Dr. S. Wiesendorf Sommersemester 2016 3. Übung zur Mathematik II für Biologen (Abgabe der schriftlichen Aufgaben in der Übungsstunde am 2. bzw 3. Mai) Aufgabe 1. (10 Punkte, schriftlich) Im vereinfachten (und mittlerweile überholten) 1-Gen-Modell von G.C. Davenport und C.B. Davenport wird die Vererbung der Augenfarbe über ein diploid vorliegendes Gen gesteuert, welches zwei Ausprägungen besitzen kann: dominante Ausprägung B für braune Augen und rezessive Ausprägung b für blaue Augen. Demnach sind folgende Genotypen möglich: (B, B), (B, b), (b, b), die mit den, als Genotypfrequenz bezeichneten, Wahrscheinlichkeiten P ((B, B)) = 0.4, P ((B, b)) = 0.5 und P ((b, b)) = 0.1 auftreten. Bei der Vererbung wird von jedem Elternteil ein Gen weitergegeben, wobei die Auswahl des Gens zufällig, jeweils mit Wahrscheinlichkeit 0.5 erfolge. Mit dem Begriff Genfrequenz seien jeweils die Wahrscheinlichkeiten bezeichnet, dass ein zufällig ausgewähltes Gen vom Typ B bzw. b ist. (a) Geben Sie mithilfe des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit die Genfrequenz von B und b an, d.h. bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten P (B) und P (b) mithilfe der Genotypfrequenzen. (b) Geben Sie an, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Elternteil die Kombination (B, b) besitzt und b weitergibt. (c) Angenommen, Sie wissen nun, dass die Mutter das Gen b weitergegeben hat. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter selbst die Kombination (B, b) besitzt? Aufgabe 2. (10 Punkte, schriftlich) Ein HIV-Test habe eine Sensitivität von 95% und eine Spezifität von 98%, d.h. es werden 95% der infizierten und 98% der nicht infizierten Personen richtig klassifiziert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig ausgewählte Person infiziert ist, betrage 0.2%. (a) Wie wahrscheinlich ist es, dass der Test eine zufällig ausgewählte Person als infiziert klassifiziert? (b) Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Person mit einem positiven Testergebnis auch tatsächlich infiziert ist? (c) Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Person mit einem positiven Testergebnis nicht infiziert ist? (d) Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Person mit einem negativen Testergebnis auch tatsächlich nicht infiziert ist? Hinweis: Verwenden Sie (an geeigneter Stelle) den Satz von Bayes aus Aufgabe 4. Aufgabe 3. (10 Punkte, schriftlich) Ein Produkt werde in zwei verschiedenen Fabriken produziert, wobei die erste Fabrik 2% und die zweite Fabrik 5% defekte Produkte ausliefere. Ein Kunde, der das Produkt kaufen möchte, besucht ein Geschäft, das zu einem Drittel von der ersten Fabrik und zu zwei Dritteln von der zweiten Fabrik beliefert wird. (a) Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist ein in diesem Geschäft angebotenes Produkt defekt? (b) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt defekt ist und aus der ersten (bzw. zweiten) Fabrik stammt? (c) Wie wahrscheinlich ist es, dass ein defektes Produkt aus der ersten (bzw. zweiten) Fabrik stammt? Aufgabe 4. (mündlich) (a) (Satz von Bayes) Sn Es sei E ein Ereignis mit P (E) > 0 und Ω = i=1 Fi eine Zerlegung von Ω mit P (Fi ) > 0 für alle i ∈ {1, . . . , n}. Oft sind dann die Wahrscheinlichkeiten P (E|Fi ) leicht zu ermitteln, nicht aber P (E) oder P (Fi |E). Für den letzteren Fall liefert der Satz von Bayes die folgende Bestimmungsmöglichkeit P (E|Fi ) · P (Fi ) . P (Fi |E) = Pn j=1 P (E|Fj ) · P (Fj ) Beweisen Sie diese Aussage. (b) Es seien E und F Ereignisse mit P (F ) > 0. Begründen Sie die Formel P (E|F ) = 1 − P (E|F ). Diese Formel dürfen Sie in den obigen Aufgaben benutzen. Aufgabe 5. (mündlich) (Ziehen ohne Zurücklegen) In einer Urne seien 10 nummerierte Kugeln. (a) Es werden nacheinander zwei Kugeln gezogen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dabei die Kugeln mit den Nummern 1 und 9 zu erhalten? (b) Wir ziehen nun insgesamt dreimal statt zweimal. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dabei die Kugeln mit den Nummern 1, 3 und 9 zu ziehen? (c) Verallgemeinern Sie dieses Vorgehen und bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit bei einer Anzahl von N (nummerierten) Kugeln in der Urne auf diese Weise n vorgegebene Nummern zu ziehen. (d) Statt die Kugeln nacheinander zu ziehen, könnten wir Sie ebenso nach gutem Schütteln mit einem Griff aus der Urne entnehmen. Eine zufällig aus einer größeren Gesamtheit ausgewählte Teilmenge bezeichnet man gewöhnlich auch als Stichprobe. Entnehmen wir also wie in (c) eine Stichprobe von n Kugeln, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter die Kugel mit der Nummer 1 befindet?