Spezielle diskrete Verteilungsfamilien Diskrete Gleichverteilung Bernoulli- oder Zwei-Punkt-Verteilung Binomialverteilung Hypergeometrische Verteilung Poissonverteilung Geometrische Verteilung Approximationen Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 1 Bibliografie Bleymüller / Gehlert / Gülicher Verlag Vahlen Statistik für Wirtschaftswissenschaftler Bleymüller / Gehlert Verlag Vahlen Statistische Formeln, Tabellen und Programme PowerPointPräsentationen (Prof. Mohr/ Dr. Ricabal) Vorlesungsskript für Statistik I (Dr. Pu Chen) Vorlesungsskript für Statistik II (Prof. Mohr, Private Hanseuniversität Rostock) http://www.wiwi.uni-rostock.de/vwl/statistik/download/ba/ Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 2 Diskrete Gleichverteilung Eine Diskrete Zufallsvariable X ist diskret gleichverteilt mit dem Parameter n, wenn ihre Wahrscheinlichkeitsfunktion ist: ⎧1 für alle x i mit i = 1, 2, L , n ⎪⎪ f G (x i / n) = ⎨ n ⎪ sonst ⎩⎪ 0 f(x) 1/6 1 2 3 4 5 6 Beispiel: Augenzahl bei einem Würfel xi 1 2 3 4 5 6 F(x) f(xi) 1/6 1/6 1/6 1/6 1/6 1/6 xi 1 2 3 4 5 1,0 6 0,5 F(xi) 1/6 2/6 3/6 4/6 5/6 1 Berechnen Sie den Mittelwert und die Varianz der Verteilung! Prof. Mohr / Dr. Ricabal 1 2 3 4 5 6 Spezielle diskrete Verteilungen 3 Erwartungswert und Varianz einer diskreten Gleichverteilung Erwartungswert: n n i =1 i =1 E ( X ) = ∑ x i ⋅ f ( x i ) = n1 ⋅ ∑ x i Varianz: n ⎛ ⎞ Var ( X ) = E ( X ) − [E ( X ) ] = ⋅ ∑ x − ⎜ n1 ⋅ ∑ x i ⎟ i =1 ⎝ i =1 ⎠ 2 2 n 2 2 i 1 n Beispiel: Augenzahl bei einem Würfel n E ( X ) = 1n ⋅ ∑ x i = i =1 Var(X) = 1 1 6⋅7 ⋅ (1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 ) = ⋅ = 3,5 6 6 2 (12+22+32+42+52+62)/6 Prof. Mohr / Dr. Ricabal – 3,52= 91/6 - 12,25≈ 2,92 Spezielle diskrete Verteilungen 4 Bernoulliverteilung Eine Zufallsvariable X heißt Bernoulli- oder Zwei-Punkt-verteilt mit dem Parameter θ mit 0 < θ < 1, wenn die Wahrscheinlichkeitsfunktion wie folg definiert ist: für x = 1 ⎧θ ⎪ f B ( x / 1; θ) = ⎨1 − θ für x = 0 ⎪0 sonst ⎩ ⎧θ x (1 − θ)1− x ⎪ f B ( x / 1; θ) = ⎨ ⎪0 ⎩ für x = 0, 1 sonst Beispiel: Gut-Schlecht-Prüfung in der Qualitätskontrolle eines Artikels. Hier sind: θ der Gut-Anteil (θ = 0,99) und 1 - θ der Schlecht-Anteil (θ = 0,01) Bemerkung: Bei dem Zufallsexperiment gibt es nur zwei mögliche Ergebnisse: Erfolg (X = 1) oder Misserfolg (X = 0) Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 5 Erwartungswert und Varianz einer Bernoulliverteilung Sei X eine bernoulliverteilte Zufallsvariable mit dem Parameter θ. Es gilt: für x = 1 ⎧θ ⎪ f B ( x / 1; θ) = ⎨1 − θ für x = 0 ⎪0 sonst ⎩ E (X ) = ∑ x ⋅ f ( x i ) ∀x E ( X ) = 1 ⋅ θ + 0 ⋅ (1 − θ) = θ Var ( X ) = E ( X 2 ) − [E ( X )] Var ( X ) = θ − θ 2 = θ ⋅ (1 − θ) E ( X 2 ) = 12 ⋅ θ + 0 2 ⋅ (1 − θ) = θ 2 Eine Bernoulli-Verteilung liegt u. a. für folgende Sachverhalte vor: einmaliges Werfen einer Münze (Zahl oder Wappen) Geschlecht einer zufällig ausgewählten Person Funktionsfähigkeit einer zufällig ausgewählten Energiesparlampe Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 6 Binomialverteilung 1. 2. 