Quadrimed 2011 M. Frei Dr med Markus Frei Tropen- und Reisemedizin FMH Maihofstrasse 1 6004 Luzern [email protected] Rev Med Suisse 2011 ; 7 : 274-5 epidemiologie Helminthen Laut WOH sind Wurmerkrankungen welt­weit die häufigsten Erkrankungen über­haupt. Eine Milliarde Menschen sind mit As­kariden, 750 Millionen mit Hakenwür­ mern und 200 mit Bilharziose infiziert. Kli­ mati­sche Faktoren begünstigen die Aus­brei­ tung dieser Helminthen, sozio-ökonomische Be­dingungen hemmen die Kontrolle und Ausrottung. Die Ansteckung kann durch aktives Eindringen der Larven durch die Haut (Hakenwurm, Strongyloides etc.), oral durch das Schlucken von Wurmeiern (As­ karis, Oxyuren etc.) oder durch den Verzehr von mit Larven befallenem Fleisch oder Fisch (Trichinien, Anisakis etc.) erfolgen. Intestinale Protozoen Entamoeba histolytica und Giardia lamblia kommen weltweit vor und können in Entwicklungsländern vor allem für Kinder gefährlich werden. Reisende, vor allem jene, die sich nicht an die cook it, boil it, peel it, or forget it – Regel halten, sind in den Endemiegebieten den ent­ sprechenden Risiken ebenfalls aus­gesetzt. Einheimische Parasitosen Fischbandwurm Veränderte Essgewohnheiten können auch in unseren Breitengraden wieder zu Parasitenbefall führen. Nicht oder ungenü­ gend erhitzter Fisch aus einheimischen Ge­ wässern kann zum Befall mit dem Fisch­ bandwurm (Diphyllobotrium latum) führen. Obwohl der Fischbandwurm bis 12 m lang werden kann, verursacht er meist nur wenig abdominale Symptome. a Mit a bezeichnete Medikamente sind in der Schweiz nicht registriert und benötigen eine Bewilligung durch Swissmedic. Die Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse nicht übernommen. 274 Gastroenteritis bei Reisen in ferne Länder : Würmer, Parasiten und was sonst noch Rinder- und Schweinebandwurm Rinder- und Schweinebandwurm kom­ men in der Schweiz nur noch selten vor. Mittel der Wahl zur Behandlung der Band­ würmer (Cestoden) ist Praziquantel a (Biltri­ cide), 10-20 mg/kg KG, Einmaldosis. Oxyuren Oxyuren (Enterobius) zeichnen sich da­ durch aus, dass das Weibchen die Eier peri­ anal deponiert, wodurch es vor allem bei Kindern zu einer ano-oralen Reinfektion kommt, weshalb die Behandlung nach zwei Wochen wiederholt werden sollte. Die mehr­ malige Behandlung der ganzen Familie kann notwendig sein. Therapie : Mebendazol (Ver­ mox) 100 mg Einmaldosis. Anisakis Durch den Genuss von rohem Fisch (Su­ shi) kann es zu einer Infektion mit der Larve des «Heringwurm» Anisakis kommen. Die Larve versucht in die Magenschleimhaut einzudringen, was die akuten Bauch­schmer­ zen kurz nach der Einnahme erklärt. Die Therapie besteht in der endoskopischen Entfernung des Parasiten. Grosse Leberegel Zu einer ungeklärten Häufung von Fällen von Befall mit dem grossen Leberegel (Fasciola hepatica) ist es 2008/09 gekommen (BAG Bulletin 49/2009). Die Übertragung erfolgt meist durch kontaminierte Brunnen­ kresse. Der Aufwand zur Sicherung der Diagnose war bei diesem Ausbruch teil­ weise beträchtlich. Die Therapie erfolgt mit Triclabendazol.a Parasitosen bei Reiserückkehrern und Migranten Intestinale Parasitosen verursachen häu­ fig unspezifische oder gar keine Beschwer­ den. Umgekehrt ist der positive Nachweis eines Parasiten nicht unbedingt verantwort­ lich für geklagte Beschwerden. Eine Thera­ pie ist trotzdem indiziert. Intestinale Protozoen Apathogene Protozoen sind häufig (E. coli, E. nana, Jodamoeba bütschlii, etc.) und bedürfen keiner Therapie. Revue Médicale Suisse – www.revmed.ch – 26 janvier 2011 98_99_35375.indd 1 Giardia lamblia Bei Tropenrückkehrern am häufigsten gefunden werden Giardia lamblia, die zu wechselnd ausgeprägten, übelriechenden Durch­fällen und Blähungen führen und über Monate fortbestehen können. Wegen der wechselnd starken Ausscheidung der Lam­ blien Zysten sind manchmal mehrere Stuhl­ proben für eine sichere Diagnose notwendig. Auch asymptomatische intestinale Besiede­ lung kommt vor und sollte ebenfalls behan­ delt werden. Therapie : Ornidazol (Tiberal), Metronidazol (Flagyl), Albendalzol (Zentel), Nitazoxanid a (Alinia). Resistenzen kommen vor, ein Therapieversuch mit einem ande­ ren Medikament ist in dieser Situation an­ gezeigt. Länger dauernde Verdauungsbe­ schwerden können auch nach erfolgreicher Therapie vorkommen und benötigen bei negativem Erregernachweis keine erneute Therapie. Entamoeba