Kurzdarstellung der Pilotprojekte

Werbung
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Datenbank - Struktur und Arbeitsprozess 1
Zuordnung der Untersuchungskategorien
1
Baum (einzeln, eigenes Bezugssystem) auch außerhalb
der Grabstätte beeinflusst mehrere Grabstätten
2
Grabstätte (einzeln, Bezugssystem)
Organigramm der Datenbankstruktur
Archivdaten
1
12
Fotografien
externe
Bilddateien
Grabmal
3
3
6
6
Zustand (mehrere)
7
Schäden (mehrere)
InschriftenSymbolik
7
8
Grabstätten-ID
Inschriften
Grabmalbeschreibung
GrabmalOrnamentik
Zustand
Material
11
9
Schadensursachen (mehrere)
8
10
9
Bewuchs am
Grabmal
Inschriften (mehrere)
9
10
12
11
Symbole (mehrere)
11
Ornamente (mehrere)
12
Materialien (mehrere)
offener Boden
Kraut- und
Strauchschicht
12
Schäden
Schadensursache
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
12
se
e
10
5
4
Grabstellen (mehrere)
5
Vegetation auf der Grabstätte
4
2
Gehölze
Baum-Grabmal-ID
Abb. 1-2: Das Beziehungsgeflecht der ineinander geschachtelten Informationen des Archiv-, Vegetations- und Baubestands verursacht einoder mehrdeutige Zuordnungen einfach oder mehrfach vorkommender Kategorien einer Grabstätte (links). Diese beeinflussen die Datenbankstruktur, wie im Organigramm (rechts) zu sehen. Blau gekennzeichnet sind die Eingabetabellen, rotbraun die Verknüpfungstabellen mit den
entsprechenden ID‘s.
Ziele und Voraussetzungen
Der Jüdische Friedhof Weißensee zählt mit einer Ausdehnung von rund 1000 x 490 m, einer Fläche von
etwa 40 ha und fast 116.000 Grabstellen zu den
größten seiner Art in Europa. Durch seine seit fast
130 Jahren andauernde Nutzung wird dieser Friedhof zur außerordentlichen Quelle einer Fülle von Informationen für vielfältige Forschungsgebiete, wie:
• jüdische Kultur- und Sozialgeschichte
• jüdische Epigraphik
• Bau- und Kunstgeschichte
• Bau- und Gartendenkmalpflege
• Naturschutz.
Das Pilotprojekt entwickelte sich im Rahmen zweier,
entgegen gesetzter Anforderungen:
• die differenzierte Betrachtung eines breiten
Spektrums von Inhalten
• die möglichst effiziente Dokumentation einer
großen Menge von Grabstellen.
Aus diesen Anforderungen erarbeitete das Team:
• eine Erfassungsstruktur
• einen Arbeitsprozess.
Jü
di
sc
Struktur
Die ganzheitliche Betrachtung eines Denkmals wie
des Jüdischen Friedhofes Weißensee wird nur gewährleistet durch:
• den Zusammenhalt der vielfältigen Informationen als integrative Bestandteile einer Grabstätte
• eine einheitliche Dokumentation über fachliche
Grenzen hinweg
• die Kombinierbarkeit der unterschiedlichen
Sachthemen im Zuge der nachträglichen wissenschaftlichen Auswertung.
Deshalb musste eine eigene Datenbank aufgebaut
werden. Der Rückgriff auf bestehende fachspezifische Erfassungssysteme war nicht möglich.
Diese Datenbank leistet:
• Verknüpfung aller Sachthemen innerhalb einer
Struktur
• EDV-gestützte Auswertung.
Aus den Zielen des Projekts auf der einen Seite und
dem vorhandenen Bestand auf der anderen Seite leiten sich sechs Themenkomplexe ab, die die Grundbausteine der Datenbankstruktur bilden. Dazu ge-
hören:
• Personendaten aus den Archivalien
• eine Fotodokumentation der Grabmale
• die Inschriften
• die Grabmalarchitektur
• Material, Zustand, Schäden
• die Vegetation.
Die Informationen des Archiv-, Vegetations- und
Baubestandes sind innerhalb eines differenzierten
Beziehungsgeflechts nicht immer eindeutig miteinander verknüpft (Abb. 1):
• einer Grabstätte können mehrere Grabstellen
bzw. mehrere Verstorbene mit ihren Personendaten aus dem Archiv zugeordnet werden
• ein Grabmal kann sich über mehreren Grabstellen erstrecken und umfasst:
• mehrere Ornamente
• mehrere Materialien
• mehrere Schäden mit verschiedenen Ursachen
• mehrere Inschriften in unterschiedlichen Sprachen, die mal einer und mal verschiedenen
Personen zugeordnet werden können; eine Inschrift kann wiederum mehrere Symbole enthalten
• Bäume wachsen mitunter auf keiner Grabstätte, beeinflussen mit ihrer Krone und Wurzel
aber mehrere.
Um den Zusammenhalt der komplex miteinander
verknüpften Informationen zu gewährleisten, bedarf
es einer Referenz in Form eines Nummerierungssystems. Diesen Zweck erfüllt eine Grabstätten-ID, die
die Beziehungen der sachspezifischen Datenbanktabellen regelt und im Zentrum der Struktur steht (Abb.
2).
Die große Bandbreite an Phänomenen im Bestand
muss von jedem Sachgebiet einerseits möglichst universell und einheitlich und andererseits präzise und
eindeutig erfasst werden. Die sechs Themenkomplexe:
• gliedern sich in 16 Tabellen und Untertabellen
• beschreiben insgesamt etwa 160 verschiedene
Kategorien
• sind mit ungefähr 450 fest vorgegebenen Begriffen verknüpft.
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Abb. 3-4: Die Arbeit des Teams an PC‘s im Büro auf dem Friedhof
(oben). Übersichtsplan des Friedhofs mit den vollständig bearbeiteten
Grabfeldern A1 und U4 (rotbraun) sowie P4 (blau), bei dem nur die
Vegetation aufgenommen worden ist (unten).
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Datenbank - Struktur und Arbeitsprozess 2
Organigramm des Arbeitsablaufs
Nummernvergabe
1
1
2
Archivdaten
Grabmalnummern und Grabstellennummern sind
Grundlage für die Archivdatenaufnahme
(Nummernvergabe kann nach kurzer Zeit abgeschlossen werden)
Grabmalnummern (Index) und Archivdaten
(Sterbenummer, Name) sind Grundlage für die Orientierung im Grabfeld (mindestens einige Reihen bei
Beginn der Fotodokumentation)
2
3
Fotografien (jahreszeitabhängig)
Grabmalnummern (Index), Archivdaten
(Sterbenummer, Name) und Fotografien sind Grundlage für die Orientierung im Grabfeld (durchgängig
genügend Reihen Vorlauf)
3
GPS und digitalisierte Pläne bilden die Grundlage für
die Baum- und Strauchaufnahme
Inschriftenaufnahme
Zustand, Material, Schäden
Datenaufnahme und -eingabe
andere Tätigkeiten
Vegetation (jahreszeitabhängig)
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
4
se
e
4
Grabmalbeschreibung
Plandigitalisierung
GIS-Auswertung, Datenbankauswertung
Abb. 1-4: Diagramm des Gesamtablaufes der Erhebung (oben). Arbeitsvorgänge: Fotodokumentation mit der Nummerntafel (rechts oben),
Arbeit mit Notebook und Stativ im Grabfeld (recht Mitte), Identifizierung des Grabmals und Einstellung der Nummerntafel für die Fotografie
(rechts unten).
Arbeitsprozess
Die Struktur der Datenbank ist nicht nur inhaltlich von
Bedeutung, sondern ermöglicht auch eine effektive
und schnelle Dokumentation der immensen Menge
von Untersuchungsobjekten. Die Aufteilung der Informationen auf einzelne dennoch miteinander verknüpfte Tabellen bereits zu Beginn der Erhebung:
• gestattet die unabhängige und gleichzeitige Tätigkeit verschiedener Spezialisten
• gewährleistet die leichte Orientierung im Grabfeld durch direkten Zugriff auf Personendaten
und Fotografien
• verhindert überflüssige Mehrfacheingaben bestimmter Daten zur Referenzierung (wie Namen
oder Grabstellennummern)
• erlaubt ein geordnetes Abarbeiten jeder Feldreihe durch das Nummerierungssystem.
di
sc
Die Einbeziehung des Arbeitsprozesses in die Datenbankstruktur findet ihren deutlichsten Ausdruck in
der Gestaltung von Dateneingabeformularen. Die
Eingabemasken garantieren:
• die übersichtliche Erfassung aller relevanten
Dateneingabefelder auf einem Bildschirm mit
einem Blick durch Überschriften, Gruppierungen und beigefügte Erläuterungsskizzen
• die leichte Orientierung im Feld durch Anzeige
von Identifizierungsdaten aus anderen Tabellen
• die effektive, schnelle und fehlerfreie Eingabe
der Informationen durch vorgegebene Begriffe
in Kombinationsfeldern.
