Einführung in die Physik I Dynamik des Massenpunkts (4) O. von der Lühe und U. Landgraf Gravitation • • Die Gravitationswechselwirkung ist eine der fundamentalen Kräfte in der Physik Sie wirkt zwischen zwei Massen m1 und m2, die sich im Abstand r voneinander befinden, anziehend • Gefunden im Jahre 1665 von Sir Isaac Newton • Universelle Gravitationskonstante G • Zentralkraft Dynamik des Massenpunkts 4 m1 r m2 r m1 ⋅ m2 F = −G r2 r r ⋅ r G = 6.67 ⋅10 −11 [N m 2 kg -2 ] 2 Kraft F [N] 1 .10 8 1 .10 9 1 .10 10 1 .10 11 1 .10 12 1 .10 13 Gravitationskraft 1 kg 0.1 1 10 r 1 kg 100 Abstand r [m] Dynamik des Massenpunkts 4 3 Gravitationsbeschleunigung der Erde • • • Körper umkreisen die Erde auf annähernd kreisförmigen Bahnen (Kreisbewegung) Die in einem konstanten Abstand r vom Erdmittelpunkt ausgeübte Schwerkraft bewirkt eine konstante Beschleunigung aG, welche von der Zentripetalbeschleunigung aZ genau aufgehoben wird Die Beschleunigung nimmt mit zunehmenden Abstand ab Objekt Oberfläche Geostationärer Satellit Erdmond Abstand [km] Periode [s] aG aZ = ω 2 ⋅ r Kreisfrequenz [s-1] Beschleunigung [m s-2] 6.370 5.063 1.24 10-3 9.81 42.160 86.400 (1 Tag) 7.27 10-5 0.223 384.400 2.360.000 (27 Tage) 2.66 10-6 0.00273 Dynamik des Massenpunkts 4 4 Gravitationsbeschleunigung der Erde 100 Erdoberfläche Beschleunigung a [m s^-2] 10 Geostationärer Satellit 1 0.1 0.01 1 .10 Mond 3 1 .10 3 1 .10 4 1 .10 5 1 .10 6 Abstand vom Erdmittelpunkt [km] Dynamik des Massenpunkts 4 5 Eigenschaften der Gravitation • • • • Nach bisherigen Erkenntnissen gilt das 1/r2 – Abstandsgesetz über einen Bereich von wenigen Metern bis zu kosmischen Distanzen Die Newton‘sche Theorie der Gravitation ist 1916 von Albert Einstein im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie erheblich erweitert worden – geringe Abhängigkeit von Relativgeschwindigkeit und Rotation in Extremfällen Es sind keine Stoffe bekannt, die Gravitation „abschirmen“ können Die Gravitation ist die schwächste der physikalischen Fundamentalkräfte – Die elektrostatische Anziehung zwischen Protonen und Elektronen ist 1040 größer als ihre Schwerkraft • • Die Gravitation wirkt aber ausschließlich anziehend (keine „negativen“ Massen) und kann daher nicht neutralisiert werden Die Gravitation ist daher die stärkste Kraft, die über kosmische Distanzen wirkt Dynamik des Massenpunkts 4 6 Gravitationsfeld und Potential • Eine Masse m gibt Anlass zu einem Gravitationskraftfeld, welches mit einer „Probemasse“ mp untersucht werden kann m r r Gm r Fp = − m p ⋅ 2 ⋅ r r • Feldstärke g des Gravitationsfeldes • Wegen des Äquivalenzprinzips (träge Masse = schwere Masse) ist die Feldstärke unabhängig vom Probekörper Dynamik des Massenpunkts 4 mp r r Gm r g=− 2 ⋅ r r 7 Gravitationsfeld und Potential • Das Gravitationsfeld einer Punktmasse ist konservativ – es gibt ein Potential – Für sehr große Entfernungen wird das Potential konstant • Vereinbarung: Nullpunkt der potentiellen Energie einer Probemasse mp ist im Unendlichen – Kraft wird im Unendlichen Null – Potentielle Energie ist für endliche Abstände negativ • Potential ϕ(r) • Feldstärken Dynamik des Massenpunkts 4 r r r Epot (r ) = − ∫ F (r ′) dr ′ r ∞ r Gm = m p ⋅ ∫ 2 dr ′ r′ ∞ Gm = − mp ⋅ r′ ϕ (r ) = − Gm r r r r F (r ) = − ∇Epot (r ) r r r g (r ) = − ∇ϕ (r ) 8 Gezeiten • • Punktmassen sind eine Idealisierung, reale Massenverteilungen ausgedehnt Gravitationsfeld wird dadurch komplexer, aber – immer konservativ – es gibt immer ein Potential • Ausgedehnte Körper erfahren in einem Gravitationsfeld Gezeitenkräfte ⎛ 1 1 ⎞ G ⋅ mMond ⎟= aGez = G ⋅ mMond ⎜⎜ − 2 2 ⎟ 2 r r ( ) r r ± M M ⎝ M E ⎠ ≈ G ⋅ mMond rM2 Dynamik des Massenpunkts 4 ⎛ ⎜ ⎜ 1 ⎜ rE ⎜⎛ ⎜ 1 ± ⎜⎜ r M ⎝⎝ ⎛ ⎞ r G ⋅ mMond ⋅ rE ⎜⎜1 m 2 E − 1⎟⎟ = m 2 rM rM3 ⎝ ⎠ Gerthsen Physik ⎞ ⎟⎟ ⎠ 2 9 ⎞ ⎟ ⎟ − 1⎟ ⎟ ⎟ ⎠ Planetenbahnen • • • • Die Bewegung zweier Massen im