DER HERRSCHERKULT IM IMPERIUM ROMANUM Referentin: Mona Schön Seminar: Rom in Spätantike und Frühmittelalter Datum: 20.1.2013 (Rom) Dozenten: K. Ruffing, A. Meyer DEFINITION KAISERKULT Der Kaiserkult war kein reichseinheitlicher Kult. Es gab eine “mannigfaltige Fülle von Kulten der einzelnen Kaiser” (Wlosok) in den verschiedenen Reichteilen. Kult konnte beispielsweise durch einen Tempel, Priester oder einen Altar mit Opfern zum Ausdruck kommen. Wie bei den ursprünglichen Göttern, erwarteten die Menschen für die Kultausübung vom Kaiser eine Gegenleistung (do ut des). Eine scharfe Trennung des Kaiserkultes für einen als göttlich angesehen Kaiser und der Kaiserverehrung für den menschlichen Kaiser ist nicht immer möglich. U RSPRÜNGE DES RÖMISCHEN KAISERKULTES Abgesehen von verschiedenen Vorgängern des Herrscherkultes im Osten, insbesondere dem Alexanderkult, gab es auch in der römischen Republik Vorläufer des Kaiserkultes. So wurden der Θεὰ Ρώμη in den hellenistischen Provinzen bereits früh Tempel errichtet. Auch Sulla wurde zwar nicht vergöttlicht, wurde aber, als der Göttin Fortuna besonders nahest ehend, verehrt. Weitere herausragende Gestalten der späten Republik, wie Pompeius und natürlich Caesar, rückten sich ebenfalls durch Insignien u. ä. in die Nähe der Götter. Dieses Verhalten rief im Gegensatz zu späteren Zeiten noch größeren Widerspruch hervor. ANFÄNGE DES KAISERKULTES UNTER AUGUSTUS 44 v. Chr. stirbt Caesar. 42 v. Chr. erfolgt die consecratio (Vergöttlichung) Caesars durch einen Senatsbeschluss. Octavian trägt nun den Namen “Gaius Iulius Divi filius Caesar” (vgl. Quelle 1). 29 v. Chr. bitten die Provinzen Asia und Bithynien um Erlaubnis, einen Tempel für Augustus zu errichten (vgl. Quellen 2 und 3). Derartige Kaiserkultanlagen finden sich im Westen des Reiches seltener und später, erst unter Claudius und vor allem Vespasian werden sie auch im Westen häufiger. 27 v. Chr. erhält Octavian durch Senatsbeschluss den Beinamen “Augustus” und heißt seitdem “Imperator Caesar Divi filius Augustus”. 12 v. Chr. beginnt der Kult des Genius Augusti. 14 n. Chr. stirbt Augustus und wird anschließend vom Senat konsekriert. In der Regierungszeit des Augustus wurde der Grundstein für die weitere Entwicklung des Kaiserkultes unter seinen Nachfolgern gelegt. Die formelle Vergöttlichung eines verstorbenen Kaisers erfolgte immer auf die gleiche Weise: Es gab ein entsprechendes Begräbnis, der Senat beschloss die consecratio auf Antrag des neuen Kaisers, daraufhin wurden dem Vergöttlichten flamines ernannt, Tempel und Altäre errichtet. Dieses Verfahren wurde auf nahezu alle Kaiser, und einige Kaiserinnen, bis Diokletian angewendet, die nicht der damnatio memoriae verfielen. W EITERE ENTWICKLUNG DES KAISERKULTES T IBERIUS ließ dem verstorbenen Augustus Ehren zukommen, widersprach aber der Errichtung von Kulten für sich selbst und seine Mutter und verbat auch die consecratio der Livia (vgl. Quelle 4). CALIGULA ließ sich bereits zu Lebzeiten in Rom als Gott verehren (vgl. Quelle 5). Seine verstorbene Schwester Drusilla ließ er nach ihrem Tod als Πάνθεα verehren. CLAUDIUS orientierte sich wieder an den Vorgängern Caligulas und veranlasste die consecratio der Livia. V ESPASIAN duldete im Geg ensatz zu Nero keine göttliche Verehrung zu Lebzeiten. DOMITIAN förderte die Kulte seiner Vorgänger zur Stärkung der Dynastie und damit auch seiner eigenen Position. Er ließ sich die Bezeichnungen dominus und deus gefallen. T RAJAN lehnte zwar göttliche Verehrung für sich ab, begründete aber Provinzkulte in den neu geschaffenen Provinzen. Dass er auch seinen leiblichen Vater konsekrieren ließ, zeigt die Bedeutung der consecratio der Vorgänger für die Herrschaftslegitimation. Auf dem Trajansbogen von Benevent übergibt Jupiter Trajan sein Blitzbündel. Hier stellt sich Trajan als Herrscher von Gottes Gnaden dar. Ab 114 trug Trajan den Beinamen Optimus, auch das war eine Annäherung an Jupiter, ohne dass er sich tatsächlich vergöttlichen ließ. H ADRIAN veranlasste die consecratio Trajans und führte dessen Bild im Triumph mit. Er genoss