Redaktion Wissenschaft: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 282 | Mittwoch, 7. Dezember 2011 MEDIZINKOLUMNE ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Mehr als die Hälfte aller Deutschen leidet an Magenund Darm-Beschwerden. Diese Verdauungsstörungen treten in vielen verschiedenen Formen auf. Wir kennen sie leider alle: Blähungen, Sodbrennen, Völlegefühl, Durchfall und Verstopfung. Ausnahmslos alles, was wir essen, wird in einem komplizierten Verdauungsprozess verarbeitet. Dieser dauert meist einen Tag, manchmal zwei Tage. Sechs Stunden verweilt die Speise im Magen. Dabei gelangen Kohlenhydrate schneller in den Dünndarm, Fett und Eiweiße langsamer. Je kalorienreicher das Essen ist, desto schwerer liegt es im Magen, das heißt, desto langsamer schreitet die Verdauung voran. Wie kommt es zu den verschiedenen Verdauungsstörungen? Unser Darm ist vielleicht das sensibelste Organ unseres Körpers. Er ist von mehr als 100 Millionen Nervenzellen umhüllt. Wenn man also das Falsche isst und trinkt, reagiert der Darm so- GASTKOLUMNE Leben fort. Das tut er aber auch bei seelischen Konflikten und Störungen, weil es ja zwischen Gehirn und Darm eine direkte Informations-Verbindung gibt. Darum kann Ärger zu Durchfall, Frustration zu Verstopfung führen. Verdauungsstörungen beeinflussen sofort unseren ganzen Körper, nicht nur wegen der engen Verbindung zwischen Gehirn und Darm, sondern auch deswegen, weil ein großer Teil unseres Immunsystems über den Darm gesteuert wird. Es geht also um mehr, als nur um Verdauungsstörungen. Eine häufige Störung ist die Verstopfung, auch Obstipation genannt. Ein Tabuthema, über das nicht gesprochen wird. Auch nicht mit dem Arzt! In den meisten Fällen ist eine solche Darmträgheit harmlos. Am häufigsten handelt es sich um eine situative Obstipation, ausgelöst etwa durch Stress, Bewegungsmangel oder ballaststoffarme und veränderte Ernährung. Auf Reisen kennen das wahr- Hauptsache gesund Dr. Barbara Richartz Das Ende eines Tabus Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz, Chefärztin in der Privatklinik Jägerwinkel in Bad Wiessee, erklärt, wann man bei Verstopfung zum Arzt gehen sollte. scheinlich die meisten. Im Alter nimmt das Problem zu und ist dann oft nicht mehr harmlos. Ursächlich sind dann oft auch die vielen Medikamente, zum Beispiel gegen Bluthochdruck, gegen Schmerzen oder gegen Depressionen (Psychopharmaka). Sie alle verschlechtern die im Alter ohnehin bestehende Darmträgheit. Ein Hinweis, ob die Verdauungsstörungen medikamentös be- dingt sind, kann zum Beispiel Mundtrockenheit sein. Wie kann man nun Abhilfe schaffen? Gehen Sie alle Medikamente einzeln mit ihrem Hausarzt durch, ob sie eine Obstipation verursachen können, ob sie sinnvoll sind und die Dosierung stimmt. Wichtig ist darüber hinaus eine Blutuntersuchung, um auszuschließen, ob Störungen des Mineralhaushaltes (besonders des Natriums) oder der Schilddrüsenfunktion vorliegt. Weiterhin ist eine Ernährungsberatung sinnvoll: Welche Nahrungsmittel sind verdauungsfördernd, welche sind verdauungshemmend? Nimmt man genügend Flüssigkeit zu sich? Mindestens 1,5 Liter sollten es pro Tag sein. Auch ein Stuhltraining kann wichtig sein. Denn oft wird im Alltag der Stuhlgang unterdrückt, etwa aus Zeitnot, was längerfristig zu chronischer Verstopfung führt. Nicht zuletzt ist es wichtig, sich ausreichend zu bewegen, um die Darmtätigkeit anzuregen. Eine akut auftretende Verstopfung sowie Symptome wie Blut im Stuhl oder Gewichtsverlust müssen