Eine aufwandsarme und möglichst fehlerfreie Gesamtdokumentation wird durch eine bestimmte Reihenfolge der Bearbeitungsschritte auf jedem Grabfeld sichergestellt (Abb. 1):
1. Vergabe der Identifizierungsnummern
2. Digitalisierung des Planmaterials aus dem Archiv, Referenzierung mit Identifizierungsnummern
3. Aufnahme der Personendaten aus den Archivalien auf der Grundlage der Nummerierung
4. Fotodokumentation auf der Grundlage der
Nummerierung und der Personendaten (Abb.
2, 4)
5. Erhebung von Inschriften, Grabmalarchitektur,
Zustand-Schäden-Materialien und Vegetation
auf der Grundlage von Nummerierung, Personendaten und Fotografien; die Gehölzaufnahme benötigt zusätzlich den digitalisierten
Plansatz (Abb. 3).
Bei Einhaltung der Bearbeitungsreihenfolge dauert
die Erhebung aller sechs Themenkomplexe inklusive Digitalisierung und Referenzierung des Plansatzes 30:00 min pro Grabstelle (Abb. 5 mit genauer
Aufschlüsselung der Einzeltätigkeiten). Bei einer effektiven Arbeitszeit von 6:00 h pro Tag würde man
mit einem 15-köpfigen Team pro Grabfeld etwa fünf
Arbeitstage und für den gesamten Friedhof etwa drei
Jahre benötigen (Vor- und Nachbereitungszeiten sowie Auswertung nicht einberechnet).
Jü
Abb. 5: Diagramm zur Dauer der einzelnen Arbeitsschritte zur Dokumentation einer Grabstelle prozentual und mit Angabe der genauen Zeit.
Die Erhebung aller etwa 160 Kategorien dauert in der Summe 30 min (unten).
Dauer der Erhebung einer Grabstelle
7%
5%
2%
8%
4%
Nummernvergabe
00:32 min
Archivdaten
02:18 min
Archivdaten komplett vervollständigen
01:05 min
Fotodokumentation
11:07 min
Inschriften
02:17 min
Grabmalbeschreibung
02:13 min
Zustand-Materialien-Schäden
03:56 min
Vegetation
03:20 min
Gehölze
01:38 min
Digitalisierung, Georeferenzierung
02:07 min
Summe aller Teilschritte:
30:00 min
11%
13%
36%
7%
7%
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Datenstruktur und Genauigkeit 1
Die Unterteilung in personenbezogene Grabstellenund grabsteinbezogene Grabstättennummern hat
den Vorteil, dass personen- als auch grabsteinbezogene Auswertungen durchgeführt werden können.
So können z. B. bei einer doppelten Belegung einer
Grabstätte die personenbezogenen Eigenschaften,
wie Geburts- und Sterbedaten, getrennt von den
grabsteinbezogenen Eigenschaften, wie Bauart, Material oder Standsicherheit ausgewertet werden. So
gehen die grabsteinbezogenen Eigenschaften nicht
doppelt in die Statistik ein.
se
e
Die Lagepläne der bearbeitenden Grabfelder wurden auf die ALK georeferenziert und die einzelnen
Grabstellen abdigitalisiert.
Da die dazugehörige Bestattungsnummer nicht immer lesbar sowie z. T. fehlerhaft war und um die Zuweisung von Attributen auch auf nicht belegten Gräber möglich zu machen, wurde ein neuer eindeutiger
Schlüssel pro Grabstelle erzeugt. Dieser Schlüssel
(Grabstellennummer) setzt sich zusammen aus der
Grabstättennummer, die eindeutig das Grabfeld,
die Feldreihe und die Lageposition in der Reihe des
Grabmals/ -steins beschreibt, sowie einem zweistelligen Index, der die Position der Stelle in der Grabstätte darstellt.
Belegung
Es werden mehrere Möglichkeiten der Belegung einer Grabstätte unterschieden (Abb. 2):
• einfach belegt
• mehrfach belegt
• Erbbegräbnis - ein Grabmal
• Erbbegräbnis - mehrere Grabmale.
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Grundlagen
Für die Digitalisierung der einzelnen Grabstellen und
Grabstätten lagen folgende Grundlagen zur Verfügung:
• Aktuelle Geometriedaten der Automatisierten
Liegenschaftskarte (ALK) mit dem Stand 31.12.2007
für das Wegenetz des gesamten Friedhofs sowie
• analoge maßstäbliche Lagepläne der Grabfelder
A1, P4 und U4, die die einzelnen Grabstellen mit
der jeweiligen Bestattungsnummer darstellen (Abb.
1).
Grabstelle – Grabstätte – Erbbegräbnis
• Grabstelle
Als Grabstelle wird die Stelle für eine Bestattung bezeichnet, die belegt, reserviert oder freigelassen sein
kann. Sie ist auf eine Bestattung bezogen. Sowohl jeder bereits bestattete als auch jedes noch freie Grab
für eine Person bekommt eine Grabstellennummer.
Sie ist also personenbezogen und setzt sich aus zehn
Ziffern zusammen.
• Grabstätte
Einer Grabstätte können eine oder mehrere Grabstellen zugeordnet sein. Sie umfasst die Grabstelle/n
mit dem dazugehörigen Grabmal. Sie ist demnach
eher grabsteinbezogen und setzt sich aus acht Ziffern zusammen. Die Grabstättennummer wird auch
vergeben, sollte der Stein nicht mehr oder noch nicht
vorhanden sowie das Grab noch nicht belegt sein.
Abb. 2: Möglichkeiten der Belegung
Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Verteilung der
Einfach- und Mehrfachbelegungen pro Grabstätte in
den Grabfeldern A1 und U4. In beiden Grabfeldern
sind viele der Erbbegräbnisse mehrfach belegt. Bei
den Reihengräbern ist auffällig, dass eine Mehrfachbelegung in Grabfeld A1 sehr häufig, in Grabfeld
U4 jedoch fast gar nicht auftritt.
Jü
di
sc
Abb. 1: Scan des Lageplans Grabfeld A1 (Quelle: Archiv des Jüdischen Friedhofs Weißensee)
• Erbbegräbnis
In den untersuchten Grabfeldern wurden in einem
Erbbegräbnis in der Regel mehrere Verstorbene (von
bis zu zwölf Personen) beerdigt. Normalerweise zeichnen sich die Erbbegräbnisse durch eine gemeinsame
Architektur aus. Es handelt sich hierbei um eine Sonderform der Grabstätte, die ebenfalls mit der Grabstättennummer beschrieben wird. Erbbegräbnisse
unterscheiden sich jedoch zur Grabstätte dadurch,
dass sie neben mehreren Grabstellen auch mehrere Grabstätten sowie unterschiedlich viele Grabmal
beinhalten können (Abb. 2).
Abb. 3: Einfach- und Mehrfachbelegung, Grabfeld A1
Abb. 4: Einfach- und Mehrfachbelegung, Grabfeld U4
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Datenstruktur und Genauigkeit 2
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Genauigkeit
Um die Genauigkeit der Digitalisierung der analogen maßstäblichen Lagepläne abschätzen zu können, wurden die Grabfelder A1, P4 und U4 mittels
einer GPS-Aufnahme überprüft (Abb. 3-4).
Durch die starke Überdeckung durch Baumkronen
und zum Teil hohe Mauern konnten jedoch mit dem
für diese Vorprojekt möglichen Aufwand nur zehn
Punkte mit einer Messgenauigkeit von +- 0,1 m in
den Grabfeldern A1 und P4 aufgenommen werden.
Im Grabfeld U4 konnte kein Punkt mit dieser Messgenauigkeit gewonnen werden.
Die zehn Referenzpunkte weisen die folgende Genauigkeit auf, d.h. der mit dem GPS gemessene Punkt
weicht um die Genauigkeit in Metern von dem im
Lageplan digitalisierten Punkt ab. Im Mittel beträgt
die Genauigkeit 1 m bzw. 1,2 m (Tabelle 1).
Standardabweichung
1,93
1,21
0,51
0,14
1,73
1,01
0,51
0,34
1,82
1,01
0,56
0,14
1,62
0,81
0,56
0,40
0,99
1,93
1,41
0,40
0,79
1,73
1,22
0,40
Mittelwert
0,34
0,56
1,32
Minimum
0,51
0,91
1,83
Maximum
Mittelwert
1,11
1,71
0,89
Minimum
1,83
0,24
P4
Mittelwert
0,24
A1
Minimum
Gesamt
Tabelle 1: Genauigkeit
Abb. 1: Grabstellenart, Grabfeld A1
Genauigkeit – 0,1 m (m)
Maximum
Standardabweichung
Genauigkeit + 0,1 m (m)
Standardabweichung
Maximum
Genauigkeit (m)
se
e
Grabstellenart
Aus den Archivdaten lassen sich für die untersuchten
Grabfelder vier Grabstellenarten herausfiltern. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die Erbbegräbnisse und die Reihengräber. Zwischengräber treten
fast ausschließlich im Grabfeld A1 auf, bei dem es
sich um ein Wahlstellenfeld handelt. Hier konnten
Familienangehörige der dort beigesetzten Personen
die jeweils benachbarte Grabstelle reservieren, welche bei der Bestattung in den Sterbebüchern dann
als „Zwischengrab“ bezeichnet wurde.