3. Eine Binomialverteilung wird in der Praxis meistens durch folgende Eigenschaften identifiziert: Ein Bernoulliexperiment wird n Mal wiederholt, Bei jeder Wiederholung des Experimentes bleibt die Erfolgswahrscheinlichkeit konstant und wird mit θ bezeichnet. Die Misserfolgswahrscheinlichkeit ist dann in jeder Wiederholung 1 - θ Die Zufallsvariable X, die die Anzahl der Erfolge in den n Wiederholungen gibt, heißt Binomialveteilt mit dem Parameter θ und n . Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 7 Beispiel: Binomialverteilung Eine Münze wird 10 Mal geworfen. Die Anzahl des Merkmals „Zahl“ in den 10 Würfen genügt eine Binomialverteilung mit den Parametern n = 10 und θ = 0,5. Aus eine Urne mit 6 weißen und 4 schwarzen Kugeln werden mit Zurücklegen 5 Kugeln gezogen. Die Anzahl der weißen Kugeln in der Stichprobe ist binomialverteilt mit den Parameter n = 5 und θ = 0,6. Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 8 Charakterisierung einer Binomialverteilung Sei X eine binomialverteilte Zufallsvariable mit den Parametern n und θ. Es gilt: Binomischer Koeffizient: Wahrscheinlichkeitsfunktion: ⎧⎛ n ⎞ x n−x ⎪⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ θ ⋅ (1 − θ) ⎪⎝ x ⎠ f B ( x / n; θ) = W (X = x ) = ⎨ ⎪ ⎪⎩ 0 für x = 0, 1, 2, L, n sonst Fakultätsfunktion: 0! = 1 n! = n ⋅ (n − 1)! = n ⋅ (n − 1) ⋅L ⋅1 Verteilungsfunktion: x ⎛n⎞ FB ( x / n; θ) = W (X ≤ x ) = ∑ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ θν ⋅ (1 − θ) n −ν ν =0 ⎝ ν ⎠ Erwartungswert: E ( X ) = n ⋅ θ Prof. Mohr / Dr. Ricabal ⎛n⎞ n! ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎝ x ⎠ x!(n − x )! Varianz: Var ( X ) = n ⋅ θ ⋅ (1 − θ) Spezielle diskrete Verteilungen 9 Binomialverteilung - Bemerkungen ¾Im Spezialfall einer Binomialverteilung mit n = 1 ergibt sich die Bernoulli-Verteilung. ¾Für verschiedene Parameterwerte von θ und n sind die Werte der Wahrscheinlichkeitsfunktion und der Verteilungsfunktion tabelliert (Tabellen 6 für die Wahrscheinlichkeitsfunktion und Tabelle 7 für die Verteilungsfunktion; Bleymüller/ Gehlert). ¾Wegen der Symmetrieeigenschaft fB(x/n; θ)= fB(n - x/n; 1 - θ) sind dort nur die Werte für θ ≤ 0,5 angegeben. Für θ > 0,5 kann man mittels der vorigen Formel umrechnen. Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 10 Beispiel: Nutzung der Tabelle 6 für θ > 0,5 In einer Urne sind 2 verschiedene Sorten von Kugeln mit den Anteilswerten 0,6 (erste Sorte) und 0,4 (zweite Sorte). X bezeichnet die Anzahl der Kugeln von der ersten Sorte bei einer Stichprobe vom Umfang n = 20 mit Zurücklegen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass in dieser Stichprobe genau x = 12 Kugeln von der ersten Sorte sind, gleich der Wahrscheinlichkeit, dass sich in der Stichprobe n - x = 20 - 12 = 8 Kugeln von der zweiten Sorte befinden. X ~ B(n; θ) mit n = 20; θ = 0,6 Für x = 12 gilt: fB(12/20; 0,6) = fB(8/20; 0,4) = 0,1797 (Tabelle 6, S. 99 Bleymüller/Gehlert) Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 11 Beispiel 1: Binomialverteilung Eine Münze wird 10 Mal geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit genau 2 Mal „Zahl“ bzw. mehr als 2 Mal „Zahl“zu werfen? X: Anzahl des Merkmals „Zahl“ bei 10 Würfen. X~Bin(n = 10; θ = 0,5) a) W(X = 2) = fB(2/10; 0,5) = 0,0439; (Tabelle 6, S. 97) Bleymüller/Gehlert ⎛10 ⎞ 10! f B (2 / 10;0,5) = ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ 0,52 ⋅ (1 − 0,5)10− 2 = ⋅ 0,52 ⋅ 0,58 Anwendung 2 2 ! ( 10 − 2)! ⎝ ⎠ der Formel 10! 