rasch ärztlich abgeklärt werden! Aber auch, wer an chronischer Verstopfung leidet, sollte sich untersuchen lassen. Die leichtfertige Einnahme von Abführmitteln, auch wenn sie in den Apotheken frei erhältlich sind, ist dabei medizinisch bedenklich und endet oft in einem Teufelskreis von Verstopfung, Abführmittel und noch stärkerer Verstopfung. Aber egal was sie einnehmen, ob es Macrogol, Lactulose, Leinsamen oder Flohsamen ist: Brechen Sie das Tabu und sprechen Sie mit ihrem Arzt! Die Herzsprechstunde mit einer Auswahl der Kolumnen von Dr. Richartz und vielen persönlichen Tipps der Expertin gibt es für 16,99 Euro im Buchhandel, ISBN 978-3-466-34560-1. ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Das Märchen vom Burnout im Sport Der erste bekannte Fall war der Skispringer Sven Hannawald. Seither scheinen immer mehr Profisportler unter Burnout zu leiden. Doch stimmt das? Dr. Ludwig Geiger bezweifelt es. Er ist Facharzt für Sportmedizin, hat in Psychiatrie promoviert und betreut Sportler bei Olympia. VON DR. LUDWIG GEIGER* „Sollte die Diskussion um das Burnout-Syndrom mit der gleichen unkritischen Vehemenz wie bisher fortgeführt werden – wir werden es in der engeren Auswahl zum Unwort des Jahres wiederfinden. Der Begriff Burnout steht dabei für ein relativ neues Krankheitsbild. Dieses besteht aus Symptomen allgemeiner körperlicher, emotionaler und intellektueller Erschöpfung. Im Leistungskatalog der Krankenkassen ist es nicht einmal aufgeführt. Doch soll die Krankheit nun gehäuft im Leistungssport zu finden sein. In Zukunft soll sie sogar 20 bis 25 Prozent der arbeitenden Bevölkerung treffen. Ein Gewerkschaftsführer nannte Burnout eine gigantische Bedrohung am Arbeitsplatz. Aufgeschreckt von tragischen Einzelfällen und offensichtlich schlecht informiert, springt man hier auf einen Zug auf, der in die falsche Richtung fährt. Gerade deshalb muss man das Problem ernst, sehr ernst nehmen – auch zum Schutz der betroffenen Menschen. So ist es unwahr, dass im Leistungssport ein erhöhtes Burnout-Risiko besteht. Genau das Gegenteil ist der Fall! Sport – auch Extremsport – trainiert gerade den Umgang Opfer von Burnout? Der Triathlet Jan Frodeno (o. li.) machte seinen Burnout im Jahr 2010 bekannt. Bereits 2004 beendete Skispinger Sven Hannawald (o. re.) deswegen seine Karriere. Auch bei Fußballer Jan Simak (u. li.) soll Burnout der Grund gewesen sein. Torwart Markus Miller (u. re.) begab sich im September wegen „mentaler Erschöpfung“ in Therapie. DPA (2)/DDP/REUTERS/FKN mit Stress, Niederlagen und Fehlleistungen. Man erlernt so Strategien, um erhöhte Belastungen besser zu kompensieren. Wir haben selbst wissenschaftliche Untersuchungen bei Risikosportarten wie Skifliegen, Extremklettern, Bobfahren durchgeführt (Geiger/Teschemacher). Dabei konnten wir zwar überhöhte Spiegel von Stresshormonen bereits in Ruhe feststellen. Doch nie ein Versagenssyndrom im Sinne eines Burnout, das bei bestimmten Sportarten auftritt. Ich habe selbst mehr als 20 Jahre Hochleistungssportler betreut, bei weit über 100 Weltcups, zwölf Weltmeisterschaften und vier Olympiaden. Insgesamt habe Dr. Ludwig Geiger ist Sportmediziner und betreut Leistungssportler ich hierbei nur zwei Fälle beobachtet, bei denen mir die Diagnose Burnout angebracht erscheint. Alle weiteren Versagenssyndrome waren Folgen anderer Krankheiten. Betroffene litten etwa nach Pfeifferschem Drüsenfieber an ei- nem Fatique-Syndrom, einer chronischen Erschöpfung. Andere litten an Magersucht oder den Folgen von