Biosicherheit: BHV-1 und BVDV Tierärztin Eike Eckholtz, Tierarztpraxis iQVet, und Dr.Bent v.d.Bussche, Brokstedt Der Sanierungsstand der anzeigepflichtigen Tierseuchen BHV-1 und BVDV ist in Deutschland weit fortgeschritten. Es wurden und werden erhebliche Aufwendungen betrieben, um ein schnelles Ende der Sanierungen zu erreichen. Schleswig-Holstein stellt jedoch in der BHV-1 Sanierung das Schlusslicht in Deutschland dar und ist unter den Gesetzesverschärfungen in Zugzwang geraten. Es müssen erheblich größere Anstrengungen zur Erlangung freier Bestände unternommen werden, um z.B. mit Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gleichziehen zu können, die 2017 einen Antrag auf eine BHV-1 freie Region stellen wollen. Die Vermarktung tierischer Produkte und ungehinderte Handelsströme im Tierverkehr werden durch die Freiheit von Tierseuchen bestimmt. Für die schon freien Betriebe gilt es jetzt, die Gefahr der Erregereinschleppung in den Tierbestand zu minimieren. Bei einem Neu-Eintrag in ungeschützte/ungeimpfte Herden wird es zu einer schnellen und heftigen Ausbreitung der jeweiligen Infektion kommen. Für die Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Rinderbestandes müssen Biosicherheitsmaßnahmen etabliert werden, um den erreichten Gesundheitsstatus zu sichern und Neu- oder Reinfektionen vorzubeugen. Erregerübertragung von Betrieb zu Betrieb Zur allgemeinen Hygiene gehört immer ein sauberes Waschbecken mit Seife. Es geht nicht nur um die Abwehr von anzeigepflichtigen Tierseuchen (IBR, BVD, TBC), sondern auch um andere Infektions- die Gefahr der Einschleppung von Krankheitserregern. Näher krankheiten wie Chlamydien, Coxiellen (Q-Fieber), Flechte-Pilze, betrachtet liegt viel an der Eigenverantwortung der Personen mit Staphylokokkus aureus und Paratuberkulose, die von Betrieb Übertragungsrisiko (Landwirt, Tierarzt, Besamungstechniker, zu Betrieb übertragen werden können. Durch Minderleistung, Fütterungsberater, Viehhändler, Milchfahrer, Klauenpfleger, Kon- Behandlungs- und Betreuungskosten sowie unplanmäßige trolleure, Lieferanten etc.). Zum Schutz gegen Ein-, Aus- und Ver- Abgänge verursachen auch diese Erkrankungen einen hohen schleppen von Krankheitserregern sind gründliche Reinigung von ökonomischen Schaden. Jeder Zutritt zum Stallbereich birgt Stiefeln, Händen und Instrumentarium notwendig. Wenn man 1/5 Hier findet eine der wesentlichsten Erregerübertragungen innerhalb des Betriebes statt. sonen, die nur kurz im Betrieb sind (Besamer, Viehhändler), und ein Paar große Gummistiefel gehören zur Grundausstattung. Die Benutzung betriebseigener Kleidung wird vielleicht bei einigen Betriebsbesuchern nicht unbedingt auf spontane Gegenliebe stoßen. Allerdings sollte man sich der Verantwortung für die Gesunderhaltung der Rinderherde immer bewusst sein. Bei der Festlegung der Reihenfolge planbarer Betriebsbesuche sollen von Seiten der Tierärzte, Besamer, Berater, Viehhändler u.a. grundsätzlich Betriebe mit höherem Gesundheitsstatus denen mit niedrigerem Gesundheitsstatus vorangestellt werden. Die Betriebe mit niedrigem Gesundheitsstatus müssen das leider akzeptieren. Bei gemeinschaftlicher Weidehaltung oder Nutzung von TreiDieses Handwaschbecken ist nicht benutzbar: so kann keine Hygiene stattfinden. bewegen ist darauf zu achten, dass die Tiere den gleichen Gesundheitsstatus aufweisen. Ansonsten ist die gemeinsame Nutzung zu vermeiden. Durch sichere Einzäunungen kann der von fremden Personen erwartet, nichts in den eigenen Betrieb unbeabsichtigte Tierkontakt an Betriebsgrenzen minimiert einzuschleppen, sollte man selbst als erstes dafür sorgen, dass werden. betriebsfremde Personen überhaupt keine Möglichkeit bekommen Erreger zu verschleppen. Voraussetzung dafür ist selbst- Um den Eintrag von Tierkrankheiten in den eigenen Bestand zu