Bei Grabfeld U4 handelt es sich hingegen um ein
Feld für Alleinstehende, bei welchem die Reihengräber fortlaufend belegt wurden.
Zusatzgräber sind immer Urnenbegräbnisse, die
nachträglich zu einer Grabstätte hinzugefügt wurden. Sie treten nur in geringer Stückzahl auf (Abb.
1-2).
Jü
di
sc
Die Vorgaben des Projektes besagen, dass die Nutzung der analogen Lagepläne und somit eine schematische Darstellung ausreichend ist. Hierfür sind
die digitalen Pläne ausreichend genau.
Für das Hauptprojekt sind die Ansprüche an die
Genauigkeit zu prüfen und der Aufwand einer GPSAufnahme der Digitalisierung der schematischen,
analogen Lagepläne gegenüber zu stellen und abzuwägen.
Verwendete Geräte, Software und Korrekturdaten
Geräte:
Trimble 5700 Mapping-Rover mit Trimble 5700
GPS-Empfänger (Messhöhe: 2 m) und Trimble Ranger-Feldrechner
Software:
Trimble TerraSync Professional Software (GPS-Gerät) und Trimble Pathfinder; Office Software (Datenexport)
Korrekturdaten: SAPOS GPRS.
Abb. 2: Grabstellenart, Grabfeld U4
Abb 3:
Abb.
3 G
Gemessene Punkte
P k in Grabfeld
G bf ld A1
A1; rot: PPunkt
k im Lageplan,
L
l
grün: GPS-Messung
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Abb 4:
Abb.
4 G
Gemessene Punkte
P kt in
i Grabfeld
G bf ld U4
U4; rot:
t Punkt
P kt im
i Lageplan,
L
l
grün: GPS-Messung
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Archivdaten
Ergebnisse
Geschlecht
U4
A1
43%
49%
51%
57%
Abb. 3: Altersstruktur der Verstorbenen Grabfeld U4
se
e
Die Auswertung der Archivdaten kann nach unterschiedlichen Gesichtspunkten auf zweierlei Arten erfolgen:
a) die Auswertung der einzelnen Archivdaten.
b) die Archivdaten als Basis für sämtliche, miteinander verknüpfte Auswertungen der jeweiligen Arbeitsfelder.
Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich alle
auf die Auswertung der einzelnen Archivdaten. Die
Archivdaten als Basis sämtlicher Histogramme werden gesondert in den jeweiligen Arbeitsfeldern dargestellt.
1. Belegungszeitraum der Grabfelder
(Sterbedaten/ Beisetzungsdaten)
Das Feld A1 wurde als Wahlstellenfeld hauptsächlich in den Jahren zwischen 1880 und 1905 belegt.
Bei U4 hingegen wird deutlich, dass es sich um ein
Reihenfeld handelt, dessen Hauptbelegung deutlich
in den Zeitraum 1916/ 1917 fällt (Abb. 2).
Methodik
Zur vollständigen Grabmalinventarisierung war zunächst vonnöten, den auf den Plänen vermerkten Bestattungsnummern Namen zuzuordnen. Systematisch
war dies nur durch die Erfassung der Daten in den
Sterberegistern möglich, welche nach Bestattungsnummern und chronologisch geordnet sind. Diese
sind deshalb Primärquelle der Archivdaten.
Auch über die namentliche Identifizierung der vielfach vor Ort nicht mehr lesbaren Grabsteine hinaus
erwiesen sich die erhobenen Daten für die spätere Verknüpfung und Auswertung der zu erfassenden
Teilbereiche als fruchtbare Quelle. Die Archivdatenerfassung ist also gleichsam Basis und inhaltliche
Vorraussetzung der Gesamtinventarisation.
weiblich
männlich
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Grundlagen
Für die Inventarisation des Jüdischen Friedhofs Weißensee liegen vier relevante, schriftliche Quellen von
dem Zeitpunkt der Eröffnung 1880 bis zum heutigen
Tag nahezu vollständig vor:
• schematische Pläne für alle Grabfelder: jede
Grabstelle ist mit der entsprechenden Sterbenummer, im folgenden Bestattungsnummer
genannt, versehen
• acht Sterberegister (Sterbebücher)
• Beisetzungspapiere (Beerdigungsanmeldung,
Todesschein, standesamtliche Sterbeurkunde)
• alphabetische Karteikarten aller Beigesetzten
mit Namen, Grabnummer, Feld, Geburts-, Sterbeund Beisetzungsdatum [nur deutsches Datum];
Stand; letzte Wohnanschrift; Bemerkungen).
2. Geschlechterverteilung
(männlich/ weiblich)
Für A1 ergibt sich die gleichwertige Anzahl der Belegung von Frauen (51 %) und Männern (49 %). Bei
U4 überwiegt die Anzahl der dort beerdigten Frauen
mit 57% leicht die der Männer mit 43% (Abb. 3).
Abb. 4: Altersstruktur der Verstorbenen Grabfeld A1
Jü
di
sc
Folgende in den Sterberegistern verzeichneten Angaben wurden in die Datenbank aufgenommen
(Abb.1):
• Bestattungnummer und -ort (Feld und Grabreihe)
• Reihen- oder Zwischengrab; Erbbegräbnis
• Deutscher Vor- und Nachname sowie bei verheirateten Frauen der Geburtsname
• Beruf/ Stand (wenn bekannt)
• Wohn- und Sterbeort
• Geburts -, Sterbe- und Beerdigungstag
(Letzterer sowohl nach christlichem und jüdischem Datum in hebräischen Lettern [Jom
Mita])
• Jüdischer Name (in hebräischen Lettern)
• Steinsetzungsdatum und Steinsetzer
• Erd- oder Urnenbestattung (ab 1909 erlaubt)
• Bemerkungen.
Da im Laufe der Jahre auch die Sterberegister Modifikationen unterworfen waren, wurden der Vollständigkeit halber eventuell dort fehlende Angaben
durch Hinzuziehung der Beisetzungspapiere - wenn
möglich - ergänzt.
Abb. 2: Belegungszeiträume der Grabfelder A1 und U4
Abb. 5: Altersstruktur der Verstorbenen Grabfeld U4
3. Alter der Verstorbenen
(Geburtsdaten/ Sterbedaten)
Für Grabfeld A1 zeigt die Altersstruktur der dort beerdigten Personen eine deutliche Konzentration des hohen Sterbealters, mit 59 bis 80 Jahren. Feld U4 hingegen weist eine deutlich anders gelagerte Altersstruktur
auf: die Sterberate erweist sich hier als gleichmäßig in
allen Altersgruppen und verweist damit auf die äußeren Umstände, die einen Tod in allen Altersgruppen
verursacht haben. Diese könnten durch die eindeutig
nachweisbare Hauptbelegung um 1916/17 auf den
Ersten Weltkrieg und vermutlich auf die um 1916/17
grassierende Hungersnot zurückzuführen sein (Abb.
4-5).
5. Vor- und Nachnamen
Die Auswertung der Häufigkeit der weiblichen Vornamen auf den Grabfeldern A1 und U4 benennt als
Spitzenreiter die deutschen Namen Henriette (62),
gefolgt von Bertha (45) und Johanna (45). Traditionelle jüdische Namen scheinen im Zeitraum der Belegung beider Felder von um 1880 - 1916 im Rückgang begriffen. Den jüdischen Namen Rosa tragen
nur noch 29 Frauen, dessen verwandte deutsche
Version Rosalie hingegen 42 Personen. Als häufigste Familiennamen finden wir Cohn/ Cahn/ Cohen
(62), sowie Levy/ Lewy/ Loewy/ Lewin (51) und mit
einigem Abstand Friedländer (27).
4. Angabe des jüdischen Namens
Die Daten zeigen einen deutlichen Rückgang der
Angabe des jüdischen Namens: wird dieser im Zeitraum von 1880 -1893 noch zu 91% angegeben, so
erlebt diese Angabe schon im zweiten Sterberegister
(1893 – 1905) mit 65% einen deutlichen Rückgang.
Nur sieben Jahre später (Sterberegister IV, 1914 –
1921) erreicht diese Angabe mit nur noch 10% einen Tiefstand, um dann mit dem Beginn eines neuen
Buches 1921 gänzlich - bis heute - wegzufallen.
