Tiere im Trinkwasser – Rohwasser

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Tiere im Trinkwasser – Rohwasser
4. Landauer Fachtreffen vom 11. Juni 2015
Welche und wie viele Tiere befinden sich eigentlich im Rohwasser und gibt es regionale
Unterschiede? Und was können uns die Tiere im Rohwasser über das Gefährdungspotential für die
Wasserqualität sagen? Wann befinden sich zu viele Tiere im Rohwasser? Mit diesen Fragen befasste
sich das Landauer Fachtreffen 2015. PD Dr. Hans Jürgen Hahn begrüßte im Namen der Universität
Koblenz-Landau und der Institut für Grundwasserökologie IGÖ GmbH die knapp 50 Teilnehmer, die z.
T. von weither angereist waren.
Herr Dr. Hahn betonte, dass das Auftreten von Tieren sowohl im Rohwasser als auch in
Trinkwasseraufbereitungs- und -versorgungsanlagen eines der ältesten Phänomene seit Bestehen der
Trinkwasserversorgung ist und legte dar, dass ihr Vorkommen die Regel ist und kaum verhindert
werden kann. Die Invertebraten im Rohwasser seien Bioindikatoren und können wichtige
Informationen über die Gewinnungsgebiete und Förderanlagen geben. Damit sind sie ein
hervorragendes Werkzeug für die Qualitätssicherung in der Trinkwasserversorgung.
Um erste vergleichende Grundlagendaten zu sammeln, hat die Universität in Landau mit
Studierenden das aktuelle „Rohwasser“-Projekt gestartet. Die Ergebnisse, die im zweiten Teil der
Tagung vorgestellt wurden, waren sehr spannend und z. T. auch überraschend (s. u.). Herr Dr. Hahn
dankte allen Projektteilnehmern und Studierenden für die hervorragende und engagierte
Zusammenarbeit.
Im Auftaktvortrag umriss Herr Dr. Burghard Westphal, Geschäftsführer der Westfälischen Wasserund Umweltanalytik GmbH, das Thema Invertebraten in Trinkwasserversorgungsanlagen und
erläuterte den Teilnehmern anhand vieler Beispiele, Photos und mitgebrachter Tiere seine
langjährige Erfahrung mit Tieren in der Wasserversorgung.
Die anschließende Tierschau zeigte, begleitet von den anschaulichen Kommentaren von Herrn Dr.
Hahn, eindrucksvolle Bilder lebender Invertebraten aus dem Grundwasser, aus Quellen und von
Oberflächengewässern. Dabei konnten die Unterschiede im Aussehen zwischen Grundwasser- und
Oberflächenwassertieren verdeutlicht werden.
Danach stellte Frau Dr. Heide Stein von der Institut für Grundwasserökologie IGÖ GmbH die
wichtigsten biogeographischen Aspekte vor, welche die regionale Zusammensetzung der Tiere
beeinflussen. So können für die einzelnen biogeographischen Regionen Mitteleuropas
(Stygoregionen) Referenz-Lebensgemeinschaften ermittelt werden, die für die Bewertung von
Rohwasser-Standorten unabdingbar sind. In einer großen UBA-Studie konnten bisher die vier
Stygoregionen Nördliches Tiefland, Zentrale Mittelgebirge, Südwestliche Mittelgebirge und die
Nordalpen abgegrenzt werden.
Herr Dr. Sven Berkhoff von der Universität Koblenz-Landau stellte zu Beginn seines Vortrages den
Lebensraum Grundwasser vor und erläuterte die anatomischen und physiologischen Anpassungen
der echten Grundwassertiere (Stygobionte). Herr Dr. Berkhoff betonte die Bedeutung der
Grundwasserfauna als wichtige Ökosystemdienstleister und ging danach vor allem auf die
wichtigsten standörtlichen Schlüsselfaktoren ein, welche die Lebensgemeinschaften des
Grundwassers, der Quellen und von Uferfiltrationsstandorten beeinflussen. Dies sind vor allem der
organische Kohlenstoff als Nahrungsgrundlage und der Sauerstoff. Beide Faktoren werden über den
hydrologischen Austausch zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser gesteuert. Anhand der
Stoffgradienten ändern sich die Zusammensetzung und Verhältnisse zwischen Grundwasser- und
Oberflächentieren, so dass die Fauna den hydrologischen Austausch sehr gut widerspiegelt.
Rohwässer mit hohen Oberflächenwasseranteilen weisen dementsprechend höhere Mengen von
Invertebraten auf. Dabei handelt es sich dann meist um grundwasserfremde Arten, die ein hohes
Potential aufweisen, sich massenhaft zu vermehren. Gerade Rohwässer aus Quellen und
Uferfiltrationsstandorten sind, so Herr Dr. Berkhoff, aufgrund ihrer oft höheren Oberflächenwasseranteile generell stärker gefährdet.
Nach der Mittagspause wurden dann die Ergebnisse der Rohwasserstudie von den beteiligten
Studenten der Universität Koblenz-Landau vorgestellt. Nach einer allgemeinen Übersicht der
Ergebnisse für alle untersuchten Standorte (Abb. 1) von Frau Venja Fischer und Frau Lorena Ottinger
folgten drei Präsentationen zu den Stygoregionen „Nördliches Tiefland“ (Lilian Hirschmann und
Yonca Kantemir), „Zentrale Mittelgebirge“ (Alwina Merkel) und „Südwestliche Mittelgebirge“
(Madeleine Hammer). Dabei konnten deutliche Unterschiede zwischen den Regionen und den
Rohwassertypen aufgezeigt werden:

