Menschen des christlichen Widerstands Menschen der Weißen

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Ich habe gehandelt, wie ich aus einer inneren Stimme heraus
handeln mußte. Ich nehme die Folgen auf mich nach dem
schönen Wort Johann Gottlieb Fichtes:
„Und handeln sollst du so, als hinge
Von dir und deinem Tun allein
Das Schicksal ab der deutschen Dinge,
Und die Verantwortung wär‘ dein.“
(Prof. Kurt Huber in seinem Schlusswort vor dem Volksgerichtshof, 19. April 1943)
Die Galerie der Aufrechten ist ein Projekt, das vom
Studentenwerk Weiße Rose (mit Sitz in Weingarten) getragen wird.
Es ist vom Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben
unter Federführung von Prof. Dr. Wolfgang Marcus initiiert worden.
Die Galerie besteht momentan aus rund 60 Porträts von Menschen
des Widerstands gegen die NS-Gewaltherrschaft und von Opfern
des NS-Regimes. Diese Menschen stehen etwa zur Hälfte durch Herkunft oder Tätigkeit in Bezug zum deutschen Südwesten, zur anderen
Hälfte stammen sie aus dem gesamten damaligen Reichsgebiet. Dadurch setzt die Ausstellung einen Schwerpunkt auf Regionalität und
erreicht gleichzeitig einen hohen Grad an Repräsentativität für den
NS-Widerstand insgesamt.
28 Künstlerinnen und Künstler haben sich in ihren Werken den
Menschen des Widerstands genähert, um Empathie zu wecken und
die biographische Vielschichtigkeit der Unangepassten darzustellen.
Im deutschen Südwesten lagen zwar weder die Kommandozentralen
der Nationalsozialisten noch die großen innerdeutschen Konzentrationslager. Hier begann aber in Grafeneck die Vernichtung menschlichen Lebens. Gleichzeitig gab es hier den vielgestaltigsten Widerstand – von Attentätern, Christen und Juden, von den Studenten der
Weißen Rose, von Rettern, von geistigen Vordenkern und Pädagogen,
von Menschen aus dem politischen und militärischen Bereich, von
Arbeitern und Gewerkschaftlern.
Die Galerie der Aufrechten gliedert sich in Gruppen.
Für jede der Gruppen stellen wir hier eine Person beispielhaft vor.
Menschen des christlichen Widerstands
Menschen der Weißen Rose
Menschen des Rettungswiderstands
Menschen jüdischen Widerstehens
Zu den hier gezeigten Menschen des christlichen Widerstands
gehören Amtsträger und Laien beider christlichen Konfessionen,
Nonnen und Mönche und radikale Pazifisten.
Es stärkte sie der Zusammenhalt mit Gleichgesinnten in Vereinigungen wie dem Pfarrernotbund und der Bekennenden Kirche, dem katholischen Bund Neudeutschland, der Christkönigsgesellschaft, dem
Internationalen Versöhnungsbund, katholischen Orden und Freundeskreisen. Manche von ihnen pflegten auch Kontakte zu anderen
Widerstandsgruppen.
Diese Menschen verteidigten die Freiheit des Glaubens und der
Kirche gegen den totalitären Herrschaftsanspruch des Nationalsozialismus, lehnten die rassistische, militaristisch-nationalistische
NS-Ideologie als unvereinbar mit christlichen Werten ab, engagierten
sich für Verfolgte, nahmen Stellung gegen Verfolgung und Euthanasie,
verweigerten den Kriegsdienst.
Die Weiße Rose bezeichnet eine studentische Widerstandsgruppe
in München mit den Geschwistern Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf, Hans-Conrad Leipelt und
Professor Kurt Huber.
Das Denken dieser jungen Menschen war geprägt von christlichen
Prinzipien und der Vorstellung von individueller Freiheit, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit. Sie wollten ihre geistige Unabhängigkeit und Freiheit gegenüber der Uniformierung des Denkens und
der nationalsozialistischen Unterdrückung behaupten, lehnten die
rassistisch begründete Unmenschlichkeit der Judenverfolgung und
der Kriegsführung ab und übten Kritik an der sinnlosen Fortsetzung
des Krieges. Die Mitglieder dieses Freundeskreises verbreiteten ihre
Ideen in Flugblättern.
Es waren oft „kleine Leute“, die ihren geringen Handlungsspielraum
nutzten, um aus menschlichem Anstand, aus menschlicher Solidarität und Nächstenliebe, aus religiöser Überzeugung heraus human zu
handeln. Ihre Hilfe bestand z.B. im Gewähren von Unterschlupf, im
Beschaffen von Lebensmittelkarten und falschen Papieren und in der
Hilfe beim Grenzübertritt ins sichere Ausland.