Abb. 1: Sterberegister I (1880 - 1893)
Abb. 6: Sterberegister VII (1936 - 1942)
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Grabmalformen 1: Typenbildung / Typologie
sinnvoll erwiesen sich zudem beschreibende bzw.
bildliche Begriffe wie Tafel, stehender und liegender
Grabstein und Pultstein oder funktionale Bezeichnungen wie Gemeindestein.
Wie bei starren Typologien üblich, sind fließende
Grenzen zwischen den Untertypen kaum zu vermeiden. Der große Vorteil der erstellten Systematik liegt
darin, dass den festgelegten Typenbezeichnungen
gemeinsame Eigenschaften wie Maßverhältnisse,
Proportionen und/oder auch formale Kurzbeschreibungen zu- bzw. übergeordnet sind. Erst in Verbindung damit ist die eindeutige Definition der Untertypen möglich.
In dem hier gezeigten Organigramm sind sicher nicht
alle auf Friedhöfen vorkommenden Grabmalformen
berücksichtigt. Es ist jedoch so aufgebaut, dass es
jederzeit erweitert werden kann.
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Methodik und Ergebnisse der Systematisierung
Das Ergebnis der Systematisierung der Grabmalformen zeigt das Organigramm: Der übergeordnete Begriff Grabmal ist zunächst in die Gruppen
Grabstein und Grabbau unterteilt.
Grabbau
Bei der Gruppe Grabbau wird ihre räumliche Dimension in Bezug auf die Grabstätte erfasst: Erstreckt sich
die Architektur an einer Seite der Grabstätte, wird sie
mit dem tradierten Begriff Wandgrab bezeichnet, an
zwei oder drei Seiten als Rahmenarchitektur und an
vier Seiten als Umfriedung. Eine weitere architektonische Erscheinungsform ist das Grabgebäude, das
im Unterschied zu den vorgenannten drei Architekturformen ein Dach aufweist.
Grabstein
Die Gruppe Grabstein ist wesentlich komplexer. Als
Benennungen der Untertypen können tradierte Begriffe wie Stele, Säule, Obelisk, Pfeiler, Ädikula und
Scheinsarkophag aber auch hebräische Bezeichnugen wie Mazzewa und Zijun verwendet werden. Als
se
e
Fragestellung und Ziel
Die Bandbreite der verschiedenen Grabmalformen
wurde mit einem System erfasst, d. h. einzelne Typen
definiert und einer Struktur untergeordnet.
Darüber hinaus galt es auch, die weit gefächerten formalen Merkmale und Einzelphänomene der Grabformen aufzunehmen, so dass diese abrufbar und
vergleichbar sind.
Das System der Inventarisation von Grabmalformen
wurde so weit automatisiert, dass für den nicht geübten Anwender eine geringe Einarbeitungszeit notwendig ist.
GRABMAL
Grabstein
horizontale Ausrichtung
Körper
SCHEINSARKOPHAG
Platte
LIEGENDER
GRABSTEIN
Sockelpfeiler mit
schräger Inschriftentafel
PULTSTEIN
vertikale Ausrichtung
liegender Grabstein Pultstein
Gemeindestein
Querschnitt
rechteckig
GEMEINDESTEIN
Breite-Höhe-Verhältnis
< 1:1,5
STEHENDER
GRABSTEIN
seitlich nach oben
verjüngt
stehender Grabstein Stele
Breite-Höhe-Verhältnis
> 1:1,5
Tafel
STELE
Breite-Tiefe-Verhältnis
< 1:3
seitlich nach oben
gerade
Breite-Tiefe-Verhältnis
> 1:3
TAFEL
Querschnitt
quadratisch
Mazzewa
Säule
di
Jü
Ädikula
PFEILER
oberer Abschluss
pyramidal
OBELISK
oberer Abschluss
gerade
SÄULE
oberer Abschluss
abgebrochen
MAZZEWA
Querschnitt
rund
sc
Pfeiler
oberer Abschluss
gerade
einansichtige
Architekturrahmung
ÄDIKULA
mehransichtige
Architekturnachbildung
KLEINARCHITEKTUR
Architektur
an 1 Seite
WANDGRAB
Architektur
an 2 - 3 Seiten
RAHMENARCHITEKTUR
Architektur
an 4 Seiten
UMFRIEDUNG
Kleinarchitektur
Grabbau
ohne Dach
Wandgrab
Rahmenarchitektur
mit Dach
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
GRABGEBÄUDE
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Grabmalformen 2: Erfassen der Einzelgrabmale
5
4
5
3
1
2
liegender Grabstein
4
2
2
2
3
1
1
1
Gemeindestein
Pultstein
Scheinsarkophag
3
3
2
3
2
1
3
4
3
4
4
5
4
stehender Grabstein
Tafel
Formenvielfalt
Als zusätzliches Hilfsmittel wurde ein Skizzenblatt
mit einer Übersicht der Formen und Bezeichnungen
oberer Abschlüsse (Abb. 3) angelegt, das nicht nur
dem Ungeübten die vorgegebene Auswahl erleichtert und die Vielfalt der Formen zeigt.
Die Inventarisation des Grabmals zwingt den Bearbeiter zu einer automatisierten Erfassung der Einzelmerkmale, die auf diese Weise aus den bestehenden Datensätzen zum Grabmal herausgefiltert
werden können und weit gefächerte Abfragen ermöglichen.
3
5
4
5
4
4
3
3
3
3
2
2
2
1
1
1
2
2
1
1
se
e
5
4
4
3
2
Säule, Pfeiler
Mazzewa
Obelisk
Ädikula
1
Kleinarchitektur
Grabbau
Abb. 1: Szizzen der Untertypen mit „Zonierung“
Abb. 2: Tafel mit verschiedenen oberen Abschlüssen
Korbbogen
dreieckig
Spitzbogen
dreieckig
eingezogen
Segmentbogen
dreieckig
mit Akroterien
Hufeisenbogen
Segmentbogen
eingezogen
gerade
zwei gegeneinander
gestellte Voluten
gerade
mit abgerundeten Ecken
Rundbogen
Rundbogen
eingezogen
gerade
mit abgeschrägten Ecken
Kleeblattbogen
polygonal
Karniesbogen
Abb. 3: Skizzen der oberen Abschlüsse
di
Abb. 5: Stele, Ansicht 2
Abb. 6: Stele, Ansicht 3
Abb. 7: Datenbankformular Grabmal der links abgebildeten Stele
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Karniesbogen
mit Seitenvoluten
Karniesbogen
mit abgerundeten Ecken
Karnies-Schulterbogen
konvex
Hufeisenbogen
eingezogen
Jü
Abb. 4: Stele, Ansicht 1
Karniesbogen
gestuft
Flammenbogen
sc
Die hier gezeigte Bestimmung und Gruppierung der
Grabmaltypen ist das Ergebnis einer mehrfachen
Überarbeitung und rückwirkenden Nachbesserung.
Überdies bilden Typologie und Erfassung der Grabmalformen in der Datenbank kein starres Gefüge.
Denn durch die aufgenommenen Parameter können
gemeinsame Merkmale oder Phänomene heraus
gefiltert und so auch nachträglich bei Bedarf neue
Typen gruppiert werden.
Stele
5
5
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
„Zonierung“
Ziel der Erfassung von Grabmalformen ist neben der
Systematisierung ihrer Bandbreite, auch die Beschreibung ihrer Einzelmerkmale und Phänomene. Diese
werden möglichst weit gefächert und dennoch gezielt und systematisch in festgelegten automatisierten Feldern des Eingabeformulares der Datenbank
aufgenommen. Daraus ergibt sich ein weiterer Vorteil der Erfassung, da die Grabmalbeschreibungen
abrufbar und vergleichbar sind.
Möglich wird dies durch die einheitliche Gliederung
der Untertypen in die festgelegten horizontalen Zonen (Abb. 1): Unterbau (1) - Sockelzone (2) - Schaft
bzw. Mittelteil (3) - Abschluss (4) - Aufsatz (5), ohne,
dass jede bei den jeweiligen Grabmaltypen vorkommen muss.
Wie sich bei der Erfassung zudem gezeigt hat, kann
diese Gliederung (=„Zonierung“) grundsätzlich auch
für den Grabbau gelten.
Als Vorteil und Erleichterung bei der Erfassung der
Grabmalformen im Feld öffnet sich auf dem Eingabeformular des Datenblattes (Abb. 7) nach Anwahl
des entsprechenden Grabmaluntertyps die zugehörige Skizze mit der „Zonierung“. In den so festgelegten
nebenstehenden Eingabefeldern können innerhalb
der entsprechenden Zonen formale und formspezifische Merkmale wie auch Angaben zur Oberflächenausprägung ausgewählt werden – diese Begriffe sind
voreingestellt, sofern sie häufig vorkommen, und
können bei Bedarf ergänzt werden.
