Pressekonferenz „Auf Erfolgskurs: Das Kompetenznetz HIV/AIDS“ Donnerstag, 20.11.2003, 11.30 –12.30 Uhr MEDICA-Kongress Messe Düsseldorf, CCD Süd, Raum 14 Was „virale Fitness“ für HIV-Infizierte bedeutet Vorstellung eines standardisiertes Verfahrens zur Testung des Replikationsverhalten von resistenten HI-Viren. Die HIV-Infektion ist heute therapierbar, aber nicht heilbar. Ein Grund dafür ist, dass im Rahmen der Langzeitbehandlung von HIV-1-Patienten mit antiretroviral wirksamen Chemotherapeutika Punktmutationen im Reverse-Transkriptase- oder Protease-Gen des Virus auftreten können, die zu Aminosäuresubstitutionen in den Proteinen führen. Dadurch kann sich die Empfindlichkeit der HI-Viren gegenüber den Arzneimitteln vermindern, so dass die therapeutische Wirksamkeit der Medikamente versagt. Als Folge davon vermehren sich die HI-Viren wieder und werden im Blut nachweisbar werden: Diesen Anstieg der „Viruslast“, der bei vielen Patienten mit einem Abfall der CD4-Lymphozyten im Blut einhergeht, bezeichnen die HIV-Behandler als „virologisches Therapieversagen“. Diese Situation wurde eine lange Zeit für die Prognose des Patienten als ungünstig eingeschätzt, da sie regelhaft mit einer Verschlechterung des Immunsystems einherging. Im Jahr 1998 entdeckte man jedoch ein paradoxes Phänomen: Patienten, bei denen die antiretrovirale Therapie zur Virussuppression versagte, wiesen dennoch einen Anstieg oder eine Stabilisierung der CD4-Lymphoyzten auf. Das „virologische Therapieversagen“ ist bei diesen Patienten vom „immunologischen Therapieversagen“ entkoppelt. Dieses Phänomen weist auf einige relevante biologische Eigenschaften des Virus hin. Angesichts der bemerkenswerten Variationsfähigkeit / Mutationsrate war man der Meinung, dass sich das Virus schnell an jedes mögliche Ereignis anpasst. Dies ist auch insofern der Fall, dass das Virus Resistenzmutationen gegen die antiretroviralen Therapie erwirbt. Aber während es durch eine zunehmende Zahl von Mutationen modifiziert wird, vermindert sich die „virale Fitness“ und macht das Virus weniger infektiös, langsamer replizierend und damit weniger pathogen. Das Phänomen der abweichenden Replikationsgeschwindigkeit von HIV-1 in Folge von Medikamentenresistenz konnte bisher jedoch nur im statistischen Mittel belegt werden. Dies hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen erschwert die Interaktion eine eindeutige Zuordnung der zahlreichen Resistenz-assoziierten Mutationen hinsichtlich der veränderten viralen Replikationsgeschwindigkeit. Zum anderen werden verschiedene Testverfahren angewendet, deren Ergebnisse bezüglich der Vergleichbarkeit und auch der Variabilität nicht zufriedenstellend sind. Unsere Arbeitsgruppe hat einen Test entwickelt, mit dem man die Wachstumsgeschwindigkeit von HIV – also seine „virale Fitness“ - messen kann. Hierfür wurden verschiedene Infektionsdosen für jedes Virus eingesetzt. Die resultierende virale Aktivität eines Virusüberstands war absolut streng abhängig von der Infektionsdosis. Gut erkennbar ist ausserdem die Sättigung der Zellkulturen in den hohen Infektionsdosen an Tag 4, die zu einer deutlich reduzierten Zunahme der viralen Aktivität geführt hat. Ein ähnliches Bild zeigte sich für jedes rekombinante HI-Virus, das bisher getestet wurde. Somit konnte für jedes Virus eine Infektionsdosis bestimmt werden, für welche die aus ihr resultierende Replikationskinetik gleich oder vergleichbar war. Als Ergebnis war eine bis zu 88-fach verminderte Replikationskapazität für ein multiresistentes Virus detektierbar. Die rekombinanten Viren dagegen mit nur wenigen Mutationen im Vergleich zum Wildtyp schwankten von 1.9 - 2.8-fach bzw. 3.1 - 4.1-fach verminderter Replikationskapazität. Zusammenfassend ist es gelungen, ein reproduzierbares, standardisiertes Verfahren zur Testung des relativen Replikationsverhalten für resistente HI-Viren im rekombinanten Verfahren zu entwickeln. In naher Zukunft sollen nun Proben von Patienten untersucht werden, um zu zeigen, inwieweit das durch die erworbene Resistenz veränderte virale Verhalten im klinischen Alltag genutzt werden kann. Adresse: Dr. med. Hauke Walter Nationales Referenzzentrum für Retroviren Institut für Klinische und Molekulare Virologie Universität Erlangen-Nürnberg Schloßgarten 4, 91054 Erlangen Tel.: 09131/85-6483 Fax: 09131/85-6493 E-Mail: [email protected]