HYD-KLIMA Die Hydrologie Österreichs unter dem Einfluß von Szenarien einer möglichen Klimaänderung (Hydklima) Auftraggeber: BMfWV und BMUJF Auftragnehmer: IWHW-BOKU Projektleitung: H.P. Nachtnebel Bearbeitung: M. Fuchs et al. Wien, im Juli 2001 Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA 9 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen 9.1 Ziele und Inhalte der Studie Ziel dieser Forschungsarbeit war die Analyse des Wasserhaushaltes und der hydrologischen Gegebenheiten verschiedener österreichischer Einzugsgebiete unter Betrachtung bestehender und veränderter klimatischer Verhältnisse. Entsprechend dieser Aufgabenstellung wurden im Rahmen dieser Studie die folgenden Arbeitspakete behandelt, welche im vorliegenden Bericht dokumentiert sind: Teil I - Beschreibung des Istzustandes und Analyse historischer Daten • • • • • Einleitung und Zielsetzung Beschreibung der Einzugsgebiete Beschreibung der Datenbasis Untersuchung von anthropogen bedingte Veränderungen in den Einzugsgebieten Analyse von klimatischen Veränderungen in den Einzugsgebieten Teile II / III - Beurteilung der Auswirkungen möglicher Klimaveränderungen in der Zukunft • • • • • Entwicklung und Beschreibung der Methodik Analyse von Unsicherheiten in den Verfahren Anwendung der Verfahren in den Einzugsgebieten Schlußfolgerungen bezüglich der Auswirkungen auf die Nutzung der Einzugsgebiete Zusammenfassung 9.2 Einzugsgebiete Die Untersuchungen und Analysen wurden dabei für die folgenden Regionen durchgeführt: Zentralalpine Region - Oberes Ennstal (Salzburg, Steiermark) Klima und Wasserhaushalt im Oberen Ennstal werden wesentlich durch atlantische Klimaeinflüsse bestimmt. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist im Ennstal vor allem die Wasserkraftnutzung von Bedeutung. Auch der Winterfremdenverkehr ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der von Klima und Wasserhaushalt der Region unmittelbar abhängig ist. Von Interesse waren insbesondere mögliche Veränderungen des Abflußverhaltens, des Wasserhaushalts und der Schneeverhältnisse. Entsprechend der großen Höhenerstreckung des Gebietes erfolgten die Analysen dabei unter Berücksichtung verschiedene Höhenzonen. Südalpine Region - Gailtal (Osttirol, Kärnten) Das Gailtal wurde vor allem aufgrund der starken mediterranen Klimaeinflüsse in dieser Region und des anthropogen relativ gering beeinflußten Abflußverhaltens ausgewählt. Die Untersuchungsschwerpunkte sind analog zu jenen des Ennsgebietes. Es interessieren vor allem die Unterschiede zur zentralalpinen Region. Auch hier sind Fremdenverkehr und Wasserkraftnutzung entscheidende, durch Klimaänderungen möglicherweise betroffene, Wirtschaftsfaktoren Voralpenregion - Traisental (Niederösterreich) Das Klima wird, wie auch im Ennstal, vorwiegend durch Nordwest-Wetterlagen bestimmt. Die Forstwirtschaft spielt in dieser Region aufgrund des Waldreichtums eine sehr große Rolle. Wegen der geringeren Höhenerstreckung ist der Einfluß der Schneeretention auf den Wasserhaushaltes geringer als in den vorgenannten Regionen. Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Flachlandregion - Leibnitzer Feld (Steiermark), Marchfeld (Niederösterreich) Das Klima im Leibnitzer Feld ist durch Süd- und Südwest-Wetterlagen beeinflußt. Im Marchfeld treten bereits pannonische bzw. kontinentale Klimaeigenschaften hervor. Intensive landwirtschaftliche Nutzung ist ein gemeinsames Merkmal dieser Flachlandregionen. Qualität und Quantität des Grundwassers spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. In diesen Gebieten wurden insbesondere die Einflüsse von Klimaänderungen auf die Wasserbilanz, den Bodenwasserhaushalt und das Grundwasser untersucht. Das oberflächige Abflußgeschehen hat in diesen Flachlandregionen eine untergeordnete Bedeutung. 9.3 Anthropogene Veränderungen in den Einzugsgebieten Für die genannten Regionen erfolgte im ersten Teil der Studie eine umfassende Analyse der klimatischen und hydrologischen Charakteristik sowie der anthropogenen Veränderungen in der Vergangenheit. Dabei zeigte sich, daß es in den untersuchten Flußeinzugsgebieten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch wasserbauliche Eingriffe zu massiven Veränderungen der Beschaffenheit der Flußläufe und der Talsohlen kam. In allen Gebieten erfolgten dabei sowohl linienhafte Maßnahmen am Gerinne selbst (Flußbau, Wildbachverbauung) als auch flächenhafte Eingriffe in Form von großflächigen Entwässerungsprojekten. Abgesehen von diesen Meliorationen in den Talbereichen waren die Veränderungen in der Flächennutzung in den vergangenen zwei Jahrhunderten sehr gering. Das Verhältnis zwischen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen blieb nahezu konstant. Letzteres gilt auch für die Flachlandregionen des Leibnitzer Feldes und des Marchfeldes, wobei allerdings gezeigt werden konnte, daß sich in diesen Gebieten in den letzten 50 Jahren Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA im Zusammenhang mit den Veränderungen in der Landwirtschaft die Anbaustruktur deutlich veränderte. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung kam es in beiden Gebieten zu qualitativen und im Marchfeld auch zu quantitativen Veränderungen der Grundwasserregime. 