zahlreiche Kultehren im griechischen Ost en. An der Errichtung des Hadriansmausoleums und der Konsekration seiner Gattin Sabina erkennt man den dynastischen Anspruch der mit dem Kaiserkult verbunden war. Die kultische Verehrung des 122 verstorbenen Antinoos vereint Aspekte des Kaiserkultes mit Ideen der altägyptischen Religion. Im 2. Jh. breitete sich der Kaiserkult immer weiter aus (vgl. Quelle 6) COMMODUS trug viele Ehrennamen, u. a. invictus, und wurde mit Herkules gleichgesetzt. SEPTIMIUS SEVERUS lies Julia Domna mit verschiedenen Göttinnen gleichsetzen. Die Soldatenkaiser beriefen sich regelmäßig auf eine fiktive Abstammung von den vergöttlichten Vorgängern. AURELIAN wurde magnus et invictus dominus genannt und trug das Diadem als Zeichen seiner Herrschaft. KAISERKULT IN DER SPÄTANTIKE DIOKLETIAN trug den Beinamen Jovius, während Maximian das cognomen Herculius führte. Er verlangte von seinen Untertanen die adoratio (das Niederknien vor dem Thron). Der Herrscher und alles, das mit ihm in Beziehung stand, wurde sacer, sacratissimus und divinus genannt. Diokletian wurde konsekriert, obw ohl er als Privatmann verstorben war. KONSTANTIN proklamierte seine Abstammung von verschiedenen vergöttlichten Vorgängern und sucht e zunächst die Nähe zu Sol invictus, dem Hauptgott seines Vaters. Seine Haltung zum Kaiserkult ist umstritten (vgl. Quelle 7) und hat sich unter Umständen im Zuge seiner Hinwendung zum Christentum gewandelt. Er wurde sowohl nach heidnischem Brauch konsekriert, als auch von der christlichen Kirche heiliggesprochen. Auch nach Konstantin wurden noch einige Kaiser konsekriert und auch der Kaiserkult wurde noch bis Theodosius ausgeübt. ZUSAMMENFASSUNG Einer der wichtigsten Aspekte des Kultes für verstorbene Kaiser war die Legitimation durch Abstammung von göttlichen Vorfahren, unter anderem aus diesem Grund wurden auch Frauen des Kaiserhauses konsekriert. Was einmal im Rahmen von Kaiserkult und Kaiserverehrung eingeführt war, wurde kaum noch von einem Nachfolger zurückgenommen. In der Stadt Rom selbst gab es nie einen staatlichen Kult für einen lebenden Kaiser, der Kult wurde erst nach der offiziellen Konsekration ausgeübt. Im Heer wurde der Genius des Kaisers in Form einer Porträtstatue im Fahnenheiligtum verehrt. Auch dies war eine Möglichkeit dem lebenden Herrscher göttliche Ehren zuteil werden zu lassen, ohne ihn selbst zu vergöttlichen. Ende des 3. Jhs. ist die Entwicklung des heidnischen Kaiserkultes weitestgehend abgeschlossen. Die Identifizierung des regierenden Kaisers mit traditionellen Göttern ist üblich und die göttliche Erhöhung des Kaisers wurde nach außen offensichtlich durch das Z eremoniell (Proskynese), das Ornat (u. a. Diadem) und die Titulatur (dominus et deus). Gerade diese äußerlichen Kennzeichen göttlicher Macht wurden auch von christlichen Kaisern übernommen, die weiterhin überhöht wurden, jetzt mit einer anderen religiösen Legitimation. “Das Dogma von der Göttlichkeit des Herrschers ist jedoch ebenso alt wie die absolute Herrschaft, die, immer von Ausnahmemenschen begründet, als Institution die Verklärung der Herrscherwürde an und für sich unbedingt braucht.” (RE s. v. Kaiserkult) QUELLEN (5) Cass. Dio 59, 26, 5-7 (übersetzt nach Tafel 1831-1844) Als er (Caligula) darob Beifall erhielt und die Einen ihn aus Furcht, Andere aber im Ernst ihn (1) Cass. Dio 51, 19, 7 (übersetzt nach Tafel 1831-1844) Die Priester und Priesterinnen sollten ihn (Augustus) in ihre Gebete für Volk und Senat einschließen. Endlich musste bei öffentlichen sowohl als Privatgastmählern Jedermann ihm ein Trankopfer bringen. einen Halbgott (ἣρως) oder Gott (θεός) nannten, so kam er vollends ganz vom Verstande. Schon früher wollte er mehr als ein Mensch sein, mit der Luna nächtlichen Umgang haben und von der Siegesgöttin bekränzt werden. Jetzt aber gab er sich für den Jupiter aus [...], dann war er wieder Neptun [...], dann wieder zur Abwechslung Juno, Diana oder Venus. Bald endlich spielte er die Rolle eines Hercules, Bacchus, Apollo oder anderer sowohl Götter als Göttinnen. Mit dem Namen veränderte