (a − b) = 1 = F2 . 2 2 5 5 5 5 5 Induktionsvoraussetzung: Für ein n ∈ N, n ≥ 3 gelte √ √ 1 1 + 5 n−2 1 1 − 5 n−2 √ −√ = Fn−2 2 2 5 5 und √ √ 1 1 − 5 n−1 1 1 + 5 n−1 √ −√ = Fn−1 . 2 2 5 5 Induktionsschritt: 1 1 1 Fn = Fn−1 + Fn−2 = √ (an−1 − bn−1 ) + √ (an−2 − bn−2 ) = √ (an−1 − bn−1 + an−2 − bn−2 ) 5 5 5 1 n−2 1 1 = √ (a (1 + a) − bn−2 (1 + b)) = √ (an−2 a2 − bn−2 b2 ) = √ (an − bn ) 5 5 5 1 n 1 n = √ a −√ b , 5 5 was zu zeigen war. Aufgabe 12: (5 Punkte) Eine Teilmenge M ⊆ R>0 der positiven reellen Zahlen heißt beschränkt, falls es ein x0 ∈ R gibt, so dass x ≤ x0 für alle x ∈ M . Eine Teilmenge M ⊆ R>0 heißt unbeschränkt, falls sie nicht beschränkt ist. Beweisen oder widerlegen Sie folgende Aussagen: 1. Jede beschränkte Menge ist unendlich. 2. Jede beschränkte Menge ist endlich. 3. Jede unbeschränkte Menge ist unendlich. 4. Jede unbeschränkte Menge ist endlich. Musterlösung: 1. Falsch. Die leere Menge ist beschränkt und endlich. 2. Falsch. Die Menge { n1 | n ∈ N>0 } ist beschränkt mit oberer Schranke x0 = 1 und unendlich. 3. Wahr. Beweis durch Kontraposition: Sei M ⊆ R>0 endlich. Sei x0 das Maximum von M , welches existiert, da M endlich ist. Dann gilt x ≤ x0 für alle x ∈ M und somit ist M beschränkt. 4. Falsch. Die Menge M = R>0 ist nicht endlich. Beweise durch Widerspruch, dass M unbeschränkt ist: Angenommen, M sei beschränkt. Dann existiert x0 ∈ R mit x ≤ x0 für alle x ∈ M . Aber es ist x0 + 1 > x0 und x0 + 1 ∈ M . Dies ist ein Widerspruch. Aufgabe 13: (lexikografische Ordnung, 5 Punkte) Sei (A, ≤) eine total geordnete Menge, genannt das Alphabet. Sei An die Menge der n-Tupel über A. Auf der Menge An definieren wir folgende Relation: Seien (a1 , a2 , . . . , an ) ∈ An und (b1 , b2 , . . . , bn ) ∈ An . Dann ist (a1 , a2 , . . . , an ) <lex (b1 , b2 , . . . , bn ) genau dann, wenn es einen Index i ∈ N>0 , i ≤ n gibt mit ai < bi und aj = bj für alle 1 ≤ j < i. Für a, b ∈ An sei a ≤lex b genau dann, wenn a = b oder a <lex b. Beweise: Für alle n ∈ N ist (An , ≤lex ) eine total geordnete Menge. Musterlösung: Sei n ∈ N beliebig. Zeige zuerst, dass (An , ≤lex ) eine geordnete Menge ist, indem Reflexivität, Antisymmetrie und Transitivität überprüft wird. Reflexivität: Sei a ∈ An . Dann folgt aus a = a und der Def. von ≤lex , dass a ≤lex a. Antisymmetrie: Sei a = (a1 , . . . , an ) ∈ An und b = (b1 , . . . , bn ) ∈ An mit a ≤lex b und b ≤lex a. Angenommen a 6= b. Dann existieren i1 , i2 ∈ N mit: ∀1 ≤ j < i1 : aj = bj und ai1 < bi1 ∀1 ≤ j < i2 : aj = bj und ai2 > bi2 . und Sei imin := min(i1 , i2 ) und imax := max(i1 , i2 ). Dann folgt ∀1 ≤ j < imax : aj = bj und aimin 6= bimin und somit imin = imax =: i. Daraus aber folgt sowohl ai < bi als auch ai > bi , was ein Widerspruch ist. Transitivität: Seien a, b, c ∈ An mit a ≤lex b und b ≤lex c. Zu zeigen: a ≤lex c. Dies ist klar, falls a = b oder b = c. Sei also nun a 6= b und b 6= c. Dann existieren i1 , i2 ∈ N mit: ∀1 ≤ j < i1 : aj = bj und ai1 < bi1 ∀1 ≤ j < i2 : bj = cj und bi2 < ci2 . und Sei i := min(i1 , i2 ). Dann gilt ∀1 ≤ j < i : aj = bj = cj . Wegen der Wahl von i gilt auf jeden Fall ai ≤ bi und bi ≤ ci , wobei der Fall ai = bi = ci nicht in Frage kommt. Wir sehen, dass in allen 3 Fällen ai < ci gilt: • ai < bi und bi = ci impliziert ai < ci . • ai = bi und bi < ci impliziert ai < ci . • ai < bi < ci impliziert ai < ci . Also gilt a ≤lex c. Totalität: Gegeben a, b ∈ An . Zu zeigen, dass a ≤lex b oder b ≤lex a. Dies gilt, falls a = b. Sei also a 6= b und sei i ∈ {1, . . . , n} der kleinste Index mit ai 6= bi . Also gilt aj = bj für alle j ∈ {1, . . . , i − 1}. Falls ai < bi , dann ist a ≤lex b und falls ai > bi , dann ist b ≤lex a.