9.4 Klimatische Veränderungen in den Einzugsgebieten Im ersten Teil dieser Studie wurden auch Untersuchungen hinsichtlich klimatischer Veränderungen in der Vergangenheit und ihrer Auswirkungen auf die hydrometeorologischen Verhältnisse in den Einzugsgebieten angestellt. Dabei konnte gezeigt werden, daß das Klima in der Vergangenheit sowohl global als auch regional großen Veränderungen ausgesetzt war. Der Zeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit ist von einem Wechsel wärmerer und kälterer Abschnitte gekennzeichnet. Auch in den letzten Jahrhunderten traten in Mitteleuropa große Schwankungen des Niederschlags- und Temperaturverhaltens auf. Ein Anstieg des Temperaturniveaus wird in Europa vor allem seit den Kälteperioden Mitte des 19. Jahrhunderts beobachtet. Mehrere Studien weisen jedoch daraufhin, daß sich die warmen Abschnitte gegen Ende des 20. Jahrhunderts durchaus im Rahmen der im letzten Jahrtausend in Europa beobachteten Klimavariabilität bewegen. Genauere Untersuchungen der Klimaentwicklung in den untersuchten Einzugsgebieten wurden für den Zeitraum nach 1948 durchgeführt. Es konnte zunächst gezeigt werden, daß zwischen den Kenngrößen des großräumigen Wettergeschehens über Europa, wie dem "Index der Nordatlantikoszillation (NAO)" oder den "Europäischen Großwetterlagen", und den regionalen Klimaelementen in den untersuchten Einzugsgebieten ein enger Zusammenhang besteht. Veränderungen oder Schwankungen im regionalen Klima der Einzugsgebiete seit 1948 lassen sich daher zumindest teilweise auf großräumige Schwankungen des atmosphärischen Zirkulationsverhaltens über der Region Europa/Nordatlantik zurückführen. Bei den Temperaturreihen zeigt sich in allen Gebieten eine ähnliche Entwicklung, die auch eng mit der mittleren Temperaturentwicklung der gesamten Nordhemisphäre korreliert ist. Das Niederschlagsverhalten in den verschiedenen Einzugsgebieten zeigt hingegen sehr unterschiedliche Entwicklungen. Die Veränderungen in den letzten Jahrzehnten scheinen dabei in gewissem Zusammenhang mit der Zunahme von zonalen Wetterlagen bzw. dem anhaltend hohen NAO-Index zu stehen. Die im Rahmen des ersten Teiles erhobenen Daten dienten als Ausgangsbasis und Vergleichsgrößen für die Beurteilung der Auswirkungen möglicher Klimaveränderungen in der Zukunft, welche den eigentliche Schwerpunkt dieser Studie darstellte. Dabei kam der folgende methodische Ansatz zur Anwendung: 9.5 Methodischer Ansatz zur Beurteilung der regionalen Auswirkungen von möglichen Klimaveränderungen in der Zukunft Zur Beurteilung der Auswirkungen möglicher zukünftiger Klimaveränderungen auf die Hydrologie verschiedener österreichischer Einzugsgebiete wurde in dieser Studie von den Ergebnissen globaler Klimamodellrechnungen (Global Climate Models, GCMs) ausgegangen. Aufgrund der geringen räumlichen Auflösung der globalen Klimamodelle können aus den GCM-Daten regionale hydrometeorologischen Größen nicht direkt bestimmt werden. Daher wurden Downscalingverfahren angewendet, welche es ermöglichen, aus den großräumigen Luftdruckverteilungen der GCMs Gebiets- oder Stationswerte von Niederschlag und Lufttemperatur abzuleiten (siehe Abbildung 0-1). Diese dienten in weiterer Folge als Inputdaten für hydrologische Modelle, mit welchen der Wasserhaushalt und die Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA interessierenden hydrologischen Größen (z.B. Abfluß, Grundwasserneubildung. etc.) in den Gebieten simuliert werden kann. Die Simulationen erfolgten unter Verwendung von Daten auf Tagesbasis, wobei die verwendeten Datensätze unterschiedliche räumliche Skalenbereiche abdecken: Großräumige Druckverteilungen: • Bestimmung von Großwetterlagen (GWL): 106 – 107 km² (Europa/Nordatlantik) • Analyse von Luftströmungsverhältnissen: 105 – 106 km² (Mitteleuropa) Regionale bzw. lokale Größen von Niederschlag und Temperatur: • Gebietswerte: • Stationswerte: Regionale bzw. lokale hydrologische Größen: 102 – 103 km² (z.B. Gailtal) < 1 m² • • 102 – 103 km² (z.B. Gailtal) < 1 m² Gebietswerte: Stationswerte: Zur Überbrückung dieser Skalenbereiche (Downscaling) bzw. zur Verknüpfung der verschiedenen hydrometeorologischen Größen wurden in dieser Studie verschiedene Modelle und Verfahren miteinander gekoppelt: • • • • • Globale Klimamodelle (Global Climate Models, GCMs) Verfahren zur Analyse großräumiger Druckverteilungen Statistische Downscalingmodelle Regionalisierungsverfahren Hydrologische Modelle Als Inputdaten für das Downscaling wurden verschiedene Datensätze von Luftdruckverteilungen herangezogen. Entsprechend diesen unterschiedlichen Ausgangsdaten wurden in dieser Studie die folgenden Szenarien unterschieden: • Historisches Szenario: Es wurden historische Luftdruckbeobachtungen als Inputdaten für das Downscaling verwendet (in dieser Studie Daten für den Abschnitt 1965-1994). Da für diesen Zeitraum auch beobachtete regionale Niederschlags- und Temperaturreihen vorliegen, können diese Daten zur Kalibrierung und Validierung der Downscalingverfahren verwendet werden • 1xCO2-Szenario: Es wurden GCM-simulierte Luftdruckdaten für einen möglichst ähnlichen Zeitraum wie das historische Szenario herangezogen (1961-1990). Anhand dieser Daten konnte überprüft werden, wie gut die gegenwärtigen (bzw. vergangenen) Klimaverhältnisse durch die GCM-Simulationen wiedergegeben werden können. • 2xCO2-Szenario: Es wurden GCM-simulierte Luftdruckdaten für einen zukünftigen Zeitraum (2070-2099) herangezogen, in welchem bereits eine deutliche Veränderung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre vorliegt (ca. Verdoppelung gegenüber 1961-1990). • Beobachtetes Szenario: Diese Daten dienten zur Validierung des historischen bzw. 1xCO2-Szenarios. Dabei wurden die im Zeitraum 1965-1994 in den Einzugsgebieten beobachtete Niederschlags- und Temperaturdaten ausgewertet bzw. als Inputdaten für die hydrologische Modellierung herangezogen. Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA HISTORISCHES SZENARIO 1xCO2 - SZENARIO 2xCO2 - SZENARIO Großräumige Luftdruckverteilungen BEOBACHTET GCM-SIMULIERT GCM-SIMULIERT Zeitraum 1965-1994 Zeitraum 1961-1990 (1xCO2 ) Zeitraum 2070-2099 (2xCO2 ) historische Beobachtung Simulation der gegenwärtigen atmosph. Verhältnisse Simulation mögl. zukünftiger atmosph.Verhältnisse ANALYSE DER LUFTDRUCKVERTEILUNGEN • • • GWL Luftströmungsverhältnisse Mittlere Geopotentialhöhen STATISTISCHES DOWNSCALING Gebiets- oder Stationswerte von Niederschlag und Temperatur ev. REGIONALISIERUNG (UPSCALING) HYDROLOGISCHE MODELLIERUNG Gebiets- oder Punktwerte verschiedener hydrologischer Größen Abbildung 0-1: Überblicksschema der angewendeten Methodik Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Globale Klimamodelle GCMs In dieser Studie wurden Daten der folgenden Klimamodelle untersucht: • • ECHAM3: Modell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg ECHAM4: Neueste Version des ECHAM-Modells, gekoppelt mit dem Ozeanmodell OPYC3 • HadCM3: Modell des U.K. Meteorological Office in Bracknell (Hadley Centre) Dabei wurden jeweils die GHG-Modelläufe, das heißt GCM-Simulationen unter Einbeziehung des Treibhauseffektes (greenhouse gases GHG) aber ohne Berücksichtigung der Wirkung von Aerosolen, ausgewertet. Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung von Treibhausgasen in der Atmosphäre lag allen Modelläufen das Emissionsszenario IS92a des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zugrunde, in welchem von einer Verdoppelung der äquivalenten CO2-Konzentration bis etwa zum Jahr 2100 ausgegangen wird. Analyse von großräumigen Luftdruckverteilungen Beobachtete sowie von den GCMs für verschiedene Szenarien simulierte Luftdruckverteilungen über Europa und dem Nordatlantik (500 hPa- bzw. 700 hPaGeopotentialhöhen) wurden unter Anwendung folgender Verfahren analysiert und für die Downscalingmodelle aufbereitet: • Bestimmung von Großwetterlagen • Analyse der Luftströmungsverhältnisse über Mitteleuropa • Analyse der mittleren Druckhöhen über Mitteleuropa Für die Bestimmung der Großwetterlagen wurden verschiedene Verfahren der manuellen und automatischen Klassifizierung vorgestellt bzw. neu entwickelt. Angewendet wurde schließlich eine automatische Klassifizierung von Wetterlagen in Anlehnung an die "Europäischen Großwetterlagen" von Hess und Brezowsky (1969). Für die Auswertungen und das nachfolgende Downscaling erfolgte eine Gruppierung der Wetterlagen nach alpinsynoptischen Kriterien (Rickli, 1995, leicht modifiziert). Downscalingverfahren Die in dieser Studie verwendeten Downscalingmodelle sind statistische Verfahren, in denen das regionale Niederschlags- und Temperaturgeschehen durch stochastische autoregressive Prozesse beschrieben wird. Die Parameter der stochastischen Modelle sind dabei von verschiedenen Kenngrößen der großräumigen Luftdruckverteilung abhängig. Es wurden zwei verschiedene Downscalingverfahren vorgestellt: • GWL-Downscaling: Downscalingverfahren basierend auf Großwetterlagen (GWL) und mittleren Geopotentialhöhen von Bardossy (1994) • AMM-Downscaling: Downscalingverfahren basierend auf Luftströmungsverhältnissen (Air mass movements, AMM) und mittleren Geopotentialhöhen von Diernhofer und Nachtnebel (1999) Zur Anwendung kam schließlich das auf Großwetterlagen basierende Downscalingverfahren. Mit diesem Verfahren konnten in den fünf ausgewählten Einzugsgebieten für die verschiedenen Szenarien Stationswerte von Niederschlag und Temperatur simuliert werden, aus welchen unter Anwendung verschiedener Regionalisierungsverfahren die räumlichen Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Verteilungen bzw. die Gebietsmittelwerte bestimmt wurden. Diese dienten in weiterer Folge als Inputgrößen für die hydrologische Modellierung Hydrologische Modelle Es wurden in den verschiedenen Regionen unterschiedliche hydrologische Modelle angewendet. Bei sämtlichen verwendeten Modellen handelt es sich dabei um Entwicklungen des Instituts: In den Flußeinzugsgebieten (Enns, Gail, Traisen): • • Schneemodell (Fuchs, 1998) Niederschlags/Abflußmodell (Nachtnebel et al., 1993) In den Flachlandregionen (Leibnitzer Feld, Marchfeld): • Bodenwasserhaushaltsmodell (Holzmann, 1994) Beim Schneemodell und beim Niederschlags/Abflußmodell, welche kombiniert angewendet wurden, handelt es sich um konzeptionelle Modelle. Die Entwicklung der Schneedecke und der Prozeß der Abflußbildung werden dabei durch mehrere Teilprozesse beschrieben, welche im Modell durch vereinfachte mathematisch-physikalische Konzepte dargestellt werden. (Schneeakkumulation, Schneeschmelze, Bodenaufsättigung, Verdunstung, Oberflächen-, Zwischen-, Basis,- und Gerinneabfluß). Die Schneemodellierung erfolgt getrennt für verschiedenene Höhenzonen. Die Prozesse der Abflußbildung werden dagegegen für das gesamte Einzugsgebiet