BSE - wie groß ist die Infektionsgefahr für den Menschen Es ist ein

Werbung
BSE - wie groß ist die Infektionsgefahr für den Menschen
Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg
Es ist ein Standardproblem bei allen Infektionskrankheiten, daß sich hypothetische
Infektionswege nie zu 100% ausschließen lassen, was naturgemäß diesbezüglichen
Spekulationen freien Lauf läßt. Reale Infektionswege bzw. Infektionsgefahren lassen
sich aber abschätzen, wenn man die folgenden infektiologischen Erkenntnisse
zugrundelegt:
Bei der Übertragung von Krankheitserregern kommt es nicht automatisch zur
Erkrankung der Betroffenen sondern es müssen bestimmte Voraussetzungen zum
Angehen der Infektion gegeben sein. Neben der individuellen Disposition (z.B.
Immunstatus) ist hier in erster Linie die Infektionsdosis zu nennen. Diese kann je
nach Erreger sehr unterschiedlich sein; sie reicht von wenigen infektiösen Stadien
wie bei manchen Parasiten bis zu ca 1 Mio Erreger wie bei den meisten
Salmonellen-Typen.
Aufgrund der jetzt vorliegenden Daten muß heute eine Infektiosität der BSE-Erreger
für den Menschen angenommen werden, die Infektionsdosis ist naturgemäß aber
nicht bekannt, so daß sich die Infektionsgefährdung des Menschen nicht in konkreten
Zahlen ausdrücken läßt. Einige Daten sollen jedoch die Wahrscheinlichkeit bzw.
Unwahrscheinlichkeit einer Infektion verdeutlichen:
Aus Tierversuchen mit BSE-Erregern weiß man, daß die Höhe der Infektionsdosis
vom Infektionsweg abhängig ist. Ist bei Injektion ins Gehirn (Nachweisverfahren im
Tierversuch) eine bestimmte minimale Erregermenge erforderlich (1 infektiöse
Einheit) , so benötigt man bei intravenöser Gabe die zehnfache Menge; werden die
Erreger jedoch über die Nahrung aufgenommen, so ist eine hunderttausendfach
höhere Infektionsdosis erforderlich.
Bei einem an BSE-erkrankten Rind enthalten nicht alle Organe und Gewebe die
gleiche Konzentration an Erregern. Gemäß einer Aufstellung des "Ausschusses für
Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA)" finden sich die
höchsten Erreger-Mengen in Gehirn, Rückenmark, Augen, sowie in Geweben und
Organen des Bauchraums (lymphatisches Gewebe Milz, Darm u.a.). Dagegen ließen
sich in Blut, Serum, Milch, Skelettmuskeln, Knochengewebe u.a. die Erreger nicht
nachweisen, ebensowenig in Ausscheidungen wie Fäkalien, Urin oder Speichel. Dies
bedeutet nicht, daß ein Vorkommen von BSE-Erregern in den letztgenannten
Substraten völlig ausgeschlossen ist, die Erregermenge ist dann jedoch als sehr
gering anzunehmen.
Zur Erkrankung der Tiere kommt es als Folge einer Massenvermehrung der Erreger
im Organismus, v.a. im Gehirn. In diesem Fall wird der BSE-Test positiv. Bei Tieren
in der Inkubationszeit, i.d.R. bei Tieren unter 30 Monaten ist nicht mit einem positiven
Test zu rechnen, obwohl hier bereits Erreger vorhanden sein müssen. Sie treten
jedoch in wesentlich geringerer Menge und in weniger Geweben auf.
Wie ist die Infektionswahrscheinlichkeit über Verzehr von Rinder-Produkten unter
Berücksichtigung dieser Faktoren einzuschätzen?
Fleisch: Im Muskel selbst, d.h. im Fleisch finden sich die Erreger zwar nicht, sie
können aber in dem im Muskel befindlichen lymphatischen Gewebe und
Nervengewebe vorkommen oder das Fleisch könnte bei der Schlachtung
kontaminiert worden sein. Durch die Kontamination und das lymphatische Gewebe
(s.o.) wären Prionen im Fleisch jedoch nur in vergleichsweise geringen Mengen
vorhanden, so daß die Aufnahme einer infektiösen Dosis über das Fleisch eines
unerkannt infizierten Rindes wenig wahrscheinlich ist.
Milch: Ein Nachweis von BSE-Erregern in der Milch ist bisher nie gelungen. In der
Molkerei würde es im Milchpool darüberhinaus zu einer starken Verdünnung der hypothetisch vorhandenen- Erreger kommen, sodaß eine Infektion über Milch und
Milchprodukte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.
Gelatine: Gelatine wird zu ca 10% aus Rinderknochen hergestellt; ein Nachweis von
BSE-Erregern in Knochengewebe ist nie gelungen. Die Wahrscheinlichkeit einer
Infektion auf diesem Weg wird weiter verringert durch den Verdünnungsfaktor sowie
durch aggressive Herstellungsverfahren, bei denen eine weitgehende Reduktion der
Erreger anzunehmen ist.
Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind erforderlich vor intravenöser Verabreichung
von menschlichem Blut sowie von Rinderprodukten, da gegenüber der oralen
Einahme von infektiösem Material eine intravenöse Injektion ein erheblich größeres
Infektionsrisiko mit sich bringt.
Blut: Das Fehlen einer Diagnostik in der Inkubationszeit macht es unmöglich,
Blutspender auf eine CJK zu überprüfen. Wie manche Tierversuche ergeben haben,
kann ein Auftreten von BSE-Erregern im Blut nicht prinzipiell ausgeschlossen
werden. Bei der klassischen CJK ergibt sich aus den vorhandenen Daten jedoch kein
Hinweis auf Infektionen durch Blutübertragung. Bei der BSE-bedingten CJK (neue
Variante) kann dies nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. In
Deutschland hat der "Arbeitskreis Blut" daher eine Stellungnahme abgegeben,
wonach vorsorglich Blut- und Plasmaspender, die sich zwischen 1980 und 1996
insgesamt länger als sechs Monate in Großbritannien aufgehalten haben,
grundsätzlich von der Spende auszuschließen sind. Gleichzeitig werden alle
Blutspendedienste aufgefordert, die vom Paul-Ehrlich-Institut bis Oktober 2001
angeordnete Abtrennung der Leukozyten nach Möglichkeit vorzuziehen.( Die weißen
Blutkörperchen sollen nach den Untersuchungen einiger Autoren die Hauptvermittler
der Prionen-Infektiosität darstellen.)
Impfstoffe: Bei der Herstellung von Impfstoffen werden Rinderprodukte sowie fötales
Kälberserum eingesetzt, für die es keine Alternative gibt. Für die Zulassung von
Impfstoffen ist das Paul-Ehrlich-Institut verantwortlich, das strenge Kontrollen auf
BSE-Freiheit (protokollierte Herkunft aus BSE-freien Ländern) durchführt. Impfstoffe
die in Deutschland auf dem Markt sind, können daher als BSE-sicher eingestuft
werden.
Erfahrungsgemäß ist die Angst der Menschen vor einem schwer einschätzbaren
oder gar unbekannten Infektionsrisiko stets ungleich größer als vor bekannten
Risiken. Sicherlich ist jedoch die Bedrohung durch BSE in Deutschland als
wesentlich geringer einzuschätzen als beispielsweise das alltägliche "normale" Risiko
des Straßenverkehrs.
Herunterladen