Quellen und Talsperren waren aufgrund des stärkeren Einflusses von Oberflächenwasser z. B.
deutlich dichter besiedelt als Grundwasserbrunnen.

Das Nördliche Tiefland ist wegen der eiszeitlichen Überprägung durch Feinsedimente,
geringen Porenraum und Sauerstoffarmut gekennzeichnet. Die schwerpunktmäßig
beprobten Grundwasserbrunnen waren fast immer nur sehr gering und nur von kleinen
Tieren < 1 mm bzw. Milben besiedelt.

Das Rohwasser der Zentralen Mittelgebirge zeigte sich am arten- und individuenreichsten.
Dies lag vor allem an den hohen Anteil von Quellen, die meist stärker besiedelt sind als
Brunnen.

Die Rohwässer der Südwestlichen Mittelgebirge mit ihren großen Karst- und Kluftgebieten
zeigten wider Erwarten eine geringe Besiedlungsdichte als die Zentralen Mittelgebirge.
Allerdings war der Anteil an beprobten Quellen und Talsperren im Süden deutlich geringer.

Reinwasser: Die ersten Ergebnisse wurden für das Nördliche Tiefland vorgestellt. Diese
weisen darauf hin, dass die Dichten der Invertebraten im Reinwasser Norddeutschlands sehr
viel höher als im Rohwasser waren. Vermutet wird, dass während der Aufbereitung des
Wassers, unterstützt durch die Belüftung, die hohen DOC-Gehalte das Bakterien- bzw.
Biofilmwachstum begünstigen. Die Biofilme als Nahrungsquelle für Invertebraten erlauben
schließlich eine stärkere Vermehrung der Invertebraten.
Zum Abschluss leitete Herr Dr. Hahn die Diskussion mit einigen ausgewählten Fallbeispielen ein und
fasste die Ergebnisse der Rohwasserstudie noch einmal zusammen. Danach entwickelte sich noch
eine lebhafte Diskussion zwischen den Tagungsteilnehmern insbesondere auch über den internen
Umgang mit Tieren in der Wasserversorgung und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Deutlich
wurde im Laufe der Diskussion, dass die Fauna im Rohwasser ein hervorragender Bioindikator für den
Oberflächenwassereintrag und damit auch für die potentielle Gefährdung des Rohwassers ist.
In einem weiteren Punkt waren sich alle Beteiligten - Teilnehmer, Studenten und Dozenten - einig:
Das Rohwasser-Projekt war ein voller Erfolg und weitere Projekte mit Studierenden wären
wünschenswert.
Abb. 1: Anzahl der Tiere pro m³ für die einzelnen Stygoregionen
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