Thermodynamik I Sommersemester 2013 Kapitel 1, Teil 1 Prof. Dr.‐Ing. Heinz Pitsch Kapitel 1, Teil 1: Übersicht 1 Allgemeine Grundlagen 1.1 Stoffe und Stoffumwandlungen 1.2 Energie 1.2.1 Formen und Energie 1.2.2 Innere Energie 1.3 Das thermodynamische System 1.4 Zustandsgrößen 1.5 Zustandspostulat 1.6 Die thermodynamische Betrachtungsweise 1.7 Prozess‐ und Zustandsänderungen 2 Thermodynamik • Das Wort Thermodynamik kommt aus dem Griechischen: therme (Wärme) und dynamis (Kraft) • Lehre der Energieumwandlungen z. B. Wärme in Arbeit • C.P. Snow: The lack of knowledge of the second law of thermodynamics is equivalent to never having read Shakespeare 3 Historische Beispiele: • Dampfkochtopf von 1681 Wasserpumpe von 1663 4 Thomas Newcomen • Frühe Dampfmaschinen mit Wassereinspritzung zur Kondensation des Dampfes im Zylinder • atmosphärische Dampfmaschine → Kolbenrückbewegung durch den Luftdruck • Einsatz als Pumpen in Bergwerken um 1712 • Wirkungsgrad unter 1% 5 James Watt • Verbesserung der atmosphärischen Dampfmaschine von Newcomen • Kondensation des Dampfes in einem separaten Behälter, dem Kondensator • Kolbenbewegung in beide Richtungen durch Dampfdruck angetrieben • Patent 1769 • Wirkungsgrad Wattscher Dampfmaschinen bis 3% 6 Geregelte Dampfmaschine von Watt • Fliehkraftregelung zur Drehzahlbegrenzung 7 Energie • Nachfrage nach Energie bestimmt unser Leben in substantieller Weise ¾ Verkehr und Elektrizität ¾ Luftverschmutzung ¾ Globale Erwärmung 8 DOE’s International Energy Outlook 2006 • Highlights: • Fossile Brennstoffe werden weiterhin einen großen Anteil (85%) der weltweit genutzten Energie liefern • Welt‐Energie‐Verbrauch wird voraussichtlich von 2003 bis 2030 um 71% zunehmen • Erdöl bleibt die vorherrschende Energiequelle • Verkehr und Transport mit Anteil von ~ 25% 9 Treibhausgas‐Emissionen • 85% der Treibhausgas‐ Emissionen sind CO2 EPA Inventory of US Greenhouse Gas Emissions, 2006 10 Quellen von CO2 Der Verbrauch fossiler Brennstoffe ist beteiligt an •95% der CO2‐ Emissionen •80% aller Treibhausgas‐ Emissionen 11 Reduktion von Treibhausgas‐Emissionen • Verschiedene Alternativen − zum Beispiel • Wasserstoff‐Wirtschaft • CO2‐Sequestration (Carbon Capture and Storage, CCS) • Biobrennstoffe • Effizienzsteigerung Thermodynamik 12 Thermodynamisches Gerät • Beispiel: Ball • Formen der Energie - Potentielle Energie Kinetische Energie Spannungsenergie • 1. Hauptsatz der Thermodynamik Energie bleibt erhalten! • 13 Beispiel: Wärmekraftmaschine • Wohin geht die Energie? • Was kann man mit dieser Energie anfangen? • Kann man den Prozess umkehren? • Energietransformationen beeinflussen Qualität der Energie • 2. Hauptsatz der Thermodynamik • Energie charakterisiert durch Qualität ← Entropie 14 Beispiele: • Moderner Dieselmotor • Trotz erheblich höheren Verkehrsaufkommens deutlich reduzierter Rußausstoß 15 Brennstoffzellen 16 • Brennkammer eines Pratt & Whitney 6000 Flugtriebwerks 17 Literatur: • Bosnjakovic F., Knoche K. F.; Technische Thermodynamik Teil I und II 8. Auflage, Steinkopf Darmstadt • Baehr, H. D., Thermodynamik. Grundlagen und technische Anwendungen 11. Auflage, Springer Verlag • Lucas, K., Thermodynamik, die Grundgesetze der Energie‐ und Stoffumwandlungen, Springer Verlag mit Schwerpunkt auf den theoretischen Grundlagen • Schnakenberg, J., Thermodynamik und statistische Physik, • Carl‐Grossmann‐Verlag, Tübingen Amerikanische Lehrbücher • Moran, J. M., Shapiro, H. N., Fundamentals of Thermodynamics, J. Wiley & Sons • Cengel, Y. A., Boles, M. A., Thermodynamics, McGrawHill 18 1. Allgemeine Grundlagen • 1.1 Stoffe und Stoffumwandlungen ‐ Reine Stoffe: Phasenänderung flüssig – gasförmig, fest – flüssig, fest ‐ gasförmig ‐ Mischung: Kaffee + Milch = Milchkaffee (typisches Beispiel für