Der Widerstand dieser Menschen wurde erst in den letzten Jahren
mit dem Ausdruck „Rettungswiderstand“ wissenschaftlich richtig
gewürdigt. Heute spricht man von ihnen als „Helden der Humanität“.
Sie selbst bezeichneten ihr Handeln oft als „selbstverständlich“ oder
als „aktiven Anstand“. Sie wollten nicht, dass man von ihren Taten
ein großes Aufheben machte.
Die Entrechtung, Ausgrenzung und Vernichtung der Juden ließ keinen
Raum für Widerstand. Manche Menschen widerstanden aber trotzdem
– nämlich der Angst um ihr Leben und damit auch dem Terrorsystem
der Nationalsozialisten – und lehnten eine Auswanderung bewusst ab.
Bei diesen Menschen handelt es sich oft um Juden in führenden Positionen in ihrer Gemeinde, die aus Verantwortung gegenüber den ihnen
anvertrauten Glaubensgenossen und Gemeindegliedern freiwillig bei
ihnen blieben, um sie auf dem schweren Weg in die Konzentrationslager und den Tod zu begleiten.
Max Joseph Metzger
portraitiert
von Dieter Groß
Erzbischöfliches Ordinariat
Freiburg
i.Br., Bildarchiv,
Aufnahme
Christoph Hoppe
Max Joseph Metzger wurde 1887 im badischen Schopfheim geboren. Der Erste Weltkrieg machte den katholischen Priester zum Pazifisten. Sein Widerstand zeigte sich in seinem überkonfessionellen Engagement gegen
das NS-Regime.
1943 wurde er wegen „Hochverrat“ zum Tode verurteilt und acht Monate später in der Todeszelle hingerichtet.
1997 ist das Todesurteil gegen Metzger posthum vom Landgericht Berlin aufgehoben worden.
Sein Seligsprechungsverfahren wurde 2006 eröffnet.
Christoph
Probst
portraitiert von Marlis Glaser
Christoph Probst – 1919 in Murnau geboren – wuchs in einem durch religiöse und kulturelle Offenheit geprägten, regimekritischen Elternhaus
auf. Als Medizinstudent gelangte er
in München über seinen Schulfreund
Alexander Schmorell in den Kreis der
Weißen Rose. An deren Diskussionen
beteiligte er sich, hielt sich aber bei
den Aktionen mit Rücksicht auf seine
Frau und seine drei Kinder zurück.
Nach Stalingrad verfasste er einen Flugblattentwurf, den die Gestapo bei Hans Scholl nach dessen Verhaftung fand. Christoph Probst wurde
zusammen mit den Geschwistern
Scholl am 22. Februar 1943 vom
Volksgerichtshof zum Tode verurteilt
und noch am selben Tag mit dem
Fallbeil hingerichtet.
Die 1879 geborene Anna Essinger entstammte einer jüdischen Ulmer Fa-
milie. 1926 gründete sie in Herrlingen
das erste reformpädagogische Landschulheim Württembergs. 1933 emigrierte sie mit etlichen ihrer jüdischen
Schüler nach England. Herrlingen
konnte bis 1939 von Hugo Rosenthal
als Schule für jüdische Kinder weitergeführt werden. Über 900 Kindern hat
Essinger in Herrlingen und Bunce Court
Zuflucht gewährt, als die Verfolgung
der Juden ab 1938 massiv wurde.
Essinger starb 1960 in England.
Anna Essinger
portraitiert von Hermann Schenkel
Friedrich Adler wurde 1878 in die damals blühende jüdische Gemeinde Laupheims hineingeboren. Bis in die 1930er Jahre gehörte er zu den füh-
renden Designern seiner Zeit und lehrte an der Kunstgewerbeschule
Hamburg. Nach der Zwangspensionierung 1933 brachte er fast seine gesamte Familie außer Land, kehrte
selbst jedoch immer wieder zurück.
1942 wurde Adler in Auschwitz
ermordet.
Friedrich Adler
portraitiert von Hermann Schenkel
Menschen des geistigen Widerstands
Hierbei handelt es sich um Philosophen, Theoretiker des Judentums,
Theologen und Pädagogen, die in ihrer Lehrtätigkeit und ihren Schriften der NS-Ideologie Menschlichkeit entgegensetzten und so vor allem
der deutschen akademischen Jugend Orientierung und Halt gaben.
Durch ihr persönliches Verhalten boten sie ein Vorbild für das Handeln
Intellektueller in einer Diktatur.