anhand einer repräsentativen Bodensäule bzw. Speicherkaskade modelliert. Die Parameter des Modells müssen teilweise durch Kalibrierung anhand von beobachteten Abflußdaten festgelegt werden. Das Bodenwasserhaushaltsmodell ist ein eindimensionales Finite-Differenzenmodell, das ein explizites Verfahren zur Lösung der Differentialgleichungen für den vertikalen Wassertransport in einem Bodenprofil verwendet. Das Bodenprofil wird dabei durch Schichtung unterschiedlicher Bodenarten angenähert, wobei die bodenphysikalischen Eigenschaften jeder Schichte durch Porenvolumen, Leitfähigkeit, Retentions- und Durchlässigkeitsfunktion beschrieben werden. Diese Parameter wurden anhand von gemessenen Bodenkennwerten bestimmt. Die Parameterisierung und die Bodenwasserhaushaltssimulation wurde jeweils für ein charakteristisches Bodenprofil der Region durchgeführt. Vor der Anwendung der Modelle auf die verschiedenen Einzugsgebiete erfolgten umfassende Analysen und Tests. Besondere Überlegungen wurden dabei hinsichtlich der mit den Verfahren verbundenen Unsicherheiten angestellt: 9.6 Unsicherheiten in den Verfahren Entsprechend den Komponenten bzw. dem Aufbau der verwendeten Verfahren wurden dabei zunächst die folgenden Arten von Unsicherheiten unterschieden: • Datenunsicherheiten (Input) • Modellunsicherheiten • Parameterunsicherheiten • Unsicherheiten des Anfangszustandes • Outputunsicherheiten (als Folge der oben genannten Unsicherheiten) Die genannten Unsicherheiten treten in allen in dieser Studie verwendeten Einzelmodellen auf und werden durch die Koppelung der verschiedenen Teilverfahren überlagert. So wirken sich die Outputunsicherheiten der GCMs als Inputdatenunsicherheiten auf die nachgeordneten Downscalingverfahren aus usw. Es wurde versucht, die bei den einzelnen Modellen Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA auftretenden Unsicherheiten zumindest qualitativ zu beschreiben. Für die folgenden Modelle bzw. Teilunsicherheiten erfolgte auch eine genauere Analyse: Outputunsicherheiten der Globalen Klimamodelle (GCMs) Durch Vergleich der Simulationsergebnisse verschiedener GCMs (ECHAM3, ECHAM4, HadCM3) wurde abgeschätzt, wie groß die Unsicherheiten bei der GCM-Simulation zukünftiger Klimabedingungen sind. Untersucht wurden dabei verschiedene Kenngrößen der Luftdruckverteilungen. Es zeigte sich zunächst, daß die Modelle der neuen Generation (ECHAM4, HadCM3), die gegenwärtigen Luftdruckverhältnisse (mittleren 500 hPaGeopotentialhöhen) über Europa wesentlich besser reproduzieren können, als das bis noch vor kurzem verwendete ECHAM3 (siehe Abbildung 0-2). Auch bei der Simulation zukünftiger Druckverhältnisse ergibt sich für die beiden neuen Modelle ein ähnliches Klimaveränderungssignal. Die Anhebung der mittleren 500 hPa-Geopotentialhöhe, als Folge einer Erwärmung der Atmosphäre, liegt bei beiden Modellen etwa in der gleichen Größenordnung und ist wesentlich stärker ausgeprägt als beim Modell ECHAM3. Hinsichtlich der Häufigkeiten der Großwetterlagen und der Luftströmungsverhältnisse über Mitteleuropa zeigen sich aber bei allen Modellen deutliche Abweichungen von den Beobachtungen. Auch für zukünftige Klimabedingungen (2xCO2-Szenario) ergeben sich bei den verschiedenen Modellen durchwegs unterschiedliche Veränderungen in der Häufigkeit der Wetterlagen und Strömungsrichtungen. Gemeinsam ist den beiden Modellen ECHAM4 und HadCM3 allerdings eine Zunahme der antizyklonalen Wetterlagen im Sommer. Unsicherheiten der Downscalingmodelle Unsicherheiten beim Downscaling von Temperatur und Niederschlag treten unter anderem im Zusammenhang mit der stochastischen Komponente dieser Modelle auf. Sie wurden in dieser Studie bei der Auswertung sämtlicher Ergebnisse durch die Darstellung von Konfidenzbereichen berücksichtigt. Ein einfacher Ansatz zur Abschätzung dieser Vertrauensbereiche wurde vorgestellt. Unsicherheiten der hydrologischen Modelle Neben den Daten- und Modellunsicherheiten spielen bei der hydrologischen Modellierung vor allem die Parameterunsicherheiten eine große Rolle. Diese Unsicherheiten können nicht vermieden aber durch sorgfältige Kalibrierung der Modelle zumindest verringert werden. Bei der Modellanwendung erfolgte daher jeweils eine Überprüfung der Güte der Modellkalibrierung anhand getrennter Validierungsabschnitte (split sample tests). Versuchsweise wurden auch Verfahren zur Berücksichtigung dieser Parameterunsicherheiten angewendet (Multi-Parameter-Simulation). Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA ECHAM3 5900 geopotentielle Höhe [m] 5800 5700 5600 EC 325 5500 EC 315 NM C T5 5400 5300 5200 362 343 324 305 286 267 248 229 210 191 172 153 134 115 96 77 58 39 20 1 5100 ECHAM4 5900 geopotentielle Höhe [m] 5800 5700 5600 EC 425 5500 EC 415 5400 NM C T5 5300 5200 362 343 324 305 286 267 248 229 210 191 172 153 134 115 96 77 58 39 20 1 5100 H adC M 3 5900 geopotentielle Höhe [m] 5800 5700 5600 HA325 5500 HA315 5400 NMC H5 5300 5200 362 343 324 305 286 267 248 229 210 191 172 153 134 115 96 77 58 39 20 1 5100 Abbildung 0-2: Mittlerer Jahresgang der Druckhöhen über Europa. Vergleich von beobachteten Daten (blaue Linien) mit verschiedenen GCM-Outputs für historische und zukünftige Szenarien (rote und grüne Linien) 9.7 Anwendung der Verfahren in den Einzugsgebieten Die im methodischen Teil vorgestellten bzw. entwickelten