10 ⋅ 9 ⋅ 8! = ⋅ 0,52 ⋅ 0,58 = ⋅ 0,52 ⋅ 0,58 = 45 ⋅ 0,25 ⋅ 0,00390625 = 0,043945 2!⋅8! 2 ⋅1 ⋅ 8! b) W(X > 2) = 1 - W(X ≤ 2) = 1 - FB(2/10; 0,5) = 1 -0,0547 = 0,9453 = 1 - [W(X = 0) + W(X = 1) + W(X = 2)] (Tabelle 7, S.102) =1 - [fB(0/10; 0,5) + fB(1/10; 0,5) + fB(2/10; 0,5)] Bleymüller/Gehlert =1 - [0,0010 + 0,0098 + 0,0439] = 1 - 0,0547 = 0,9453 (Tabelle 6, S. 97; Bleymüller/Gehlert) Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 12 Beispiel 2: Binomialverteilung Das demografische Maß der Sexualproportion bezeichnet den Quotienten aus männlichen und weiblichen Geburten (SP = GM/GW). In Deutschland beträgt die Sexualproportion etwa 1,06. Berechnen Sie a) den Anteil männlicher Geburten an allen Geburten und b) die Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion für die Anzahl der Söhne in einer Familie mit drei Kindern. Lösung: GM θ= = GM + GW a) Prof. Mohr / Dr. Ricabal GM GW GM GW + GW GW = SP 1,06 = = 0,5146 SP + 1 1,06 + 1 Spezielle diskrete Verteilungen 13 Beispiel 2: Binomialverteilung (Fortsetzung) b) Wahrscheinlichkeitsfunktion: ⎛ 3⎞ f B ( x / 3;0,5146) = ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ 0,5146 x ⋅ (0,4854) 3− x für x = 0,...,3 ⎝x⎠ Verteilungsfunktion: 0 ⎧ ⎪⎪ j ⎛ 3 ⎞ FB ( x / 3;0,5146) = ⎨∑ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ 0,5146 ν ⋅ 0,48543−ν ⎪ ν =0 ⎝ ν ⎠ ⎪⎩ 1 x<0 für für j ≤ x < j + 1 mit für x≥3 x 0 1 2 3 fB(x) 0,11437 0,36374 0,38562 0,13627 FB(x) 0,11437 0,47811 0,86373 1,00000 Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 14 j = 0,1,2 Beispiel 2: Binomialverteilung (Fortsetzung) Die grafische Darstellung der Wahrscheinlichkeitsfunktion zeigt u.a., dass die Wahrscheinlichkeit, drei Söhne zu haben, sichtbar größer ist als die Wahrscheinlichkeit, drei Töchter zu haben: Verteilungsfunktion Wahrscheinlichkeitsfunktion 1,2 F(x) 1 0,5 f(x) 0,36374 0,4 0,8 0,385621 0,6 0,3 0,2 0,4 0,136273 0,114367 0,2 0,1 0 0 -1 0 1 2 3 4 -1 0 1 2 3 x Prof. Mohr / Dr. Ricabal 4 x Spezielle diskrete Verteilungen 15 Hypergeometrische Verteilung Die Hypergeometrische Verteilung wird bei einem Urnenmodell ohne Zurücklegen genutzt. In einer Urne befinden sich N Kugeln, von denen M von der ersten Sorte und damit N - M von der zweiten Sorte sind. Daraus wird eine Stichprobe ohne Zurücklegen vom Umfang n gezogen (n ≤ N). X bezeichne die Anzahl der Kugeln von der ersten Sorte in der Stichprobe. Unter diesen Bedingungen genügt X eine Hypergeometrische Verteilung mit den Parameter N, n, und M. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion an der Stelle x wird definiert durch: ⎧⎛ M ⎞ ⎛ N − M ⎞ X ~ H(N; n; M) ⎪ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎪ ⎝ x ⎠ ⎝ n − x ⎠ Für alle möglichen Werte x ⎪ ⎛ N⎞ f H ( x / N; n; M) = W (X = x ) = ⎨ ⎜⎜ n ⎟⎟ Erklärung: Anwendung der ⎪ ⎝ ⎠ ⎪ klassischen Bemessung von ⎪ der Wahrscheinlichkeit sonst 0 ⎩ Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 16 Hypergeometrische Verteilung Bemerkungen Mögliche Werte von X: {x |x ∊ N und max[0, n - (N - M)] ≤ 1 x ≤ 2 min [n, M]} Parameter N, n und M. Hilfsgröße θ = M/N Erwartungswert: E(X) = n ∙ θ Varianz: Var(X) = n ∙ θ ∙ (1 - θ) ∙[(N - n)/(N - 1)] ⎧⎛ M ⎞ ⎛ N − M ⎞ ⎟⎟ ⎪ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎪⎝ x ⎠ ⎝ n − x ⎠ ⎪ ⎛ N⎞ f H ( x / N; n; M) = ⎨ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝n⎠ ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎩ 1. 2. max[0, n - (N - M)] ≤ 1 x ≤ 2 min [n, M] sonst Sei N - M < n, dann können maximal N - M Kugeln von der zweiten Sorte bzw. minimal n - (N - M) von der ersten Sorte gezogen werden. Sei M < n, dann können maximal M Kugeln von der ersten Sorte gezogen werden. Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 17 Beispiel: Hypergeometrische Verteilung Aus einer Urne mit 3 weißen und 2 schwarzen Kugeln wird eine Stichprobe ohne Zurücklegen vom Umfang n = 3 gezogen. Sei X die Anzahl der weißen Kugeln in der Stichprobe. weiße Kugel x 0 1 2 3 schwarze Kugel n-x 3 2 1 0 ⎧⎛ 3 ⎞ ⎛ 2 ⎞ ⎟⎟ ⎪ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎪⎝ x ⎠ ⎝ 3 − x ⎠ ⎪ ⎛ 5⎞ f H ( x / 5;3;3) = W (X = x ) = ⎨ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎪ ⎝ 3⎠ ⎪ ⎪ 0 ⎩ Prof. Mohr / Dr. Ricabal Stichprobenumfang n 3 3 3 3 für x = 1, 2, 3 sonst Diese Zusammensetzung der Stichprobe ist unmöglich Spezielle diskrete Verteilungen 18 Beispiel: Hypergeometrische Verteilung ⎧⎛ 3 ⎞ ⎛ 2 ⎞ ⎪ ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎪⎝ x ⎠ ⎝ 3 − x ⎠ ⎪ ⎛ 5⎞ f H ( x / 5;3;3) = W (X = x ) = ⎨ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎪ ⎝ 3⎠ ⎪ ⎪ 0 ⎩ x für x = 1, 2, 3 sonst f(x) F(x) 1 0,3000 0,3 2 0,6000 0,9 3 0,1000 1,0 (Tabelle 8, S. 106) f(x) F(x) 1,0 1 2 3 x 0,5 3 9 E (X ) = n ⋅ θ = 3 ⋅ = = 1,8 5 5 Prof. Mohr / Dr. Ricabal 1 2 Spezielle diskrete Verteilungen 3 x 19 Poissonsverteilung Eine Zufallsvariable X genügt eine Poissonverteilung mit dem Parameter µ (Intensitätsrate), wenn sie folgende Wahrscheinlichkeitsfunktion hat. X ~P(µ ) ⎧ µ x ⋅ e −µ ⎪⎪ f P ( x / µ) = W (X = x ) = ⎨ x! ⎪ ⎪⎩ 0 Erwartungswert: E ( X ) = µ für x = 0, 1, ... (Tabelle 9) sonst Varianz: Var ( X ) = µ µ gibt an, wie viele Ereignisse im Mittel in einem Intervall T eintreten. Liegt ein Intervall der Länge T´= c·T vor, dann treten im Durchschnitt für dieses Intervall c·µ Ereignisse ein. Die neue Intensitätsrate ist dann gleich c·µ. Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 20 Beispiel: Poissonprozess Anzahl der Telefonate, die in einer Zeiteinheit eine Zentrale erreichen Anzahl der Anfragen an einem Netzserver pro Zeiteinheit Anzahl der ankommenden Kunden an einem Bankschalter pro Zeiteinheit Anzahl der Kfz, die in einer Zeiteinheit einen Grenzübergang passieren wollen Anzahl der Beanstandungen pro Fernsehgerät Anzahl der Tippfehler pro Seite Anzahl des Abstürzen eines Rechners pro Monat Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 21 Poissonprozess Die Poissonverteilung eignet sich sehr gut für die Beschreibung von Poissonsprozessen. Dabei werden Ereignisse gezählt, die in einem festen, vorgegebenen (Zeit)intervall eintreten können, und zwar unter bestimmten Annahmen: Zwei Ereignisse können nicht gleichzeitig auftreten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist deswegen gleich Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis innerhalb eines kleinen Intervalls ∆t eintritt, ist approximativ µ∙∆t. Der Parameter µ heißt Intensitätsrate. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer bestimmten Anzahl von Ereignissen hängt nur von der Länge des Intervalls ab, aber nicht von dessen Lage. Die Anzahl von Ereignissen in disjunkten Intervallen sind statistisch unabhängig. Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 22 Beispiel1: Poissonverteilung (Schadensfälle in einer Versicherung) X sei die Anzahl von Großunfälle in einer Versicherung pro Jahr X sei poissonverteilt mit dem Parameter µ = 4, d. h. X ~P(µ = 4) Man berechnet die Wahrscheinlichkeit für a) 2 Gr0ßunfälle pro Jahr b) mehr als 2 Gr0ßunfälle pro Jahr zu a) W (X = 2) = f P (2 / 4) = 4 2 ⋅ e −4 = 0,1465 2! (Tabelle 9, S. 116) zu b) W ( X > 2) = 1 − W (X ≤ 2) = 1 − FP (2 / 4) = 1 − (f P (0 / 4) + f P (1 / 4) + f P (2 / 4)) = 1 − 01 ,2381 23 = 0,7619 144444244444 3 (Tabelle 9, S. 116) Prof. Mohr / Dr. Ricabal (Tabelle 10, S. 119) Spezielle diskrete Verteilungen 23 Beispiel2: Poissonverteilung (Kundenankunft an einem Schalter) An einem Fahrkartenschalter erscheinen pro Minute durchschnittlich 3 neue Kunden. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einer beliebigen Minute a) kein Kunde ankommt, b) höchstens zwei Kunden ankommen. Sei X die Anzahl der ankommenden Kunden pro Minute. Man kann annehmen, dass die Zufallsvariable X poissonverteilt ist mit dem Parameter µ = 3 (pro Minute zu erwartenden Kunden). a) W(X = 0) = fP(0/3) = µx·e-µ/x! = 30·e-3/0! = 0,0498 (Tabelle 9, S. 116) b) W(X ≤ 2) =FP(2)= fP(0) + fP(1) + fP(2) = 0,0498 + 0,1494 + 0,2240 = 0,4232 (Tabelle 9, S. 116 bzw. Tabelle 10, S. 119) Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen 24 Poissonverteilung – Grafische Darstellung Wahrscheinlichkeitsfunktion Verteilungsfunktion 0.25 1,2 f(x) 0.2 F(x) 1 0,8 0.15 0,6 0.1 0,4 0.05 0,2 0 0 -1 1 3 5 7 -1 0 1 2 3 4 5 6 x x Prof. Mohr / Dr. Ricabal 7 8 Spezielle diskrete Verteilungen 25 Geometrische Verteilung Aus einer Urne mit N Kugeln, darunter M von der ersten Sorte, wird solange eine Kugel mit Zurücklegen gezogen, bis zum ersten Mal eine Kugel von der ersten Sorte realisiert wird (Erfolg). X: Anzahl der Misserfolge vor dem ersten Erfolg Erfolg: erstmalig Kugel von der ersten Sorte θ = M / N: Anteil von Kugeln der ersten Sorte in der Urne ⎧θ(1 − θ) x ⎪ f GeomVert ( x / θ) = W (X = x ) = ⎨ ⎪0 ⎩ Erwartungswert: Varianz: E(X) = Var (X) = Prof. Mohr / Dr. Ricabal 1− θ θ2 1− θ θ für x = 0, 1, ... X ~ GeomVert (θ) sonst Beispiel: Ein Würfel wird so lange geworfen bis eine 6 eintritt. θ = 1/6. Spezielle diskrete Verteilungen 26 Beispiel: Geometrische Verteilung Aus einer Urne mit 10 Kugeln, darunter 3 rote, wird mit Zurücklegen gezogen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass a) bei der vierten Ziehung zum ersten Mal eine rote Kugel erscheint, b) frühestens bei der vierten Ziehung zum ersten Mal eine