verständlich ein Handwaschbecken mit warmem Wasser, Seife verhindern, müssen aufgenommene Tiere den gleichen oder und Handtuch sowie ein Wasserschlauch mit Düse und Bürste. einen höheren Gesundheitsstatus wie die Tiere des aufneh- Desinfektionswannen/-eimer für die Stiefel von betriebsfremden menden Betriebes haben. Hier gilt Vertrauen ist gut, Kontrolle Personen eignen sich, um einen Keimeintrag zu minimieren. Die ist besser. Es muss der Gesundheitsstatus der eigenen Herde beste Lösung ist betriebseigene Kleidung. Dazu wird zum Schutz gesichert werden. Dazu empfiehlt es sich, durch gesonderte der Arbeitskleidung ein Spind aufgestellt, der für den Besucher Untersuchungen der aufgenommenen Tiere deren spezifischen ohne Umwege erreichbar ist. Ein Overall für Personen, die länger Gesundheitsstaus festzustellen. Dabei geht es nicht nur um an- im Betrieb bleiben (Tierarzt, Spezialberater....), ein Kittel für Per- zeigepflichtige Tierseuchen wie BHV-1 und BVDV, sondern auch 2/5 um Q-Fieber, Chlamydien, Paratuberkulose und Staph. aureus. unbedingt darauf zu achten, dass kranke Tiere nicht zu gesun- Die Unterbringung in einen gesonderten Stall und die Einhal- den gestallt werden. Über den Verbleib von chronisch kranken tung von Quarantänemaßnahmen lassen Zeit für Untersuchun- Tieren im Betrieb ist nachzudenken. gen und Beobachtungen der Tiere. Besser noch: Lieber etwas mehr bezahlen und bereits im Verkaufsbetrieb untersuchen Eine Senkung des betriebseigenen Keimdruckes wird durch oder impfen lassen. regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Kälberiglus (Durchfallkot), der Abkalbebox (infektiöses Fruchtwasser), der Eine große Gefahr des Erregeraustausches zwischen Rindern Krankenbox (unspezifische Krankheitserreger) und des Melk- unterschiedlicher Herkunft besteht auch bei Ausstellungen und standes (Mastitiserreger) erreicht. Auktionen. Auch der Verkehr von Tierausscheidungen (Gülle, Mist) oder die Nutzung von Biogas-Substraten und betriebs- Die tägliche Tierbeobachtung der einzelnen Nutzungsgruppen fremden Materialien beinhalten das Risiko des Erregeraustau- (Kälber, Frischmelker, Trockensteher etc.) trägt zur Früher- sches. kennung von Krankheiten bei. Die Dokumentation, Erfassung und Auswertung von produktionsbiologischen Daten lässt Erregerübertragung innerhalb eines Betriebes Rückschlüsse auf die Tiergesundheit zu und sollte regelmäßig Innerhalb des Hofes spielt die Erregerübertragung zwischen durchgeführt und mit Tierärzten und anderen Fachkräften ana- verschiedenen Tiergruppen bzw. Betriebsstätten eine entschei- lysiert und besprochen werden. dende Rolle. E. coli, Kryptosporidien, BRSV und Flechte werden häufig durch Betriebspersonal vom Kuhstall in den Kälberstall Erregerübertragung von Tier auf Mensch übertragen. So sollten auch neugeborene Kälber unmittelbar Ein oft vergessener Aspekt ist der Selbstschutz. Einige Erkran- nach der Geburt aus der Abkalbebox entfernt werden. Sie kungen sind vom Tier auf den Menschen übertragbar (Zoono- werden ohne funktionierendes Immunsystem geboren. Als Aus- sen). Kinder sollten mit Kälberflechte infizierten Tieren keinen gleich für das fehlende Immunsystem kommen die Kälber dafür Kontakt haben. Schwangere sollten den Kuhstall und insbeson- ohne Krankheitserreger auf die Welt. Das bedeutet, das Kalb dere den Abkalbebereich meiden, wenn im Bestand Q-Fieber muss erst mit Erregern infiziert werden. Diese Erreger kommen oder Chlamydien nachgewiesen wurden. Eine Übertragung vom Muttertier, aus der Abkalbebox oder aus dem unsauberen dieser beiden Erreger ist auch über Rohmilch möglich. Bei der Kälberiglu. Man darf also dem Kalb keine Chance geben, krank Versorgung von Durchfallkälbern oder Kontakt mit möglicher- zu werden! Stehen Kühe mit Gebärmutterentzündung oder ent- weise infektiösem Material (infizierte