nichtumkehrbaren, irreversiblen Prozess) ‐ Mischung und Phasenübergang: Salz + Eis = Salzwasser + Eis • Chemische Reaktionen ‐ Verbrennung im Kraftwerk: Steinkohle + Luft = Abgas + Asche + Wärme ‐ Brennstoffzelle: + elektrischer Strom + Wärme 19 1.2 Energie • 1.2.1 Formen der Energie Energie ⇒ kinetisch potentiell elektrisch magnetisch thermisch chemisch nuklear • Gesamtenergie: 20 makroskopisch → Äußere Energien Ea mikroskopisch → Innere Energie U 1.2.2 Innere Energie • Innere Energie: Σ mikroskopischer Energien • thermisch Translation Rotation Schwingung elektronisch chemisch nuklear latent 21 Kapitel 1, Teil 1: Übersicht 1 Allgemeine Grundlagen 1.1 Stoffe und Stoffumwandlungen 1.2 Energie 1.2.1 Formen und Energie 1.2.2 Innere Energie 1.3 Das thermodynamische System 1.4 Zustandsgrößen 1.5 Zustandspostulat 1.6 Die thermodynamische Betrachtungsweise 1.7 Prozess‐ und Zustandsänderungen 22 1.3 Das thermodynamische System • Bereich des Raumes auf den sich die thermodynamische Analyse bezieht Beispiel: Gas im Zylinder mit beweglichem Kolben − Klar abgegrenzt • Wirkungen der Umgebung an den Systemgrenzen bestimmt − Werden bei Systemanalyse berücksichtigt • Massenbezogene Unterscheidung − Geschlossene Systeme − Offene Systeme 23 auf das System Definition von Systemen • Geschlossene Systeme • Systemgrenzen undurchlässig für Materie • Volumen kann veränderlich sein • Arbeit und Wärme dürfen über Systemgrenzen ausgetauscht werden Weitere Eigenschaften des geschlossenes Systems • Enthält eine oder mehrere homogene Phasen • Chemische Reaktionen im System sind möglich • Systemgrenzen oft beweglich 24 Beispiel: Gas im Zylinder mit beweglichem Kolben Offene Systeme • Systemgrenzen durchlässig für Materie • mit oder ohne Wärme‐ und Arbeitsaustausch mit der Umgebung • oft durchströmter Kontrollraum • Volumen kann sich ändern Weitere Eigenschaften des offenen Systems • Homogenität des Systemsinhalts spielt keine Rolle • Systeminhalt kann sehr komplex sein, nur der Stoff‐ und Energieübergang an den Grenzen wird betrachtet • Systemgrenzen oft aber nicht notwendig 25 ortsfest Abgeschlossene oder isolierte Systeme • Vollkommen abgeschnitten von der Umgebung • Keine Massen‐ oder Energieflüsse über Systemgrenzen • Wie geschlossenes Systeme, aber zusätzlich • kein Wärmeaustausch → adiabat und • kein Austausch von Arbeit über die Systemgrenzen 26 Beispiel: Luftpumpe • Betrachtet wird das Gas innerhalb der rot gestrichelten Systemgrenze! • Massenstrom m Kraft/Fläche • Wärmestrom Q . . 27 Im Gleichgewicht: Druck = Beispiel 1 für offenes System: Turboverdichter • 28 Kontinuierliche Verdichtung des Massenstroms durch Kompressorschaufeln, die ihn unter Zuführung von elektrischer Arbeit in ein immer kleiner werdendes Volumen drücken. Die pro Zeiteinheit zugeführte Arbeit wird als Leistung bezeichnet P: 1.4 Zustandsgrößen • System ist Träger von Variablen oder physikalischen Größen, die seine Eigenschaften kennzeichnen • Klassischen thermodynamischen Betrachtungsweise • Systeme makroskopischer Abmessungen werden betrachtet • Es interessieren nicht Koordinaten und Geschwindigkeiten aller einzelnen Gasteilchen im System wie in der → statistischen Mechanik • Globale Größen wie Volumen V, Druck p, Temperatur T und die Masse m sowie die Zusammensetzung des System reichen zur Beschreibung aus → Zustandsgrößen • Unterscheidung von Zustandsgrößen • Extensiv • Intensiv 29 Extensive Zustandsgrößen • Extensive Zustandsgrößen • Zustandsgrößen die sich bei gedachter Teilung des Systems als Summe der Zustandsgrößen der Einzelteile ergeben • Messen die Größe eines Systems • Einfache Beispiele sind Masse, Volumen und Energie • Für n Teilsysteme gilt also 30 Intensive Zustandsgrößen • intensive Zustandsgrößen • Zustandsgrößen die sich bei gedachter