Kurt Hahn
portraitiert von Renata Jaworska
(Leihgabe Schule Schloss Salem)
1886 in Berlin geboren, wurde Kurt Hahn stark geprägt durch das
jüdisch-deutsche Bildungsbürgertum. 1920 gründete er mit Max von
Baden die Schule Schloss Salem, als deren Leiter er seine pädagogischen Ideen bis 1933 nachhaltig in die Praxis umsetzen konnte. In
Opposition zum NS-Regime wurde er aus dem Schuldienst entlassen.
Nach Verhaftung und Verbannung emigrierte er 1933 nach England,
wo er sein pädagogisches Werk weiterführte.
Menschen des politischen Widerstands
Menschen des Arbeiterwiderstands
Repräsentanten für die Opfergruppen
Zu ihnen zählen Angehörige der konservativ-bürgerlich-christlichen
Parteien von der DNVP bis zum Zentrum sowie Mitglieder der SPD
und der KPD. Ihre Ämter reichen vom Stadtverordneten und Oberbürgermeister über Landtags- und Reichstagsabgeordnete bis zu
Innenministern und einem Staatspräsidenten.
Gerieten die SPD- und KPD-Politiker durch ihre Aktivitäten – zum Beispiel die Bekämpfung staatsfeindlicher rechtsradikaler Bestrebungen
schon in der Weimarer Republik – bereits früh in das Fadenkreuz der
Gestapo, wurden die Politiker der konservativen Parteien erst im Zusammenhang mit der Verfolgung nach dem 20. Juli 1944 verhaftet.
Die Bedeutung des politischen Widerstands zeigt die Tatsache, dass
alle hier gezeigten Politiker ihre Aktivitäten gegen das NS-System
mit dem Leben bezahlen mussten.
Bei ihnen handelt es sich um einfache Menschen aus der Arbeiterschaft, die klar die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus erkannten.
Sie waren in der Gewerkschaftsarbeit verwurzelt und verfolgten das
Ziel, gewerkschaftliche Strukturen zu erhalten und die Arbeit der von
den Nationalsozialisten am 2. Mai 1933 verbotenen Gewerkschaften
in der Illegalität fortzuführen.
Die Region Oberschwaben bietet anschauliche und eindrucksvolle
Beispiele für das Leiden der Menschen unter der NS-Herrschaft. Auch
hier mündete der nationalsozialistische Rassismus in „Euthanasiemorde“, in die Deportation und Ermordung von Sinti und Roma und in
die Hinrichtung von Zwangsarbeitern wegen „Rassenschande“.
Weitere Opfer gab es unter deportierten Zivilisten, in der Gruppe der
Homosexuellen und der Zwangsarbeiter, die auf den Todesmärschen
noch kurz vor Kriegsende ermordet wurden. Zu den Opfern gehören
auch jene, die sich das Leben nahmen, um sich in ihrer verzweifelten
Situation Selbstbestimmung und Würde zu bewahren.
Eugen Bolz kam früh über katholische
Jugend- und Studentenorganisationen
in die Zentrumspartei. Ab 1912 war er
Abgeordneter im Reichstag und im
württembergischen Landtag. 1928
wurde Bolz Staatspräsident von Württemberg. Wegen seiner Gegnerschaft
zum NS-Regime verlor er 1933 sein
Amt und zog sich nach einer ersten Inhaftierung zurück. Aufgrund seiner Verbindungen zum Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Eugen Bolz zum Tode verurteilt und im Januar 1945 enthauptet.
Eugen Bolz
portraitiert von Rudolf Kurz
(Leihgabe Diözese Rottenburg-Stuttgart)
Claus Schenk Graf von Stauffenberg
portraitiert von Sigrun Schleheck
(Leihgabe Diözese Rottenburg-Stuttgart)
Fridolin Endraß wurde 1893 in Mariabrunn am Bodensee geboren. Er arbeitete und wirkte in Friedrichshafen als
Eisenbahner und Gewerkschafter.