Wunden, alte Nachgebur- zündlichen Klauenerkrankungen in der Abkalbebox, dann ist ten etc.) sollten Gummihandschuhe und eine Gummischürze klar, dass die noch gesunden Kühe und neugeborenen Kälber getragen werden. Für den Landwirt lohnt sich auch die Anschaf- mit diesen Erregern in Kontakt kommen und infiziert werden. fung eines Geburtshilfekittels. Setzt man einen Deckbullen ein, so ist dieser ebenfalls ein her- Positive Effekte vorragender Überträger von vielen Krankheiten. Den Forderungen unserer heutigen Gesellschaft nach einer hohen Tiergesundheit, Reduktion des Arzneimittelverbrauches In jedem Betrieb gelten vom Prinzip die gleichen Regeln wie und Tierschutz wird durch die Biosicherheit gleichermaßen zwischen den Betrieben. Zuerst werden die Bereiche mit ho- Rechnung getragen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das An- hem Gesundheitsstatus „besucht“. Es werden also zuerst die tibiotikamonitoring voll in der Milchviehhaltung angekommen kleinen Kälber versorgt und dann aufsteigend die Älteren. Die ist. Betriebe mit einem hohen Antibiotikaeinsatz werden ins gesunden Tiere werden zuerst betreut und dann die Kranken. Blickfeld der Behörden, aber vor allem des Lebensmittelmark- Für die kranken Tiere steht eine Krankenbox bereit. Bereits die tes geraten. Auch können wir uns nicht darauf verlassen, dass Umstallung von Einzeltieren zwischen Tiergruppen und Gebäu- uns die momentan in der Rinderhaltung zur Verfügung ste- den bzw. Betriebsstätten (Abkalbung, Kälberstall, Melken etc.) henden Antibiotika in Zukunft noch zur Verfügung stehen. Am birgt die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern. Es ist besten ist, wenn die Tiere erst gar nicht krank werden. 3/5 Die Krankheiten, die es aktuell zu merzen gilt, haben besondere Beachtung verdient. Nicht nur für diejenigen, die sie noch haben, sondern auch für diejenigen, die sich vor diesen schützen sollten. Bovine Virusdiarrhoe/Mucosal Disease BVD/MD ist eine weltweit verbreitete Viruserkrankung, die vorwiegend über den direkten Kontakt übertragen wird. Die Virusausscheidung erfolgt über Kot, Harn, Nasensekret. Eine indirekte Übertragung durch Futter, Wasser, Fahrzeuge, Gerätschaften (z.B. Nuckeleimer) und Personen ist ebenfalls möglich. Des Weiteren ist Sperma infizierter Bullen infektiös und auch Auch hier werden Erreger übertragen und verschleppt. blutsaugende Insekten können das Virus weiter verbreiten. Neben Rindern können sich auch andere Paarhufer (Schafe, Ziegen, Wildwiederkäuer, Schweine) infizieren. Diese stellen Der Schweinebereich beschäftigt sich mit dieser Thematik ein Erregerreservoir dar. schon viel länger und Biosicherheitsmaßnahmen sind hier selbstverständlich. In den Betrieben wird noch stärker zwi- Es gibt zwei verschiedene Typen von BVD: Typ I und Typ II. Bei schen reiner und unreiner Seite bzw. zwischen Schwarz- und einer Typ I Infektion sind die unauffälligen und milden Verlaufs- Weißbereich unterschieden, so wie es übrigens auch damals in formen (70-90%) am häufigsten. Sie fallen dem Tierbesitzer allen Milchkuhställen der ehemaligen DDR üblich war. kaum auf und die Krankheitsanzeichen sind unspezifisch. Durch eine Abwehrschwäche, die durch das Virus ausgelöst Übertragung und Verschleppung von Erregern wird, steigt die Empfindlichkeit gegenüber anderen, ganz Krankheitserreger können auf verschiedenen Wegen über- herkömmlichen Umwelterregern. Eine zentrale Rolle stellt die tragen werden. Es wird grundsätzlich zwischen direkter und Virusübertragung auf das ungeborene Kalb dar. Abhängig vom indirekter Infektion unterschieden. Gelangt der Krankheitser- Zeitpunkt der Infektion während der Trächtigkeit, kann es bei reger ohne Zwischenschritte von Tier zu Tier, handelt es sich tragenden Kühen zu Resorptionen oder Abstoßung des Emb- um die direkte Infektion. Dies geschieht durch Tierkontakt (z.B. ryos, Missbildungen und zur Entstehung persistent infizierter Belecken, Hautkontakt) oder durch Kontakt mit Kot, Harn und Kälber, sog. PI-Tiere kommen. Letztere sind als dauerhafte Nasensekret. Virusausscheider für die Aufrechterhaltung von Infektionsketten verantwortlich. Wird das ungeborene Kalb zu einer Zeit Die indirekte Erregerübertragung erfolgt mittels „Vektoren“. infiziert, in welcher sich sein Immunsystem bildet (40.