rote erscheint? c) man berechne den Erwartungswert und die Varianz. X: Anzahl der Fehlversuche bis zum ersten Erfolg (Eintreten einer roten Kugel). Es gilt: X ~ GeomVert (θ = 0,3) Zu a) W(X = 3) = 0,3(1 - 0,3)3 = 0,1029 Zu b) W(X ≥ 3) = 1 – W(X ≤ 2) = 1–(W(X = 0) + W(X = 1) + W(X = 2)) = 1 – (0,3 + 0,21 + 0,147) = 1 – 0,657 = 0,343 Zu c) E (X ) = 1 − 0,3 7 = = 2, 3 0,3 3 Prof. Mohr / Dr. Ricabal Var (X) = 1 − 0,3 0,7 70 = = = 7, 7 0,32 0,09 9 Spezielle diskrete Verteilungen 27 Approximation Die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten bei diskreten Verteilungsmodellen kann sehr aufwendig sein, insbesondere: bei Hypergeometrischen Verteilungen mit großen Werten von N, M und n oder bei Binomialverteilungen mit großen Werten von n und kleinen Werten von θ Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich einfache Approximationen durchführen. n ≤ 0,1 · M n ≤ 0,1 · (N – M) n ≤ 0,05.N X~H(N; n; M) θ < 0,05 n ≥ 10 X~B(n; θ) θ = M/N Prof. Mohr / Dr. Ricabal X~P(µ) µ=n·θ Spezielle diskrete Verteilungen 28 Beispiel: Approximation (Hypergeometrische durch die Binomialverteilung) Von 2000 Studierenden eines Fachbereiches bestreiten 600 ihr Studium vollständig aus eigenen Mitteln. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter 30 zufällig und ohne Zurücklegen ausgewählten Studenten 9 bis 12 zu dieser Gruppe gehören? (1) Exakter Ansatz: Hypergeometrische Verteilung mit den Parameter N = 2000, M = 600 und n = 30 W (9 ≤ X ≤ 12) = f H (9 / N; n; M ) + f H (10 / N; n; M ) + f H (11 / N; n; M) + f H (12 / N; n; M) = 0,15848 + 0,14253 + 0,11072 + 0,07471 = 0,48644 (Berechnung mit R) (2) Approximation der Hypergeometrischen Verteilung durch die Binomialverteilung: n = 30 ≤ 0,1M = 60; n = 30 ≤ 0,1(N-M) = 140; n < 0,05N = 400 θ = M/N = 600/2000 = 0,3 W (9 ≤ X ≤ 12) ≈ f B (9 / n; θ) + f B (10 / n; θ) + f B (11 / n; θ) + f B (12 / n; θ) = 0,1573 + 0,1416 + 0,1103 + 0,0749 = 0,4841 Prof. Mohr / Dr. Ricabal (Tabelle 6, S. 99) Spezielle diskrete Verteilungen 29 Beispiel: Approximation (Binomialverteilung durch die Poissonverteilung) Ein Betrieb produziert ein Werkstück mit einer Ausschussquote von θ = 0,002. Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei der Entnahme einer Stichprobe von n = 500 Werkstücken aus der Produktion a) genau zwei, b) mehr als zwei Ausschussteile gefunden werden. (1) Exakter Ansatz: Hypergeometrische Verteilung mit den Parametern θ = M/N = 0,002 bzw. M = 0,002·N und n = 500. N ist unbekannt aber groß. (2) Dabei kann man annehmen, dass der Stichprobenumfang kleiner als 5 % der Gesamtproduktion ist. Damit ist die Approximation der Hypergeometrischen Verteilung durch die Binomialverteilung zulässig. (3) Die Binomialverteilung lässt sich durch die Poissonverteilung approximieren, weil zusätzlich die Ausschussquote kleiner als 0,05 ist . Dann gilt: zu a) W (X = 2) = f H (2 / N; n; M ) ≈ f B (2 / n; θ) ≈ f P (2 / µ = n ⋅ θ = 1) = 0,1839 zu b) W (X > 2) = 1 − W (X ≤ 2) = 1 − FH (2 / N; n; M ) ≈ 1 − FB (2 / n; θ) Tabelle 10, ≈ 1 − FP (2 / µ = n ⋅ θ = 1) = 1 − 0,9197 = 0,0803 S. 118 Prof. Mohr / Dr. Ricabal Spezielle diskrete Verteilungen Tabelle 9, S. 115 30