Universität Bayreuth Wintersemester 2008/09

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Universität Bayreuth
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Hauptseminar: Rom und Karthago
Seminarleiter: PD Dr. Klaus Geus
Referent: Michael Kern
Wintersemester 2008/09
Wer hat Schuld am 2. Punischen Krieg?
Q1:
"Wenn man daher die Zerstörung Sagunts als die Ursache des Krieges betrachtet, so muß man
zugeben, daß die Karthager im Unrecht waren, als sie ihn begannen, sowohl nach dem unter
Lutatius abgeschlossenen Vertrag, (...) wie nach dem Vertrag Hasdrubals, der den Karthagern
verbot, den Ebro in kriegerischer Absicht zu überschreiten."
(Pol. III 30)
Q2:
"Nun aber zog sich Hannibal (...) zurück, brachte den Tagos-Fluß zwischen sich und die Feinde (...).
Nach dieser Niederlage wagte es diesseits des Ebro keiner mehr so leicht, ihnen die Stirn zu bieten,
außer den Saguntinern."
(Pol. III 14)
Q3:
"Hannibal war (...) mit seinem Heer wieder nach Neu-Karthago (...) zurückgekehrt (...). Dort traf er
die römischen Gesandten, gewährte ihnen eine Audienz und hörte sich die römische Stellungnahme
zu den schwebenden Fragen an. Die Römer beschworen ihn, sich von Sagunt fernzuhalten, denn die
Stadt stehe unter ihrem Schutze, und entsprechend der mit Hasdrubal geschlossenen Vereinbarung
den Ebro nicht zu überschreiten."
(Pol. III 15)
Quellenaussagen und Folgerungen
1.
These:
Karthago brach durch seinen Angriff auf Sagunt den Ebrovertrag und ist daher Schuld am 2.
Punischen Krieg! (vgl. Q1)
2.
Wichtige Rechtsverhältnisse:
a)
Vertrag zwischen Hasdrubal und den Römern (226/225 v. Chr.):
- Verbot an Karthago, den Fluss "Iber" (in Q1 als "Ebro" übersetzt) in kriegerischer Absicht zu
überqueren (s. Q1)
b)
Forderung einer römischen Gesandtschaft an Hannibal (220/219 v. Chr.):
- Forderung an Karthago, sich Sagunt fernzuhalten (s. Q3)
3.
Deutung und Folgerung:
aus Q1:
- Zerstörung Sagunts war Verstoß gegen den Vertrag zwischen Hasdrubal und Rom
=> Sagunt befindet sich nördlich des Flusses "Iber"
=> zweifelhaft, da lediglich auf Vertragsverhältnis und nicht auf örtliche Bestimmung
gestützt
aus Q2:
- thematisierte Schlacht fand südlich des Flusses "Iber" statt
=> Sagunt befindet sich südlich des Flusses "Iber"
=> aussagekräftig, da detaillierte örtliche Bestimmung gegeben
4.
Vermutung:
Q2 basiert auf einer römischen annalistischen Quelle, welche nach dem 2. Punischen Krieg die
umstrittene Kriegsschuldfrage zu Gunsten Roms auszulegen versuchte!
=> Hannibals Angriff auf Sagunt keine Verletzung des Ebrovertrages!
=> Unzulässigkeit eines wichtigen römischen Erklärungsversuches für die
Kriegserklärung an Karthago offensichtlich!
Quellen:
- Polybius, Historiae ed. F. Hultsch. 4 B. Berolini 1867-1871. Deutsche Übersetzung von A. Haakh,
K. Kraz. 3 B. Stuttgart 1858-1875.
Literatur:
- Astin, Alen E.: Sagunt und die Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges.
In: Christ, Karl (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974, S. 167-191.
- Bringmann, Klaus: Der Ebrovertrag, Sagunt und der Weg in den Zweiten Punischen Krieg.
In: Klio 83 (2001), S. 369–376.
- Händl-Sagawe, Ursula: Der Beginn des 2. Punischen Krieges: Ein historisch-kritischer
Kommentar zu Livius Buch 21. München 1995.
- Hoffmann, Wilhelm: Die römische Kriegserklärung an Karthago im Jahre 218.
In: Christ, Karl (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974, S. 134-155.
- Hoyos, B. Dexter: Unplanned Wars: The Origins of the First and Second Punic Wars. Berlin 1998.
- Otto, Walter: Eine antike Kriegsschuldfrage: Die Vorgeschichte des 2. Punischen Krieges.
In: Christ, Karl (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974, S. 77-108.
- De Sanctis, Gaetano: Hannibal und eine "Kriegsschuldfrage" der Antike.
In: Christ, Karl (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974, S. 109-133.
- Schwarte, Karl-Heinz: Der Ausbruch des zweiten Punischen Krieges. Rechtsfrage und
Überlieferung. Wiesbaden 1983.
- Scullard, H. H.: Roms Kriegserklärung an Karthago im Jahre 218 v. Chr.
In: Christ, Karl (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974, S. 156-166.
- Welwei, Karl Wilhelm: Die Belagerung Sagunts und die römische Passivität im Westen 219 v. Chr.
In: Welwei, Karl Wilhelm: Meier, Mischa; Strothmann, Meret (Hg.): Res publica und
Imperium. Kleine Schriften zur römischen Geschichte (= Historia Einzelschriften 177).
Stuttgart 2004, S. 114-131.
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