-120. Es wird zwischen belebten Vektoren (Personen, Schadnager, Trächtigkeitstag), wird das Kalb das Virus als „normal“ bzw. Insekten etc. ) und unbelebten Vektoren (Fahrzeuge, Geräte, zum Körper dazugehörig betrachten. Dieses Kalb wird das Instrumente, Futter, Wasser etc.) unterschieden. Möglichkeiten Virus nie bekämpfen und scheidet es massenhaft aus. Ein eine Krankheit zu übertragen gibt es also viele. Gramm Nasensekret eines solchen Dauerausscheiders enthält 200.000 infektiöse Einheiten (1 infektiöse Einheit reicht um 1 Impfungen Tier anzustecken). Es macht deshalb keinen Sinn, ein einmal Durch eine Impfung gegen bestimmte Erreger kann man den als Dauerausscheider identifiziertes Kalb länger als notwendig Bestand weitgehend schützen. Bei Impfungen ist jedoch unbe- im Bestand zu lassen oder gar eine Nachbeprobung zu veran- dingt auf die richtige Grundimmunisierung in dem vorgegebe- lassen. Jeder Tag länger im Bestand gefährdet die ganze Herde. nen Zeitraum zu achten. Ohne regelmäßige Wiederholungsimp- In ungeschützten (antikörperfreien) Herden führt dieses Kalb fungen bleibt der Impfschutz nicht wirksam. Nur ein „bisschen dazu, dass nach 5-7 Monaten weitere PI-Kälber geboren wer- impfen“ beruhigt zwar das Gewissen, schützt aber nicht. den. Die zu merzenden Kälber stellen im Vergleich dazu keinen 4/5 ten kommt es zur Vernebelung dieser ansteckenden Flüssigkeiten. Die Übertragung findet dann durch kleine Tröpfchen, die in der Luft schweben (Aerosole) statt und geht von klinisch kranken oder sich in der Inkubationszeit befindlichen Tieren aus. Fazit Mit dem neuen Tiergesundheitsgesetz, das zum 01.05.2014 in Kraft tritt, ist die Biosicherheit rechtlich verankert. Der Tierhalter hat dafür Sorge zu tragen, dass Tierseuchen weder in seinen Bestand eingeschleppt noch aus seinem Bestand verbracht werden. Es können im Seuchenfall Entschädigungen aus der Tierseuchenkasse entfallen, wenn keine ausreichenden Maßnahmen getroffen wurden! Biosicherheit ist kein abstrakter Begriff, er kann mit Leben gefüllt werden. Wichtig ist nur, dass man den Nutzen für den eigenen Betrieb dahinter erkennt: Eine geringere Krankheitshäufigkeit und somit ein höherer betriebswirtschaftlicher Gewinn. Alle an der Tierbetreuung beteiligten Personen sollten im eigenen Interesse an einer hohen Biosicherheit arbeiten. Letztlich sollte jedem Besitzer der eigene Tierbestand dieses wert sein! Hier erfolgt eine Erregerübertragung von Betrieb zu Betrieb. wesentlichen Verlust dar! IBR Eine Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 zeigt sich am häufigsten in einer Erkrankung der oberen Atemwege mit akutem Erkrankungsverlauf und hochgradigen Symptomen. Er- DER DIREKTE DRAHT schwerend kommt hinzu, dass jedes infizierte Rind lebenslang Tierärztin Eike Eckholtz als Virusträger und temporärer Virus-Ausscheider angesehen iQVet, Brokstedt werden muss. Die Ausscheidung der Viren erfolgt vorwiegend [email protected] über Tränen/ Nasensekret sowie mit dem Speichel. Durch Hus- Stand: Juli 2014 Redaktion Proteinmarkt c/o AGRO-KONTAKT Hermannshof, 52388 Nörvenich Tel.: (0 24 26) 90 36 14 Fax: (0 24 26) 90 36 29 eMail: [email protected] 5/5 proteinmarkt.de ist ein Infoangebot vom Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V. (OVID) in Zusammenarbeit mit der Union zur Förderung von Oelund Proteinpflanzen e. V. (UFOP).