Topologie M. Eisermann / A. Thumm WiSe 2013/2014 Blatt 3: Topologische Räume und Basen 1. T OPOLOGISCHE R ÄUME V 1.1. Man bestimme alle Topologien auf einer Menge mit 0, 1 und 2 Elementen. Welche davon definieren homöomorphe Räume? Man finde neun paarweise nicht homöomorphe Topologien auf einer Menge mit 3 Elementen. Lösungsskizze: — Auf leeren Menge gibt es nur eine Topologie. Ebenso für eine Menge mit nur einem Punkt. In beiden Fällen ist diese gleichzeitig die diskrete und die indiskrete Topologie. Auf einer Menge mit zwei elementen gibt es vier Topologien (drei bis auf Homöomorphie): Die indiskrete Topologie 0, / { 0, 1 } , die beiden Topolgien 0, / { 0 }, { 0, 1 } und 0, / { 1 }, { 0, 1 } , und die diskrete Topologie 0, / { 0 }, { 1 }, { 0, 1 } . Eine zweipunktige Menge, versehen mit einer der mittleren beiden Topologien, heißt auch Sirpiński–Raum. — V 1.2. Welche der folgenden Mengen sind Topologien auf R? (a) T1 = [a, +∞[ a ∈ Z ∪ {0, / R} (b) T2 = [a, +∞[ a ∈ Q ∪ {0, / R} (c) T3 = [a, +∞[ a ∈ R ∪ {0, / R} (d) T4 = ]a, +∞[ a ∈ Z ∪ {0, / R} (e) T5 = ]a, +∞[ a ∈ Q ∪ {0, / R} (f) T6 = ]a, +∞[ a ∈ R ∪ {0, / R} Lösungsskizze: — DieSMengen T1 , T4 und T6 sind Topologien auf R. Das T2 und T3 keine Topologien sind sieht man z.B. wegen n∈N [1/n, +∞[ = ]0, +∞[. Bei T5 kann man seineSLieblingszahl x ∈ R r Q wählen und eine Folge rationaler Zahlen xn mit xn > x und xn → x. Es gilt dann n∈N ]xn , +∞[ = ]x, +∞[. — 1.3. Sei (X, <) eine linear geordnete Menge und TX die Ordnungstopologie. Stimmen für jedes Intervall Y ⊂ X Teilraumtopologie und Ordnungstopologie überein? Was ist mit beliebigen Teilmengen Y ⊂ X? Lösungsskizze: — Ja. Der Durchschnitt des Intervalls Y mit einem offenen (bzgl. der Ordnung) Intervall ist ein offenes (bzgl. der Ordnung) Intervall in Y . Damit ist die Teilraumtopologie gröber als die Ordnungstopologie auf Y . Sei nun umgekehrt ]a, b[ ein Intervall in Y . Wir setzen a0 = a falls a ∈ Y und a0 = −∞X falls a = −∞Y , und analog b0 = b falls b ∈ Y und b0 = +∞X falls b = +∞Y . Damit ist nun ]a, b[ = Y ∩ ]a0 , b0 [, weswegen die Ordnungstopologie auch gröber als die Teilraumtopologie ist. Diese Implikation gilt für belibige Teilmengen Y ⊂ X. Für X = R stimmt die Ordnungstopologie mit der üblichen Topologie überein. Auf der Teilmenge Y = {−1} ∪ { 1/k | k ∈ N≥1 } ist die Teilraumtopologie echt feiner als die Ordnungstopologie: Die Menge {−1} ist nur offen bzgl. der Teilraumtopologie. — www.igt.uni-stuttgart.de/eiserm Seite 1/4 Stand 6. November 2013 Topologie M. Eisermann / A. Thumm WiSe 2013/2014 2. BASEN UND A BZÄHLBARKEIT 2.1. Impliziert das erste das zweite Abzählbarkeitsaxiom? und das zweite das erste? Lösungsskizze: — Die Implikation "1AA ⇒ 2AA" ist falsch. Jeder überabzählbare diskrete Raum ist hier eine Gegenbeispiel. Die Implikation "2AA ⇒ 1AA" gilt, da für jede abzählbare Basis B und jeden Punkt x die Menge Bx = {U ∈ B | x ∈ U } offensichtlich eine abzählbare Umgebungsbasis von x ist. — 2.2. Auf R betrachten wir die koendliche und die koabzählbare Topologie. Sind diese hausdorffsch? Erfüllen sie das erste Abzählbarkeitsaxiom? das zweite? Lösungsskizze: — Der Durschnitt zweier koendlicher/koabzählbarer Mengen ist wieder koendlich/koabzählbar. Da R überabzählbar viele Punkte enthällt ist also in beiden Topologien der Durchschnitt zweier nicht leerer offener Mengen stets nicht leer. Diese sind also nicht hausdorffsch. T Sei x ∈ R. Wir nehmen an es gibt eine abzählbare Umgebungsbasis Bx von x. Die Menge BTx ist in beiden Fällen abzählbar und somit stets eine echte Teilmenge von R. Nun ist aber für jedes y ∈ R r Bx die Menge R r {y} eine offene Umgebung von x die keine Umgebung aus Bx enthällt. Damit erhalten wir einen Widerspruch. Wegen "2AA ⇒ 1AA"(vgl. Aufgabe 2.1) erfüllen beide Topologien weder das erste, noch das zweite Abzählbarkeitsaxiom. — V 2.3. Sei (X, T) ein topologischer Raum. (a) Existiert eine abzählbare Umgebungsbasis Ax für x ∈ X, so enthält jede Umgebungsbasis Bx eine abzählbare Umgebungsbasis B0x ⊂ Bx . (b) Existiert eine abzählbare Basis A der Topologie T, gilt also das 2AA, so enthält jede Basis B der Topologie T eine abzählbare Basis B0 ⊂ B. (c) Existiert eine abzählbare Basis A der Topologie T, so enthält jede offene S Überdeckung X = i∈I Ui eine abzählbare Teilüberdeckung. Anwendung: Ist (X, T) lokal-euklidisch mit abzählbarer Basis, dann enthält jeder ∼ Atlas A = (ϕi : X ⊃ Ui − → Vi ⊂ Rn )i∈I einen abzählbaren Teilatlas. Lösungsskizze: — (1) Für U ∈ Ax wählen wir W (U) ∈ Bx mit W (U) ⊂ U. Dann ist B0x := W (U) U ∈ Ax abzählbar und eine Umgebungsbasis: Zu x ∈ W ∈ T existiert nämlich U ∈ Ax mit x ∈ U ⊂ W , und somit gilt x ∈ W (U) ⊂ U ⊂ W . (2) Für U,V ∈ A wählen wir W (U,V ) ∈ B mit U ⊂W (U,V ) ⊂ V , falls dies möglich ist; andernfalls setzen wir willkürlich W (U,V ) := X. Dann ist B0 := W (U,V ) U,V ∈ A abzählbar und eine Basis der Topologie T: Zu x ∈ W ∈ T existiert nämlich V ∈ A mit x ∈ V ⊂ W , sodann W 0 ∈ B mit x ∈ W 0 ⊂ V , und schließlich U ∈ A mit x ∈ U ⊂ W 0 . Also haben wir x ∈ U ⊂ W (U,V ) ⊂ V ⊂ W . (3) Die Teilmenge B ⊂ A bestehe aus allen B ∈ A, für die ein Index i ∈ I existiert mit B ⊂ Ui . Zu jedem B ∈ B wählen wir dann ein i(B) ∈ I so, dass B ⊂ Ui(B) gilt. Mit A sind auch B und J = { i(B) | B ∈ B } abzählbar. Zu jedem x ∈ X existiert ein i ∈ I mit x ∈ Ui . Da A eine Basis ist, existiert B ∈ A