Modelle wurden im dritten Teil der Studie auf die verschiedenen österreichischen Regionen angewendet. Als Ausgangsdaten zur Simulation von GCM-Szenarien dienten dabei die Ergebnisse des Modells HadCM3 (für Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA dieses Modell ergab sich für den historischen Vergleichszeitraum 1961-1990 die beste Übereinstimmung zwischen beobachteten und GCM-simulierten Luftdruckdaten). Ergebnisse der Simulationen in den Flußeinzugsgebieten Niederschlags- und Temperaturverhältnisse Es zeigten sich in den drei Flußeinzugsgebieten der Enns, Gail und Traisen durchwegs ähnliche Simulationsergebnisse. Bei guter Übereinstimmung zwischen den Validierungsszenarien (beobachtet, historisch, 1xCO2) ergaben die Simulation des 2xCO2Falls einen Anstieg der mittleren Jahrestemperatur von 3,5 °C bis 4°C bis zum Jahr 2100, wobei die Temperaturzunahme in den Sommermonaten etwas stärker ausgeprägt ist, als im Winter und in den Tallagen geringfügig höher ausfällt als in den oberen Höhenzonen. Bei den Monatsniederschlägen zeigte sich im Enns- und Traisental eine leichte Zunahme im Frühjahr, sowie in allen Gebieten infolge des häufigeren Auftretens von antizyklonalen Lagen ein leichter Niederschlagsrückgang im Sommer. Insgesamt sind die für den 2xCO2-Fall simulierten Veränderungen des Jahresniederschlags aber sehr gering (ca. -1% bis -2% im Enns- und Traisental, ca -4% im Gailtal). Sie liegen etwa in der gleichen Gößenordnung wie die Fehler der GCM-Szenarien. Hinsichtlich der Extremwerte und der Varianzen von Niederschlag und Temperatur sowie der Dauer von Trocken- und Naßperioden zeigten sich im 2xCO2-Fall kaum Veränderungen. Beispielhaft sind Abbildung 0-3 die Ergebnisse des Downscalings von Temperatur und Niederschlag im Gailtal dargestellt. Aus den Diagrammen sind auch die Konfidenzintervalle (95%) der berechneten langjährigen Monatsmittelwerte ersichtlich, welche ein Maß für die stochastischen Unsicherheiten beim Downscalingverfahren darstellen (siehe oben). Es kann gesehen werden, daß diese Unsicherheiten beim Niederschlagsdonwscaling wesentlich größer sind als beim Temperaturdownscaling. Monatsmitteltemperatur - Gailtal Station Reisach (646m) 9 25 15 beo 10 hist 1co2 5 2co2 0 Jan Feb Mar Apr -5 -10 Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Mittlere N-Höhe [mm/Tag] 8 20 Monatsmitteltemperatur [°C] Mittl. Niederschlagshöhe - Gailtal Mittel aller Stationen 10 7 6 beo 5 hist 4 1co2 2co2 3 2 1 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Abbildung 0-3:Beobachtete und simulierte Monatswerte von Temperatur und Niederschlag im Gailtal Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Schneeverhältnisse Die hydrologischen Simulationen zeigten deutliche Veränderungen der Schneeverhältnisse im 2xCO2-Fall. Durch die Temperaturzunahme wird der Anteil des Schneefalls am Jahresniederschlag in allen Gebieten etwa um die Hälfte reduziert (im Enns- und Gailtal von derzeit ca. 400 mm auf ca. 200 mm, im Traisental von ca. 250 mm auf 130 mm). Die jährlichen Schneehöhenmaxima sowie die Tage mit geschlossener Schneedecke gehen in allen Höhenzonen deutlich zurück. Die Simulationsergebnisse zeigten generell eine Verschiebung der Schneeverhältnisse um etwa zwei Höhenzonen nach oben (entspricht ca. 600-900 m). Beispielhaft wurden in Abbildung 0-4 Ergebnisse der Simulationen im Ennstal dargestellt. Monatsmittelwerte Grad der Schneebedeckung Ennstal - Gebietsmittel SWW (mm) 300 250 BEOB 200 HIST 1xCO2 150 1xCO2 100 50 Grad der Schneebedeckung [%] Monatsmittelwerte Akkumulierter Schneewasserwert Ennstal - Gebietsmittel 100 80 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 60 40 20 0 Jan 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Nov Dez Abbildung 0-4: Für verschiedene Szenarien simulierte Monatsmittelwerte des akkumulierten Schneewasserwertes und des Grades der Schneebedeckung im Ennstal Verdunstung Für das 2xCO2-Szenario zeigte sich infolge der Temperaturzunahme auch eine starke Zunahme der Verdunstung in allen Einzugsgebieten. Die aktuelle Evapotranspiration nimmt dabei vor allem in den Frühjahrs- und Herbstmonaten stark zu. Besonders groß ist diese Zunahme der Verdunstung im 2xCO2-Fall im Ennstal wo sich ein mittlerer Anstieg um 140 mm ergab. (siehe Abbildung 0-5 links). Aber auch im Gailtal und Traisental, wo die Verdunstung unter den derzeitigen klimatischen Verhältnissen bereits relativ hoch ist, kommt es im 2xCO2-Fall zu einem weiteren Anstieg der Verdunstung (120 mm bzw. 100 mm). Mittlere Aktuelle Verdunstung Gebietswerte - Ennstal Mittl. monatl. Verdunstung [mm] 160 140 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 120 100 80 60 40 20 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Mittl. Monatliche Verdunstung [mm] Mittlere Aktuelle Verdunstung Gebietswerte - Traisental 160 140 120 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 100 80 60 40 20 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Abbildung 0-5:Für verschiedene Szenarien simulierte Monatsmittelwerte der aktuellen Evapotranspiration im Enns- und Traisental Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Abflußverhältnisse Als Folge der Veränderungen der Schnee- und Verdunstungsverhältnisse treten in allen Einzugsgebieten deutliche Verschiebungen im Abflußregime auf. Der Anstieg der jährlichen