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Karnies-Schulterbogen
konvex
Karnies-Schulterbogen
konkav
Segment-Schulterbogen
konkav
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Grabmalformen 3: Ergebnisse der Abfragen
Varianten des Untertypes Tafel in Bezug auf
Material und Form
Bei den Tafeln aus Marmor und Sandstein stellte sich
die Frage, ob die Sandsteintafeln älter sind als die
aus Marmor. So ist auffällig, dass die Sandsteintafeln
oftmals ohne Unterbau aufgestellt wurden, ein Bild,
dass von anderen, auch älteren Jüdischen Friedhöfen vertraut erscheint.
Wie das Prozentdiagramm (Abb. 9) zeigt, sind tatsächlich mehr als 60% der Sandsteintafeln ohne
Unterbau, die Marmortafeln dagegen zu 96% und
damit fast ausschließlich mit dem auch sonst häufig
vorkommenden Unterbau in Form stilisierten Bruchsteinmauerwerks aufgestellt worden.
Betrachtet man in diesem Zusammmenhang den
oberen Abschluss wird das Bild noch klarer: Bei den
Sandsteintafeln ohne Sockel überwiegt der dreieckige Abschluss neben verschiedenen anderen Formen
deutlich (Abb. 11). Die Marmortafel mit Unterbau
erscheint dagegen zu 98% mit Rundbogenabschluss
(Abb. 12).
Damit können zwei eindeutige Formen herausgefiltert werden: Die schlichte Sandsteintafel ohne Unterbau mit dreieckigem Abschluss (Abb. 8) und die
rundbogige Marmortafel auf einem Unterbau aus
stilisiertem Bruchsteinmauerwerk (Abb. 7); diese Variante wurde allerdings vereinzelt auch in Sandstein
gefertigt. Ein zeitliches Nacheinander der beiden
Varianten ist allerdings nicht zu erkennen, sondern
vielmehr ein gleichzeitiges Nebeneinander.
se
e
Verteilung der Untertypen Stele (oberer Abschluss pyramidal) und Tafel (Sandstein und
Marmor)
Hervorzuheben sind die unterschiedlichen Erscheinungsformen der großen Gruppen Stelen und Tafeln
auf A1 und U4.
Betrachtet man diese Grabstein-Untertypen näher,
fallen auf dem älteren und größeren Feld A1 innerhalb der Stelen in erster Linie solche mit pyramidalem
(Abb. 3) sowie die nah verwandten mit dreieckigem
Abschluss (Abb. 4) als besonders häufig auf; unter den
Tafeln dominieren solche aus Marmor (Abb. 7) oder
Sandstein (Abb. 8), die allerdings eine größere Bandbreite in der Form ihres oberen Abschlusses bieten
(vgl. Poster: Grabmalformen 2: Erfassen der Einzelgrabmale, Abb. 2).
Die Verteilungskarte von A1 (Abb. 5) beweist überdies das gehäufte Vorkommen dieser oben beschriebenen Varianten der Untertypen Stele und Tafel auf
dem gesamten Grabfeld. Um so auffälliger ist nun
der Vergleich mit dem Feld U4 (Abb. 6), denn hier
kann ihr Vorkommen nur noch als „spärlich“ bezeichnet werden.
Wie sich anhand weiterer Abfragen feststellen lässt,
treten die Stelen mit pyramidalem sowie dreieckigem
Abschluss und Tafeln aus Marmor oder Sandstein auf
beiden Feldern A1 und U4 gleichzeitig und durchgehend bis Ende der 1920er / Anfang der 1930er
Jahre auf.
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Verteilung der Untertypen insgesamt
Als ein Ergebnis der Erfassung Grabmal kann die
Verteilung der Grabstein-Untertypen abgefragt werden, wobei sich von diesen vor allem sechs herausfiltern lassen: Stele, Tafel, Gemeindestein, Pultstein,
stehender Grabstein und Ädikula; andere Formen
kommen auf den Feldern A1 und U4 nur vereinzelt vor und bleiben zusammen unter 10% (Abb. 1,
Abb. 2).
Bemerkenswert sind die Unterschiede in der prozentualen Verteilung der Grabstein-Untertypen innerhalb der Felder A1 und U4:
Auf dem 1880 eröffneten Feld A1 dominiert die große Gruppe der Stelen, gefolgt von den Tafeln und
dann mit einem größerem Abstand von den Gemeindesteinen.
Auf dem erst ab 1916 belegten Feld U4 herrscht
dagegen der Gemeindestein als größte Gruppe vor,
die der Stele nimmt eine zweite, aber immer noch
zahlenstarke Position ein; als dritte und vierte gleichgewichtige Gruppen erscheinen hier nun aber Pultsteine und stehende Grabsteine häufiger. Auffällig
ist zudem das geringere Vorkommen der Tafeln.
Die Gründe für diese verschiedenen „Vorlieben“ für
einzelne Grabsteintypen, die sich auf den Feldern
A1 und U4 wider spiegeln, sind in dem unterschiedlichen Belegungsbeginn bzw. –zeitraum, den historischen Ereignissen und dem jeweiligen Typ der beiden Felder (A1 als Reihenfeld mit Wahlstellen und
U4 als reines Reihenfeld) zu suchen.
Unterbau der Sandsteintafeln
Unterbau der Marmor
stilisiertes Bruchsteinmauerwerk
einfach
stilisiertes Bruchsteinmauerwerk
einfach
ohne
4%
32%
61%
7%
96%
Abb. 1: Karte zur Flächenverteilung der Untertypen
Abb. 5: Karte zur Flächenverteilung von Stele und Tafel, A1
Abb. 9: Unterbau der Marmor- und Sandsteintafeln
Unterbau der Marmortafeln
Untertypen
stehender Grabstein
Ädikula
Rundbogen
andere
U4
8%
1%
7%
sc
A1
7%
7%
27%
12%
60
6%
40
32%
Jü
22%
di
43%
98
100
80
4%
12%
13%
andere
120
Pultstein
Gemeindestein
Tafel
Stele
Abb. 2: Mengenverhältnis der Untertypen
20
3
1
3
0
einfach
Abb. 6: Karte zur Flächenverteilung von Stele und Tafel, U4
stilisiertes Bruchsteinmauerwerk
Abb. 10: Unterbau der MarmortaUnterbau und oberer Abschluss der Sandsteintafeln
dreieckig
Flammenbogen
Karniesbogen
Rundbogen
andere
40
35
35
30
25
21
20
14
15
12
12
12
10
6
5
5
5
3
3
1
0
ohne
Abb. 3-4: Stele mit pyramidalem und dreieckigem Abschluss
Abb. 7-8: Marmor- und Sandsteintafel
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
einfach
Abb. 11: Unterbau der Sandsteintafeln
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
stilisiertes Bruchsteinmauerwerk
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Inschriften 1
Lesbarkeit der Inschriften (jüngeres Steinsetzungsdatum)
lesbar
schlecht lesbar
nicht lesbar
Marmor
140
140
120
120
100
100
80
80
60
60
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
160
se
e
Sandstein
160
40
40
20
20
0
1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1915 1920 1926 1932 1940 2000
0
1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1915 1920 1926 1932 1940 2000
Abb. 4: Lesbarkeit der Inschriften getrennt nach Marmor und Sandstein
Abb. 3: Lesbarkeit der Inschriften
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Abb. 5: Material
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
1998
1965
1948
1940
1935
1930
1925
1920
1915
1910
1905
1900
1895
1890
1885
1998
1965
1948
1940
1935
1930
1925
1920
1915
1910
1905
0
1900
0
1895
25
0
1890
25
1885
50
25
1880
50
1998
75
50
1965
100
75
1948
100
75
1940
100
1880
Sandstein
125
1935
71%
2%
U4
Marmor
125
1930
2%
57%
A1
dunkle Hartgesteine
125
1925
40%
Material (jüngeres Steinsetzungsdatum)
1920
27%
1915
U4
1910
A1
Schließlich wurde die Inschrift möglichst detailgetreu
in die Datenbank eingegeben. Hier setzten technische Gründe Grenzen: Die Formatierung ließ die
Aufnahme bzw. Kennzeichnung in den hebräischen
Inschriften mitunter auftauchender Akrosticha nicht
zu. Von einer Transkription in lateinischen Lettern
oder der Übersetzung wurde ebenso abgesehen
wie von einer sich an die Aufnahme anschließenden
textkritischen Bearbeitung. Dies ist notwendig, aber
an sich schon ein eigenständiges Forschungsprojekt
und war deshalb im Rahmen dieses Pilotprojektes
nicht zu leisten.
Für weitere Forschungsprojekte ist hierbei zu beachten, dass die nicht lesbaren Inschriften auf Sandstein
in der Regel für immer verschollen sind, währenddem die Inschriften auf Marmor vor allem durch die
Verwendung von Streiflicht wieder lesbar gemacht
werden können und damit der Forschung weiterhin
zugänglich sind.
1905
nicht lesbar
Die höhere Lesbarkeit der Inschriften auf Feld U4
ist demnach auf die dort hauptsächlich verwandten
dunklen Hartgesteine zurückzuführen (Abb. 5).