mit x ∈ B ⊂ Ui . S S Somit gilt B ∈ B und x ∈ B ⊂ Ui(B) , also x ∈ i∈J Ui . Dies zeigt X = i∈J Ui . — — Bitte wenden — www.igt.uni-stuttgart.de/eiserm Seite 2/4 Stand 6. November 2013 Topologie M. Eisermann / A. Thumm WiSe 2013/2014 3. A BSCHLUSS UND V EREINIGUNG S 3.1. Sei (X, T) ein topologischer Raum. Man zeige, dass für jede Familie (Ai )i∈I von Teilmengen Ai ⊂ X die Inklusion [ Ai ⊂ [ Ai i∈I i∈I gilt. Gilt hier auch die Gleichheit? Was ist wenn die Indexmenge I endlich ist? Lösungsskizze: — Es gilt Ai ⊂ i∈I Ai ⊂ i∈I Ai . Dies gilt für alle i ∈ I, weswegen S S i∈I Ai . Da die letzte Menge abgeschlossen ist folgt nun Ai ⊂ S [ Ai ⊂ i∈I [ Ai i∈I folgt. Gleichheit in der obigen Inklusion gilt genau dann, wenn die linke Seite abgeschlossen ist, also S S — insbesondere falls I endlich ist. In R zum Beispiel gilt x∈Q {x} = Q aber x∈Q {x} = R. Eine Familie (Ai )i∈I von Teilmengen Ai ⊂ X heißt lokal-endlich im Raum (X, T), wenn zu jedem Punkt x ∈ X eine offene Umgebung U von x in X existiert, sodass die Indexmenge J := { j ∈ I | A j ∩U 6= 0/ } endlich ist. 3.2. Ist die Familie (Ai )i∈I lokal-endlich in X, so auch (Ai )i∈I , und es gilt [ Ai = [ Ai . i∈I i∈I Lösungsskizze: — Sei (Ai )i∈I lokal-endlich in X, das heißt, zu jedem Punkt x ∈ X existiert eine offene Umgebung U von x in X, sodass die Indexmenge J := { j ∈ I | A j ∩U 6= 0/ } endlich ist. Das Komplement X rU ist abgeschlossen. Aus Ai ⊂ X r U folgt Ai ⊂ X r U, also Ai ∩ U = 0. / Wir erhalten dieselbe Indexmenge J = { j ∈ I | A j ∩U 6= 0/ }. S Es bleibt, B = i∈I Ai als abgeschlossen zu erkennen. Wir zeigen, dass das Komplement [ \ O=Xr Ai = (X r Ai ) i∈I i∈I offen in X ist, indem wir nachweisen, dass es Umgebung jedes Punktes x ∈ O ist. Dank der lokalen Endlichkeit von (Ai )i∈I existiert eine offene Umgebung U von x in X, sodass J = { i ∈ I | Ai ∩U 6= 0/ } endT lich ist, J = { j1 , . . . , jn }. Es gilt also U ⊂ X r Ai für alle i ∈ I r J, kurz U ⊂ i∈IrJ (X r Ai ). Also ist V := U ∩ (X r A j1 ) ∩ · · · ∩ (X r A jn ) ⊂ O eine offene Umgebung von x in X. — 4. M ETRISIERBARKEIT UND N ORMIERBARKEIT Sei D = (di )i∈I eine Familie von Halbmetriken di : X × X → [0, ∞]. Zu jedem Punkt a ∈ X und für jede endliche Menge J ⊂ I und ε ∈ R>0 definieren wir die Umgebung U(a; J, ε) := x ∈ X di (x, a) < ε für alle i ∈ J . Dies definiert eine Topologie TD auf X: Eine Menge O ⊂ X heißt offen bezüglich D, wenn sie mit jedem ihrer Punkte a ∈ O auch eine solche Umgebung U(a; J, ε) enthält. Beispiele: Punktweise Konvergenz auf R entspricht dx ( f , g) = | f (x) − g(x)| für x ∈ R. Kompakte Konvergenz auf R entspricht dk ( f , g) = | f − g|[−k,k] für k ∈ N. www.igt.uni-stuttgart.de/eiserm Seite 3/4 Stand 