er auch das Gewand, um größere Ähnlichkeit mit dem Urbilde zu erhalten. (2) Cass. Dio 51, 20, 6-8 (übersetzt nach Tafel 1831-1844) Unter anderen Berichten die Cäsar (Augustus) in dieser Zeit an den Senat brachte, gestattete er auch, dass ein Tempel der Roma und seinem Vater Cäsar, den er den Halbgott Julius nannte (ἥρωα αὐτὸν Ἰούλιον ὀνομάσας) in Ephesus und Nicäa errichtet werden durfte: diese Städte nämlich waren damals in Asien und Bithynien vor allen angesehen. Jene Tempel bestimmte er nur für die daselbst wohnenden Römer, die Fremden aber, welche er unter dem Namen Hellenen begriff, durften ihm selbst in der Provinz Asien in Pergamon und in der bithynischen Stadt Nikomedia Tempel erbauen. Dies nahm damals seinen Anfang und wurde auch unter anderen Kaisern nicht nur in hellenischen Provinzen, sondern auch in den anderen Rom unterworfenen Ländern so gehalten. In Rom und dem anderen Italien nahm sich keiner, der als Mensch etwas gelten wollte, dergleichen heraus; nach ihrem Tode aber wurden auch hier tüchtigen Kaisern teils andere Ehren als Halbgöttern (ἰσόθεοι) erwiesen, teils auch Kapellen (6) Paus. VIII 2,5 (übersetzt nach Meyer 1986-1989) Zu meiner Zeit aber hat die Schlechtigkeit den höchsten Grad erreicht und alle Länder und alle Städte erfasst, so dass kein Mensch mehr zum Gott wird, außer dem Namen nach und aus Schmeichelei gegenüber einem Hochstehenden. (7) Inschrift von Hispellum CIL 11, 5265 (übersetzt nach Clauss 2001) In cuius gremio aedem quoque Flaviae, hoc est nostrae gentis, ut desideratis, magnifico opere perfici volumus, ea observatione perscripta, ne aedis nostro nomini dedicata cuiusquam, contagiose superstitionis fraudibus polluatur. (3) Suet. Aug. 52 (übersetzt nach Stahr 1855-1914) Dass in ihrer (der Stadt) Mitte auch ein Tempel für das flavische, das heißt unser Geschlecht, wie ihr es wünscht, von großartiger Wirkung vollendet wird, wünschen wir. Dabei wird die Bestimmung vorgeschrieben, dass der Tempel, der unserem Namen geweiht ist, nicht durch betrügerische Verbrechen irgendeines Aberglaubens übel befleckt wird. Templa, quamvis sciret etiam proconsulibus decerni solere, in nulla tamen provincia nisi communi suo Romaeque nomine recepit. Nam in urbe quidem pertinacissime abstinuit hoc honore. L ITERATUR (ἡρῷα) erbaut. Tempel ließ er (Augustus) sich in keiner Provinz, außer im Verein des Namens der Göttin Roma mit dem seinigen, weihen, obschon er wusste, dass dergleichen Ehre sogar seinen Prokonsuln S. Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Historia 185 (Stuttgart 2004) erwiesen wurde. In der Hauptstadt dagegen wies er solche Ehrenbezeigung durchweg zurück. H. Cancik - K. Hitzl (Hrsg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen (Tübingen 2003) (4) Tac. ann. 4,37 (übersetzt nach Horneffer 1957) M. Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich (München 2001) Per idem tempus Hispania ulterior missis ad senatum legatis oravit ut exemplo Asiae delubrum Tiberio matrique eius extrueret. Qua occasione Caesar, validus alioqui spernendis honoribus et respondendum ratus iis quorum rumore arguebatur in ambitionem flexisse. K. Ehling - G. Weber (Hrsg.), Konstantin der Große. Zwischen Sol und Christus (Mainz 2011) DNP 6 (1999) 143-145 s. v. Kaiserkult (F. Graf) RE Suppl. 4 (1924) 806-853 s. v. Kaiserkult (G. Herzog-Hauser) S. Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla. Historia 212 (Stuttgart 2010) F. Taeger, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes. 2. Band: Rom (Dillingen 1960) A. Wlosok (Hrsg.), Römischer Kaiserkult. Wege der Forschung 372 (Darmstadt 1978) K. Strobel, Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte (Regensburg 2010) Um dieselbe Zeit schickte das jenseitige Spanien Gesandte an den Senat und bat, man möchte ihnen, wie der Provinz Asien, gestatten, einen Tempel für Tiberius und seine Mutter zu bauen . Der Kaiser, der ohnehin schon gern auf derartige Ehrungen verzichtete, ergriff die Gelegenheit, um dem Gerede entgegenzutreten, er habe n euerdings eine Wandlung zum selbstsüchtigen Ehrgeiz hin durchgemacht.