1900
schlecht lesbar
Die Auswertung einer möglichen Abhängigkeit von
Lesbarkeit und Material stellte für Grabfeld A1 einen
eindeutigen Zusammenhang zwischen der Nichtlesbarkeit und den Grabmalen aus Sandstein und Marmor im Zeitraum 1880-1885 her (Abb. 4).
1895
Lesbarkeit
lesbar
Lesbarkeit
Abb. 1 zeigt: auf Feld A1 überwiegen die nicht lesbaren Inschriften mit einer Anzahl von 1111 (57%)
gegenüber 787 (40%) lesbaren Inschriften. Ein konträres Bild ergibt die Auswertung der Lesbarkeit auf
Feld U4: hier überwiegt die Anzahl von 463 lesbare
Inschriften (71%) die 173 nicht lesbaren Inschriften
(27%) (Abb. 3).
1890
Abb. 2: Grabmal von Nanette Goldschmidt, Grabfeld A1, Inschrift
R-Seite
Methodik
In der Regel geschah die Aufnahme vor Ort (auf den
Grabfeldern), bei schlechtem Wetter erfolgte die Abschrift von den Fotografien. Die Arbeit vor Ort erwies sich jedoch eindeutig als schneller und im Ergebnis genauer. Eine differenziertere Untersuchung
der Inschriften ließ die möglichst straffe und zügige
Aufnahme der Inschriften nicht zu. Von einer „Lesbarmachung“ unter Zuhilfenahme bewährter Hilfsmittel wie Befeuchtung, Streiflicht, Einrieb, Frottage
oder die Freilegung von Efeu wurde aus Zeitgründen
daher abgesehen.
Folgende Informationen wurden in die Datenbank
aufgenommen:
• Sprachbestimmung
• Einteilung der Inschriften in lesbar, schlecht lesbar und nicht lesbar.
• Inschriftenort (V-Seite, R-Seite, beidseitig)
• Inschriftentyp (vertieft oder erhaben), Fassung
(vergoldet bzw. farbgefasst)
• Ornament – und Symbolbestimmung.
Die Anzahl der Inschriften beläuft sich insgesamt auf
2627; davon entfallen 1970 Inschriften auf Grabfeld A1 und auf 656 auf Grabfeld U4.
1885
Jü
di
sc
Ziel
Bestimmung und Erfassung aller vorhandenen Inschriften, d. h. Abschriften in der Datenbank sowie
Aufnahme der Ornamentik und Bestimmung der
Symbolik innerhalb des Inschriftenfelds.
Ergebnisse
1880
Abb. 1: Grabmal von Nanette Goldschmidt, Grabfeld A1, Inschrift
V-Seite
Grundlagen
Grabmale in den Grabfeldern A1 und U4 mit ihren
verschiedenen Inschriftenarten und –orten.
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Inschriften 2
A1
deutsch in lateinischen Lettern
U4
hebräisch
andere
200
200
200
175
175
175
150
150
150
125
125
125
100
100
100
75
75
50
50
25
25
0
0
75
50
25
Da der Hauptanteil der deutschen und hebräischen
Inschriften auf Grabfeld A1 in die Zeit großer Beliebtheit von Sandstein und Marmor (1880 – 1885)
fällt und damit überwiegend nicht lesbar ist, lassen
sich epigraphische Entwicklungen kaum darstellen
und untersuchen. Eingedenk dessen sollte sich in Zukunft der Blick gezielt auf die Sichtbarmachung der
marmornen Inschriften richten, da jene gerade für
die Anfangszeit und die Entwicklung der Inschriften
wertvolle Informationen liefern könnten.
0
Abb. 5: Inschriftensprachen
Symbolik
Die auf dem Inschriftenfeld eingesetzte Ornamentik
ist zu 81% eindeutig als jüdische Symbolik zu definieren. Hierbei überwiegt der Davidstern, der häufig als Trennungslinie zur Unterteilung der Inschriften
verwandt wird. Weitere, eindeutig jüdische Symbole
wie die segnenden Hände oder die Kanne treten nur
vereinzelt auf (Abb. 9).
Beschriftung der Grabmalseiten
einseitig oder ohne
zweiseitig
A1
U4
16%
45%
55%
84%
Abb. 6: Beschriftung der Grabmalseiten
A1
di
sc
Platzierung
Die Inschriften weisen unterschiedliche Anbringungsorte auf. Sie sind sowohl auf der V- Seite (vom Grab
abgewandt) bzw. der R- Seite (dem Grab zugewandt)
als auch auf beiden Seiten angebracht. Abb. 5 zeigt,
dass sich auf Feld A1 der überwiegende Teil der Inschriften auf beiden Grabsteinseiten befindet (55%)
(Abb. 6).
Dabei überwiegen jene, welche die Zweiseitigkeit für
deutsche und hebräische Inschriften ausnutzen. Die
Mehrheit der nur einseitig beschriebenen Grabsteine hat auf Grabfeld A1 die Inschrift auf der V-Seite,
also der dem Grab abgewandten Seite.
In der Regel ist dies eine deutsche Inschrift (72%),
während das Hebräisch überwiegend auf der R-Seite zum Einsatz kam (97%).
Jü
Auf Grabfeld U4 ist ein deutlicher Wandel konstatierbar: Die Anzahl der zweiseitig mit Inschriften versehenen Grabsteine ist mit nur 15% deutlich zurückgegangen (Abb. 6).
Auch befindet sich die Mehrheit der Inschriften nicht
mehr auf der V-Seite, sondern hat sich auf die R-Seite
verlagert. Dies könnte seinen Ursprung in der neuen
Beerdigungs- und Friedhofsordnung von 1909 haben, welche die R-Seite als die Hauptinschriftenseite
festlegte (Abb. 8).
Da auf Grabfeld U4 deutsche Inschriften im allgemeinen dominieren, überwiegt auch hier das Deutsch
auf der R-Seite (Abb. 8).
1880
1885
1890
1895
1900
1905
1910
1915
1920
1925
1930
1935
1940
1949
1960
1993
2007
1880
1885
1890
1895
1900
1905
1910
1915
1920
1925
1930
1935
1940
1949
1960
1993
2007
1880
1885
1890
1895
1900
1905
1910
1915
1920
1925
1930
1935
1940
1949
1960
1993
2007
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Die Auswertung der Anzahl der Inschriften in Bezug
auf das Steinsetzungsdatum zeigt, dass für die Jahre
1880 - 1885 Hebräisch und Deutsch als Inschriftensprachen den Hauptanteil bilden. In den Jahren
1916/17 hingegen fällt das Hebräisch als Inschriftensprache hinter dem Deutschen weit zurück und
taucht selten vereinzelt und größtenteils nur noch als
Einleitungs- ( ‫ פ נ‬/ p.n.; ‫ פ ט‬/ p.t.) – oder Schlussformel ( ‫ ת נ צ ב ה‬/ t.n.z.b.h.) auf (Abb. 5).
Inschriftensprachen (jüngeres Steinsetzungsdatum)
se
e
Sprachen
Auf beiden Grabfeldern wurden folgende Inschriftensprachen eingesetzt:
Deutsch in lateinischen Lettern: insgesamt 1795 Inschriften; Feld A1: 1280, Feld U4: 515.
Deutsch in hebräischen Lettern: insgesamt 10 Inschriften; Feld A1: 10, Feld U4: 0.
Hebräisch: insgesamt 457 Inschriften; Feld A1: 441,
Feld U4: 16.
Deutsch-Hebräisch: insgesamt 130 Inschriften; Feld
A1: 78, Feld U4: 52.
Deutsch-Hebräisch (nur hebräische Einleitungs- oder
Schlussformeln): insgesamt 51 Inschriften; Feld A1:
27, Feld U4: 27.
V
R
1000
Vor allem der Vergleich zwischen der Symbolik auf
dem Inschriftenfeld und der Symbolik am Grabmal
verdeutlicht, dass innerhalb des Inschriftenfelds häufiger auf jüdische Symbole zurückgegriffen wurde als
auf allgemeine Ornamentik, während hingegen auf
den Grabmalen selbst zu jeweils 50% jüdische Symbolik und allgemeine Grabsymbolik zum Einsatz kamen (Abb. 10).