Verdunstung und der leichte Rückgang der Niederschläge führen zu einer entsprechenden Abnahme der mittleren jährlichen Abflußhöhen. Im Ennstal beträgt dieser Rückgang 185 mm, im Gailtal 170 mm und im Traisental ca. 110 mm. Infolge der Zunahme der flüssigen Niederschläge treten im Ennstal und Gailtal im Winter leichte Aufhöhungen der mittleren Monatsabflüsse auf. In den restlichen Monaten kommt es hingegen zu einem Rückgang des mittleren Abflusses und damit zu einer starken Vergleichmäßigung des Abflußgeschehens. Besonders stark ist der Abflußrückgang im 2xCO2-Fall durch die verminderte Schneeschmelze in den derzeit abflußstärksten Monaten Mai und Juni. Im Traisental kommt es ganzjährig zu einer Reduktion der mittleren Monatsabflüsse. Mittlerer Monatsabfluß - Traisental 200 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 180 160 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 Monatsabfluß [mm] Monatsabfluß [mm] Mittlerer Monatsabfluß - Gailtal BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 140 120 100 80 60 40 20 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Abbildung 0-6: Für verschieden Szenarien simulierte mittlere Monatsabflüsse am Pegel Federaun (Gailtal) und am Pegel Windpassing (Traisental) Jährliche Wasserbilanz In Abbildung 0-7 sind die oben beschriebenen Veränderungen in den Wasserbilanzgrößen der drei Flußeinzugsgebiete anhand der langjährigen Jahresmittelwerte dargestellt. BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 Niederschlag Niederschlag Verdunstung gesamt als Schnee Abfluß 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Mittlere Jahreswerte der Wasserbilanzgrößen Traisental BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 Niederschlag Niederschlag Verdunstung gesamt als Schnee Abfluß Jahressumme [mm] 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Mittlere Jahreswerte der Wasserbilanzgrößen Gailtal Jahressumme [mm] Jahressumme [mm] Mittlere Jahreswerte der Wasserbilanzgrößen Ennstal 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 Niederschlag Niederschlag Verdunstung gesamt als Schnee Abfluß Abbildung 0-7: Für verschiedene Szenarien simulierte Jahreswasserbilanzen des Ennstales (Pegel Liezen), des Gailtales (Pegel Federaun) und des Traisentales (Pegel Windpassing) Tagesabflüsse und Abflußextreme Die Analyse der Tagesabflußdaten zeigte, daß im 2xCO2-Fall vor allem die Häufigkeit von Mittelwässern und kleineren Hochwässern zurückgeht, was zu einer deutlichen Verflachung der Abflußdauerlinie führt. (Abbildung 0-8, links). Hinsichtlich der extremen Ereignisse ergaben die 2xCO2-Simulationen für alle Gebiete nur eine geringe Abnahme der Abflußspitzen, aber eine deutliche Verschiebung der Saisonalität. Unter den für zukünftige Klimabedingungen simulierten hydrologischen Verhältnissen treten Winterhochwässer wesentlich häufiger auf, während die Frühjahrs-, Sommer-, und Herbsthochwässer seltener werden. Auch bei der Niederwassersituation zeigt sich im 2xCO2-Fall eine Verschiebung der Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA saisonalen Auftrittshäufigkeit. Winter- und Frühjahrsniederwässer werden seltener. Im Sommer und Herbst nimmt die Niederwasserhäufigkeit deutlich zu. Generell muß festgehalten werden, daß mit den Downscalingdaten die aus beobachteten Daten ermittelten Extremwertverteilungen nur schlecht reproduziert werden konnten. Abbildung 0-8 (rechts) zeigt die für die verschiedenen Szenarien ermittelten Hochwasserhäufigkeiten nach Gumbel am Pegel Federaun (Federaun). Abflußdauerlinie - Gailtal HW-Wahrscheinlichkeit nach Gumbel - Gailtal 400 1000 900 300 BEOB 250 HIST 200 1xCO2 2xCO2 150 100 50 Mittlerer Tagesabfluß [m³/s] Mittl. Tagesabfluß 350 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0 0 100 200 300 Tage 1 2 5 10 30 50 100 Wiederkehrsintervall Tr [Jahre] Abbildung 0-8: Für verschiedene Szenarien berechnete Dauerlinie der Tagesabflüsse (links) und Gumbelverteilung der HW-Jahresreihen (rechts) am Pegel Federaun (Gailtal) Ergebnisse der Simulationen in den Flachlandregionen Niederschlags- und Temperaturverhältnisse Bei der Simulation der Niederschlags- und Temperaturverhältnisse ergaben sich im Marchfeld und Leibnitzer Feld ähnliche Veränderungen zwischen 1xCO2- und 2xCO2-Szenario wie in den anderen Gebieten. Der Anstieg der mittleren Jahrestemperatur beträgt knapp 4° C, wobei die Erwärmung im Sommer etwas stärker ist als in den Wintermonaten. Die Veränderungen im Niederschlagsverhalten sind dagegen relativ gering. Nur in den Sommermonaten August und September kommt es zu einer leichten Abnahme der mittleren Monatsniederschläge. Verglichen mit dem beobachteten Szenario wurden allerdings bei der Simulation (historischer und 1xCO2-Fall) die Niederschläge etwas überschätzt, was auf einen systematischen Fehler der Downscalingmodelle zurückzuführen ist. Bodenwasserhaushaltsgrößen Die systematischen Abweichungen zwischen beobachteten und mit dem Downscaling-Modell simulierten Niederschlägen führten teilweise auch in den Ergebnissen der Bodenwasserhaushaltsmodellierung zu deutlichen Differenzen zwischen den verschiedenen Validierungsszenarien. Aussagen über mögliche hydrologischen Auswirkungen einer Klimaänderung wurden daher in erster Linie anhand des Vergleich der 2xCO2-Daten mit den 1xCO2-Szenario bzw. dem historischen Szenario getroffen: Infolge des Temperaturanstiegs zeigte sich in beiden Gebieten während der gesamten Vegetationsperiode eine Zunahme der Interzeptionsverdunstung. Damit verbunden ist ein Rückgang der Niederschlagsinfiltration und eine Abnahme der Bodenfeuchte. Im Unterschied zum Leibnitzer Feld, wo auch die Transpiration ganzjährig erhöht ist, kommt es im Marchfeld im 2xCO2-Fall nur bis Mai zu einer erhöhten Transpiration. Die mittleren monatlichen Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Transpirationsraten im Sommer sind infolge der stärkeren Bodenaustrocknung deutlich geringer als im 1xCO2-Fall. In beiden Gebieten werden Perioden mit trockenen Bodenverhältnissen, vor allem im Sommer und Herbst häufiger und dauern auch länger an. Im Frühjahr treten Perioden mit starker Bodenaustrocknung aber auch im 2xCO2-Fall relativ selten auf. Für die mittlere jährliche Grundwasserneubildungsrate im Leibnitzer Feld (derzeit ca. 300 bis 400 mm pro Jahr) ergaben die 2xCO2-Simulationen eine Abnahme um ca. 100 mm, das entspricht einer Reduktion um etwa 25%. Im Marchfeld zeigten die Simulationsergebnisse einen Rückgang der mittlere jährlichen Grundwasserneubildungsrate von ca. 30 mm auf 15 mm. (50%). Jahre, in denen überhaupt keine Grundwasserneubildung stattfindet, treten im Marchfeld unter den für die Zukunft simulierten Klimaverhältnissen wesentlich häufiger auf. Abbildung 0-9 zeigt für beide Gebiete die Veränderungen der mittleren jährlichen Bodenwasserhaushaltsgrößen. Mittl. Jahresbilanz des Bodenwasserhaushalts - Obersiebenbrunn Mittlere Jahresbilanz des Bodenwasserhaushalts - Leibnitz 1000 900 900 800 800 700 700 600 500 400 300 200 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 Jahreswerte [mm] Jahreswerte [mm] 1000 600 500 BEOB HIST 1xCO2 2xCO2 400 300 200 100 100 0 g n e g mt ng ne un tu n atio esa ildu ch ns nst filtr ub gg du ls S rdu sin la rne ver ve ga e ch ag s l s s s n la r h h as tio de ti o n rsc rsc dw ep ira de Nie de un erz n sp Nie Gr Nie In t Tra 0 t ng ng ng ee am tion hn stu ildu es ns tu tra Sc du dun gg eub n fil a ls v er gsi ver h la ern s g c s s la n s n s la r io a tio s ch de s ch irat ep ndw der Nie der erz nsp Gru Nie Int Nie Tra Abbildung 0-9: Für verschiedene Szenarien simulierte mittlere Jahreswerte der Bodenwasserhaushaltsgrößen am Profil Obersiebenbrunn (Marchfeld) und am Profil Leibnitz (Leibnitzer Feld) 9.8 Auswirkungen auf die Nutzung der Einzugsgebiete Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft Die forstwirtschaftliche Nutzung ist vor allem in den montanen und subalpinen Regionen des Enns-, Gail- und Traisentales von Bedeutung. Infolge der Temperaturzunahme und der Abnahme von Schneebedeckung und Frosthäufigkeit kann im 2xCO2-Fall mit einer Verlängerung der Vergetationsperiode und einer Anhebung der Vegetationsgrenzen (langfristig auch der Baumgrenzen) gerechnet werden. Abgesehen von der verstärkten Bodenaustrocknung infolge der erhöhten Verdunstung, ergeben sich also für die Forstwirtschaft im 2xCO2-Fall durchaus günstige Bedingungen. Für den forstlichen Ertrag sind aber auch viele andere indirekt vom Klima abhängige Faktoren (z.B. die Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Artenzusammensetzung oder die Entwicklung von Schädlingen) maßgebend, welche im Rahmen dieser Studie nicht untersucht werden konnten. In den Flachlandregionen des Leibnitzer Feldes und des Marchfeldes ist vor allem die landwirtschaftliche Nutzung von Bedeutung. Infolge der Zunahme der Verdunstung zeigte sich hier im 2xCO2-Fall eine deutliche Zunahme der Perioden mit starker Bodenaustrocknung. Besonders kritisch sind diese Veränderungen im Marchfeld. Hier tritt im 2xCO2-Fall infolge der trockenen Bodenverhältnisse bereits ab Juni eine geringere Pflanzentranspiration auf als im 1xCO2-Fall. Es muß also davon ausgegangen werden, daß unter den für die Zukunft simulierten Klimabedingen vor allem bei den Spätkulturen häufiger Wasserstreß und in weiterer Folge auch Ernteeinbußen auftreten. Tourismus Die Veränderungen der Schneeverhältnisse, wie sie für den 2xCO2-Fall simuliert wurden, bedeuten gravierende Nachteile für den Skitourismus. Entsprechend den Berechnungen kommt es zu einer Verschiebung der derzeitigen mittleren Schneesituation um 600 bis 900 m nach oben. Unter solchen Bedingungen ergeben sich im Gailtal und im Ennstal für die Bereiche nahe des Talbodens vermutlich große Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung des Skibetriebes. Nur in der obersten Höhenzone (über 1700 m) kann mit dem Aufbau einer länger anhaltenden Schneedecke gerechnet werden. Für die relativ tief gelegenen Skigebiete des Traisentals ist unter den für die Zukunft simulierten Klimaverhältnissen ein wirtschaftlicher Skibetrieb kaum möglich. Ein leichter Rückgang der Sommerniederschläge, sowie wärmere und schneefreie Bedingungen im Frühjahr und Herbst, bedeuten für den Tourismus während der Sommersaison hingegen eher günstigere Bedingungen. Energieerzeugung Für den 2xCO2-Fall wurde in den verschiedenen Flußeinzugsgebieten ein Rückgang des jährlichen Abflußvolumens um 16% bis 18% simuliert. Damit verbunden ist auch eine Abnahme des Jahresarbeitsvermögens der in diesen Gebieten befindlichen Wasserkraftwerke. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß in den meist sehr hoch gelegenen Einzugsgebieten von Speicherkraftwerken, unter wärmeren Bedingungen die absolute Zunahme der Verdunstungshöhen weniger deutlich ausfällt. als in den Tallagen. Damit ist für diese Teileinzugsgebiete der Abflußrückgang sicher nicht so stark wie im hier betrachteten Gesamtgebiet. Aber auch für die weiter unten situierten Laufkraftwerke ergeben sich durch die starke Vergleichmäßigung des saisonalen Abflussgeschehens durchaus günstigere Betriebsbedinungen, welche den Nachteil des geringeren jährlichen Abflußvolumens zumindest teilweise kompensieren. Trink- und Nutzwasserversorgung In den untersuchten Flußeinzugsgebieten von Enns, Gail und Traisen kommt es zwar durch die Zunahme der Verdunstung zur einer etwas stärkeren Austrocknung der Boden- und Grundwasserspeicher, die Gebiete sind aber auch im 2xCO2-Fall relativ niederschlagsreich, sodaß bezüglich der Sicherheit der Wasserversorgung keine gravierenden Veränderungen zu erwarten sind. Anders stellt sich die Situation in den Flachlandregionen dar. Die Simulation des zukünftigen Klimaszenarios zeigt für diese Gebiete einen deutlichen Rückgang der Grundwasserneubildungsraten. Vor allem im Marchfeld, wo die 2xCO2-Simulationen eine Reduktion der bereits derzeit sehr geringen jährlichen Grundwasserneubildungsraten um mehr als die Hälfte ergab, ist mit einem starken Absinken des Grundwasserspiegels zu rechnen, falls nicht wasserwirtschaftliche Gegenmaßnahmen getroffen werden. Verschärfend wirkt hier Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA der Umstand, daß unter wärmeren Bedingungen sicher auch der Wasserbedarf für Bewässerungszwecke zunimmt. Hochwasserschutz und Niederwassersituation Die beobachteten Extremwerte von Niederschlag und Abfluß konnten durch die Modellsimulationen teilweise nur sehr unzureichend wiedergegeben werden Die hier getroffenen Aussagen über die Entwicklung der Abflußextreme unter den für die Zukunft simulierten Klimaverhältnissen sind daher mit entsprechend großen Unsicherheiten behaftet: In den Flußeinzugsgebieten zeigten die statistischen Analysen der Ergebnisse der 2xCO2Simulationen einen leichten Rückgang der Hochwässer. Im Ennstal und im Traisental sind die sehr extremen Ereignisse (30 bis 100 jährliches Hochwasser) aber nur unwesentlich kleiner als im 1xCO2-Fall. Im Gailtal fällt der Rückgang der extremen Hochwässer etwas deutlicher aus, aber auch hier liegen die Ergebnisse beider Szenarien in der gleichen Größenordnung, gravierende Veränderungen der Hochwasserverhältnisse treten nicht auf. Es kommt allerdings in allen Gebieten zu einer gewissen Verschiebung im saisonalen Auftreten von Hochwässern. Winterhochwässer werden häufiger, extreme Frühjahrs- und Sommerhochwässer treten seltener auf. Hinsichtlich der Niederwassersituation zeigt sich im 2xCO2-Fall eine Aufhöhung der Niederwässer im Winter und Frühjahr und eine Zunahme der Niederwasserhäufigkeit im Sommer und Herbst. Auswirkungen anderer Naturgefahren Über Veränderungen im Auftreten anderer Naturgefahren können aus den Modellsimulationen nur indirekte und damit sehr unsichere Aussagen getroffen werden. So könnte die Zunahme der flüssigen Niederschläge im 2xCO2-Fall mit einem häufigeren Auftreten von Muren verbunden sein. Der Rückgang der jährlichen Schneehöhenmaxima bedeutet möglicherweise auch eine Abnahme der Lawinengefahr. 9.9 Zukünftiger Forschungsbedarf In dieser Studie wurde gezeigt, daß ausgehend von den Ergebnissen der aktuellsten globalen Klimamodellrechnungen innerhalb des 21. Jahrhunderts in den verschiedenen Regionen Österreichs deutliche Veränderungen der klimatischen und hydrologischen Verhältnisse zu erwarten sind. Aus den Ergebnissen dieser Studie wird aber auch deutlich, daß die Abschätzungen der regionalen meteorologischen und hydrologischen Folgen einer großräumigen Klimaveränderungen mit relativ großen Unsicherheiten behaftet sind. Das trifft insbesondere auf den durch ein äußerst komplexes Wettergeschehen geprägten Alpenraum zu. Eine Intensivierung der Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Klima- und Klimafolgenforschung erscheint daher dringend notwendig. Aus Sicht der Hydrologie sind verstärkte Aktivitäten insbesondere in den folgenden Forschungsbereichen von großer Dringlichkeit: • • • • • • Modelle zur Kopplung des großräumigen und regionalen Wettergeschehens Analyse der Skalenabhängigkeit hydrometeorologischer Prozesse Zeit-räumliche Analyse der Niederschlagsprozesse im Alpenraum Räumlich verteilte Modellierung von Niederschlags- und Abflußprozessen Analyse von Extremereignissen und den Prozessen die zu ihrer Entstehung führen Analyse von kleinräumigen und regionalen Rückkoppelungen Die Klimafolgenforschung im Bereich der Wasserwirtschaft erfordert weiters eine fächerübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Gebieten der Meteorologie, der Hydrologie und anderen Disziplinen. Bestimmte Forschungsziele können nur durch die Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis HYD-KLIMA Abwicklung von interdisziplinären Projekten erreicht werden. Ein nationaler Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Klima- und Klimafolgenforschung, wie er in Österreich derzeit vorbereitet und in der Schweiz (NFP31) oder Bayern (KLIWA) bereits umgesetzt wurde, erscheint als Rahmen für entsprechende Forschungsprojekte dringend notwendig. Endbericht Teil III Inhaltsverzeichnis