gemeinsamen Gravitationsfeld kann mathematisch geschlossen beschrieben werden („Zweikörperproblem“) Das beste Beispiel für ein Zweikörperproblem stellt der Umlauf eines Planeten um die Sonne dar. Dabei kann der Einfluss der Schwerkraft anderer Planeten zunächst vernachlässigt werden Johannes Kepler (1571-1630) hat mithilfe umfangreicher Beobachtungen von Tycho Brahe die drei Keplerschen Gesetze (1609 und 1619), welche die Dynamik der Planeten umfassend beschreiben Isaac Newton formulierte später (1687) die Axiome der Mechanik und das Gravitationsgesetz, welche eine Verallgemeinerung der keplerschen Gesetze darstellen Dynamik des Massenpunkts 4 10 Planetenbahnen • • • 1. Keplersches Gesetz: „Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen. Die Sonne befindet sich in einem der Brennpunkte.“ 2. Keplersches Gesetz: „Die Verbindungslinie Sonne-Planet überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.“ 3. Keplersches Gesetz: „Die Quadrate der Umlaufzeiten verschiedener Planeten verhalten sich wie die Kuben ihrer großen Bahnachsen.“ • Das 2. Keplersche Gesetz ist eine direkte Folge der Erhaltung des Drehimpulses • Das 1. und 3. Keplersche Gesetz folgen aus der Eigenschaft der Gravitation, eine Zentralkraft mit einem 1/r2 – Abstandsgesetz zu sein Dynamik des Massenpunkts 4 11 Planetenbahnen – Ellipsen • Ellipsen b – Große Halbachse a, kleine Halbachse b – Abstand Mittelpunkt-Brennpunkt e – Exzentrizität ε a ϕ r • • • Wähle den Brennpunkt, in dem sich die Sonne befindet, als Ursprung des Koordinatensystems Die Bewegung findet in einer Ebene statt, die senkrecht zum Drehimpulsvektor steht Darstellung in Polarkoordinaten (r,ϕ), welche dem Problem besser angepasst sind Dynamik des Massenpunkts 4 e r‘ e2 = a 2 − b2 e ε = a r + r ′ = 2a (Definition) b2 r= a(1 − ε cos ϕ ) 12 Planetenbahnen – 2. Keplersches Gesetz r ⎛r⎞ • Ort des Planeten: r = ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝ϕ ⎠ • Geschwindigkeit r ⎛ vr ⎞ ⎛ r& ⎞ v = ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎟⎟ des Planeten: ⎝ vϕ ⎠ ⎝ rϕ& ⎠ • Drehimpulsbetrag: • In der Zeit Δt von der Verbindungslinie überstrichene Fläche (Δt klein) ϕ r v L = m ⋅ r ⋅ vϕ = m ⋅ r 2 ⋅ ϕ& = konstant t + Δt r r 1 r r 1 r ∫t m r × v dt ′ ≈ 2 m r × v ⋅ Δt = 2 L ⋅ Δt A 1 r = L = konstant Δt 2 1 A= 2 Dynamik des Massenpunkts 4 13 Planetenbahnen • Man kann zeigen, dass Lösungen für die Bewegungen im Gravitationsfeld (einer Punktmasse) Kegelschnitte sind • Allgemeiner Zusammenhang zwischen r und ϕ • r= p 1 + e cos ϕ p Parabel Art der Bahn: – – – – Kreis: e = 0, p=a=r Ellipse: 0 < e < 1, p = b2/a Parabel: e = 1, p bestimmt Öffnung Hyperbel: e > 1, p = b2/a a b Dynamik des Massenpunkts 4 Hyperbel 14 Planetenbahnen • • • Gesamtenergie E (kinetische plus potentielle Energie) bleibt erhalten Potentielle Energie ist immer negativ Gesamtenergie E < 0: – – – – • Kreisbahnen (hoher Drehimpuls) Elliptische Bahnen Bahnen sind geschlossen Planeten, Monde Gesamtenergie E = 0 E = EKin + EPot E>0 E=0 EPot = − G E<0 – Parabelbahnen – Kometen • Gesamtenergie E > 0 – Hyperbelbahnen – Kometen Dynamik des Massenpunkts 4 0 r 15 m r Planetenbahnen – 3. Keplersches Gesetz • Die Bahnen der Planeten sind in guter Näherung Kreisbahnen – Exzentrizität ε ≤ 0.05 für alle Planeten außer Merkur • Gravitationsbeschleunigung unabhängig von Planetenmassen mSonne aG = − G 2 rPlanet 2 aZ = − ωPlanet rPlanet 2 – alle kleiner als 0.001 mSonne • • Gravitationsbeschleunigung aG und Zentripetalbeschleunigung aZ sind gleich groß Das Verhältnis von Quadrat der Umlaufzeit TPlanet und der dritten Potenz des Radius der Planetenbahn rPlanet hängt nur von konstanten Größen ab Dynamik des Massenpunkts 4 ⎛ 2π ⎞ ⎟⎟ rPlanet = ⎜⎜ ⎝ TPlanet ⎠ 2 ⎛ 2π ⎞ mSonne ⎜ ⎟ rPlanet = − G 2 −⎜ ⎟ rPlanet ⎝ TPlanet ⎠ 2 TPlanet 4π 2 = 3 = konstant G ⋅ mSonne rPlanet 16 Dynamik des Massenpunkts 4 17