923
900
Symbolart der Inschriften
800
Davidstern
segnende Hände
Kanne
Palmzweig
600
500
429
400
356
300
200
100
35
5
36
12
6
5
0
deutsch in
hebräischen
Lettern
deutsch in
deutsch-hebräisch
deutsch-hebräisch
lateinischen Lettern
(nur hebr. Formeln)
hebräisch
Davidstern
81%
Abb. 7: Anbringungsort der Inschriftensprachen auf Feld A1
U4
V
R
1000
Abb. 9: Anbringungsort der Inschriftensprachen
900
800
Symbolik in der Inschrift und am Grabmal
700
jüdische Symbolik
christliche Symbolik
allgemeine Grabsymbolik
600
Inschrift
500
Grabmal
447
400
11%
0%
300
50%
200
100
65
88%
1
24
2
25
15
1
0
deutsch in
hebräischen
Lettern
deutsch in
deutsch-hebräisch
deutsch-hebräisch
lateinischen Lettern
(nur hebr. Formeln)
hebräisch
Abb. 8: Anbringungsort der Inschriftensprachen auf Feld U4
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
andere
700
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Abb. 10: Symbolik in der Inschrift und am Grabmal
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
50%
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Materialien
sc
Basalte/ Dolerite
Diese monochromen, schwarzen bis schwarzbräunlichen Gesteine stammen fast ausschließlich aus
Skandinavien und sind besser unter ihrem Handelsnamen „Schwarzer Granit“ oder „Schwarzer Schwede“ bekannt. Da die Gesteine ohne mikroskopische
Analyse kaum von vereinzelt auftretenden Basalten,
Pikriten, Tonaliten aus Thüringen oder Hessen unterschieden werden können, wurden sie in einer gemeinsamen Gruppe zusammengefasst.
Jü
di
Diabase/ Gabbros
Dunkle Hartgesteine, die über einen ähnlichen Mineralbestand wie die Basalte/ Dolerite verfügen, aber
eine auffällige Textur wirr angeordneter, helle Feldspäte zeigen. Die meisten der schwarz bis schwarzgrünlichen Gabbros stammen aus der Lausitz und
werden auch als „Lausitzer Lamprophyr“ oder „Lausitzer Syenit“ vertrieben. Durch Mineralumwandlung
an der Oberfläche können die Gesteine vergrünen
und sind kaum von den häufig auftretenden Diabasen wie dem „Ochsenkopf-Proterobas“ zu unterscheiden.
dunkle Hartgesteine
Marmor
U4
A1
20
20
18
18
16
16
14
14
12
12
10
10
8
8
6
6
4
4
2
2
0
0
1881
1882
1883
1884
1885
1886
1888
1889
1891
1892
1893
1895
1899
1900
1901
1903
1904
1905
1908
1909
1912
1914
1916
1917
1918
1919
1920
1921
1922
1926
1929
1930
1931
1932
1933
1934
1939
1940
Die Kartierung der Natursteine basiert auf rein makroskopischen Kriterien und folgt der Nomenklatur
einer bereits 1997 durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften ausgeführten Kartierung, die neben der vollständigen Aufnahme des
Jüdischen Friedhofes in der Schönhauser Allee auch
3166 Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee zum Ziel hatte.
Kalksteine
Die grauen, teilweise deutlich geschichteten Muschelkalksteine stammen größtenteils aus Franken und
Thüringen. Durch partielle Beprobung von Bruchstücken mittels verdünnter Salzsäure konnte festgestellt
werden, dass es sich bei einigen der Bauteile um
perfekt imitierte Kunststeine handelt. Muschelkalke
wurden nur für architektonisch aufwendige Grabsteine und Erbbegräbnisse verwendet.
Material Schriftplatte der Pultsteine
1881
1882
1883
1884
1885
1886
1888
1889
1891
1892
1893
1895
1899
1900
1901
1903
1904
1905
1908
1909
1912
1914
1916
1917
1918
1919
1920
1921
1922
1926
1929
1930
1931
1932
1933
1934
1939
1940
Abb. 2: Materialien Grabfeld U4
Abb. 4-5: Pultsteine Grabfeld A1/ U4. Die Sockelzonen der Pultsteine
wurden aus Sandstein gefertigt; das Material der Schriftplatten hingegen wechselte von Marmor (Großkunzendorf) zu skandinavischem
Dolerit.
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Abb. 1: Materialien Grabfeld A1
Sandsteine
Die auf dem Friedhof auftretenden Sandsteine stammen hauptsächlich aus verschiedenen Brüchen des
Elbsandsteingebietes. Das weißgraue bis gelbliche
Gestein verfügt über deutlich sichtbare fossile Reste
und eine charakteristische Textur grauer Tonlagen.
Daneben wurden schlesische Sandsteine kartiert,
die wesentlich grobkörniger sind und zu einer massiven schwarzen Patina neigen. Diese recht harten,
quarzgebunden Sandsteine sind optisch kaum von
anderen kreidezeitlichen Sandsteinen aus Sachsen
bzw. Niedersachsen zu unterscheiden, die in deutlich geringer Anzahl vertreten sind.
se
e
Marmor
Auf den beiden Grabfeldern sind zwei verschiedene
Marmorvarietäten kartiert worden: ein sehr feinkörniger, weißer Marmor aus Carrara und der deutlich
grobkristalline, schlesische Marmor aus Slawnicowice (ehemals Großkunzendorf). Letzterer erscheint
heute einheitlich grau, konnte aber bruchfrisch in
seiner Färbung von weiß, graublau bis violett variieren.
Abb. 6: Materialität der Schriftplatten der Pultsteine
Kunststeine
Als Kunststeine wurden Materialen kartiert, die im
Gegensatz zu Grabsteinen aus Beton durch charakteristische Zuschlagstoffe und Bindemittel einen
natürlichen Werkstoff zu imitieren versuchen. Nachgeahmt wurden hauptsächlich Granite, Sandsteine
und Muschelkalksteine.
Beton
Für die Herstellung von Gemeindesteinen wurde ab
1913 ausschließlich Beton verwendet.
Andere Materialen
Neben den erwähnten Gesteinen treten auf den
Grabfeldern A1 und U4 nur vereinzelt auf: Basaltlava, Buntsandstein, Charnockit, Larvikit, Quarz, Syenit und verschiedene Tuffgesteine. Auf den anderen Grabfeldern sind bis auf wenige Ausnahmen die
gleichen Materialen zu erwarten. Dies trifft jedoch
nicht auf die Grabfelder zu, die ab 1990 belegt wurden.
Abb. 7-8: Einige architektonische Formen wie die Stele mit pyramidalem Abschluss bestehen aus ganz unterschiedlichen Materialien, während die Tafeln ausschließlich aus Marmor und Sandstein gefertigt
wurden. Die meisten Marmortafeln schließen mit einem Rundbogen
ab. Daher ist zu vermuten, dass diese als sogenannte Halbfabrikate
bereits in den Brüchen vorgefertigt wurden.
Material (Grabstein, Sockelzone-Pultstein, aufgehende Architektur-Grabbau))
600
500
400
300
Granite/ Diorite
Zu dieser Gruppe zählen alle kartierten Plutonite mit
deutlich mittel- und grobkörnigem Gefüge weißgrauer bis roter Färbung. Man kann davon ausgehen,
dass die hellen Gesteine aus Lausitzer und schlesischen Abbaugebieten kommen, während die kontrastreichen rot-schwarzen Granite ausschließlich
aus Skandinavien stammen.
488
200
334
300
221
100
159
112
108
Granit
andere
0
Marmor
Sandstein
Basalt/Dolerit
Beton
Diabas/Gabbro
Abb. 3: verwendete Materialien auf den untersuchten Grabfeldern A1
und U4
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Abb. 9: Sandsteine waren im 19. Jahrhundert wegen der günstigen
Transportwege und besonders wegen der leichten Verarbeitung wesentlich preiswerter als Marmor oder skandinavische Hartgesteine.
Erhaltene Farbreste deuten darauf hin, dass die Grabsteine entweder
durch einen Farbauftrag geschützt werden sollten, oder, wie es eine
Diplomarbeit der FH Potsdam belegt, kostspielige Natursteine zu imitieren versucht wurden.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
Schäden
Kosten der Konservierung/ Restaurierung/
Rekonstruktion auf dem Grabfeld A1
se
e
Materialzustand
Die Gesteine zeigen in ihrem Verwitterungsverhalten
erwartungsgemäß recht deutliche Unterschiede. Die
Hartgesteine, vor allem die skandinavischen Dolerite, verfügen über keine Alterungsspuren, während
besonders die Sandsteine des Elbsandsteingebirges
von einer intensiven physikalischen und chemischen
Verwitterung gekennzeichnet sind.
Im Gegensatz zu den quarzgebundenen Sandsteinen anderer Herkunftsgebiete sind die Sandkörner
dieser Gesteine durch Tonminerale miteinander verbunden. Die wechselnde Durchfeuchtung lässt die
Tonminerale quellen und schrumpfen und führt zu
einer Lockerung des Gefüges, was wiederum ein Absanden bzw. Abschalen des Gesteines zur Folge hat.
Dieses Phänomen tritt verstärkt auf der dem Wetter
abgewandten Seite und im Kernbereich der Gesteinsoberfläche auf, weshalb für dieses spezielle Schadensbild häufig der Begriff „Rahmenverwitterung“
verwendet wird.
Auf den kartierten Grabfeldern sind mehr als 50 %
der Grabsteine aus sächsischem Sandstein von diesem Schadensbild betroffen (Abb. 4-5).