Teilung eines homogenen Systems gleich bleiben • Können an jedem Punkt des Raumes definiert werden, sie können räumlich variieren • Beispiel: Druck p, Temperatur T, Dichte ρ, spezifisches Volumen v= 1/ρ 31 Extensive und intensive Zustandsgrößen • Extensive Zustandsgrößen im homogenen System proportional zu Masse oder Stoffmenge • Aus extensiven Zustandsgrößen werden intensive Zustandsgrößen durch Bezug auf entsprechende Masse oder Stoffmenge • Massenbezogene Zustandsgrößen heißen spezifische Zustandsgrößen • Stoffmengenbezogene Zustandsgrößen heißen → molare Zustandsgrößen • Beispiele: • spezifisches Volumen v= 1/ρ = V/m • spezifische innere Energie u = U/m 32 1.5 Zustandspostulat • Betrachtet wird ein einfaches kompressibles System1) • Zustandspostulat: Die Vorgabe von zwei unabhängigen intensiven Zustandsgrößen bestimmt eindeutig alle anderen Zustandsgrößen • Beispiel: Die Viskosität von Wasser sei η = 0,506 .10‐3 Ns/m, sein Brechungsindex n = zu • 1,3289, dann ist die Dichte festgelegt zu ρ = 0,9981 g/cm3, die Temperatur 50 oC, der Druck … Oft werden hierfür die Zustandsgrößen Druck p, Temperatur T oder spezifisches Volumen v verwendet 1) Ein einfaches System ist ein System ohne Schwerkräfte, elektrische, magnetische oder andere äußere Kräfte, auch kinetische Energie oder Oberflächenspannung sind ausgeschlossen. In anderenFällen sind weitere Eigenschaften, wie zum Beispiel die Höhe im Schwerefeld bei der potentiellen Energie zu berücksichtigen. Kompressibel ist ein System ohne plastische Verformung 33 1.6 Die thermodynamische Betrachtungsweise • Gleichgewichtszustände • Aggregatzustände (fest, flüssig, …) werden als Phasen bezeichnet • Thermodynamische Betrachtungsweise setzt voraus, dass innerhalb einer Phase ein homogener Zustand vorliegt • Eigenschaften wie Druck und Temperatur sind daher in einer Phase räumlich konstant • Bei durchströmten Apparaten (z. B. Turboverdichter) ändert sich der Zustand innerhalb des Kontrollvolumens − Zustand innerhalb des Apparats kann oft nicht als räumlich konstant angenommen werden 34 Gleichgewicht • Thermisches und mechanisches Gleichgewicht Thermisches Gleichgewicht • Mechanisches Gleichgewicht Zwangsbedingungen verhindern vollständiges Gleichgewicht − Arretierungen verhindert Druckausgleich − Adiabate Schichten verhindern Temperaturausgleich 35 1.7 Prozess‐ und Zustandsänderungen • Thermodynamische Analyse behandelt Zustandsänderungen zwischen Gleichgewichtszuständen − Nicht Prozesse in ihrem zeitlichen und örtlichen Verlauf • Üblicherweise werden quasi‐statische (d. h. hinreichend langsame) Zustandsänderungen behandelt, für die alle Zwischenzustände als Quasi‐ Gleichgewichtszustände angenommen werden können • Beispiel einer nicht‐quasi‐statischen Zustandsänderung: Ruckartiges Anfahren eines Kolbens würde im System eine Druckwelle erzeugen, die zu einem inhomogenen Druckfeld führt und in ihren Details nur mit strömungsmechanischen Methoden behandelt werden kann 36 Beispiel: Kompression im Otto‐Motor • Annahme: Die Kompression sei so langsam, dass sie durch eine Serie von Gleichgewichtszuständen ausreichend genau approximiert werden kann. • Beispiele wohldefinierter Prozesse: • isotherm (konstante Temperatur: T = const) • isobar (konstanter Druck: p = const) • isochor (konstantes Volumen: v= const) • isentrop (konstante Entropie: s = const oder pvk = const) • polytrop (pvn = const) 37 Idealisierter Otto‐Prozess • Annahme: − ideales Gas, überwiegend Luft − offenes System wird durch geschlossenes System ersetzt, so dass das Ausschieben des heißen Abgases und das Ansaugen des kalten Frischgases 4 → 1 durch einen Prozessschritt "Kühlen bei konstantem Volumen“ ersetzt wird 38 Der Otto‐Prozess im p,V‐Diagramm V s s V Endzustand = Anfangszustand Kreisprozess 39