Neue Targets in der GI Onkologie – was bringen die Pipelines? Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Innere Medizin I Die Identifikation von „Schlüsselsignalwegen“ in Tumoren des Gastrointestinaltrakts hat eine Vielzahl von potentiellen Targets für die klinische Evaluation geliefert. Die onkologischen Pipelines der pharmazeutischen Industrie sind sehr gut gefüllt, der „Studienstrom“ in diesen Pipelines fließt jedoch relativ langsam. Grund hierfür ist u.a. die Erkenntnis aus den letzten 10 Jahren, dass Ergebnisse aus präklinischen Modellen nicht ohne weiteres auf die Situation von Patienten übertragbar sind. So spielt aktuell bei den Pipelinesubstanzen weniger die Frage nach dem „was“ man targeten soll eine Rolle, sondern vielmehr bei welchem Tumor. Hierbei gewinnen neben dem eigentlichen Target Faktoren wie tumorspezifische Mutationen (z.B. Kras) oder die Tumor-Matrix Interaktion eine zunehmende Bedeutung für die Entscheidung, ein bestimmtes Therapiekonzept zu untersuchen. Diese Ausgangssituation spiegelt sich in den auf dem diesjährigen ASCO vorgestellten Studien wider. Rezeptortyrosinkinaseinhibitoren Im Bereich der Rezeptortyrosinkinasen wurden interessante Daten zur Inhibition von c-MET vorgestellt. Diese Rezeptortyrosinkinase spielt in einer Vielzahl von Tumoren eine Rolle für Metastasierung, Proliferation und Apoptoseresistenz. Eine hohe Expression von c-MET im Tumor korreliert bei einigen Tumorentitäten mit einer deutlich schlechteren Prognose. Eine Phase II Studie zur Kombination des ECX Regimes mit dem c-MET Inhibitor Rilotumumab ergab bei nicht vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom mit immunhistochemisch hoher c-MET Expression im Tumor (definiert als >50% der Tumorzellen mit deutlicher c-METImmunreaktivität, was in 42% der Tumoren gezeigt werden konnte) eine Verbesserung des mPFS und des mOS von 4.6 bzw. 5.7 Monaten ohne 1 Rilotumumab auf 6.9 bzw. 11.1 Monate zugunsten der Kombination (Oliner et al., # 4005). Ähnliche Daten wurden für den c-MET Inhibitor Tivantinib beim Sorafenib-refraktären HCC gezeigt (Rimassa et al., #4006). Auch hier korrelierte eine hohe c-MET Expression im Tumor mit einer schlechten Prognose der Patienten. Allerdings verbessert der c-MET Inhibitor in der Gruppe mit hoher c-MET Expression im Tumor deutlich die Zeit bis zum Tumorprogress (mTTP c-MET high vs. c-MET low: 11.7 vs. 6.1 Wochen, HR 0.43) und das Überleben (mOS c-MET high vs. c-MT low: 7.2 vs. 3.8 Monate, HR 0.38). Damit kann – wenn sich diese Daten in der Phase III bestätigen – die c-MET Inhibition ein neues Therapiekonzept beim Magenkarzinom und beim HCC werden. Interessant und erfreulich an den Studien ist, dass schon zu Beginn der Substanzentwicklung versucht wurde, einen Biomarker zu etablieren. Dies ist offenbar relativ einfach gelungen, da ein immunhistochemischer Cut off von > oder < 50% Immunreaktivität für c-MET vergleichsweise einfach bestimmt werden kann. Zu anderen Rezeptortyrosinkinaseinhibitoren wie IGF-IR Inhibitoren oder VEGFR Inhibitoren wurden entweder negative Daten (Cixutumumab beim metastasierten Pankreaskarzinom, Linifanib beim mCRC) oder lediglich Studienkonzepte/Trials in progress vorgestellt (Ganitumab beim Pankreaskarzinom, Ramucirumab und Dovitinib beim HCC, BIBF 1120 beim mCRC). Inhibition intrazellulärer Signalkaskaden Bei der Inhibition intrazellulärer Signalkaskaden spielen zunehmend B-Raf, MEK und der PI3-Kinase Signalweg eine Rolle. Hierbei zeigt sich, dass Kombinationen aus MEK Inhibition und Multikinaseinhibitoren wie Sorafenib z.B. beim HCC deutliche Nebenwirkungen auslösen, insbesondere hinsichtlich Lebertoxizität und Diarrhoe. Die Kombination von AKT-Inhibitor (MK-2206) und MEK-Inhibitor (AZD6244) zeigte in einer Phase I Studie (#3529) keine Effektivität. Allerdings wurde in dieser Studie 2 ein interessanter Ansatz verfolgt, nämlich die Effektivität der Inhibition der entsprechenden Signalwege durch serielle Tumorbiopsien zu beurteilen. Targeting epigenetischer Regulatoren Neben den klassischen Signaltransduktionsinhibitoren rücken epigenetische Regulatoren zunehmend ins Blickfeld, u.a. Inhibitoren von Histondeacetylasen. Hier wurden interessante präliminäre Daten zur Kombination des HDAC Inhibitors Resminostat mit Sorafenib beim Sorafenib-refraktären HCC gezeigt (Bitzer et al., #4115). Apoptose Im Bereich Modifikation von Apoptose wurden – ebenfalls präliminäre – Phase II Daten zum Targeting von XIAP mittels Antisense-Oligonukleotiden in Kombination mit Sorafenib beim HCC präsentiert, die einen Benefit der Kombination im Vergleich zur Sorafenibtherapie nahelegen (Lee et al., #4105). Tumor-Host-Interaktion Im Pankreaskarzinom scheint die Kommunikation zwischen Tumorzellen und tumorassoziierten Fibroblasten/Sternzellen wesentlich über den Sonic Hedgehog (SHH) Signalweg reguliert zu werden. Tumorzellen produzieren SHH, das bei den Tumor-assoziierten Fibroblasten/Sternzellen Proliferation und Matrixproduktion stimuliert. So scheint SHH eine wesentliche Rolle für die desmoplastische Reaktion beim Pankreaskarzinom und damit für die schlechte Penetration von Chemotherapeutika in den Tumor zu spielen. Präklinische Daten legen nahe, dass durch SHH Inhibition eine bessere Effektivität von Gemcitabin erreichbar ist. Die jetzt vorgestellte Interimsanalyse einer Phase II Studie zur Kombination des SHH Inhibitors Vismodegib mit Gemcitabin zeigt eine Verbesserung im PFS von 1.3 Monaten zugunsten der Kombinationstherapie mit Vismodegib (Catenacci et al., #4022). Fazit Zusammenfassend zeigt sich im Vergleich zu den letzten Jahren ein Trend zu einem etwas zurückhaltenderen Einsatz von neuen Pipelinesubstanzen bei einem größer werdenden Spektrum untersuchter Mechanismen. Neue Substanzen werden nicht mehr vor allem in „großen“ Tumorentitäten untersucht, sondern zunehmend in 3 tumorbiologisch für eine bestimmte Substanz interessant erscheinenden Entitäten wie z.B. dem HCC. Zunehmend wird versucht mit der Substanz auch einen prädiktiven „Companion Biomarker“ zu entwickeln, was dem Bestreben nach personalisierten Therapiekonzepten entspricht und - im positiven Fall - eine gute Positionierung der entsprechenden Substanz ermöglicht. 4