Fehlund Übertraining. Auch bei den oft zitieren drei Fällen im Fußball handelt es sich in zweien, nämlich bei Sebastian Deisler und Robert Enke, um depressive Erkrankungen. Bei Trainer Ralf Rangnick war es ein Rücktritt aus persönlichen Gründen, den man nicht mit dem Modewort Burnout belegen sollte. Hört endlich auf, den Sport als „Burnout-Verursacher“ zu diskreditieren! Wir brauchen ihn als Vorbildfunktion für unsere Kinder. Dafür haben wir viele Jahre gekämpft. Natürlich können die Be- dingungen am Arbeitsplatz in Einzelfällen zu Überforderung führen, vor allem wenn Mobbing und zahllose Überstunden hinzukommen. Doch erreicht dies keineswegs die behaupteten Dimensionen. Hier werden die zweifellos zunehmenden psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen in den einen Topf „Burnout“ geworfen. Immer wieder wird zudem die Globalisierung als Ursache für die Zunahme psychischer Störungen aufgeführt. Doch sollte man diese lieber als Herausforderung sehen, denn als Überforderung. Im Einzelfall sind es viel eher Schwierigkeiten im psychoso- zialen Umfeld und Belastungen in der Freizeit die zu psychischen Problemen führen. Zudem sollte man das Regenerationsverhalten der Betroffenen analysieren. Viele Menschen suchen in ihrer Freizeit sogar Aktivitäten, die Stress mit sich bringen, etwa Base-Jumping, Bungee-Springen und Gleitschirmfliegen. Die Zahl der Hochseilgärten und Klettersteige nimmt ständig zu. Anstatt das Gespenst der Überforderung an die Wand zu malen, sollten Gewerkschaften und Politik überdenken, welche Einstellung zur Arbeit sie propagieren. Denn eine positive Einstellung entwickelt man nur zum Teil am Arbeitsplatz selbst. Im wesentlichen wird sie in der kindlichen und schulischen Entwicklung vermittelt. Und hier sehe ich auch die wirklichen Stressprobleme: Die Scheidungsrate nimmt zu. Die Kinder wachsen in einer konfliktreichen Familiensituation auf. Hinzu kommt die unaufhörliche mediale Berieselung. Mit keinem vernünftigen Argument lässt sich zudem die Schulstunden- und Stofffülle vertreten. Der Raum, sich über musische Fächer, Sport, soziale Kontakte und Schlaf geistig und körperlich zu regenerieren, schrumpft. Aggressionen und Stress finden kein Ventil. Hier sollten Politik und Medien ansetzen, nicht an der Tragik von Einzelfällen, denen ein behutsamerer Umgang zusteht.“ * Der Autor ist Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin, leitet das Institut für Sport- und Präventivmedizin in Kolbermoor. Er ist Arzt beim Deutschen Skiverband und Vertragsarzt am Olympiastützpunkt. Er war selbst Extrembergsteiger und gewann im Jahr 2000 das Golf Medical Open. Schwarze Löcher, so groß wie zehn Milliarden Sonnen London/Berkeley – Astronomen haben die größten Schwarzen Löcher im Weltall aufgespürt, die je beobachtet worden sind. Die überraschend großen Himmelsobjekte haben je rund zehn Milliarden Mal so viel Masse wie unsere Sonne, wie das Team um Nicholas McConnell von der Universität von Kalifornien in Berkeley berichtet. Die beiden Masse-Monster sitzen im Zentrum zweier Galaxien unserer kosmischen Nachbarschaft, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature“. Sogenannte supermassive Schwarze Löcher werden im Zentrum aller großen Galaxien vermutet. Auch unsere eigene Milchstraße beherbergt ein solches Schwarzes Loch. Es hat „nur“ etwa vier Millionen Sonnenmassen – etwa 2500 Mal weniger als die jetzt entdeckten Objekte. Beobachtungen extrem weit entfernter aktiver Galaxien aus der Frühzeit des Universums legen