Abb. 6: Gesamtzustand Grabfeld A1
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Standsicherheit
Die Standsicherheit der Grabsteine und Erbbegräbnisse wird vornehmlich durch Wurzelhebung und
herabfallendes Totholz gefährdet. Letzteres stellt den
größten Schadensfaktor im Grabfeld U4 dar (Abb.
1-3).
Da im Grabfeld A1 das Gehölz vor bzw. nach dem
Fall entfernt wurde, ist dieser Schadensfaktor hier
nicht mehr eindeutig nachweisbar.
Darüber hinaus gibt es Grabsteine, die seit Jahrzehnten geneigt, aberr in ihrer Standsicherheit nicht
gefährdet sind. Ihre Neigung resultiert wahrscheinlich aus einem kurz nach dem Aufstellen erfolgten
Nachgeben des Untergrundes. Nicht zu unterschätzen hingegen ist die schädigende Wirkung des auf
vielen Grabsteinen anzutreffenden Efeus. Er wächst
vornehmlich auf Sandstein und Marmor, deren Oberflächen Bruchsteine oder vegetabile Formen imitieren, so wie dies bei fast allen Pultsteinen der Fall ist.
Die Triebe schädigen durch ihre Volumenzunahme
nicht nur das Material, sondern haben auch wesentlichen Anteil daran, dass zwei Drittel der Schriftplatten teilweise oder ganz gelöst sind.
Die ermittelten Kosten der Konservierung belaufen
sich nur auf die an Natur- und Kunststein und dessen substanzieller Erhaltung ausgeführten Arbeitsleistung von Handwerkern und Restauratoren. Bei
Erbbegräbnissen wurden, wenn nötig, zusätzliche
Kosten für ein provisorisches Abstützen mit einbezogen.
Rahmenverwitterung Sandsteine
Rahmenverwitterung
andere
160
140
137
120
104
100
80
60
40
22
20
10
0
Sandstein (Cotta / Reinhardtsdorf)
Abb. 4: Rahmenverwitterung Sandsteine
Abb. 7: Standsicherheit Grabfeld A1
Für die Restaurierung wurden die Arbeitsstunden
zu Grunde gelegt, die sich an den bisher dokumetierten Restaurierungsarbeiten des Friedhofs Weißensee orientieren. Bei den Erbbegräbnissen lag
das Hauptaugenmerk dabei auf der dauerhaften
Wiederherstellung der Standsicherheit. Darüber
hinaus sind je nach Schädigung auch Kosten für
Verdachungen, Vierungen, Ergänzungen mit Ersatzmörteln, Polituren, Farbfassungen und Vergoldungen inbegriffen.
di
sc
Abb. 1: Standsicherheit Grabfeld U4
Sandstein (Schlessisch)
Jü
Abb. 2: Biogene Schadensursachen Grabfeld U4
Abb. 8: Erhaltungsaufwand Rekonstruktion Grabfeld A1
Abb. 3: V
Von Totholz niedergerissene Grabsteine auf Grabfeld U4
Abb 5: Grabmal 01101022 auf Grabfeld A1. Im Einzelfall können
die sächsischen Sandsteine durch die Verwitterung soweit ausdünnen,
dass diese zu brechen drohen.
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer
Projektkoordination: Dipl.-Ing. Tobias Rütenik
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Isabelle Frase, Dr. Elgin von Gaisberg, Dipl.-Ing. Leilah Haag,
Mathias Handorf, Tobias Horn M.A. M.Sc., Sarah Kuznicki M.A.,
Dipl.-Ing. Christina Straße, Anja Tuma M.A. M.Sc.
Die Rekonstruktionskosten beziehen sich ausschließlich auf die Wiederaufrichtung von partiell
oder vollständig gestürzten Grabmälern und Erbbegräbnissen oder - wenn möglich - auff die Neuanfertigung verlorener oder zerstörter Bauteile.
Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte
Fachgebiet Geoinformationsverarbeitung
in der Landschafts- und Umweltplanung
Jüdischer Friedhof Weißensee
‫בת הקברות היהודי וויסנזה‬
- Inventarisation / Pilotprojekt 2007/2008 -
Vegetation
he
‫ זה‬r F
‫ סנ‬rie
‫ ווי‬d
‫ די‬ho
‫ הו‬f B
‫ הי‬e
‫ ות‬rli
‫ בר‬n‫ הק‬W
e
‫ י ת‬iß
‫ ב‬en
Spontaner Gehölzaufwuchs
Daneben differenziert jedoch insbesondere der spontane Gehölzaufwuchs die heutige Vegetation der
Grabfelder. Die als Allee- oder Grabgehölze eingebrachten Arten haben auch einen bedeutenden
Anteil an den Arten der spontanen Gehölzflora der
jeweiligen Grabfelder. Die Naturverjüngung der
Kulturgehölze ist daher wahrscheinlich eine wichtige
Quelle für die spontane Gehölzentwicklung.
Das unterschiedliche Alter der untersuchten Grabfelder schlägt sich im mittleren Brusthöhendurchmesser sowohl der gepflanzten als auch der spontanen
Bäume wieder. Die Bäume auf dem ältesten Feld A1
sind deutlich dicker als auf den jüngeren Feldern
U4 und P4. Naturschutzfachlich bedeutsame Sonderstrukturen wie Baumhöhlen und -risse finden sich
daher auch besonders häufig auf dem Feld A1. Sie
sind am häufigsten an den Alleebäumen und deutlich
weniger an den spontan aufgewachsenen Bäumen
zu finden (Abb. 1 & 2). Dem Erhalt der originalen
und entwicklungsgeschichtlich eingebrachten Baumsubstanz kommt daher sowohl aus denkmalpflegerischer als auch aus naturschutzfachlicher Sicht eine
große Bedeutung zu.
se
e
Die Vegetationsentwicklung auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee verlief in Abhängigkeit von Alter und
Pflege der einzelnen Grabfelder sehr unterschiedlich.
Auf Luftbildern aus den 1920er Jahren ist neben den
Alleebäumen bereits auf der überwiegenden Fläche
ein Gehölzbewuchs im Inneren der Grabfelder zu
verzeichnen, der auf die Einbringung von Grabgehölzen zurückzuführen ist.
Abb. 1: Sonderstrukturen wie Risse und Höhlen an Gehölzen sowie der Umfang der Gehölze in Grabfeld A1.
Vegetation auf den Grabstellen und -steinen
Die drei untersuchten Grabfelder weisen einen deutlichen Pflegegradienten auf: von dem stark gepflegten
Feld P4 über das Feld A1, mit gelegentlichem Gehölzschnitt, bis zu U4, in dem weitgehend jede Pflege unterbleibt. Die ungesteuerte Entwicklung im Feld
U4 schlägt sich insbesondere in einem hohen Biotopholzanteil am Boden (Abb. 3) und einer hohen
Efeudeckung nieder. In diesem Feld ist die Deckung
der Kraut- und Strauchschicht so hoch, dass kaum
noch Gehölzverjüngung stattfindet (Abb.4).
Jü
di
sc
Der Bewuchs an Grabmälern von Flechten, Moos
oder Efeu stellt einen besonderen Aspekt der Friedhofsflora dar. Der Bewuchs mit Moosen und Flechten ist dabei zum einen vom Material, zum anderen
vom Alter des Grabsteins abhängig (Abb. 5).
61-100%
31-60%
1-30%
kein Totholz
Abb. 2: Sonderstrukturen wie Risse und Höhlen an Gehölzen sowie der Umfang der Gehölze in Grabfeld U4. Legende s. Abb. 1.
61-100%
31-60%
1-30%
kein Gehölzjungwuchs
Marmor
0,9
100%
100%
0,8
90%
90%
0,7
80%
80%
70%
70%
60%
60%
50%
50%
40%
40%
30%
30%
20%
20%
10%
10%
Sandstein
Granit
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0%
0,1
0%
A1
U4
P4
Abb. 3: Bedeckung der Grabmalflächen mit Biotopholz in vier Deckungsklassen für die Grabfelder A1, U4 und P4.
0
A1
U4
P4
Abb. 4: Bedeckung der Grabmalflächen mit Gehölzjungwuchs
(<1m) in vier Deckungsklassen für die Grabfelder A1, U4 und P4.
Projektleitung: Prof. Dr. Ingo Kowarik (Fachgebiet Ökosystemkunde / Pflanzenökologie)
und Dr. Caroline Rolka (Landesdenkmalamt Berlin)
Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum
Dipl.-Ing. Leonie Fischer, Dipl.-Biol. Andreas Lemke,
Dr. Moritz von der Lippe, Dirk Martens, Dipl.-Ing. Frauke Weber
1880 - 1889
1890 - 1899
1900 - 1909
1910 - 1919
1920 - heute
Abb. 5: Anteil der Grabsteine mit Flechtenbewuchs in Abhängigkeit
von Material und Alter der Steine in den Grabfeldern A1 und U4.
Herunterladen