6. November 2013 Topologie M. Eisermann / A. Thumm WiSe 2013/2014 S 4.1. Ist I abzählbar, so wird die Topologie TD bereits erzeugt durch die Halbmetrik d : X × X → R≥0 mit d(x, y) = ∑ ai di∗ (x, y), i∈I di∗ wobei ai > 0 und ∑i∈I ai < ∞ gelten, und = min{di , 1} die gestutzte Metrik zu di bezeichnet. Genau dann ist TD hausdorffsch und d eine Metrik, wenn zu je zwei Punkten x 6= y in X ein i ∈ I existiert mit di (x, y) 6= 0. Lösungsskizze: — Es gilt ∑i∈I ai = A < ∞. Nach Division durch A können wir ∑i∈I ai = 1 annehmen. Wegen 0 ≤ di∗ (x, y) ≤ 1 besteht die Reihe d(x, y) = ∑i∈I ai di∗ (x, y) aus nicht-negativen Termen und ist beschränkt durch 1, sie konvergiert also absolut. (M0) Für alle x ∈ X gilt di∗ (x, x) = 0, also d(x, x) = 0. (M1) Existiert zu x 6= y in X ein i ∈ I mit di∗ (x, y) > 0, so gilt d(x, y) > 0. (M2) Symmetrie für alle x, y ∈ X ist klar: d(x, y) = ∑ ai di∗ (x, y) = ∑ ai di∗ (y, x) = d(y, x) i∈I i∈I (M3) Die Dreiecksungleichung für alle x, y, z ∈ X sieht man so: d(x, z) = ∑ ai di∗ (x, z) ≤ ∑ ai di∗ (x, y) + di∗ (y, z) i∈I i∈I = ∑ ai di∗ (x, y) + ∑ ai di∗ (y, z) = d(x, y) + d(y, z) i∈I i∈I Interessant ist der Nachweis von Td = TD . Letztere hat als Umgebungsbasen U(x; J, ε) = y ∈ X di∗ (x, y) < ε für alle i ∈ J . Die Topologie der Metrik d hingegen wird erzeugt von den Umgebungsbasen n o B(x, δ ) = y ∈ X d(x, y) = ∑ ai di∗ (x, z) < δ . i∈I Die Gleichheit TD = Td beider Topologien zeigen wir durch zwei Inklusionen: „⊂“: Zu B(x, δ ) existiert ein U(x; J, ε) ⊂ B(x, δ ). Hierzu wählen wir ε = δ /2 und J ⊂ I so, dass ∑i∈IrJ ai < δ /2 gilt. Für jeden Punkt y ∈ U(x; J, ε) folgt y ∈ B(x, δ ), denn d(x, y) = ∑ ai di∗ (x, y) + i∈J ∑ i∈IrJ ai di∗ (x, y) ≤ ∑ ai ε + i∈J ∑ ai < δ /2 + δ /2 = δ . i∈IrJ „⊃“: Zu U(x; J, ε) existiert ein B(x, δ ) ⊂ U(x; J, ε). Hierzu sei m = min{ ai | i ∈ J } > 0 und δ = mε. Für jeden Punkt y ∈ B(x, δ ) gilt dann ∑i∈J m di∗ (x, y) ≤ ∑i∈I ai di∗ (x, y) < δ . Daher gilt insbesondere di∗ (x, y) < ε für alle i ∈ J, also y ∈ U(x; J, ε). — 4.2. Sei Cc (R, R) die Menge aller stetigen Funktion f : R → R mit kompaktem Träger. Die Topologie der kompakten Konvergenz auf Cc (R, R) ist metrisierbar aber nicht normierbar, das heißt, sie wird von einer Metrik induziert aber von keiner Norm. Lösungsskizze: — Die Metrisierbarkeit folgt aus der vorigen Übung. Angenommen es gäbe eine Norm |−| : Cc (R, R) → R>0 . Wir wählen gn : R → R stetig mit Träger in [n, n + 1] und gn 6= 0. Nach Skalierung können wir |gn | = 1 annehmen. Wir setzen fn = 2gn + (g0 + · · · + gn−1 )/n und erhalten | fn | ≥ 1. Nach Konstruktion liegt kompakte Konvergenz fn → 0 vor. — www.igt.uni-stuttgart.de/eiserm Seite 4/4 Stand 6. November 2013