nahe, dass es Schwarze Löcher mit mehr als zehn Milliarden Sonnenmassen geben muss. Aufspüren Astronomen haben die bisher größten Schwarzen Löcher im Weltall aufgespürt. Hier eine künstlerische Darstellung. dpa ließen sich diese bislang jedoch nicht. Das schwerste bekannte Schwarze Loch besitzt die Riesengalaxie M87 im Sternbild Jungfrau. Es hat 6,3 Milliarden Sonnenmassen. Mit verschiedenen Instrumenten, darunter dem KeckTeleskop auf Hawaii und dem „Hubble“-Weltraumteleskop, nahmen die Astronomen nun die hellsten Galaxien in zwei nahen Galaxienhaufen ins Visier: NGC 3842 im Sternbild Löwe und NGC 4889 im Sternbild Haar der Berenike sind jeweils rund 300 Millio- nen Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Untersuchung der Rotationsgeschwindigkeit der Sterne in diesen Galaxien enthüllte die Masse der zentralen Schwarzen Löcher, um die sie kreisen. Das Schwarze Loch im Zentrum von NGC 3842 besitzt demnach 9,7 Milliarden Sonnenmassen, jenes in NGC 4889 ist vergleichbar oder sogar größer. Die Schwarzen Löcher sind damit deutlich massereicher als die Eigenschaften der beiden Galaxien erwarten ließen. dpa 17 DIE AKTUELLE MEDIZIN Allergiker sollten mit Vorsicht naschen! In der Küche duftet es nach Zimt und Nelken, auf dem Herd dampft heißer Glühwein: Solche leckeren Naschereien locken in der Vorweihnachtszeit an jeder Ecke. Allergiker sollten gut überlegen, wo sie unbeschadet zugreifen dürfen, etwa, wer auf Nüsse und Mandeln allergisch ist. Die stecken in den meisten Plätzchen. Selbst Sorten, in die keine Nüsse gehören, enthalten oft geringe Mengen davon. Der Hinweis, dass Gebäck Spuren von Nüssen enthalten könne, steht leider auf vielen Packungen. Allergiker backen darum am besten selbst, sollten dabei aber auch Nugat und Marzipan meiden: Sie werden aus Nüssen und Mandeln hergestellt. Gerade bei einer Nussallergie können selbst geringe Mengen gefährlich werden und einen lebensgefährlichen Allergieschock auslösen. Auf Zimt reagieren manche Pollenallergiker mit einer Kreuzallergie. DDP Pollen und Gewürze Vorsehen sollte sich auch, wer gegen Baum- und Gräserpollen allergisch ist. Betroffenen bereiten oft auch bestimmte Lebensmittel Beschwerden. Denn darin stecken manchmal Stoffe, die in ihrer Struktur den allergieauslösenden Eiweißen der Pollen ähneln. Der Körper reagiert dann auch auf diese. Vor allem von Patienten, die auf Birkenpollen reagieren, sind solche Kreuzallergien bekannt. Dann kribbelt es zum Beispiel auf der Zunge, wenn man in einen Apfel beißt. Im Hals und am Gaumen juckt es. Kommen Schwellungen im Bereich des Rachens hinzu, kann es gefährlich werden. Eine solche Kreuzreaktion ist auch oft schuld, wenn jemand allergisch auf Gewürze reagiert. Auch hier ist besonders gefährdet, wer auf Birkenpollen oder Beifuß allergisch ist. Der reagiert manchmal auch auf Gewürze wie Zimt, Muskat, Nelken, Kardamom, Koriander und Anis. Plätzchen backen Allergiker am besten selbst. DDP Banane statt Eier Wer auf Hühnereiweiß allergisch ist, muss nicht auf Plätzchen verzichten: Auf der Internetseite www.aktionsplan-allergie.de des Verbraucherschutz-Ministeriums finden sich mehrere Rezepte, um die Eier im Teig zu ersetzen. Statt eines Eis kann man demnach zum Beispiel eine pürierte Banane verwenden oder eine Mischung aus einem Esslöffel Pflanzenöl, die doppelte Menge an Wasser und einem halben Teelöffel Backpulver ersetzen. Es gibt aber auch Eiersatz in Pulverform im Reformhaus. Safran macht die Plätzchen auch ohne Ei schön gelb. ANDREA EPPNER