histolytica Entamoeba histolytica ist mikroskopisch nicht von der apathogenen E. dispar zu un­ terscheiden. Die Differenzierung ist nur mit­ tels PCR möglich. Mit 90% überwiegt E. dispar. E. dispar bedarf keiner Therapie. Da die Differenzierung zwischen E. histolytica und E. dispar nur mit entsprechender Technologie machbar ist, wird die Diag­ nose einer Amöbiase vor allem in Entwick­ lungsländern viel zu häufig gestellt. E. histolytica kann durch Gewebsulcerationen zu blutigen, febrilen Durchfällen führen, durch hämatogene Streuung zu Leber- oder an­ de­ren Abszessen. Therapie : Metronidazol oder Ornidazol während 5-10 Tagen, gefolgt von einem Kontaktamöbizid (Paromomycin, Hu­matin) zur Beseitigung der Amöbenzys­ ten, die schlecht auf Imidazolderivate an­ sprechen. Amöben-Leberabszesse werden ebenfalls medikamentös behandelt, allen­ falls kann eine Entlastungspunktion sinnvoll sein. Cyclospora cayetanensis und Cryptosporidium parvum Cyclospora cayetanensis wurde vor al­ lem in Nepal beschrieben und kann zu län­ ger dauernden Durchfällen führen und spricht auf Cotrimoxazol an. Cryptosporidium par- Revue Médicale Suisse – www.revmed.ch – 26 janvier 2011 0 20.01.11 08:23 vum verursacht nur bei Immunsupprimier­ ten Durchfälle. Blastocystis hominis Blastocystis hominis werden in fast al­ len Stuhlproben nach Reisen in die Tropen oder Subtropen beschrieben. Die Pathoge­ nität bei Immunkompetenten ist unklar und konnte nie eindeutig bewiesen werden, klare Therapieempfehlungen gibt es nicht, Imidazolderivate oder Cotrimoxazol werden empfohlen. Helminthen Intestinale Helminthen (Rundwürmer) wie Askariden, Hakenwürmern, Trichuris, Tricho­ strongylus etc. stellen kaum diagnostische Probleme und können einfach behandelt werden : Albendazol (Zentel), Mebendazol (Vermox), Pyrantel (Cobantril) sind wirksam. Strongyloides stercoralis Strongyloides stercoralis (Zwergfaden­ wurm) kommt als intestinaler und als Ge­ websparasit vor. Der Befall ist in tropischen Ländern häufig. Immunsuppression (Corti­ son Therapie) kann zu einem lebensbe­ drohlichen Hyperinfektionssyndrom führen. Durch Autoinfektion bleibt die Infektion über 0 Jahre bestehen. Bei einer unklaren Eosino­ philie und entsprechender Exposition ist nach einer Strongyloides Infektion zu su­ chen (Serologie, Stuhlkultur, Stuhlkonzen­ tration). Therapie : Ivermectin a (Stromectol). Trematoden Saugwürmer oder Egel (Trematoden) sind Gewebshelminthen, die ihre Eier über den Darm oder die Blase ausscheiden. Die ver­ schiedenen Leberegel leben in den Gallen­ gängen, der Pärchenegel (Schistosomen) in den Venenplexus des kleinen Beckens. Befall mit Schistosoma mansoni kann zu blutigen Durchfällen führen, unbehandelt nach Jahren zur Leberfibrose. Therapie der Wahl bei Egeln ist Praziquantel a (Biltricide) (Ausnahme Fasciola hepatica, s. oben). diagnose Goldstandard bleibt der Erregernachweis im Stuhl. Drei Stuhlproben mit Anreiche­ rungsverfahren gelten als ausreichend. Eine Eosinophilie kann Hinweis auf eine Helmin­ theninfektion sein. Intestinale Protozoen sind kaum je für eine Eosinophilie verantwort­ lich. Serologien werden vor allem in der Diagnostik der Gewebshelminthen einge­ Revue Médicale Suisse – www.revmed.ch – 26 janvier 2011 98_99_35375.indd 2 setzt, können aber wegen Kreuzreaktionen und ihrer Verlaufsdynamik schwierig zu in­ terpretieren sein. Ein postinfektiösses Reizdarmsyndrom, das Wochen bis Monate anhält, ist vor al­ lem nach bakteriellen Durchfällen und nach Lambliase in der reisemedizinischen Praxis ein nicht selten gesehenes Problem. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Niedrig­ gradige Entzündungen in der Darmmukosa mit einer Vermehrung der Mastzellen und vermehrter Freisetzung von Entzündungs­ mediatoren werden als Ursache vermutet. Differentialdiagnostisch muss eine persis­ tierende Infektion ausgeschlossen werden. Alarmsymptome (Fieber, Gewichtsverlust, blutige Durchfälle, Entzündungszeichen) ver­ langen nach weiteren Abklärungen. Die The­ rapie ist symptomatisch, oft hilft die Versi­ cherung, dass kein gefährliches Leiden zugrun­de liegt. Bibliographie • Spiller R, Campell E. Post-infectious irritable bowel syndrome. Curr Opin Gastroenterol 2006;22:13-7. • Markwalder K. Therapie parasitärer Infektionen. Schweiz Med Forum 2004;4:785-91. Revue Médicale Suisse – www.revmed.ch – 26 janvier 2011 275 20.01.11 08:23