Endraß baute ab 1937 unter süddeutschen Eisenbahnern eine Widerstandsgruppe gegen das nationalsozialistische
Unrechtsregime auf. Er wurde 1938
von den Nationalsozialisten verhaftet,
1939 zum Tode verurteilt und 1940 in
Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Fridolin Endraß
portraitiert von Dominik Zehle
(Leihgabe Kunstsammlung Bodenseekreis)
Menschen des militärischen Widerstands
Der Widerstand hoher Offiziere bot die größte Aussicht auf Erfolg bei
der Beseitigung Hitlers. Gleichzeitig verlangte er von ihnen einen großen Schritt – den vom Führereid zum Führermord. Die Beispiele hier
zeigen die christliche Verankerung einiger Offiziere, den Widerstand
von Anfang an und den Widerstand im Krieg, der in der Ablehnung
der verbrecherischen Kriegsführung und der Aussichtslosigkeit der
militärischen Gesamtlage begründet war.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg – 1907 im schwäbischen
Jettingen geboren – wurde als begabter Offizier auf Grund seiner
Kriegserfolge 1940 Mitglied im Oberkommando des Heeres. Der
Holocaust, das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung und
kriegsstrategische Gründe veranlassten Stauffenberg zur Beteiligung
am Widerstand. Nach dem Scheitern seines Attentats auf Hitler im
Führerhauptquartier am 20. Juli 1944 wurde er noch in der gleichen
Nacht zusammen mit seinen Kameraden im Hof des Bendlerblocks
erschossen.
Hermann Levinger wurde 1865 in
Karlsruhe geboren. Noch während des Jurastudiums konvertierte er zum
Protestantismus. Am Ende seiner langjährigen Laufbahn war er Landrat in
Überlingen. Obwohl er konvertiert und
christlich verheiratet war, wurden er
und seine Tochter ab 1935 verfolgt.
Als ihnen die Deportation bevorstand,
nahmen sich Hermann Levinger und
seine Tochter Barbara im Dezember
1944 das Leben.
Hermann Levinger
portraitiert von Sigrun Schlehek
(Leihgabe Kunstsammlung Bodenseekreis)
Am Projekt beteiligte Künstlerinnen und Künstler
Lothar Bechtle
Hartmut R. Berlinicke
Felix Emmelmann
Herbert Franz
Eckhard Froeschlin
Marlis Glaser
Dieter Groß
Johanna Hager
Harald Herrmann
Wiebke Herrmann
Clemens Hövelborn
Renata Jaworska
Hubert Kaltenmark
Rudolf Kurz
Hans Kutschke
Kathrin Landa
Mechthild Mansel
Rebecca Marent
Nikolaus Mohr
Berit Mücke
Hermann Schenkel
Sigrun C. Schleheck
Roland Wilhelm Schmitt
Jakob Steiger
Léonie Wedel
Tina Wohlfarth
Dominik Zehle
Almut-Sophia Zielonka
Galerie der Aufrechten –
bekannte und unbekannte Menschen des Widerstands
gegen den Nationalsozialismus
20. Oktober bis 15. November 2016
Ausstellungseröffnung am 20. Oktober 2016 um 19 Uhr,
Podiumsdiskussion mit dem Thema:
„Widerstand damals und heute“
Ökumenisches Bildungszentrum sanctclara
B 5, 19 · 68159 Mannheim
Telefon: 0621-17857-0
E-Mail: [email protected]
www.sanctclara.de
Öffnungszeiten:
Montag, Mittwoch und Freitag: 8.30 – 12.30 Uhr
Dienstag und Donnerstag: 8.30 – 15.30 Uhr
Termine für Führungen können über das Sekretariat
erfragt werden.
Galerie der Aufrechten –
Friedrich Adler
Andritzki
Alois
bekannte und unbekannte
Menschen des Widerstands
gegen den Nationalsozialismus
Hannah Arendt
Leo Baeck
Naphtali Berlinger
Eugen Bolz
Auguste Bonal
Dietrich Bonhoeffer
Martin Buber
Alfred Delp
Alois Dempf
Simon Dubnow
Hans David Elkan
Georg Elser
Fridolin Endraß
Anna Essinger
Reinhold Frank
Mordechai Gebirtig
Carl F.Goerdeler
Mirtek Grabowski
Willi Graf
Maria Grollmuß
Paul Grüninger
Romano Guardini
Fam. v. Haeften
Kurt Hahn
Kurt Huber
Franz Klauser
Maximilian Kolbe
Janusz Korczak
Julius Leber
Hans C.Leipelt
Michael Lerpscher
Wilhelm Leuschner
Elisabeth von Thadden portraitiert von Johanna Hager
Hermann Levinger
Hermann Liebmann
Gertrud Luckner
Hermann Maas
Max Joseph Metzger
Franz Moos
Felix Nussbaum
Hans Oster
Christoph Probst
Karl-Hermann Reinmuth
Hugo Rosenthal
Karl Rueff
Josef Ruf
Max Sachs
Alexander Schmorell
Paul Schneider
Hans Scholl
Sophie Scholl Bischof Johannes Baptista Sproll
Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Edith Stein
Richard Teichgräber
Elisabeth von Thadden
Ummenwinkel
Raphael Walzer
Mannheim
Ökumenisches Bildungszentrum
sanctclara
10. Oktober bis 15. November 2016
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